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Zitiert durch:
BVerfGE 157, 223 - Berliner Mietendeckel
BVerfGE 153, 182 - Zuizidhilfe
BVerfGE 149, 160 - Vereinsverbote


Zitiert selbst:
BVerfGE 142, 123 - OMT-Programm
BVerfGE 137, 273 - Katholischer Chefarzt
BVerfGE 135, 317 - ESM-Vertrag
BVerfGE 135, 259 - Drei-Prozent-Sperrklausel Europawahl
BVerfGE 134, 141 - Beobachtung von Abgeordneten
BVerfGE 133, 168 - Verständigungsgesetz
BVerfGE 129, 300 - Fünf-Prozent-Sperrklausel EuWG
BVerfGE 129, 124 - EFS
BVerfGE 128, 326 - EGMR Sicherungsverwahrung
BVerfGE 124, 300 - Rudolf Heß Gedenkfeier
BVerfGE 123, 267 - Lissabon
BVerfGE 122, 248 - Rügeverkümmerung
BVerfGE 121, 30 - Parteibeteilung an Rundunkunternehmen
BVerfGE 115, 118 - Luftsicherheitsgesetz
BVerfGE 113, 63 - Junge Freiheit
BVerfGE 113, 29 - Anwaltsdaten
BVerfGE 110, 226 - Geldwäsche
BVerfGE 109, 279 - Großer Lauschangriff
BVerfGE 107, 339 - NPD-Verbotsverfahren
BVerfGE 107, 275 - Schockwerbung II
BVerfGE 107, 59 - Lippeverband
BVerfGE 105, 135 - Vermögensstrafe
BVerfGE 104, 310 - Pofalla II
BVerfGE 101, 106 - Akteneinsichtsrecht
BVerfGE 96, 375 - Kind als Schaden
BVerfGE 96, 66 - Auslagenerstattung Hamburger Organstreit
BVerfGE 93, 37 - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein
BVerfGE 91, 276 - Parteienbegriff II
BVerfGE 91, 262 - Parteienbegriff I
BVerfGE 89, 155 - Maastricht
BVerfGE 87, 209 - Tanz der Teufel
BVerfGE 84, 25 - Schacht Konrad
BVerfGE 83, 60 - Ausländerwahlrecht II
BVerfGE 83, 37 - Ausländerwahlrecht I
BVerfGE 81, 310 - Kalkar II
BVerfGE 80, 244 - Vereinsverbot
BVerfGE 79, 311 - Staatsverschuldung
BVerfGE 77, 137 - Teso
BVerfGE 77, 65 - Beschlagnahme von Filmmaterial
BVerfGE 77, 1 - Neue Heimat
BVerfGE 73, 40 - 3. Parteispenden-Urteil
BVerfGE 69, 315 - Brokdorf
BVerfGE 64, 261 - Hafturlaub
BVerfGE 62, 1 - Bundestagsauflösung I
BVerfGE 59, 128 - Bekenntnis zum deutschen Volkstum
BVerfGE 57, 250 - V-Mann
BVerfGE 52, 95 - Schleswig-Holsteinische Ämter
BVerfGE 49, 286 - Transsexuelle I
BVerfGE 49, 70 - Untersuchungsgegenstand
BVerfGE 49, 24 - Kontaktsperre-Gesetz
BVerfGE 47, 253 - Gemeindeparlamente
BVerfGE 47, 198 - Wahlwerbesendungen
BVerfGE 47, 130 - KBW-Werbung
BVerfGE 45, 187 - Lebenslange Freiheitsstrafe
BVerfGE 44, 353 - Durchsuchung Drogenberatungsstelle
BVerfGE 44, 125 - Öffentlichkeitsarbeit
BVerfGE 40, 287 - Verfassungsschutzbericht
BVerfGE 39, 334 - Extremistenbeschluß
BVerfGE 38, 258 - Magistratsverfassung Schleswig-Holstein
BVerfGE 38, 105 - Rechtsbeistand
BVerfGE 35, 263 - Behördliches Beschwerderecht
BVerfGE 35, 202 - Lebach
BVerfGE 30, 1 - Abhörurteil
BVerfGE 28, 36 - Zitiergebot
BVerfGE 27, 195 - Anerkannte Privatschulen
BVerfGE 27, 1 - Mikrozensus
BVerfGE 25, 44 - Durchsetzung von Parteiverboten
BVerfGE 20, 119 - Politische Bildung
BVerfGE 20, 56 - Parteienfinanzierung I
BVerfGE 12, 296 - Parteienprivileg
BVerfGE 12, 45 - Kriegsdienstverweigerung I
BVerfGE 11, 126 - Nachkonstitutioneller Bestätigungswille
BVerfGE 10, 234 - Platow-Amnestie
BVerfGE 9, 162 - Hochverrat ohne Parteienverbot
BVerfGE 7, 198 - Lüth
BVerfGE 6, 32 - Elfes
BVerfGE 5, 85 - KPD-Verbot
BVerfGE 2, 1 - SRP-Verbot
BVerfGE 1, 299 - Wohnungsbauförderung
BVerfGE 1, 208 - 7,5%-Sperrklausel
BVerfGE 1, 144 - Geschäftsordnungsautonomie


A.
I.
1. Die Antragsgegnerin wurde am 28. November 1964 als Sammlungsbe ...
2. Die Mitgliederzahl der Antragsgegnerin, die 1969 mit 28.000 ih ...
3. Die Antragsgegnerin ist in (sechzehn) Landesverbände sowi ...
4. Mit den 1969 gegründeten "Jungen Nationaldemokraten" (JN) ...
5. Der Rechenschaftsbericht für das Jahr 2013 weist 488.859, ...
6. Die von der Antragsgegnerin gegründete "Deutsche Stimme V ...
II.
III.
1. Der Antrag sei zulässig. Verfahrenshindernisse lägen ...
2. Der Antrag sei nach Art.  21 Abs.  2 Satz 1 Alt. 1 G ...
IV.
1. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2013 hat die Antragsgegnerin  ...
2. Mit Beschluss vom 28. Januar 2014 (BVerfGE 135, 234) hat der S ...
V.
1. Zur Begründung ihrer Anträge führt die Antragsg ...
2. Das Verfahren sei jedenfalls einzustellen, weil mindestens dre ...
3. Höchst hilfsweise sei das Verbotsverfahren auszusetzen, b ...
VI.
1. Die vorgelegten Verfahrensvollmachten genügten den Voraus ...
2. Es werde daran festgehalten, dass die Führungsgremien der ...
3. Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Aussetzungsantrags vert ...
VII.
2. Mit Berichterstatterschreiben vom selben Tag wurde der Antrags ...
VIII.
1. Zu Ziffer III.1. des Hinweisbeschlusses hat der Antragsteller  ...
2. Anlässlich des Beschlusses des Antragstellers zur Einleit ...
3. a) Zu Ziffer III.3. des Hinweisbeschlusses hat der Antragstell ...
4. a) Zu Ziffer III.4. des Hinweisbeschlusses hat der Antragstell ...
IX.
1. Nach ihrer Auffassung erweise sich der Vortrag des Antragstell ...
2. Der Vortrag des Antragstellers sei auch nicht zum Beweis der B ...
3. Der Vortrag des Antragstellers bestätige ferner den Verda ...
X.
1. Hinsichtlich der im Berichterstatterschreiben vom 19. Mär ...
2. Hinsichtlich der im Berichterstatterschreiben vom 19. Mär ...
XI.
1. Der Senat hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2015 gemä&szl ...
2. Bereits mit Schriftsatz vom 26. Januar 2016 hatte der Verfahre ...
XII.
1. Der Verbotsantrag sei nicht nur mangels ordnungsgemä&szli ...
2. Der Antrag sei zudem unbegründet. ...
XIII.
1. Unmittelbar vor Beginn der mündlichen Verhandlung hat die ...
2. In der mündlichen Verhandlung vom 1., 2. und 3. März ...
3. a) Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung  ...
4. Die Antragsgegnerin hat außerdem zwei eidesstattliche Ve ...
XIV.
1. Mit Schriftsatz vom 22. März 2016 hat der Antragsteller d ...
2. Mit Schriftsatz vom 11. April 2016 hat die Antragsgegnerin zur ...
3. Mit Schriftsatz vom 27. April 2016 hat der Antragsteller auf d ...
4. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2016 hat die Antragsgegnerin zu den ...
5. Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2016 hat die Antragsgegnerin auf d ...
6. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2016 hat die Antragsgegnerin die  ...
XV.
B.
I.
II.
1. Ein zur Verfahrenseinstellung führendes Hindernis kommt l ...
2. Nach diesen Maßgaben ist ein zur Einstellung des Verbots ...
III.
IV.
1. Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers sind wi ...
2. Eine Unzulässigkeit des Antrags ergibt sich entgegen der  ...
3. Die Unzulässigkeit des Verbotsantrags folgt schließ ...
C.
I.
1. a) Mit Art.  21 GG wurde den politischen Parteien erstmal ...
2. Dieses Konzept des Schutzes der Freiheit durch eine Beschr&aum ...
3. Die durch Art.  146 GG eröffnete Möglichkeit ei ...
4. Eine Unanwendbarkeit von Art.  21 Abs.  2 GG kann au ...
5. Unzutreffend ist schließlich auch die Auffassung der Ant ...
6. Bei der Auslegung von Art.  21 Abs.  2 GG ist den ve ...
II.
1. Der Begriff der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" i ...
2. Zweite Voraussetzung für die Feststellung der Verfassungs ...
3. Dass eine Partei die Beseitigung oder Beeinträchtigung de ...
4. Eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerich ...
5. Neben den dargestellten Voraussetzungen eines Parteiverbots is ...
III.
1. Da es in der EMRK an einer speziellen Regelung der Rechte poli ...
2. Hinter diesen durch den EGMR aus Art.  11 Abs.  2 EM ...
IV.
1. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, Art.  2 EUV, ...
2. a) Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes hat indes b ...
D.
I.
1. Das politische Konzept der Antragsgegnerin ist mit der Garanti ...
2. Die Antragsgegnerin missachtet die freiheitliche demokratische ...
3. Bei der Antragsgegnerin liegt eine Wesensverwandtschaft mit de ...
4. Nach alledem zielt die Antragsgegnerin auf eine Ersetzung der  ...
II.
1. Die Antragsgegnerin arbeitet im Rahmen ihrer organisatorischen ...
2. Auch wenn die Antragsgegnerin sich nach alledem zu ihren verfa ...
E.
F.
Bearbeitung, zuletzt am 02.08.2022, durch: Sibylle Perler, A. Tschentscher
BVerfGE 144, 20 (20)1. Das Parteiverbot nach Art.  21 Abs.  2 GG stellt die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar. Es soll den Risiken begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsfeindlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen.
 
2. Das Gebot der Staatsfreiheit politischer Parteien und der Grundsatz des fairen Verfahrens sind für die Durchführung des Verbotsverfahrens unabdingbar.
 
a) Die Tätigkeit von V-Leuten und Verdeckten Ermittlern auf den Führungsebenen einer Partei während eines gegen diese laufenden Verbotsverfahrens ist mit dem Gebot strikter Staatsfreiheit nicht vereinbar.
 
b) Gleiches gilt, soweit die Begründung eines Verbotsantrages auf Beweismaterialien gestützt wird, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder Verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist.
 
c) Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet, dass die Beobachtung einer Partei während eines laufenden Verbotsverfahrens durch den Verfassungsschutz nicht dem Ausspähen ihrer Prozessstrategie dient und dass im Rahmen der Beobachtung erlangte Informationen über die Prozessstrategie im Verfahren nicht zulasten der Partei verwendet werden.
 
d) Ein zur Verfahrenseinstellung führendes Hindernis kommt lediglich als ultima ratio möglicher Rechtsfolgen von Verfassungsverstößen in Betracht. Zur Feststellung des Vorliegens eines unbehebbaren Verfahrenshindernisses bedarf es einer Abwägung zwischen den rechtsstaatlichen Verfahrensanforderungen einerseits und dem Präventionszweck dieses Verfahrens andererseits.
 
3. Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art.  21 Abs.  2 GG umfasst nur jene zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind.BVerfGE 144, 20 (20)
 
BVerfGE 144, 20 (21)a) Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen (Art.  1 Abs.  1 GG). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit.
 
b) Ferner ist das Demokratieprinzip konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Unverzichtbar für ein demokratisches System sind die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk (Art.  20 Abs.  1 und 2 GG).
 
c) Für den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind schließlich die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art.  20 Abs.  3 GG) und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte bestimmend. Zugleich erfordert die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Einzelnen, dass die Anwendung physischer Gewalt den gebundenen und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden staatlichen Organen vorbehalten ist.
 
4. Der Begriff des Beseitigens der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bezeichnet die Abschaffung zumindest eines ihrer Wesenselemente oder deren Ersetzung durch eine andere Verfassungsordnung oder ein anderes Regierungssystem. Von einem Beeinträchtigen ist auszugehen, wenn eine Partei nach ihrem politischen Konzept mit hinreichender Intensität eine spürbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewirkt.
 
5. Dass eine Partei die Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt, muss sich aus ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger ergeben.
 
a) Die Ziele einer Partei sind der Inbegriff dessen, was eine Partei politisch anstrebt.
 
b) Anhänger sind alle Personen, die sich für eine Partei einsetzen und sich zu ihr bekennen, auch wenn sie nicht Mitglied der Partei sind.
 
c) Zuzurechnen ist einer Partei zunächst einmal die Tätigkeit ihrer Organe, besonders der Parteiführung und leitender Funktionäre. Bei Äußerungen oder Handlungen einfacher Mitglieder ist eine Zurechnung nur möglich, wenn diese in einem politischen Kontext stehen und die Partei sie gebilligt oder geduldet hat. Bei Anhängern, die nicht der Partei angehören, ist grundsätzlich eine Beeinflussung oder Billigung ihres Verhaltens durch die Partei notwendige Bedingung für die Zurechenbarkeit. Eine pauschale Zurechnung von Straf- und Gewalttaten ohne konkreten Zurechnungszusammenhang kommt nicht in Betracht. Der Grundsatz der Indemnität schließt eine Zurechnung parlamentarischer Äußerung nicht aus.BVerfGE 144, 20 (21)
 
BVerfGE 144, 20 (22)6. Eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung einer Partei reicht für die Anordnung eines Parteiverbots nicht aus. Vielmehr muss die Partei auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung "ausgehen".
 
a) Ein solches "Ausgehen" setzt begriffiich ein aktives Handeln voraus. Das Parteiverbot ist kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot. Notwendig ist ein Überschreiten der Schwelle zur Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die Partei.
 
b) Es muss ein planvolles Vorgehen gegeben sein, das im Sinne einer qualifizierten Vorbereitungshandlung auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder auf die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist.
 
c) Dass dadurch eine konkrete Gefahr für die durch Art.  21 Abs.  2 GG geschützten Rechtsgüter begründet wird, ist nicht erforderlich. Allerdings bedarf es konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die einen Erfolg des gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Handelns zumindest möglich erscheinen lassen.
 
d) Die Anwendung von Gewalt ist bereits für sich genommen hinreichend gewichtig, um die Annahme der Möglichkeit erfolgreichen Agierens gegen die Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 GG zu rechtfertigen. Gleiches gilt, wenn eine Partei in regional begrenzten Räumen eine "Atmosphäre der Angst" herbeiführt, die geeignet ist, die freie und gleichberechtigte Beteiligung aller am Prozess der politischen Willensbildung nachhaltig zu beeinträchtigen.
 
7. Für die Annahme ungeschriebener Tatbestandsmerkmale ist im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 GG kein Raum.
 
a) Die Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus rechtfertigt für sich genommen die Anordnung eines Parteiverbots nicht. Allerdings kommt ihr erhebliche indizielle Bedeutung hinsichtlich der Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele zu.
 
b) Einer gesonderten Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedarf es nicht.
 
8. Die dargelegten Anforderungen an die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei sind mit den Vorgaben, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung zu Parteiverboten aus der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) abgeleitet hat, vereinbar.
 
9. Nach diesen Maßstäben ist der Verbotsantrag unbegründet:
 
a) Die Antragsgegnerin strebt nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischenBVerfGE 144, 20 (22) BVerfGE 144, 20 (23)Grundordnung an. Sie zielt auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen "Volksgemeinschaft" ausgerichteten autoritären "Nationalstaat". Dieses politische Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die der ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören, und ist mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar.
 
b) Die Antragsgegnerin arbeitet planvoll und qualifiziert auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin.
 
c) Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt.
 
 
Urteil
 
des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1., 2. und 3. März 2016
 
-- 2 BvB 1/13 --  
in dem Verfahren über die Anträge 1. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands einschließlich ihrer Teilorganisationen Junge Nationaldemokraten, Ring Nationaler Frauen und Kommunalpolitische Vereinigung ist verfassungswidrig. 2. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands einschließlich ihrer Teilorganisationen Junge Nationaldemokraten, Ring Nationaler Frauen und Kommunalpolitische Vereinigung wird aufgelöst. 3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Nationaldemokratische Partei Deutschlands einschließlich ihrer Teilorganisationen Junge Nationaldemokraten, Ring Nationaler Frauen und Kommunalpolitische Vereinigung zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen. 4. Das Vermögen der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands einschließlich ihrer Teilorganisationen Junge Nationaldemokraten, Ring Nationaler Frauen und Kommunalpolitische Vereinigung wird zugunsten der Bundesrepublik Deutschland für gemeinnützige Zwecke eingezogen, Antragsteller: Bundesrat, vertreten durch den Präsidenten des Bundesrates, Leipziger Straße 3 -- 4, 10117 Berlin, -- Bevollmächtigte: 1. Prof. Dr. Christoph Möllers, c/o Bundesrat, Leipziger Straße 3--4, 10117 Berlin, 2. Prof. Dr. Christian Waldhoff, c/o Bundesrat, Leipziger Straße 3--4, 10117 Berlin, 3. Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Alexander Ignor, c/o Bundesrat, Leipziger Straße 3--4, 10117 Berlin -- Antragsgegnerin: Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), vertreten durch den Bundesvorsitzenden Frank Franz, Seelenbinderstraße 42, 12555 Berlin, -- Bevollmächtigte: 1. Rechtsanwalt Peter Richter, LL.M., Birkenstraße 5, 66121 Saarbrücken, 2. Rechtsanwalt Michael Andrejewski, Pasewalker Straße 36, 17389 Hansestadt Anklam.
 
 
BVerfGE 144, 20 (23)BVerfGE 144, 20 (24)Entscheidungsformel:
 
1. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Einstellung des Verfahrens wegen des Vorliegens unbehebbarer Verfahrenshindernisse, hilfsweise auf Aussetzung des Verfahrens, bis der vom Deutschen Bundestag am 20. März 2014 eingesetzte Untersuchungsausschuss zur NSA-Abhör-Affäre seinen Abschlussbericht vorgelegt hat, wird zurückgewiesen.
 
2. Die Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.
 
3. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
 
 
BVerfGE 144, 20 (47)Gründe:
 
 
A.
 
Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag des Bundesrates auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) gemäß Art.  21 Abs.  2 GG, Art.  93 Abs.  1 Nr.  5 GG, § 13 Nr.  2, §§ 43 ff. BVerfGG.
I.
 
1. Die Antragsgegnerin wurde am 28. November 1964 als Sammlungsbewegung nationaldemokratischer Kräfte gegründet. Schon im September 1965 verfügte sie über eine annähernd flächendeckende Parteiorganisation in der Bundesrepublik Deutschland und zog zwischen 1966 und 1968 mit Wahlergebnissen zwischen 5,8% und 9,8% der abgegebenen gültigen Stimmen und insgesamt 61 Abgeordneten in die Landtage von Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ein. 1969 scheiterte sie bei der Bundestagswahl mit einem Zweitstimmenanteil von 4,3% an der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Danach konnte die Antragsgegnerin in einem Zeitraum von 35 Jahren bei Landtags- oder Bundestagswahlen kein Mandat mehr erringen.
Erst 2004 zog sie bei der Landtagswahl in Sachsen mit einem Wahlergebnis von 9,2% der abgegebenen gültigen Stimmen wieder in einen Landtag ein. 2006 gelang ihr dies mit 7,3% der abgegebenen gültigen Stimmen auch in Mecklenburg-Vorpommern. In beide Landtage konnte sie trotz Stimmenverlusten bei der jeweilsBVerfGE 144, 20 (47) BVerfGE 144, 20 (48)nachfolgenden Landtagswahl erneut einziehen (mit einem Wahlergebnis in Sachsen im Jahr 2009 von 5,6% und in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2011 von 6,0% der abgegebenen gültigen Stimmen). Aufgrund des Wegfalls der Sperrklausel für die Wahl zum Europäischen Parlament zog die Antragsgegnerin 2014 mit einem Wahlergebnis von 1,0% der abgegebenen gültigen Stimmen mit dem Abgeordneten Udo Voigt in das Europäische Parlament ein.
Gegenwärtig ist die Antragsgegnerin in keinem Parlament auf Bundes- oder Landesebene vertreten. Bei der Bundestagswahl 2013 erreichte sie einen Zweitstimmenanteil von 1,3%. In Sachsen verpasste sie bei der Landtagswahl 2014 mit 4,9% der abgegebenen gültigen Stimmen, in Mecklenburg-Vorpommern bei der Landtagswahl 2016 mit einem Zweitstimmenanteil von 3,0% knapp den Wiedereinzug in den Landtag. Die Wahlergebnisse der Antragsgegnerin lagen bei der jeweils letzten Landtagswahl in den alten Bundesländern zwischen 0,2% (Bremen) und 1,2% (Saarland) und in den neuen Bundesländern zwischen 1,9% (Sachsen-Anhalt) und 4,9% (Sachsen).
Auf kommunaler Ebene verfügt die Antragsgegnerin nach unwidersprochenen Angaben des Antragstellers seit den Kommunalwahlen 2014 über 367 Mandate, vor allem in den neuen Ländern (vgl. zu den Wahlergebnissen Rn. 904 ff.).
2. Die Mitgliederzahl der Antragsgegnerin, die 1969 mit 28.000 ihren Höchststand erreicht hatte, sank in den folgenden Jahren zunächst stetig; 1996 verfügte sie nach eigenen Angaben nur noch über 3.240 Mitglieder. Mit der Wahl von Udo Voigt 1996 zum Parteivorsitzenden stieg die Mitgliederzahl wieder an und erreichte 2007 einen (neuen) Höchststand von 7.014 Mitgliedern. Danach fiel der Mitgliederbestand erneut auf 5.048 Mitglieder zum 31. Dezember 2013. Der Parteivorsitzende Frank Franz erklärte beim Bundesparteitag im November 2015 in Weinheim jedoch, dass erstmals seit Jahren wieder ein Mitgliederzuwachs zu verzeichnen sei. In der mündlichen Verhandlung konkretisierte er dies durch die Angabe einer Steigungsrate von 8% im Vergleich zum Vorjahr.BVerfGE 144, 20 (48)
BVerfGE 144, 20 (49)3. Die Antragsgegnerin ist in (sechzehn) Landesverbände sowie Bezirks- und Kreisverbände gegliedert. Der Bundesparteitag ist nach § 6 Abs.  1 Sätze 1 und 2 der Satzung (Stand: 21./22. November 2015) das "oberste Organ der NPD. Er bestimmt die politische Zielsetzung und tritt mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr zu einer ordentlichen Tagung zusammen." Die "politische und organisatorische Führung der NPD" obliegt gemäß § 7 Abs.  1 Satz 1 der Satzung dem Parteivorstand.
4. Mit den 1969 gegründeten "Jungen Nationaldemokraten" (JN) verfügt die Antragsgegnerin über eine eigene Jugendorganisation, die im Jahr 2012 etwa 350 Mitglieder hatte. Bereits 1966 wurde der "Nationaldemokratische Hochschulbund e.V." (NHB) als Unterorganisation der Antragsgegnerin gegründet, der hochschulpolitisch mittlerweile aber nicht mehr in Erscheinung tritt. 2003 gründete sich die "Kommunalpolitische Vereinigung der NPD" (KPV) als bundesweite Interessenvertretung der kommunalen Mandatsträger, 2006 der "Ring Nationaler Frauen" (RNF), der sich als "Sprachrohr und Ansprechpartner für alle nationalen Frauen, unabhängig von einer Parteimitgliedschaft" versteht und 2012 rund 100 Mitglieder hatte. Die (Bundes-)Vorsitzenden der Vereinigungen gehören nach § 7 Abs.  3 Satz 1 der NPD-Satzung (Stand: 21./22. November 2015) kraft Amtes dem Parteivorstand der NPD an, "soweit sie Mitglieder der NPD sind".
5. Der Rechenschaftsbericht für das Jahr 2013 weist 488.859,96 Euro (2014: 459.157,77 Euro) Mitgliedsbeiträge und knapp 804.000,-- Euro (2014: 866.000,-- Euro) Spenden aus; zusammen entspricht dies ungefähr 43,4% (2014: 43,6%) der Gesamteinnahmen der Partei (vgl. BTDrucks 18/4301, S. 109; BTDrucks 18/8475, S. 109).
6. Die von der Antragsgegnerin gegründete "Deutsche Stimme Verlags GmbH" verlegt die Parteizeitung "Deutsche Stimme". Deren Auflagenhöhe betrug Mitte 2012 nach Angaben der Antragsgegnerin 25.000 Exemplare. Mit DS-TV verfügt sie über einen Videokanal. Darüber hinaus ist die Antragsgegnerin für verschiedene regionale Publikationen verantwortlich und nutztBVerfGE 144, 20 (49) BVerfGE 144, 20 (50)intensiv das Internet. Sie ist auf Facebook, Twitter und mit Videokanälen auf YouTube vertreten (vgl. auch Rn. 852 f.).
II.
 
Ein durch Anträge der Bundesregierung, des Deutschen Bundestages und des Antragstellers des vorliegenden Verfahrens im Jahr 2001 eingeleitetes Verfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der Antragsgegnerin wurde durch Beschluss des Zweiten Senats vom 18. März 2003 eingestellt (BVerfGE 107, 339).
III.
 
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2013 hat der Antragsteller auf der Grundlage seines Beschlusses vom 14. Dezember 2012 (BRDrucks 770/12) die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Antragsgegnerin und die Auflösung ihrer Parteiorganisation jeweils einschließlich ihrer Teilorganisationen, das Verbot, Ersatzorganisationen zu schaffen oder fortzusetzen, sowie die Einziehung ihres Vermögens und das ihrer Teilorganisationen beantragt. Er hat diesen Antrag auf die erste Alternative des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG gestützt und hierzu im Wesentlichen vorgetragen:
1. Der Antrag sei zulässig. Verfahrenshindernisse lägen weder unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Quellenfreiheit des vorgelegten Materials noch hinsichtlich einer mangelnden Staatsfreiheit der Antragsgegnerin vor.
a) Die in das Verfahren eingeführten Belege entstammten allgemein zugänglichen Materialien. Es handele sich um eigene Publikationen der Antragsgegnerin, amtliche Entscheidungen sowie öffentlich zugängliche Filme und Berichte über das Verhalten von Funktionären und Mitgliedern der Partei. Nachrangig berücksichtigt würden auch Ergebnisse offener Ermittlungsmaßnahmen sowie Informationen aus dem Bereich der Strafverfolgung gegen Führungspersonen der Antragsgegnerin. Ergänzend werde auf Erkenntnisse aus der empirischen sozialwissenschaftlichen Forschung zurückgegriffen. Hierzu hat der Antragsteller zwei Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2013 vorgelegt, zum einenBVerfGE 144, 20 (50) BVerfGE 144, 20 (51)ein Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte zur Wesensverwandtschaft von NPD und historischem Nationalsozialismus, zum anderen ein Gutachten von Prof. Dr. Dierk Borstel zum Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung der NPD.
b) Zwischen 2008 und 2013 habe der Anteil der durch Polizei und Nachrichtendienste im Bereich der Antragsgegnerin eingesetzten Quellen nie mehr als 2,5% der Mitglieder und 6,6% der Vorstandsmitglieder betragen. Spätestens ab dem 6. Dezember 2012, dem Datum der Beschlussfassung im Bundesrat über die Einleitung eines Verbotsverfahrens, sei die Antragsgegnerin auf ihren Führungsebenen im Bund und in den Ländern staatsfrei. Die zur Begründung des Antrags verwendeten und zitierten Quellen seien weder staatlich erzeugt noch beeinflusst.
c) Zur Glaubhaftmachung seines Vortrags zur Staatsfreiheit der Antragsgegnerin hat der Antragsteller Testate des Bundesinnenministers sowie der Innenminister und -senatoren der Länder vorgelegt, wonach "spätestens seit dem 6. Dezember 2012 [...] in den Vorständen der NPD und ihrer Teilorganisationen auf Bundes- und Landesebene weder vom Verfassungsschutz noch von der Polizei Quellen im Sinne von Verdeckten Ermittlern, Under-Cover-Agents oder Vertrauenspersonen eingesetzt werden".
d) Hinsichtlich der Quellenfreiheit der vorgelegten Belege differenziert der Antragsteller zwischen Belegen, die einer bestimmten (Einzel-)Person als Urheber inhaltlich zuzurechnen sind (Kategorie 1), und Belegen, bei denen ein Personenkreis verantwortlich zeichnet (Kategorie 2). In vorgelegten Testaten erklären der Bundesinnenminister sowie die Innenminister und -senatoren der Länder mit Blick auf die Personen, denen die Belege der Kategorie 1 zuzurechnen seien, dass keine dieser Personen nach dem 1. Januar 2003 eine Quelle der Sicherheitsbehörden im Zuständigkeitsbereich des jeweils Testierenden "im Sinne von Verdeckten Ermittlern, Under-Cover-Agents oder Vertrauenspersonen war oder ist". Bezüglich der Belege der Kategorie 2 wird testiert, dass "von Sicherheitsbehörden im jeweiligen Zuständigkeitsbereich zu dem Zeitpunkt, als das jeweilige Beweismittel entstandenBVerfGE 144, 20 (51) BVerfGE 144, 20 (52)ist (Datum der Veröffentlichung oder bei Internet-Veröffentlichungen der Zeitpunkt des Abrufs durch die Sicherheitsbehörden), in dem hierfür verantwortlichen Personenkreis (z.B. Vorstand oder Redaktion) der Organisation (z.B. Orts-, Kreis-, Landes- oder Bundesverband der NPD, JN-Stützpunkt oder Verlagsgesellschaft), der das Beweismittel inhaltlich zuzuordnen ist, keine Quellen im Sinne von Verdeckten Ermittlern, Under-Cover-Agents oder Vertrauenspersonen eingesetzt wurden".
2. Der Antrag sei nach Art.  21 Abs.  2 Satz 1 Alt. 1 GG auch begründet. Die Antragsgegnerin gehe sowohl nach ihren Zielen als auch nach dem ihr zurechenbaren Verhalten ihrer Anhänger darauf aus, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen und zu beseitigen.
a) An den Prüfungsmaßstab des Art.  21 Abs.  2 GG seien folgende Anforderungen zu stellen:
aa) Art.  21 Abs.  2 GG diene der Prävention vor politischen Gefahren. Eine sich aus dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes ergebende restriktive Auslegung des Art.  21 Abs.  2 GG sei nicht geboten. Zwar genügten bloße Überzeugungen den Anforderungen an ein Parteiverbot nicht, jedoch sei auch keine -- auch nur marginale -- konkrete Gefährdung der Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 GG erforderlich. Die Vorschrift bezwecke bereits die Verhinderung einer gefährlichen Lage und beinhalte damit im Unterschied zur polizeilichen Gefahrenabwehr eine "Vorverlagerung des Staatsschutzes".
Das Verfahren des Art.  21 Abs.  2 GG habe seine Funktion durch die Etablierung und Sicherung der grundgesetzlichen Demokratie nicht verloren. Weder die Autoren des Grundgesetzes noch die ihnen folgenden Akteure des bundesdeutschen Verfassungslebens hätten das Verfahren des Art.  21 Abs.  2 GG als bloß transitorisches Instrument verstanden. Das Verfahren nach Art.  21 Abs.  2 GG diene der internen Stabilisierung des immer wieder neu gefährdeten offenen politischen Prozesses in einer Demokratie.
bb) Die Zurechnung verfassungsfeindlichen Handelns zu einer politischen Partei ergebe sich aus einem Zusammenwirken vonBVerfGE 144, 20 (52) BVerfGE 144, 20 (53)Normen des öffentlichen und des Privatrechts mit internen Regeln der Partei: Wenn ein Funktionsträger, etwa ein Vorstandsmitglied, für eine Partei spreche, bestünden keine Zweifel an der Zurechenbarkeit. Eine Partei als juristische Person oder nichtrechtsfähiger Verein handele durch ihre satzungsmäßig berufenen Organe. Darüber hinaus stelle Art.  21 Abs.  2 GG mit dem Begriff des "Anhängers" klar, dass die Zurechnung verfassungsfeindlichen Verhaltens zu einer politischen Partei nicht durch ein Mitgliedschaftsverhältnis vermittelt sein müsse. Rechtswidrige Handlungen oder Straftaten seien einer Partei zurechenbar, wenn sie einen politischen Hintergrund hätten, der sich mit den legalen politischen Aktivitäten der Partei in einen Zusammenhang bringen lasse, das fragliche Verhalten sich nicht als völlig atypisch darstelle und wenn es Anzeichen dafür gebe, dass solche Regelbrüche von der Parteiorganisation geduldet würden.
cc) Das Schutzgut der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" beziehe sich nicht auf alle Anforderungen des Art.  79 Abs.  3 GG, sondern nur auf dessen politischen Kern. Hierzu zähle zumindest eine normative Ordnung, die ausgehend von der unantastbaren Würde jedes Menschen die konstitutive Gleichheit aller politischen Subjekte und den Schutz ihrer Rechte in einem unabhängigen Verfahren garantiere. Dies seien in der Systematik des Grundgesetzes die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat auf der Grundlage der Garantie der Menschenwürde.
(1) Art.  21 Abs.  2 GG verbiete es politischen Parteien, ein gegen die Garantie der Menschenwürde verstoßendes politisches Programm zu verfolgen. Die Würde des Menschen sei ein allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Ethnie oder Staatsangehörigkeit zustehendes Menschenrecht. Sie sei zugleich der Ausgangspunkt nicht nur aller weiteren Grundrechte, sondern auch des Legitimationsanspruchs aller durch das Grundgesetz zu legitimierenden Herrschaft.
Bezeichnet werden könnten vier Gehalte der Menschenwürdegarantie: Zum Ersten garantiere sie jedem Menschen ein basales Minimum an Rechten. Damit sei, zum Zweiten, auch ein Gleichheitsgehalt im Sinne eines gleichen minimalen Rechtsstatus umBVerfGE 144, 20 (53)BVerfGE 144, 20 (54)fasst. Zum Dritten spreche die Menschenwürde allen Menschen ein Potential zu mehr Rechten als diesem Minimalstandard zu. Zum Vierten stelle die systematische Stellung der Menschenwürde zu Beginn des Grundgesetzes klar, dass jede Art von politischer Vergemeinschaftung sich aus der Berechtigung des Individuums herleiten müsse, und nicht umgekehrt individuelle Würde als bloß abgeleitetes Phänomen einer politischen Gemeinschaft verstanden werden dürfe.
Die Menschenwürdegarantie statuiere ein menschenrechtliches Exklusionsverbot. Zugleich verbiete sie, den Einzelnen zur bloßen Funktion eines bestimmten Politikverständnisses zu machen. Sie gebiete vielmehr einen normativen Individualismus.
(2) Art.  79 Abs.  3 in Verbindung mit Art.  20 Abs.  2 Satz 1 GG zwinge außerdem zur Bestimmung eines Kerns des Demokratieprinzips, der der Änderung entzogen sei und sich auf ein basales Verständnis von Demokratie als einer Herrschaft politischer Gleichheit beschränke.
Art.  20 Abs.  2 Satz 1 GG schließe eine ethnische Konzeption des deutschen Volkes aus, die es dem Gesetzgeber verwehren würde, die Staatsangehörigkeit offen auszugestalten. Die Zugehörigkeit zum deutschen Volk werde vom Grundgesetz weder als etwas Naturwüchsiges noch als unvermeidliche Konsequenz einer historischen Entwicklung verstanden, sondern vielmehr als Ergebnis einer demokratischen Entscheidung. Jedwede Konzeption von "Volksherrschaft", die anstelle eines politischen Volksbegriffs einen anderen, namentlich einen ethnischen Volksbegriff zur Anwendung bringen wolle, sei damit ausgeschlossen. Es müssten alle Menschen eingebürgert werden und damit gleiche staatsbürgerliche Rechte erwerben können. Ein ethnischer Volksbegriff würde bereits eingebürgerte Deutsche zu Staatsbürgern zweiter Klasse degradieren und ihr Recht auf demokratische Gleichheit verletzen.
Art.  20 Abs.  2 Satz 1 in Verbindung mit Art.  79 Abs.  3 GG stehe zudem der Einführung eines Regierungssystems entgegen, das nicht auf der Unterscheidung zwischen Regierung und Opposition aufbaue. Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes eröffne aufBVerfGE 144, 20 (54) BVerfGE 144, 20 (55)dem Gebiet der Staatsorganisation im engeren Sinne zwar eine große Gestaltungsfreiheit für den Verfassungs- und den Gesetzgeber. Diese finde jedoch ihre Grenze dort, wo durch die Rechtsordnung sichergestellt werde, dass die in einem demokratischen Akt unterlegene Minderheit die Möglichkeit behalte, sich in dem an die Wahl anschließenden politischen Prozess so zu profilieren, dass sie bei der nächsten Wahl ins Parlament oder sogar in die Regierung gelangen könne.
Schließlich verbiete Art.  20 Abs.  2 Satz 1 in Verbindung mit Art.  79 Abs.  3 GG auch Bestrebungen, die Bedingungen demokratischer Beteiligung im Geltungsbereich des Grundgesetzes territorial zu beschränken, also Inseln zu schaffen, in denen ein offener politischer Prozess im Sinne des grundgesetzlichen Demokratieprinzips nicht mehr stattfinden könne. Nur wenn sich die Angehörigen des Legitimationssubjekts in allen Teilen des Staates sicher fühlten, an der politischen Willensbildung frei und gleichberechtigt teilnehmen zu können, könne der Legitimationsprozess dem Standard demokratischer Gleichheit genügen.
(3) Auch das Rechtsstaatsprinzip gehöre zu den von Art.  21 Abs.  2 GG umfassten normativen Feldern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Hierzu zähle insbesondere das Gewaltmonopol des Staates. Politische Parteien verfolgten auch dann verfassungsfeindliche Ziele im Sinne des Art.  21 Abs.  2 GG, wenn sie sich nicht eindeutig dazu bekennten, physische Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung auszuschließen.
(4) Besondere verfassungsrechtliche Bedeutung habe schließlich das Verbot der Relativierung des nationalsozialistischen Unrechts. Der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab im Parteiverbotsverfahren könne nicht ohne die Antwort des Grundgesetzes auf die Katastrophe der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entwickelt werden. Die Absage an den Nationalsozialismus gehöre zum Gründungskonsens der Bundesrepublik Deutschland. Eine Relativierung der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus durch eine Partei setze diese in Widerspruch zur normativen "Identität der Bundesrepublik Deutschland" und damit zu denBVerfGE 144, 20 (55) BVerfGE 144, 20 (56)Prämissen, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zugrunde lägen.
Bei der Auslegung des Verbotstatbestands des Art.  21 Abs.  2 GG könne in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Vereinsverboten herangezogen werden. Dieses lasse zur Erfüllung des Verbotstatbestands in ständiger Rechtsprechung genügen, dass die Vereinigung eine "Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus" aufweise.
dd) Das Tatbestandsmerkmal "Darauf Ausgehen" belege, dass politische Parteien, die die Abschaffung der Ordnung des Grundgesetzes anstrebten, allein wegen dieser politischen Orientierung nicht verboten werden dürften. Vielmehr verlange das Grundgesetz entsprechende nach außen tretende Handlungen. Bei der Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals ergebe sich aber eine systematische Spannung: Da aktives Handeln bereits im Begriff der politischen Partei enthalten sei (§ 2 Abs.  1 PartG), müsse vom Handeln einer Antragsbetroffenen im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 GG mehr verlangt werden als die bloße Eigenschaft einer politischen Partei.
Im Ergebnis sei daher eine Auslegung des Art.  21 Abs.  2 GG geboten, die einen Mittelweg zwischen einem zu weiten und einem zu engen Verständnis des Tatbestands wähle. Für ein Verbot sei damit weniger zu verlangen als ein durchgehendes rechtswidriges oder gar strafbares und gewalttätiges Verhalten, aber mehr als das bloß typische Verhalten einer politischen Partei, die sich der üblichen Mittel politischer Kommunikation bediene. In diesem Zusammenhang gestatte es Art.  21 Abs.  2 GG, auch legale politische Aktivitäten -- wie das Antreten bei Wahlen und die politische Arbeit in demokratischen Repräsentationskörperschaften -- als Anhaltspunkt für ein verfassungsgerichtliches Verbot zu berücksichtigen. Allerdings sei erforderlich, dass die Partei mit ihren politischen Aktivitäten nicht nur ihre Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ausdruck bringe, sondern auch deren Abschaffung bezwecke. Rechtswidrige und insbesondere strafbare Handlungen seien hierfür zwar nicht notwendig, aber als ein wichtiges Indiz für die aktiv kämpferische,BVerfGE 144, 20 (56) BVerfGE 144, 20 (57)aggressive Haltung der Partei zu behandeln. Diese müssten allerdings einen formellen und materiellen Bezug zur politischen Arbeit der Partei haben, und ihre Rechtswidrigkeit dürfe sich nicht allein aus dem ideologischen Bestand der Partei ergeben.
ee) (1) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit finde im Verfahren nach Art.  21 Abs.  2 GG keine Anwendung. Die politischen Parteien und damit auch das Parteiverbot seien im Grundgesetz als Elemente des demokratischen Systems bewusst nicht im Grundrechtsabschnitt, sondern im staatsorganisationsrechtlichen Teil geregelt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beziehe seine argumentative Logik jedoch aus der asymmetrischen Freiheitsverteilung zwischen Grundrechtsträgern und Staat. Der Verfassungsgeber habe selbst entschieden, dass das Parteiverbot "verhältnismäßig" sei, wenn die hohen tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt seien.
(2) Hilfsweise sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 GG jedenfalls sowohl mit Blick auf die Voraussetzungen als auch auf die Rechtsfolge zu modifizieren. Ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck liege unproblematisch vor, wenn der Antrag nicht als verdeckter Angriff auf einen politischen Wettbewerber verstanden werden müsse. Es erscheine auch kaum möglich, dass ein Antrag gegen eine ihren politischen Zielen nach verfassungsfeindliche Partei an der Geeignetheit scheitern könne. Eine verfassungsrechtlich übliche Erforderlichkeitsprüfung scheitere bereits daran, dass Art.  21 Abs.  2 GG kein Kontinuum von Rechtsfolgen mit unterschiedlichen Eingriffsintensitäten vorsehe. In einer erweiterten Erforderlichkeitsprüfung könnte sich allenfalls die Frage stellen, ob der von der Verfassung alternativlos geforderte Eingriff des Parteiverbots in die Parteifreiheit durch andere Maßnahmen flankiert sein müsse, um seine Intensität zu rechtfertigen. Bei der Angemessenheit sei schließlich zu beachten, dass das Grundgesetz bereits dadurch eine Abwägung vorgenommen habe, dass es den Tatbestand der Vorschrift nicht allein an die verfassungsfeindliche Ideologie der in Frage stehenden Partei knüpfe, sondern auch an das weitere ErBVerfGE 144, 20 (57)BVerfGE 144, 20 (58)fordernis einer über die Meinungsbildung hinausgehenden aggressiven Haltung.
ff) Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sei kein unmittelbar anwendbarer Prüfungsmaßstab im vorliegenden Verfahren. Zu prüfen sei lediglich, ob beziehungsweise welche Rückwirkungen die Menschenrechtsverbürgung der EMRK für das Verfahren nach Art.  21 Abs.  2 GG habe.
Art.  17 EMRK komme dabei eine grundsätzliche Bedeutung dergestalt zu, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Parteien, die rassistische, totalitäre und vor allem nationalsozialistische Inhalte verträten, regelmäßig die Berufung auf die EMRK versage. Im Übrigen falle die Entscheidung des EGMR über die Zulässigkeit eines Parteiverbots in nahezu allen Fällen bei der Frage, ob das Verbot in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen sei. Der EGMR lege diese Anforderung eng aus: Nur überzeugende und zwingende Gründe könnten ein Verbot rechtfertigen. Diesen Maßstäben entsprechend prüfe der EGMR in der Regel zweistufig, ob für das Parteiverbot ein dringendes soziales Bedürfnis bestehe und ob das Verbot zum verfolgten Zweck verhältnismäßig sei. Soweit er dabei auf die verfolgten Ziele abstelle, komme den historischen und kulturellen Besonderheiten des jeweiligen Landes besondere Bedeutung zu. Die Funktion des Grundgesetzes als Antwort auf die Katastrophe des Nationalsozialismus sei hier einzuordnen. Hinsichtlich der Wahl des Zeitpunkts für das Parteiverbot räume der EGMR dem Mitgliedstaat einen Beurteilungsspielraum ein und betone dessen präventiven Charakter.
Die Berücksichtigung der Anforderungen der EMRK bei der Entfaltung des grundgesetzlichen Prüfungsmaßstabs für ein Parteiverbot führe nicht zu dessen Änderung. Im Bereich der "wehrhaften Demokratie" verfolge die EMRK dasselbe Konzept wie das Grundgesetz.
b) Die Anwendung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Prüfungsmaßstabs auf die Antragsgegnerin führe zum Resultat ihrer Verfassungswidrigkeit:
aa) Die "Ziele" der Antragsgegnerin, ihre Programmatik sowieBVerfGE 144, 20 (58) BVerfGE 144, 20 (59)das ihr zurechenbare Verhalten ihrer Anhänger seien auf die Beeinträchtigung und Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art.  21 Abs.  2 GG gerichtet.
Der ethnische Personenbegriff als Basis für die völkische Welt- und Rechtsanschauung der Antragsgegnerin stelle als Verstoß gegen die Menschenwürde (1) zugleich eine Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dar. Gleiches gelte für die Ablehnung des auf dem Demokratieprinzip beruhenden parlamentarischen Regierungssystems (2), die Infragestellung des staatlichen Gewaltmonopols (3) und die Relativierung des nationalsozialistischen Unrechts (4).
(1) Die Antragsgegnerin verfolge ein politisches Programm, das gegen die Garantie der Menschenwürde verstoße. Dreh- und Angelpunkt ihrer Ideologie sei ein ethnischer Volksbegriff, verdichtet und operationalisiert in Kategorien wie der "nationalen Identität" oder der "Volksgemeinschaft". Ziel ihrer Politik sei die Herstellung nationaler Identität durch ein ethnisch homogenes Volk. Dieser Zusammenhang werde im Parteiprogramm als "lebensrichtiges Menschenbild" umschrieben. Die "Rückführung" der in Deutschland lebenden Ausländer sei zentraler Programmpunkt: "Rückkehrpflicht statt Bleiberecht". Das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern werde als "Vorbürgerkrieg" bezeichnet, Integration als "Völkermord". Die Art der Gemeinschaft definiere die Bedeutung des Einzelnen, nicht umgekehrt. Das Menschenbild, die Position des Einzelnen in Staat und Gesellschaft, sei damit abgeleitet, nicht originär. Die Antragsgegnerin vertrete insoweit einen normativen Kollektivismus biologischer Provenienz.
Das ethnische Verständnis des Volksbegriffs führe zu einem kaum verschleierten Ausschluss einzelner Gruppen von der Grundrechtsberechtigung. Zwar werde im Parteiprogramm von der "Unantastbarkeit der Würde" der Menschen gesprochen, diese jedoch direkt im Anschluss ausdrücklich auf die "Volksgemeinschaft" bezogen. Individuelle Würde werde nur im Rahmen und aufgrund der Zugehörigkeit zur "Volksgemeinschaft" zugestanden. Den nicht der "Volksgemeinschaft" Zugehörigen werde nachBVerfGE 144, 20 (59) BVerfGE 144, 20 (60)der Programmatik der Antragsgegnerin generell und systematisch ein niedrigerer Rechtsstatus zugewiesen.
Der ethnische Volksbegriff der Antragsgegnerin sei Ausdruck eines menschenverachtenden Rassismus. Gegen die multikulturelle Gesellschaft werde unter Rückgriff auf eine fremdenfeindliche Rhetorik vehement polemisiert. Einwanderer außereuropäischer Herkunft würden pauschal diffamiert und mit Negativeigenschaften belegt. Besonders kategorisch lehne die Antragsgegnerin den Aufenthalt von Muslimen in Deutschland ab. Dabei stünden nicht religiöse, sondern ethnisch-biologistische Aspekte im Vordergrund. Einwanderer außereuropäischer Herkunft seien aus Sicht der Antragsgegnerin, ungeachtet der Frage, ob sie formal die deutsche Staatsbürgerschaft besäßen oder nicht, ausnahmslos als Ausländer zu betrachten. Drastisch stelle die Antragsgegnerin die völlige Unvereinbarkeit zwischen einem dauerhaften Aufenthalt von Migranten ethnisch fremder Herkunft und der Idee der "Volksgemeinschaft" heraus.
(2) Die Antragsgegnerin lehne die parlamentarische Demokratie ab. Sie bestreite in ihrem Parteiprogramm die Legitimität des Grundgesetzes, "da das Volk darüber bis heute nicht abstimmen durfte". Das als Fremdwort denunzierte Substantiv "Demokratie" werde vermieden und ihm die auf der "Volksgemeinschaft" basierende Volksherrschaft gegenübergestellt: "Volksherrschaft setzt die "Volksgemeinschaft" voraus." Die Ablehnung des parlamentarischen Regierungssystems des Grundgesetzes werde durch die häufige, pejorative Verwendung des Begriffs "System" sowie die massive Kritik an den politischen Parteien deutlich.
Publikationen und Äußerungen führender Parteivertreter ließen keine Zweifel an der Bekämpfung der parlamentarischen Demokratie als programmatischem Ziel. Die parlamentarische Demokratie werde verächtlich gemacht und als Zerrbild "wahrer" Demokratie charakterisiert. Mehrheitsprinzip, Existenz einer Opposition und pluralistische Demokratie würden abgelehnt. Der Versuch, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu delegitimieren, werde begleitet von der Behauptung, dass diese Grundordnung von "antideutschen" Kräften gesteuert werde undBVerfGE 144, 20 (60) BVerfGE 144, 20 (61)letztlich eine "Besatzung und Fremdherrschaft" darstelle. Die Mitarbeit in Parlamenten erfolge rein instrumentell. Die Antragsgegnerin verspreche sich dadurch Vorteile, ohne damit die parlamentarische Demokratie im Sinne des Grundgesetzes zu akzeptieren. Stattdessen halte sie an der "Reichsidee" fest und rufe zur "Selbsthilfe" und zum revolutionären Widerstand gegen das "System" auf.
(3) Nach ihren Zielen und ihrer Strategie negiere die Antragsgegnerin auch das staatliche Gewaltmonopol als Konkretion der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art.  21 Abs.  2 GG.
Sie verhalte sich nach außen, bei oberflächlicher Betrachtung, ambivalent. Sprachlicher Militanz stünden ausdrückliche Distanzierungen von Gewalt gegenüber. Insbesondere das Parteiprogramm enthalte keine expliziten Äußerungen zum Einsatz von Gewalt als politischem Mittel. Die Partei bekenne sich aber in zahlreichen Äußerungen von Führungskräften zu einem -- nicht nur verbal vorgetäuschten -- "nationalrevolutionären", "systemüberwindenden" Anspruch. Dabei werde der Einsatz von Gewalt teilweise gefordert, zumindest jedoch gebilligt oder in Kauf genommen. Der gerichtlich bezeugte Gewalteinsatz zahlreicher Anhänger und Funktionäre der Antragsgegnerin spreche ebenfalls eine deutliche Sprache.
(4) Die Antragsgegnerin versuche, in ihrer Programmatik nationalsozialistische Verbrechen zu relativieren oder zu rechtfertigen. Anhänger der Partei gingen bis zur Leugnung der Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten. Der revisionistische Gesamtansatz der Antragsgegnerin umfasse zudem die Leugnung der deutschen Kriegsschuld, die Überzeichnung der Handlungen der Kriegsgegner und gebietsrevisionistische Postulate.
Auch wenn das Parteiprogramm offen antisemitische Äußerungen vermeide, könnten in den Äußerungen des Führungspersonals der Antragsgegnerin zahlreiche antisemitische Ausfälle aufgezeigt werden. Quantität und Qualität dieser ÄußerungenBVerfGE 144, 20 (61) BVerfGE 144, 20 (62)bestätigten, dass Antisemitismus ein Strukturelement der Parteiideologie sei.
Die zur Erfüllung des Verbotstatbestands schon für sich hinreichende Wesensverwandtschaft der Antragsgegnerin zum Nationalsozialismus werde durch das Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte belegt. Neben ideologischen und strukturellen Übereinstimmungen mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) -- etwa bezogen auf das Konzept der "Volksgemeinschaft" -- bedienten sich führende Mitglieder der Antragsgegnerin und ihrer Jugendorganisation sowohl des Vokabulars als auch der Symbolik der NSDAP. Dies geschehe teilweise ausdrücklich -- etwa durch die Verwendung von Originalzitaten sowie den Rückgriff auf NS-Gedichte oder entsprechendes Liedgut --, teilweise durch Anspielungen. Nationalsozialistische Symbole fänden auch bei Veranstaltungen oder Aktionen mit NPD-/JN-Beteiligung Verwendung. Die Identifikation mit dem historischen Nationalsozialismus werde besonders deutlich durch die Glorifizierung von Repräsentanten des "Dritten Reiches" und der NSDAP.
bb) Die Antragsgegnerin gehe auch auf die Beeinträchtigung und Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus.
(1) Die Antragsgegnerin sei die älteste und bedeutendste rechtsextremistische Partei in Deutschland: Sie nehme an Wahlen teil, informiere und schule ihre Mitglieder, sei mit dem nationalen und internationalen Rechtsextremismus intensiv verflochten, lege besonderen Wert auf ihre Jugendarbeit und wirke publizistisch und in sonstiger Weise in die Öffentlichkeit mit dem Ziel einer Verwirklichung ihrer politischen Absichten. Die aktiv kämpferische und aggressive Haltung, die über das Handeln "normaler" Parteien hinausgehe, zeige sich darin, dass die Antragsgegnerin das Schutzgut des Art.  21 Abs.  2 GG nicht nur ablehne, sondern sowohl in ihrer "offenen" Programmatik als auch in dem Bild, welches das Verhalten ihrer Anhänger biete, auf seine Abschaffung hinarbeite.
Die Ideologie der Antragsgegnerin bleibe keine Theorie, sonBVerfGE 144, 20 (62)BVerfGE 144, 20 (63)dern werde vielfältig und aggressiv in die politische Praxis umgesetzt. Die Antragsgegnerin werde im Parlament, auf kommunaler Ebene und "auf der Straße", das heiße in politischen Aktionen -- sei es durch Versammlungen, Aufmärsche, Kundgebungen oder in medialer Form -- tätig. In diesem Zusammenhang sei auf die geringe Rechtstreue ihres Führungspersonals hinzuweisen, die sich in weit überdurchschnittlich häufigen gerichtlichen Verurteilungen auch jenseits von Propagandadelikten äußere, insbesondere wegen Delikten aus dem Bereich der Gewaltkriminalität.
Zur Erreichung ihrer Ziele definiere die Antragsgegnerin seit Oktober 1997 für ihren politischen Kampf drei strategische Säulen (Kampf um die Köpfe, Kampf um die Straße und Kampf um die Wähler). Auf dem Bundesparteitag 2004 sei diese "Drei-Säulen-Strategie" durch den seinerzeitigen Bundesvorsitzenden Voigt um eine vierte "Säule" ergänzt worden, den "Kampf um den organisierten Willen". Darunter werde der "Versuch der Konzentration möglichst aller nationalen Kräfte" verstanden.
Dieses "Volksfrontkonzept" der Antragsgegnerin ziele vor allem auf die Einbindung des parteiunabhängigen neonazistischen Spektrums und dadurch auf die Entstehung einer "umfassenden nationalen Oppositionsbewegung", die weit über die Teilnahme an Wahlen hinaus tätig werden solle. Die Zusammenarbeit zwischen Partei und sogenannten "Freien Nationalisten", die auf ideologischen Gemeinsamkeiten, übereinstimmenden politischen Zielen und persönlichen Kontakten basiere, ermögliche der Antragsgegnerin ein deutlich höheres Wirkungs- und Mobilisierungspotential. Dabei sei die Antragsgegnerin bestrebt, die "Freien Kameradschaften" auch organisatorisch in die Partei einzubinden und sie unter anderem durch die Vergabe von Parteiposten an sich zu binden. Die Verbindungen der Antragsgegnerin auch zu verbotenen neonazistischen Organisationen verdeutlichten die Verflechtung zwischen Partei und parteiunabhängigen Rechtsextremisten.
Die Antragsgegnerin verfüge damit über ein konkretes Konzept der politischen Agitation, um auf die Erreichung ihrer verfassungswidrigen Ziele hinzuarbeiten.
BVerfGE 144, 20 (63)BVerfGE 144, 20 (64)(2) Obgleich die Antragsgegnerin den Parlamentarismus ablehne, besitze der "Kampf um die Parlamente" einen hohen Stellenwert. Durch Wahlerfolge und Parlamentsarbeit wolle sie ihre Bekanntheit steigern und Finanzmittel akquirieren. Insbesondere in den ostdeutschen Ländern werde mit beachtlichem materiellen Aufwand Wahlkampf betrieben. Die parlamentarischen Äußerungen belegten die Verachtung des demokratisch-parlamentarischen Systems, den Antisemitismus, die Verharmlosung beziehungsweise Verherrlichung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen sowie die Fremdenfeindlichkeit der Antragsgegnerin. Bemerkenswert sei die sehr hohe Anzahl an Ordnungsrufen und sonstigen parlamentarischen Maßnahmen gegen Redner und Abgeordnete der Antragsgegnerin. Insgesamt könne ein höchst aggressives, sprachverrohendes parlamentarisches Verhalten festgestellt werden, das nicht mit parlamentarischen Gepflogenheiten erklärt oder gar gerechtfertigt werden könne.
Die rassistischen Grundpositionen der Antragsgegnerin zeigten sich auch bei der Durchführung von Wahlkämpfen. So habe die NPD Berlin in den Bundestagswahlkämpfen 2009 und 2013 Schreiben an Politiker mit Migrationshintergrund verschickt und diese aufgefordert, Deutschland umgehend zu verlassen. Besonders aggressiv hätten sich die Aktivitäten der Antragsgegnerin im Sommer/Herbst 2013 bei der Debatte um die Aufnahme von Asylbewerbern gestaltet: Die Antragsgegnerin habe auf verschiedenen kommunikativen Kanälen gegen den Zuzug von Asylbewerbern in einer Weise zu mobilisieren versucht, die die Herabwürdigung der Asylbewerber mit verfassungsfeindlichen Äußerungen verbunden habe.
(3) Auf kommunaler Ebene sei zwischen dem politischen Engagement durch kommunale Mandatsträger einerseits und der vermeintlich harmlosen "Graswurzelbewegung" als "Kümmerer vor Ort" in Vereinen, Nachbarschaften und ähnlichen sozialen Zusammenhängen andererseits zu unterscheiden. Von zentraler Bedeutung sei daneben die sogenannte "Wortergreifungsstrategie": Durch gezieltes Eingreifen geschulter Aktivisten würden politische Veranstaltungen der anderen Parteien zu eigenen ZweBVerfGE 144, 20 (64)BVerfGE 144, 20 (65)cken umfunktioniert. Der politische Gegner werde eingeschüchtert, bloßgestellt, lächerlich gemacht -- bis hin zu tätlichen Angriffen.
Die "Graswurzelpolitik" der Antragsgegnerin strebe danach, in der "Mitte des Volkes" Fuß zu fassen und sich über die Präsenz auf lokaler Ebene, die Besetzung bürgernaher Themenfelder und die Anwendung geeigneter Aktionsformen den Weg zu Wahlerfolgen zu ebnen. Dadurch solle eine Gegenöffentlichkeit etabliert werden, um eine schleichende Infiltration der Gesellschaft durch eine vermeintliche Normalisierung zu erreichen. Zu den Organisationsformen zählten Kinderfeste, Infiltrationen der örtlichen Vereinsszenen, gezielte Übernahme öffentlicher Ämter und Aufgaben, aber auch die Bildung von Bürgerwehren und die Verteilung eigener kostenloser Zeitungen, wie etwa der ursprünglich aus der Kameradschaftsszene stammenden "Boten" in Mecklenburg-Vorpommern.
(4) Eine weitere Strategie der Antragsgegnerin stelle die sogenannte "rechtsextremistische Raumordnungsbewegung" dar, bei der durch den Aufkauf benachbarter Immobilien und den Zuzug von Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu rechtsextremistische Enklaven gebildet würden. Dies sei für die Räume Lübtheen und Anklam sozialwissenschaftlich analysiert worden, finde allerdings in den alten Bundesländern keine Parallelen. Es gehe hierbei um die Erringung kultureller Hegemonie in abgegrenzten Sozialräumen als Basis für spätere politische Erfolge. Dies entspreche dem Konzept "national befreiter Zonen" aus der nationalrevolutionären Studentenszene der 1990er Jahre.
(a) In dem vorgelegten Gutachten zum Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern würden Situationen beschrieben, in denen Rechtsextremisten vorübergehend den öffentlichen Raum kontrollierten, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat relativiert und eine Atmosphäre der Angst für die Gegner der Antragsgegnerin und des Rechtsextremismus erzeugt werde. Erkennbare Einschränkungen demokratischen Handelns seien nachweisbar. Die Antragsgegnerin bilde dabei die organisierte Seite eines politischen Komplexes, in dem sich mitgliedschaftlich in ihr organiBVerfGE 144, 20 (65)BVerfGE 144, 20 (66)sierte sowie unorganisierte Rechtsextremisten in der Verfolgung ihrer gemeinsamen politischen Ziele wechselseitig unterstützten und verstärkten. Die sozialräumlichen Machtgewinne der rechtsextremen Bewegung in Teilen Mecklenburgs und Vorpommerns seien dabei so weit vorangeschritten, dass eine Lösung der Probleme mit den örtlichen Ressourcen kaum mehr möglich erscheine.
(b) Die "Graswurzelpolitik" vor Ort (bei hinreichender Präsenz) und die Schaffung kontrollierter "national befreiter Zonen" führten im Einzelfall zu einem Klima der Angst und Unfreiheit, welches den demokratischen Prozess behindere. Ziel sei es auch, das staatliche Gewaltmonopol lächerlich zu machen und letztlich zu substituieren.
(5) Besondere Bedeutung bei dem Versuch der Gewinnung kultureller Hegemonie weise die Antragsgegnerin der Jugendarbeit zu. Sie setze jugendadäquates Material in ihrer Arbeit strategisch ein. Ihre junge Klientel werde mit gezielt positionierten Medien angesprochen (Verwendung von Jugendsprache, Comics, Schulhof-CDs mit rechtsextremistischer Musik, Kontakt zu Schülervertretungen etc.). Auch die professionell ausgebaute Internet-Arbeit der Partei ziele -- wenn auch nicht nur -- auf einen jungen Adressatenkreis.
Die Antragsgegnerin betreibe gezielt Schulungsarbeit. In Sachsen gebe es das 2005 gegründete "Bildungswerk für Heimat und nationale Identität e.V.", das durch die Veranstaltung von Seminaren und die Herausgabe von Zeitungen "Bildungsarbeit" leiste. Auch die Einrichtung einer politischen Stiftung rücke -- weitere Wahlerfolge der Antragsgegnerin vorausgesetzt -- in größere Nähe.
(6) Die Antragsgegnerin unterhalte zudem intensive Verbindungen zur Neonazi-Szene, was Teil ihrer Strategie als "rechte Volksfront" sei. Inhaltlich erfolgten etwa gegenseitige Unterstützungen bei Wahlkämpfen durch Aktionen und Unterschriftensammlungen sowie durch gemeinsame Demonstrationen, bei denen die Parteistrukturen der Antragsgegnerin für die organisatorischen und materiellen Voraussetzungen sorgten, während die "Freien Kameradschaften" die Mobilisierung vor Ort organisierten.BVerfGE 144, 20 (66)
BVerfGE 144, 20 (67)Die Zusammenarbeit äußere sich in umfangreichen personellen Überschneidungen. Dabei würden die JN mit ihren Stützpunkten als Bindeglied zu Neonationalsozialisten eingesetzt. Dies zeige sich besonders deutlich an den personellen Überschneidungen zwischen der Antragsgegnerin und Mitgliedern ehemaliger, auf der Grundlage von Art.  9 Abs.  2 GG in Verbindung mit § 3 VereinsG verbotener Vereine. Hierzu zählten insbesondere die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP), die "Heimattreue deutsche Jugend" (HDJ) und die "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige" (HNG). Der Antragsgegnerin sei es gelungen, zahlreiche Mitglieder dieser verbotenen Vereine zu rekrutieren, die nun teilweise in Führungsfunktionen bei ihr tätig seien.
(7) Die Antragsgegnerin und ihr Führungspersonal erwiesen sich in allen Bereichen der Rechtsordnung als wenig rechtstreu. So gebe es zahlreiche Entscheidungen der Verwaltungs- und Strafgerichte zu den von der Antragsgegnerin vertretenen Inhalten, den Mitteln ihres politischen Handelns und dem (rechtswidrigen) Verhalten ihrer Führungspersonen. Im Bereich des gesamten Rechtsextremismus, das heiße über die Antragsgegnerin hinausgreifend, habe sich die politisch motivierte Kriminalität bei Schwankungen auf hohem Niveau stabilisiert. Die Antragsgegnerin befinde sich hier in einem Gesamtmilieu, das überdurchschnittliche Kriminalitätswerte aufweise.
Über einzelne -- vom Antragsteller aufgeführte -- Verurteilungen führender Parteimitglieder hinaus habe eine anonymisierte statistische Untersuchung der Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin und ihrer Teilorganisationen bezogen auf rechtsextremistisch motivierte Delikte -- unter Herausnahme allgemeinkrimineller Straftaten -- ergeben, dass 25% dieses Personenkreises rechtskräftig strafrechtlich verurteilt seien, wobei über 11% mehrfach strafrechtlich belangt worden seien. Auch wenn man berücksichtige, dass ein Teil der aufgeführten Taten Propagandadelikte darstelle, bleibe immer noch ein beachtlicher Teil von Verurteilungen wegen Gewaltkriminalität, worin sich die Geringschätzung des staatlichen Gewaltmonopols manifestiere.BVerfGE 144, 20 (67)
BVerfGE 144, 20 (68)cc) Ein Verbot der Antragsgegnerin sei jedenfalls nicht "unverhältnismäßig". Es sei geeignet und erforderlich zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, da "mildere" Mittel schon von Verfassungs wegen aufgrund des Parteienprivilegs nicht zulässig seien. Das Verbot der Antragsgegnerin hielte auch einer erweiterten Erforderlichkeitsprüfung stand, da die den Antragsteller beschickenden Landesregierungen einschließlich der Kommunen -- neben der Bundesregierung -- ein umfangreiches Programm der Bekämpfung des Rechtsextremismus forcierten und damit den vorliegenden Antrag flankierten. Die bisher bestehende Legalität der Antragsgegnerin konterkariere diese Bemühungen jedoch in hohem Maße, da sie ihr legale öffentlichkeitswirksame Plattformen eröffne, um gegen diese Maßnahmen zu arbeiten. Daher sei ein Verbot der Antragsgegnerin auch angemessen.
dd) Ein solches Verbot erfülle die Vorgaben der Rechtsprechung des EGMR. Insbesondere genüge es dem Merkmal der "Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft", da die Antragsgegnerin angesichts ihres systemüberwindenden, von ihr selbst als "revolutionär" eingestuften Kampfes Gewalt als Mittel politischer Auseinandersetzung zumindest nicht ausschließe und aufgrund des ihrem gesamten Programm zugrunde liegenden ethnischen Personenbegriffs in demokratiewidriger Weise Grundrechtsexklusionen bei Menschen fordere, die ihrer Ansicht nach nicht zur "Volksgemeinschaft" gehörten. Zu berücksichtigen sei dabei die nationale Besonderheit, dass es sich um das Verbot einer Partei handele, die eindeutig und nachhaltig die nationalsozialistische Ideologie vertrete. Die Antragsgegnerin sei auch keineswegs als eine in ihrer politischen Bedeutung zu vernachlässigende Organisation anzusehen. Sie sei in einzelnen Teilen der Bundesrepublik ein politisch überaus präsenter Faktor, der unterhalb des Bundes auf allen Ebenen demokratischer Gebietskörperschaften das politische wie auch das gesellschaftliche Leben mitdefiniere. Bundesweit operiere die Antragsgegnerin als Anlauf- und Verbindungsstelle rechtsextremistischer Organisationen.BVerfGE 144, 20 (68)
BVerfGE 144, 20 (69)IV.
 
1. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2013 hat die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, den Präsidenten des Deutschen Bundestages zu Abschlagszahlungen aus der staatlichen Parteienfinanzierung ohne Verrechnung gemäß § 31a Abs.  3 Satz 2 PartG mit einem gegen sie festgesetzten Zahlungsanspruch zu verpflichten, hilfsweise das Verfahren auszusetzen, bis der Bundesgesetzgeber die anwaltlichen Vergütungsregelungen für das Parteiverbotsverfahren durch eine verfassungskonforme Regelung ersetzt habe.
Die Antragsgegnerin hat behauptet, dies sei erforderlich, weil sie nicht in der Lage sei, die Mittel zur Finanzierung eines Prozessbevollmächtigten aufzubringen. Eine dem Grundsatz des fairen Verfahrens entsprechende sachgerechte Rechtsverteidigung im Parteiverbotsverfahren sei damit ausgeschlossen.
2. Mit Beschluss vom 28. Januar 2014 (BVerfGE 135, 234) hat der Senat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie den Hilfsantrag auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung hat er auf den vorrangig zu beschreitenden Verwaltungsrechtsweg verwiesen. Ergänzend hat er festgestellt, dass eine sachgerechte Rechtsverteidigung auf einen entsprechenden Antrag hin im Wege der Prozesskostenhilfe oder durch eine analoge Anwendung der Regelungen über die notwendige Verteidigung im Strafprozess (§§ 140 ff. StPO) sichergestellt werden könne.
V.
 
Mit Schriftsatz vom 25. März 2014 hat die Antragsgegnerin auf die Antragsschrift erwidert und hat beantragt,
Die vorgelegten Prozessvollmachten seien lediglich durch den Direktor des Antragstellers unterzeichnet, der in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren zu einer Bevollmächtigung nicht befugt sei. Erforderlich sei stattdessen eine Bevollmächtigung durch den Präsidenten des Antragstellers gemäß § 6 Abs.  1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates (GOBR). Hilfsweise könne eine Bevollmächtigung durch die Vizepräsidenten des Antragstellers erfolgen, nicht hingegen durch den Direktor, welcher gemäß § 14 Abs.  2 GOBR lediglich das Sekretariat des Antragstellers leite und den Präsidenten bei der Führung seiner Amtsgeschäfte unterstütze.
2. Das Verfahren sei jedenfalls einzustellen, weil mindestens drei nicht behebbare Verfahrenshindernisse vorlägen. Es fehle an der Staatsfreiheit der Führungsebenen der Antragsgegnerin, weil davon auszugehen sei, dass sich auf diesen weiterhin V-Leute und/oder Verdeckte Ermittler befänden (a). Des Weiteren fehle es an der Quellenfreiheit des vorgelegten Beweismaterials, da dieses von V-Leuten und/oder Verdeckten Ermittlern "kontaminiert" worden sei (b). Schließlich führe die nachrichtendienstliche Beobachtung der Antragsgegnerin und ihres Verfahrensbevollmächtigten zu 1. zu einem Ausspähen ihrer Prozessstrategie, was eine effektive Verteidigung unmöglich mache (c).
a) Die "Abschaltung" sämtlicher in den Führungsgremien der Antragsgegnerin vorhandener Verdeckter Ermittler, Under-Cover-Agents und/oder V-Leute werde weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen. Der Antragsteller erkläre sich zudem nicht zur Frage der Rückziehung eingeschleuster V-Leute.
aa) Er trage bereits nicht schlüssig vor, wenn er einerseits behaupte, spätestens seit dem 6. Dezember 2012 seien sämtliche Verdeckten Ermittler, Under-Cover-Agents und V-Leute in den Vorständen der Antragsgegnerin und ihrer Unterorganisationen abgeschaltet worden, gleichzeitig aber ausführe, dass zwischenBVerfGE 144, 20 (70) BVerfGE 144, 20 (71)2008 und 2013 der Anteil der Quellen der Polizei und der Nachrichtendienste auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt über 6,6% der Vorstandsmitglieder gelegen habe. Daraus sei zu schließen, dass offenbar bis 2013 V-Leute in den Führungsgremien der Antragsgegnerin beziehungsweise ihrer Unterorganisationen anwesend gewesen seien.
bb) Der Beweiswert der vorgelegten "Testate" sei höchst fraglich. Angesichts der hoch sensiblen V-Mann-Materie könne es nicht ausreichen, dass Minister bloße schriftliche Erklärungen abgäben.
Zwar könne ein Parteiverbotsverfahren nicht bereits dann eingestellt werden, wenn nur rein hypothetische Zweifel am Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen bestünden. Dieser Fall liege hier jedoch nicht vor, weil die Erfahrungen aus dem vorangegangenen Verbotsverfahren gegen die Antragsgegnerin hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür begründeten, dass sie heute genauso wenig gegnerfrei sei wie damals. Die grundsätzliche Vermutung für die Rechtmäßigkeit des Handelns staatlicher Stellen könne der Antragsteller aufgrund seines Vorverhaltens nicht mehr für sich in Anspruch nehmen.
Aus diesem Grund sei es unumgänglich, dass der Antragsteller konkret offenlege, wie viele angeworbene oder eingeschleuste V-Leute im Einzelnen, in welchen Vorständen und in welchem Zeitraum tätig gewesen seien und an welchen Parteitagen sie als Delegierte teilgenommen hätten. Außerdem sei darzulegen, wie der Vorgang der "Abschaltung" einer Person konkret aussehe, wie der Antragsteller sicherstelle, dass keine "Nachsorge" erfolge, dass keine Informationen verwendet würden, die von abgeschalteten V-Leuten freiwillig übermittelt worden seien, und dass ein außerhalb der Führungsebene stationierter staatlicher V-Mann während des laufenden Verbotsverfahrens nicht in eine Führungsposition gewählt beziehungsweise wie in einem solchen Fall verfahren werde.
Zur Sicherstellung der tatsächlichen "Abschaltung" sowie der Kappung jeglichen fortwirkenden Informationsflusses zwischen diesen Personen und den staatlichen Behörden sei es unumgängBVerfGE 144, 20 (71)BVerfGE 144, 20 (72)lich, dass der Antragsteller vollständige Einsicht in alle die "abgeschalteten" V-Leute betreffenden Akten gewähre.
cc) Unschlüssig sei der Vortrag des Antragstellers auch insoweit, als der ehemalige Bundesinnenminister für den Militärischen Abschirmdienst (MAD), den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Zollkriminalamt testiert habe, da diese Behörden nicht dem Bundesministerium des Innern unterstünden, sondern dem Bundesministerium der Verteidigung, dem Kanzleramt und dem Bundesministerium der Finanzen. Untertestate der Präsidenten der betreffenden Behörden und der zuständigen Staatssekretäre seien unzureichend, da die Testate von dem politisch höchstrangigen Funktionsträger des jeweiligen Fachministeriums und nicht von einem weisungsgebundenen Beamten innerhalb der Behördenhierarchie abgegeben werden müssten.
dd) Unterstelle man die "Abschaltung" sämtlicher Verdeckter Ermittler, Under-Cover-Agents und V-Leute, so fehle immer noch jeglicher Vortrag des Antragstellers zur Rückziehung eingeschleuster V-Leute. Bei diesen sei es mehr als unwahrscheinlich, dass sie sich ausschließlich als Informationssammler und -übermittler betätigten. Vielmehr sei zu erwarten, dass sie als Spalter, Provokateure und Saboteure handelten. Bei Einleitung eines Verbotsverfahrens müssten daher die eingeschleusten V-Leute entfernt werden.
ee) Unklar bleibe auch, warum die Testate sich überhaupt mit Verdeckten Ermittlern und Under-Cover-Agents auseinandersetzten, wenn diese nach Auskunft des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin nie eingesetzt worden seien. Davon sei nicht auszugehen.
(1) Dass die Behauptung, die Sicherheitsbehörden hätten zu keinem Zeitpunkt Personen in die Antragsgegnerin eingeschleust, sondern stets nur dort bereits vorhandenes Personal angeworben, falsch sei, ergebe sich daraus, dass am Montag, den 4. August 2014, der ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt zusammen mit Uwe Meenen in der Kanzlei zweier Berliner Rechtsanwälte auf A. getroffen sei. Letzterer habe erzählt, dass er im Laufe des Jahres mehrfach von Mitarbeitern des sächsischen Staatsschutzes daraufBVerfGE 144, 20 (72) BVerfGE 144, 20 (73)angesprochen worden sei, für sie zu arbeiten und Mitglied der Antragsgegnerin zu werden. Bei dem letzten Treffen sei ihm ein monatliches Salär von 4.000,-- Euro angeboten worden, wenn er aktiv werde und in die Antragsgegnerin einträte. Dies beinhalte, sich in Vorstände wählen zu lassen, unter anderem bei der Gestaltung der Internetauftritte in Sachsen mitzuwirken und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig zu sein. Das Angebot stamme von dem Leiter der operativen Abteilung beim Staatsschutz, "einem Herrn Friebe o.ä.".
(2) Gegen die Behauptung des Antragstellers, es seien nie V-Leute beziehungsweise Verdeckte Ermittler in die Antragsgegnerin eingeschleust worden, spreche außerdem, dass das Nachrichtenportal n-tv unter dem 3. Dezember 2014 über die Vernehmung von S. alias "V-Mann Piatto" im "NSU-Prozess" vor dem Oberlandesgericht München berichtet und den Zeugen damit zitiert habe, dass er erst nach Rücksprache mit dem Amt und in dessen Auftrag Mitglied der NPD geworden sei -- ausschließlich deshalb, um "Einblick in die Strukturen zu bekommen" und "Informationen zu gewinnen".
Der Zeuge habe somit seine Mitgliedschaft erst auf Initiative der Inlandsgeheimdienste beantragt und sei selbst zu einem Zeitpunkt, als er ideologisch nicht mehr hinter seinem Handeln gestanden habe, von Seiten des Verfassungsschutzes zu einer weiteren Agententätigkeit innerhalb der Antragsgegnerin -- auch auf einer Führungsebene -- angestachelt worden. Demgemäß trage der Antragsteller im hiesigen Verfahren vorsätzlich falsch vor, was die Glaubhaftigkeit seines gesamten Vortrags und insbesondere der von ihm vorgelegten "Testate" nachhaltig erschüttere.
ff) Schließlich fehle jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob in den Führungsgremien der Antragsgegnerin Mitarbeiter ausländischer Geheimdienste als Verdeckte Ermittler, Under-Cover-Agents oder V-Leute tätig seien, die die von ihnen erlangten Informationen an deutsche Behörden weiterleiteten.
gg) Die Testate seien darüber hinaus in weiteren Punkten unvollständig:
Unklar sei, was genau mit "Führungsebene" gemeint sei undBVerfGE 144, 20 (73) BVerfGE 144, 20 (74)auf welche Vorstände sich die Testate konkret bezögen. So sei nicht erkennbar, ob auch die Bezirks-, Kreis- und Ortsvorstände mitumfasst seien, obwohl es sich insoweit auch um "Vorstände auf Landesebene" handele. Die gleiche Problematik stelle sich bei den Unterorganisationen der Antragsgegnerin bezogen auf nachgeordnete Gliederungsebenen.
Ebenso klärungsbedürftig erscheine die Frage, ob sich die Testate nur auf Vorstände oder auch auf Bundes- und Landesparteitage bezögen, da diese ebenfalls als Führungsgremien zu qualifizieren seien. Der Souverän der Partei sei nicht etwa der Bundesvorstand, sondern der Bundesparteitag, der vor allem für die Beschlussfassung über das Parteiprogramm sowie für die Besetzung des Bundesvorstands zuständig sei.
Schließlich verhielten sich die Testate nicht zu den beiden -- zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden -- Landtagsfraktionen der Antragsgegnerin und ihren kommunalen Mandatsträgern. Gerade weil der Antragsgegnerin vorgeworfen werde, ihre Mandatsträger würden das parlamentarische System nicht anerkennen, dieses fortwährend verächtlich machen und den legislativen Betrieb stören, müsse sichergestellt sein, dass die Fraktionsapparate der Antragsgegnerin weder hinsichtlich der Abgeordneten noch hinsichtlich der Mitarbeiterstäbe von staatlichen Agenten infiltriert seien.
b) Ein weiteres Verfahrenshindernis bestehe hinsichtlich der Quellenfreiheit des vorgelegten Beweismaterials. Es sei nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden, dass dieses Material Ergebnis einer authentischen Willensbildung der Antragsgegnerin und nicht Produkt staatlicher Einflussnahme sei.
aa) Auch hier könnten die Innenminister und -senatoren keine Aussagen darüber treffen, ob, wann und wo der MAD, der BND und das Zollkriminalamt Verdeckte Ermittler, Under-Cover-Agents oder V-Leute eingesetzt hätten. Hinzu komme in Bezug auf Beweismittel der Kategorie 1, dass allein der Umstand, dass der unmittelbare Urheber eines Beweismittels kein Verdeckter Ermittler, Under-Cover-Agent oder V-Mann gewesen sei, noch keine "Kompromittierung" dieses Beweismittels ausschließe. EsBVerfGE 144, 20 (74) BVerfGE 144, 20 (75)sei nämlich ohne weiteres möglich, dass dieser durch einen solchen angestiftet, aufgehetzt und zur Schaffung eines entsprechenden Beweismittels animiert worden sei. Zur Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens sei es unabdingbar, dass das vorgelegte Beweismaterial tatsächlich und vollumfänglich staatsfrei sei, sowohl unmittelbar als auch mittelbar.
bb) Aufgrund der vielfältigen denkbaren Wirkungsmechanismen und Kausalzusammenhänge, die aus der Anwesenheit und der Tätigkeit einer Vielzahl von staatlichen Agenten herrührten, ergäben sich Rückwirkungen auf das Beweismaterial. Wirklich staatsfreies Tatsachenmaterial könne daher erst nach "Abschaltung" aller staatlichen Agenten bei der Antragsgegnerin und einer anschließenden Konsolidierungsphase von zwei bis drei Jahren gewonnen werden.
c) Ein drittes Verfahrenshindernis liege darin, dass derzeit eine vertrauliche Kommunikation zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Verfahrensbevollmächtigten zu 1., aber auch zwischen Vorstandsmitgliedern der Antragsgegnerin untereinander nicht gewährleistet sei, weil die konkrete Gefahr bestehe, dass sowohl der Verfahrensbevollmächtigte als auch Vorstandsmitglieder auf Bundes- und/oder Landesebene von in- und/oder ausländischen Geheimdiensten nachrichtendienstlich überwacht würden und damit die Prozessstrategie der Antragsgegnerin ausgespäht werde. Solange die Antragsgegnerin damit rechnen müsse, dass Willensbildungsprozesse und vertrauliche Gespräche zwischen Vorstandsmitgliedern und dem Verfahrensbevollmächtigten zu 1. dem antragstellenden Staat zur Kenntnis gelangten, könne keine Rechtsverteidigung auf Augenhöhe durchgeführt werden.
aa) Dass diese rechtsstaatlichen Mindestanforderungen gegenwärtig nicht gewährleistet seien, weil zu besorgen sei, dass der Verfahrensbevollmächtigte zu 1. der Antragsgegnerin nachrichtendienstlich überwacht werde, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass er als Funktionär des Landesverbands der Antragsgegnerin im Saarland seit dem Jahr 2003 aktentechnisch erfasst sei. Als mittlerweile stellvertretender Landesvorsitzender sei davon auszugehen, dass die gegen ihn gerichtete Beobachtung ausBVerfGE 144, 20 (75)BVerfGE 144, 20 (76)geweitet worden sei. Auf seine schriftliche Anfrage habe das Landesamt für Verfassungsschutz des Saarlandes mit Schreiben vom 25. Februar 2014 mitgeteilt, dass eine nachrichtendienstliche Überwachung seiner Person nicht erfolge und auch in der Vergangenheit nicht erfolgt sei. Gleiches habe das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 29. April 2014 versichert. Solche unsubstantiierten Behauptungen reichten indes nicht aus. Vielmehr sei es notwendig, dass die Verfassungsschutzämter die den Verfahrensbevollmächtigten zu 1. betreffenden Akten offenlegten.
In diesem Zusammenhang sei auf einen Vorfall am 30. November 2012 hinzuweisen, als ein im Eigentum der Mutter des Verfahrensbevollmächtigen zu 1. stehendes Kraftfahrzeug, welches regelmäßig von ihm selbst benutzt werde, auf einem öffentlichen Parkplatz in Saarbrücken-Dudweiler von einem zivilen Dienstfahrzeug des Landesamts für Verfassungsschutz des Saarlandes gerammt worden sei. Zwar sei der Verfahrensbevollmächtigte nicht persönlich anwesend gewesen, es sei aber bemerkenswert, dass der saarländische Verfassungsschutz behaupte, es finde keine Überwachung des familiären Umfelds des Verfahrensbevollmächtigten statt, und eine solche habe auch nie stattgefunden.
bb) Hinsichtlich der Mitglieder des Bundesvorstands und der Landesvorstände der Antragsgegnerin sowie ihrer Unterorganisationen bestehe ebenfalls der dringende Verdacht, dass eine nachrichtendienstliche Überwachung erfolge. Es liege nahe, dass das mit der "Abschaltung" der V-Leute einhergehende Informationsdefizit durch erweiterte Überwachung der Telekommunikation, durch akustische Wohnraumüberwachung oder durch Online-Durchsuchungen kompensiert werde.
cc) Schließlich bestehe der konkrete Verdacht, dass die Sitzungen des Parteivorstands der Antragsgegnerin nachrichtendienstlich abgehört würden. So sei der ehemalige Bundesschatzmeister der Antragsgegnerin K. bei polizeilichen Vernehmungen im Rahmen eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens mit wörtlichen Aussagen konfrontiert worden, die er während Parteivorstandssitzungen getätigt habe.BVerfGE 144, 20 (76)
BVerfGE 144, 20 (77)dd) Außerdem müsse der NSA-Überwachungsskandal berücksichtigt werden. Es stelle sich die Frage, inwiefern Funktionäre der Antragsgegnerin beziehungsweise ihr Verfahrensbevollmächtigter zu 1. Ziel von Abhörmaßnahmen ausländischer Geheimdienste seien, deren Ergebnisse auf dem "kurzen Dienstweg" an deutsche Behörden zurückflössen und dort verwertet würden. Es werde daher beantragt, hierzu Edward Snowden als Zeugen zu vernehmen.
3. Höchst hilfsweise sei das Verbotsverfahren auszusetzen, bis der vom Deutschen Bundestag am 20. März 2014 eingesetzte Untersuchungsausschuss zur NSA-Abhör-Affäre seinen Abschlussbericht vorgelegt habe. Da die Antragstellerseite gerade hinsichtlich der Aktivitäten des BND kein verwertbares Testat vorgelegt habe, sei es jedenfalls geboten, diesen Bericht abzuwarten, der wesentliche Erkenntnisse über Art und Umfang von Abhörmaßnahmen ausländischer Geheimdienste und die Weitergabe dabei erlangter Kenntnisse an deutsche Sicherheitsbehörden bezogen auf die Beteiligten des hiesigen Verfahrens erbringen dürfte, bevor eine Entscheidung über die Durchführung des Hauptverfahrens gemäß § 45 BVerfGG getroffen werden könne.
VI.
 
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 14. Mai 2014 beantragt, die von der Antragsgegnerin gestellten Anträge zurückzuweisen, und hat in diesem und weiteren Schriftsätzen dazu ausgeführt:
1. Die vorgelegten Verfahrensvollmachten genügten den Voraussetzungen des § 22 Abs.  2 BVerfGG. Die aus § 14 Abs.  2 GOBR folgende rechtliche Handlungsmacht des Direktors des Antragstellers umfasse auch dessen Vertretung im Außenverhältnis, die nach § 6 Abs.  1 GOBR grundsätzlich der Präsident wahrnehme. Andernfalls wäre das Bundesorgan Bundesrat weitgehend in seiner Funktion eingeschränkt.
Der Direktor sei auch zur Vertretung des Präsidenten des Antragstellers in "parlamentarischen Angelegenheiten" mit Außenwirkung befugt. Dies belegten die Regelungen in § 36 Abs.  1,BVerfGE 144, 20 (77) BVerfGE 144, 20 (78)§ 45a Abs.  1 und § 45d Abs.  4 GOBR sowie Entscheidungen, die der Direktor für den Präsidenten treffe, ohne dass dies ausdrücklich in der Geschäftsordnung geregelt sei (§ 37 Abs.  1 GOBR, § 61 Abs.  2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien und in Routinefällen § 3 Abs.  2 des Gesetzes über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes).
Vorliegend habe der Präsident des Antragstellers auf Vorschlag der Innenministerkonferenz nach Zustimmung des Ständigen Beirats den Direktor beauftragt, die Verfahrensbevollmächtigten zur Vertretung des Antragstellers im Verbotsverfahren zu bestellen. Die materielle Entscheidung über die bevollmächtigten Personen sei somit vom Präsidenten des Antragstellers lange vor der Ausstellung der Vollmachten getroffen worden. Die büromäßige Erteilung der Vollmachten habe lediglich den Vollzug dieser Entscheidung dargestellt.
Das Vorgehen entspreche der bisherigen Staatspraxis. Seit Bestehen des Bundesverfassungsgerichtes sei jede Prozessvollmacht für den Antragsteller durch seinen Direktor erteilt worden.
2. Es werde daran festgehalten, dass die Führungsgremien der Antragsgegnerin staatsfrei und die vorgelegten Belege quellenfrei seien. Ein Abhören und ein damit verbundenes Ausspähen der Prozessstrategie der Antragsgegnerin fänden nicht statt.
a) Die Antragsgegnerin habe keine konkreten Hinweise dafür vorgelegt, dass der durch die Testate belegte Sachvortrag zur Staatsfreiheit unzutreffend sei. Das Scheitern des ersten Verbotsverfahrens führe nicht zu einer Verschärfung der Darlegungslast des Antragstellers.
aa) (1) Zunächst sei festzustellen, dass nur Verdeckte Ermittler zurückgezogen werden könnten, weil sie als Bedienstete staatlicher Behörden weiterhin Weisungen unterworfen seien. V-Leute unterlägen nach der "Abschaltung" hingegen keinen Weisungen mehr, eine Rückziehung scheide daher aus. Die Erwähnung von Verdeckten Ermittlern wie auch von Under-Cover-Agents in den Testaten habe lediglich deren sachliche Lückenlosigkeit gewährleisten sollen. Eingesetzt worden seien solche nicht. Daher habe es auch keiner Erklärung zu ihrer Rückziehung bedurft.BVerfGE 144, 20 (78)
BVerfGE 144, 20 (79)(2) Es habe auch keinen Versuch sächsischer Sicherheitsbehörden gegeben, A. für eine Tätigkeit als V-Person, Informant oder Ähnliches zu gewinnen.
Der Freistaat Sachsen habe zur Überprüfung der Behauptungen der Antragsgegnerin sämtliche sächsischen Polizeidienststellen um Stellungnahme gebeten, ob es einen Anwerbeversuch gegenüber A. gegeben habe. Dies sei von allen Dienststellen verneint worden. Auch seien alle im sächsischen Polizeivollzugsdienst mit dem Nachnamen "Friebe" tätigen Polizeivollzugsbeamten gesondert befragt worden. Alle hätten ausgesagt, A. nicht zu kennen beziehungsweise keinen Kontakt mit ihm gehabt zu haben. Im Landesamt für Verfassungsschutz seien die für Werbung und Beschaffung zuständigen Bediensteten befragt worden, ob es Versuche gegeben habe, A. anzuwerben oder mit ihm in Kontakt zu treten. Beides sei ausgeschlossen worden. Zusätzlich sei in allen Polizeidienststellen geprüft worden, in welchen Verfahren A. im Zeitraum 2013/14 in Erscheinung getreten sei und welche Beamten dabei mit ihm Kontakt gehabt hätten. Diese Beamten seien befragt worden, ob es einen "Anwerbeversuch" oder Äußerungen gegeben habe, die möglicherweise als Anwerbeversuch hätten missverstanden werden können. Diese Fragen seien ausnahmslos verneint worden.
(3) Auch die von der Antragsgegnerin aufgestellten Behauptungen über die Quelle "Piatto" berührten die Staatsfreiheit im vorliegenden Verfahren nicht. S. habe sich niemals in einem Beschäftigungsverhältnis zu Sicherheitsbehörden von Bund oder Ländern befunden. Er habe aus der Untersuchungshaft heraus 1994 aus eigenem Antrieb den Kontakt zu den Sicherheitsbehörden initiiert. Seitdem habe er als V-Person Erkenntnisse über die rechtsextremistische Szene in Brandenburg weitergegeben. Im Verlauf des Jahres 2000 sei er als Quelle abgeschaltet und der Kontakt zu ihm beendet worden.
S. sei daher kein "Verdeckter Ermittler" gewesen. Er sei als V-Person nicht unter einer anderen Identität in eine Organisation "eingeschleust" worden, sondern bereits vor der Kontaktaufnahme mit den Sicherheitsbehörden in der "Szene" aktiv gewesenBVerfGE 144, 20 (79) BVerfGE 144, 20 (80)und habe sich dann aus eigenem Antrieb zu einer Weitergabe von Informationen an die Sicherheitsbehörden entschlossen.
bb) Bei den V-Leuten habe auch nicht bloß eine "Abschaltung" stattgefunden, sondern es sei zudem keine "Nachsorge" betrieben worden. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern seien die Sicherheitsbehörden angewiesen worden, jeden Kontaktversuch einer abgeschalteten Quelle zurückzuweisen und die Zurückweisung zu dokumentieren. Für den Fall, dass eine nicht abgeschaltete V-Person in einen Vorstand der Antragsgegnerin oder ihrer Untergliederungen gewählt werden sollte, würde umgehend ihre "Abschaltung" vorgenommen. Seit dem 6. Dezember 2012 habe auch tatsächlich keine Kommunikation mit "abgeschalteten" V-Leuten mehr stattgefunden. Vereinzelte Kontaktaufnahmeversuche ehemaliger V-Leute seien abgelehnt und dokumentiert worden.
cc) Mit Blick auf die angegebene Statistik von 2008 bis 2013 sei das Jahr 2013 einbezogen worden, um dem Gericht möglichst aktuelle Daten vorlegen zu können. Die Feststellung, dass spätestens seit Dezember 2012 keine V-Leute mehr in der Führungsebene der Antragsgegnerin vorhanden seien, sei spezieller als die den Zeitraum 2008 bis 2013 umfassende Statistik. Der entsprechende Quellenanteil für das Jahr 2013 habe bei 0,0% gelegen.
dd) Die Antragsgegnerin habe keine einzige konkrete Tatsache vorgetragen, die die Richtigkeit der Testate in Zweifel zu ziehen geeignet wäre. Die Sicherheitsbehörden seien aus Gründen des verfassungsrechtlich gebotenen Quellenschutzes und zur Sicherung ihrer künftigen Aufgabenerfüllung rechtlich nicht in der Lage, den ehemaligen wie aktuellen Bestand von V-Leuten offenzulegen. Deswegen wäre es an der Antragsgegnerin gewesen, zumindest glaubhafte Anhaltspunkte für einen fehlerhaften Vortrag darzulegen.
Das Risiko der fehlenden Erweislichkeit eines Verfahrenshindernisses trage die Antragsgegnerin. Zwar bestehe im Verfassungsrecht keine subjektive Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast, jedoch griffen die Regeln der "objektiven Beweislast". Demgemäß sei das Risiko der fehlenden Erweislichkeit danachBVerfGE 144, 20 (80) BVerfGE 144, 20 (81)verteilt, wer aus der betreffenden Tatsache eine günstige Rechtsfolge herleite, sowie danach, was "Regel" und was "Ausnahme" sei. Nach diesen Grundsätzen trage die Antragsgegnerin die objektive Beweislast, soweit sie sich auf ein Verfahrenshindernis berufe.
ee) Das Testat des Bundesinnenministers werde von den jeweils zuständigen Ressorts der Bundesregierung mitgetragen und durch entsprechende -- nunmehr vorgelegte -- Untertestate der Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamts, des Bundespolizeipräsidiums und des Bundesnachrichtendienstes bestätigt. Der Bundesinnenminister habe die Testate lediglich gesammelt, um dem Gericht gegenüber eine Gesamtaussage machen zu können. Darüber hinaus hätten die Staatssekretäre im Bundesministerium der Verteidigung und im Bundesministerium der Finanzen entsprechende -- ebenfalls vorgelegte -- Erklärungen für die Geschäftsbereiche ihrer Ministerien abgegeben.
ff) Unter "Führungsebene" verstünden Bund und Länder den Bundesvorstand, die Landesvorstände sowie die entsprechenden Vorstände der drei vom Antrag mitumfassten Teilorganisationen der Antragsgegnerin.
b) Auch hinsichtlich der Quellenfreiheit des Beweismaterials habe die Antragsgegnerin keine Umstände vorgetragen, die ein Verfahrenshindernis zu begründen geeignet seien. Die angebliche mittelbare Beeinflussung des im Antrag verwendeten Tatsachenmaterials werde durch die Antragsgegnerin lediglich pauschal behauptet und durch keinerlei Tatsachen plausibilisiert. Problematisch seien nur Äußerungen, die von Parteimitgliedern stammten, die direkte nachrichtendienstliche Kontakte mit staatlichen Behörden unterhielten oder unterhalten hätten. Dass es daran fehle, werde durch die vorgelegten Testate bestätigt.
c) Die Unterstellung der Antragsgegnerin, dass die Kommunikation mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten zu 1. überwacht werde, werde zurückgewiesen. Bereits mit Weisung vom 14. Dezember 2012 hätten Bund und Länder verfügt, keinerlei Informationen zur Prozessstrategie der Antragsgegnerin von Quellen entBVerfGE 144, 20 (81)BVerfGE 144, 20 (82)gegenzunehmen. Überdies hätten sich die Behörden von Bund und Ländern am 17. März 2014 anlässlich der Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin auf die Weisung geeinigt, dass nachrichtendienstlich erlangte Informationen über die Prozessstrategie der NPD auch dann nicht entgegengenommen werden dürften, wenn sie aus dem Umfeld des Verfahrensbevollmächtigten oder seiner Kanzlei kämen. Zudem sei auf dessen privilegierte Stellung und in diesem Zusammenhang insbesondere auf § 3b Abs.  1 G 10 und § 160a Abs.  1 StPO sowie auf ein Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 29. Mai 2013 zum Einsatz von G 10-Maßnahmen hingewiesen worden. Daraus folge, dass auch Gespräche, die der Verfahrensbevollmächtigte zu 1. mit Mitgliedern des Parteivorstands der Antragsgegnerin führe, nicht überwacht würden.
Das von der Antragsgegnerin geschilderte Unfallereignis stehe in keinem Zusammenhang mit vermeintlichen Überwachungsmaßnahmen gegen ihren Verfahrensbevollmächtigten zu 1., der zu diesem Zeitpunkt noch nicht Verfahrensbevollmächtigter der Antragsgegnerin gewesen sei. Vielmehr hätten Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz des Saarlandes am Unfalltag ein Postfach leeren sollen. Zu diesem Zweck habe man den Dienst-Pkw auf einem öffentlichen Parkplatz parken wollen und dabei einen Unfall mit dem Pkw der Mutter des Verfahrensbevollmächtigten verursacht. Der dienstliche Auftrag habe weder Bezug zur Antragsgegnerin gehabt noch in einem Zusammenhang mit dem Verfahrensbevollmächtigten oder dessen Umfeld gestanden. Hierzu werde ein Bestätigungsschreiben des Staatssekretärs des Saarländischen Ministeriums für Inneres und Sport vorgelegt und eine Zeugenvernehmung des entsprechenden Mitarbeiters angeboten.
3. Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Aussetzungsantrags vertritt der Antragsteller die Ansicht, Art.  44 Abs.  4 Satz 2 GG lege fest, dass die Würdigung der Beweise und die rechtliche Beurteilung der Tatsachen durch Gerichte unabhängig von den Feststellungen eines Untersuchungsausschusses, also "frei" erfolgten. Außerdem entstamme keiner der in der Antragsschrift verwendeBVerfGE 144, 20 (82)BVerfGE 144, 20 (83)ten Belege den Erkenntnissen ausländischer Nachrichtendienste. Auch zur Prozessstrategie der Antragsgegnerin lägen ihm von ausländischen Nachrichtendiensten keine Informationen vor.
VII.
 
1. Mit Beschluss vom 19. März 2015 (BVerfGE 138, 397) hat der Senat dem Antragsteller folgende Hinweise erteilt:
2. Mit Berichterstatterschreiben vom selben Tag wurde der Antragsteller außerdem darauf hingewiesen, dass sein Sachvortrag zur vorübergehenden Kontrolle des öffentlichen Raums durch die Antragsgegnerin mit der Folge, dass eine "Atmosphäre der Angst" erzeugt werde und hierdurch erkennbare Einschränkungen demokratischen Handelns nachweisbar seien, möglicherweise nicht hinreichend durch konkrete Beispiele unterlegt sei. Ferner werde der Vortrag, die Antragsgegnerin habe ihre Aktivitäten im Sommer/Herbst 2013 bei der Debatte um die Aufnahme von Asylbewerbern besonders aggressiv gestaltet und zahlreiche Proteste gegen Asylbewerber organisiert, bislang nur mit dem Hinweis auf einen Aufruf zu einem "Fackelmarsch gegen Asylmissbrauch" und drei Belegen unterlegt. Weitere Belege und Darstellungen des Verlaufs konkreter Aktivitäten fehlten.
VIII.
 
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2015 und weiteren Schriftsätzen nahm der Antragsteller zum Hinweisbeschluss des Senats Stellung und legte interne Vermerke, Erlasse, Abschalterklärungen, Gesprächsprotokolle, E-Mails und andere Inhalte von Akten der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder vor, die bisher der Geheimhaltung unterlegen hätten. Er hat vorgetragen, dassBVerfGE 144, 20 (84) BVerfGE 144, 20 (85)damit interne Arbeitsabläufe der Sicherheitsbehörden dargestellt und die Anzahl der abgeschalteten V-Leute in Bund und Ländern genannt würden. Die Klarnamen der Quellen und Teile der Dokumente, aus denen Rückschlüsse auf die Identität der Quellen gezogen werden könnten, sowie die Namen von Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden von der Ebene der Referatsleiter abwärts seien zum Schutz der Betroffenen geschwärzt worden. Nach Auffassung des Antragstellers seien die Sicherheitsbehörden damit "an die Grenze des rechtlich Zulässigen" gegangen.
1. Zu Ziffer III.1. des Hinweisbeschlusses hat der Antragsteller vorgetragen, dass der Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) vom 22. März 2012 zur "Abschaltung" aller Quellen auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin von Bund und Ländern teilweise in der Folgezeit, teilweise aber auch schon im Vorgriff umgesetzt worden sei. Alle Quellen auf Führungsebene der Antragsgegnerin und ihrer Teilorganisationen seien abgeschaltet worden, so dass spätestens seit dem 6. Dezember 2012 die Informationsbeziehungen zu sämtlichen Quellen auf der Führungsebene beendet gewesen seien.
a) Bereits am 30. November 2011 sei eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens beschlossen worden, die am 14. März 2012 einen Bericht vorgelegt habe. Der 4. Teil dieses Berichts mit dem Titel "Konsensuale Punkte des Kriterienkatalogs" stelle die in Ziffer III.2. des Hinweisbeschlusses angesprochene Vereinbarung zwischen Bund und Ländern dar, die nunmehr vorgelegt werde. Im Detail sei vereinbart worden, dass rechtzeitig vor Eingang des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht alle Quellen in den Vorständen der Partei von Bund und Ländern abgeschaltet sein müssten und auch keine "Nachsorge" betrieben werden dürfe. Zudem sei vereinbart worden, dass auch Quellen, die gegebenenfalls während eines laufenden Verfahrens in den Vorstand aufrückten, unverzüglich abgeschaltet würden. Kontaktversuche von abgeschalteten Quellen und Informationen über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin seien zurückzuweisen. BasierendBVerfGE 144, 20 (85) BVerfGE 144, 20 (86)auf diesen Vereinbarungen habe die IMK am 22. März 2012 ihren Beschluss gefasst.
b) In allen Ländern und in der Bundesverwaltung seien die sich aus dem Beschluss ergebenden Anforderungen an und in die Sicherheitsbehörden hinein kommuniziert worden. Dies sei teils im Wege des schriftlichen Erlasses, teils durch E-Mail-Kommunikation, teils in Besprechungen geschehen. Als Stichtag für die Abfrage von Quellen auf Führungsebenen sei der 1. Dezember 2011 gewählt worden, also der Tag nach der Konstituierung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Zu diesem Zeitpunkt hätten der Bund und die Länder insgesamt elf V-Leute in der Führungsebene (Bundes- und Landesvorstände) der Antragsgegnerin und/oder ihrer Teilorganisationen eingesetzt. Die vom Antragsteller näher aufgeschlüsselte Verteilung werde durch die Erklärungen der jeweiligen Innenministerien beziehungsweise der Leiter der Verfassungsschutzbehörden bestätigt und durch die Vorlage interner Verfügungen, Weisungen, Abschaltvermerke sowie -erklärungen belegt.
Soweit am Stichtag Quellen auf Führungsebenen der Antragsgegnerin vorhanden gewesen seien, hätten die Abschaltvorgänge in einem Treffen mit der Quelle bestanden, bei der dieser die Gründe der sofortigen "Abschaltung" erklärt und eine Abschaltprämie ausgezahlt oder versprochen worden sei. Daraufhin sei der Quelle eine "Abschalterklärung" zur Unterzeichnung vorgelegt worden. Der Quelle sei zudem verdeutlicht worden, dass keine "Nachsorge" stattfinden könne, ein Kontakt zwischen der Sicherheitsbehörde und der Quelle also nicht mehr möglich sei. In den meisten Fällen sei dies das letzte Treffen mit der Quelle gewesen, in manchen Fällen sei es noch zu wenigen Nachbetreuungstreffen gekommen, die nicht mit einem Informationsaustausch verbunden gewesen seien. Spätestens ab dem 6. Dezember 2012 seien alle Informationsbeziehungen zu sämtlichen Quellen auf Führungsebene der Antragsgegnerin vollständig beendet gewesen. Nur in einem Land sei eine V-Person nicht bereit gewesen, die formelle Abschalterklärung zu unterschreiben. Sie sei daraufhin entsprechend mündlich belehrt worden. Seit dem 1. DezemBVerfGE 144, 20 (86)BVerfGE 144, 20 (87)ber 2011 sei es nicht vorgekommen, dass V-Leute unterhalb der Führungsebene in die Vorstände aufgerückt seien. Seit diesem Tag seien außerdem keine Quellen unter den Mitgliedern der Fraktionen der Antragsgegnerin in den Landtagen Sachsens und Mecklenburg-Vorpommerns gewesen. Dies werde durch Vorlage der entsprechenden Dokumente und Testate belegt.
2. Anlässlich des Beschlusses des Antragstellers zur Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens am 14. Dezember 2012 hätten Bund und Länder weitere koordinierte Maßnahmen getroffen, um sicherzustellen, dass weiterhin keine "Nachsorge" im oben genannten Sinne erfolge. Hierfür sei im Dezember 2012 ein "Musterschreiben" entworfen worden, mit dem die jeweiligen Sicherheitsbehörden angewiesen worden seien, jeden Kontaktversuch abgeschalteter Quellen zurückzuweisen und dies zu dokumentieren. Auf Bundesebene seien in der Folge die Schreiben des Staatssekretärs des Bundesministers des Innern vom 14. Dezember 2012 erstellt worden. In den Ländern seien alle Sicherheitsbehörden im Sinne des Musterschreibens durch die jeweils zuständigen Stellen entsprechend angewiesen worden. Bei einer Länderumfrage seitens des Vorsitzlandes der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sei "ausnahmslos bestätigt" worden, dass sowohl der Verfassungsschutz als auch die Polizeibehörden entsprechend dem übermittelten Musterschreiben veranlasst worden seien, die Vorkehrungen zur Sicherstellung eines rechtsstaatlichen Verbotsverfahrens zu treffen.
Durch diese Erlass- beziehungsweise Weisungslage werde auch weiterhin garantiert, dass keine "Nachsorge" erfolge. Soweit ehemalige Quellen Kontaktversuche unternommen hätten, seien diese zurückgewiesen und die Zurückweisungen entsprechend dokumentiert worden (Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern). Auch zufällige Kontakte seien dokumentiert worden (Nordrhein-Westfalen). Darüber hinaus habe in Baden-Württemberg bei einer ehemaligen Quelle am 30. März 2012 einmalig ein Betreuungstelefonat stattgefunden, weil eine psychische Ausnahmesituation befürchtet worden sei.
Auch dieser Vortrag werde durch Vorlage der entsprechendenBVerfGE 144, 20 (87) BVerfGE 144, 20 (88)Musterschreiben, Weisungen, E-Mails und -- teilweise geschwärzten -- Aktenauszüge belegt.
3. a) Zu Ziffer III.3. des Hinweisbeschlusses hat der Antragsteller vorgetragen, dass die Sicherstellung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens schon weit vor dem Beschluss zur Einleitung des NPD-Verbotsverfahrens die oberste Priorität für Bund und Länder gewesen sei. Im 4. Teil des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe heiße es, dass keine zielgerichtete Beschaffung von Informationen über die Prozessstrategie durch nachrichtendienstliche Beobachtung erfolgen dürfe.
b) Anlässlich des Bundesratsbeschlusses zur Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens vom 14. Dezember 2012 hätten Bund und Länder zudem koordinierte Maßnahmen zur Sicherstellung der Rechtsstaatlichkeit des Verbotsverfahrens unternommen, wie sich aus dem bereits erwähnten, an die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern weitergeleiteten Musterschreiben ergebe. Danach sei durch entsprechende Weisungen sicherzustellen gewesen, dass keine Entgegennahme nachrichtendienstlich erlangter Informationen über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin erfolge, auch im Rahmen von Aussteigerprogrammen keine Informationen über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin entgegengenommen werden dürften sowie entsprechende Versuche zurückzuweisen und zu dokumentieren seien.
Diese Vorgaben seien im weiteren Verlauf verschiedentlich präzisiert worden. So sei mit vorgelegtem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 29. Mai 2013 an alle Länder sowie an alle Sicherheitsbehörden des Bundes auf die Notwendigkeit strikter Staatsfreiheit im Sinne unbeobachteter selbstbestimmter Willensbildung und Selbstdarstellung der Antragsgegnerin vor dem Bundesverfassungsgericht hingewiesen und gebeten worden, von Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz gegen Mitglieder des Bundes- oder eines Landesvorstands der Antragsgegnerin nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen Gebrauch zu machen. Sollten sich die G 10-Maßnahmen gleichwohl als notwendig erweisen, müsse sichergestellt werden, dass im Zuge dieser Maßnahmen keinerlei Informationen zur Prozessstrategie erfasst würden.BVerfGE 144, 20 (88) BVerfGE 144, 20 (89)Hierzu seien nachweisbar geeignete Vorkehrungen zu treffen, damit -- entsprechend der Handhabung beim Kernbereichsschutz -- bereits in der Vorauswertung keinerlei Informationen über das Verbotsverfahren aufgenommen werden könnten.
Der Antragsteller hat sodann ausgeführt, dass es seit dem Schreiben vom 29. Mai 2013 auf Bundesebene eine G 10-Maßnahme gegeben habe, die auch Personen aus der Führungsebene der Antragsgegnerin und/oder ihrer Teilorganisationen betroffen habe. Hintergrund sei der Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 129a StGB gewesen. Die Maßnahme habe sich nicht unmittelbar und zielgerichtet gegen die Antragsgegnerin gerichtet. Bereits bei der Vorauswertung seien keine Informationen über das NPD-Verbotsverfahren aufgenommen worden; damit sei das Risiko einer Prozessausspähung ausgeschlossen worden.
In den Ländern habe es nur in Sachsen und in Brandenburg jeweils eine G 10-Maßnahme gegeben. In Sachsen sei Hintergrund der Verdacht der Fortführung einer verbotenen Vereinigung (§ 85 StGB) gewesen, in Brandenburg der Verdacht, dass der Betroffene an exponierter Stelle versuche, die verschiedenen Gruppierungen der Freien Kräfte in Brandenburg zu vernetzen, sowie die Verhinderung beziehungsweise Aufklärung von Straftaten (insbesondere § 130 StGB). In Sachsen seien keine Informationen zum Verbotsverfahren gegen die Antragsgegnerin und deren Prozessstrategie angefallen, in Brandenburg sei trotz entgegenstehender Weisung Anfang Dezember 2013 ein Protokoll gefertigt worden, das auch eine Randerkenntnis zum bevorstehenden Verbotsverfahren zum Inhalt gehabt habe und an die Landesbehörden für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt, Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westfalen versandt worden sei. In der Verfassungsschutzbehörde Brandenburg und in den beteiligten Ländern seien die Unterlagen nicht verwertet und zeitnah vernichtet worden, in Sachsen sei das Protokoll für die Facharbeit gesperrt. Zudem sei die Maßnahme selbst nicht fortgeführt und am 31. Dezember 2013 beendet worden.
Anlässlich der Antragstellung beim BundesverfassungsgerichtBVerfGE 144, 20 (89) BVerfGE 144, 20 (90)am 3. Dezember 2013 habe das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 alle Landesverfassungsschutzämter "sicherheitshalber" noch einmal auf die strikte Berücksichtigung der Vorkehrungen zum Schutz eines rechtsstaatlichen Verbotsverfahrens hingewiesen. Zum Sachverhalt Verbotsverfahren sollten, auch wenn nur allgemeine, öffentlich bekannte oder prozesstaktisch völlig irrelevante Aspekte betroffen seien, keinerlei Informationen auf nachrichtendienstlichem Wege entgegengenommen werden. In den Ländern sei dies zum Anlass genommen worden, die zuständigen Stellen und Mitarbeiter abermals für die Problematik zu sensibilisieren.
Der Antragsteller hat seinen Vortrag durch Vorlage der entsprechenden Weisungen, Anschreiben, Vermerke und weiterer Dokumente belegt. Daneben testieren auch die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, dass ihnen, abgesehen von den für jedermann zugänglichen, öffentlichen Äußerungen des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin, keine Informationen zur deren Prozessstrategie vorlägen.
c) Angesichts dieser Maßnahmen sei schon vor Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin sichergestellt gewesen, dass die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern keine Informationen über die Kommunikation zwischen der Antragsgegnerin und einem potentiellen Verfahrensbevollmächtigten zur Prozessstrategie auf nachrichtendienstlichem Wege erlangen würden. Gleichzeitig sei durch diese Maßnahmen auch gewährleistet gewesen, dass Zufallsfunde von der Verwertung ausgeschlossen seien. Dennoch seien nach Bekanntwerden der Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin weitere Maßnahmen ergriffen worden, um dessen privilegierte Stellung zu garantieren. Hierzu hätten sich die Behörden von Bund und Ländern am 17. März 2014 auf die bereits erwähnte Musterweisung zur Beachtung dieser Stellung geeinigt. Diese Weisung sei an alle Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder ergangen, die sie umgesetzt hätten.
In der Folgezeit seien "weitere Verschärfungen" des Schutzes des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin erBVerfGE 144, 20 (90)BVerfGE 144, 20 (91)folgt, die über die Anforderungen des § 3b Abs.  1 G 10 und § 160a Abs.  1 StPO noch hinausgingen: Am 16. Juni 2014 sei veranlasst worden, dass auch keine Personenakten über ihn weitergeführt werden dürften. Erkenntnisse dürften nur gespeichert werden, soweit diese aus öffentlichen Quellen stammten und nach einem sachbezogenen, nicht personenbezogenen Suchraster ermittelt worden seien. Nach diesen Kriterien unzulässige Speicherungen seit dem 7. Januar 2014 seien rückwirkend zu löschen gewesen. Zum Beleg dieses Vortrags werde die entsprechende E-Mail des Vorsitzlandes der Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit den dazugehörigen Weisungen vorgelegt.
Im August und im September 2015 seien in vier Fällen Dokumente an das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie an die Verfassungsschutzbehörden in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein übergeben worden, in denen der Verfahrensbevollmächtigte zu 1. der Antragsgegnerin aufgeführt beziehungsweise zu einer Informationsveranstaltung über das Verfahren eingeladen worden sei. Als dies erkannt worden sei, seien die Unterlagen vernichtet beziehungsweise mit einer funktionsäquivalenten Datenschutzsperre belegt worden.
4. a) Zu Ziffer III.4. des Hinweisbeschlusses hat der Antragsteller zunächst darauf verwiesen, dass das Programm der Antragsgegnerin einen Sonderfall darstelle, da dieses nur der Partei im Ganzen, aber keiner natürlichen Person zugerechnet werden könne und sich deswegen einer Kategorisierung im Sinne der Antragsschrift entziehe. Weder liege eine namentliche Urheberschaft des Programms vor, weshalb Kategorie 1 ausscheide, noch werde die Anwesenheit einzelner Verfassungsschutzquellen unter den Parteitagsdelegierten -- neun von 187 -- bestritten, weshalb Kategorie 2 nicht in Betracht komme. Die Staatsfreiheit der Antragsgegnerin sei gleichwohl nicht betroffen, da Parteitagsdelegierte nicht der Führungsebene einer Partei im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung angehörten.
Auch bei strengerer Betrachtung ergebe sich eine staatsfreie Entstehung des Programms, da die mitwirkenden Personen in der Programmkommission sowie in der Programmdebatte nach demBVerfGE 144, 20 (91) BVerfGE 144, 20 (92)1. Januar 2003 zu keinem Zeitpunkt Quelle des Verfassungsschutzes oder der Polizei gewesen seien. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass in den für die Programmentwicklung bedeutsamen Landesverbänden Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen in der gesamten Phase der Programmerneuerung keine Quellen auf Landesvorstandsebene eingesetzt worden seien. Außerdem sei das Programm auf dem Parteitag mit überwältigenden Mehrheiten angenommen worden, so dass die anwesenden neun Quellen nicht ins Gewicht fielen.
Führende Vertreter der Antragsgegnerin, die seit dem 1. Januar 2003 zu keinem Zeitpunkt Quellen von Polizei und Verfassungsschutz gewesen seien, hätten sich das Programm in der Folgezeit zudem ausdrücklich zu eigen gemacht. Auf der Homepage des Bundeswahlleiters sei das Parteiprogramm der Antragsgegnerin in seiner Fassung von Juni 2010 weiterhin als aktuelles Programm ausgewiesen.
b) Das Positionspapier der Antragsgegnerin von 1997 habe lediglich der Explikation der Entwicklung der "Drei-" beziehungsweise "Vier-Säulen-Strategie" gedient. Es selbst liege außerhalb des definierten Kategorisierungszeitraums. Jedoch sei die "Vier-Säulen-Strategie" in der Folgezeit von etlichen Führungsfunktionären bis hin zum heutigen Parteivorsitzenden Franz immer wieder bekräftigt worden. Im Übrigen habe der damalige Parteivorsitzende Voigt eigenen Angaben zufolge das Strategiepapier selbst erarbeitet. Dieser sei von den Testaten zur Quellenfreiheit erfasst.
IX.
 
Die Antragsgegnerin hat hierauf mit Schriftsatz vom 31. August 2015 geantwortet.
1. Nach ihrer Auffassung erweise sich der Vortrag des Antragstellers trotz der vorgelegten umfangreichen Anlagen als ungeeignet, die Staatsfreiheit der Führungsebene der Antragsgegnerin in einer verfahrenshindernisausschließenden Weise zu belegen.
Die vorgelegten Anlagenkonvolute bestünden überwiegend aus behördeninterner Kommunikation von Polizei und VerfassungsBVerfGE 144, 20 (92)BVerfGE 144, 20 (93)schutz und bewiesen lediglich, dass die vorgesetzten Dienststellen Weisungen erteilt hätten, nicht hingegen die Ausführung und die Kontrolle der Einhaltung dieser Weisungen. Der Nachweis der Staatsfreiheit der Führungsebenen der Antragsgegnerin sei durch die vorgelegten Abschalterklärungen und -vermerke schon deshalb nicht geführt, weil diese in weiten Teilen geschwärzt seien, inhaltlich daher nicht mehr nachvollzogen und abschließend bewertet werden könnten. Die übermäßige Schwärzung habe wohl der "inhaltlichen Frisierung" der Abschaltvermerke gedient, was sich beispielhaft an einem dem Anlagenkonvolut Nordrhein-Westfalens beigefügten Abschaltvermerk zeige, der von "formellen Abschalterklärungen" spreche, obwohl er sich angeblich nur auf eine einzige Quelle beziehe. Es sei denkbar, dass der Aussagegehalt der lesbaren Textstellen im geschwärzten Teil vollständig konterkariert werde.
Selbst wenn man die Abschalterklärungen nebst Begleitvermerken für beweiskräftig halten wollte, könnten diese allenfalls die "Abschaltung" derjenigen Quellen beweisen, deren Existenz der Antragsteller einräume. Sie bewiesen hingegen nicht, dass es außer den zugestandenen elf Quellen nicht noch weitere gegeben habe oder weiterhin gebe. Vollkommen unverständlich sei es in diesem Zusammenhang, dass es in den beiden über Landtagsfraktionen verfügenden Verbänden in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen -- und damit gleichsam den "Machtzentren" der Partei -- angeblich keine abzuschaltenden V-Leute gegeben haben solle. Die diesbezügliche Erklärung des Innenministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Anschreiben vom 11. Mai 2015 lasse im Übrigen die Fraktionsmitarbeiter außen vor. Auffällig und aufklärungsbedürftig seien insbesondere die "dubiosen und regelrecht fluchtartigen Abgänge" der ehemaligen sächsischen Fraktionsvorsitzenden Apfel -- im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Verbotsantrag -- und Szymanski, gegen den der Verdacht einer Spitzel-Tätigkeit im Raum stehe.
2. Der Vortrag des Antragstellers sei auch nicht zum Beweis der Behauptung geeignet, dass zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Verfahrensbevollmächtigten zu 1. eine vertrauliche KommuBVerfGE 144, 20 (93)BVerfGE 144, 20 (94)nikation gewährleistet sei. So sei bereits der aus dem Verkehrsunfallgeschehen am 30. November 2012 resultierende Verdacht nachrichtendienstlicher Überwachung nicht entkräftet.
Hinzu komme, dass die vorgelegten Weisungen nicht beweiskräftig seien. Jedenfalls sei deren Beschränkung ausschließlich auf G 10-Maßnahmen völlig unzureichend. Die Prozessstrategie könne ebenso durch Überwachungsmaßnahmen in Form von akustischer Wohnraumüberwachung und Online-Durchsuchungen ausgespäht werden.
Ausdrücklich gegen die Nichtausspähung der Prozessstrategie der Antragsgegnerin spreche darüber hinaus ein Dokument im Anlagenkonvolut des Freistaates Bayern. Danach habe ein Mitarbeiter des dortigen Landesamts für Verfassungsschutz bis Ende Februar 2014 über das soziale Netzwerk "Facebook" mit dem Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin in Kontakt gestanden und diesen erst nach einer Weisung durch den Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz am 26. Februar 2014 beendet. Angesichts der erst zwei Monate nach Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten erfolgten Beendigung des Kontakts könne es sich nur um eine beabsichtigte Informationsgewinnung über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin gehandelt haben.
3. Der Vortrag des Antragstellers bestätige ferner den Verdacht, dass der Staat am aktuellen Parteiprogramm der Antragsgegnerin sowie an dem Positionspapier "Das strategische Konzept der NPD" selbst mitgeschrieben habe.
a) Hinsichtlich des Parteiprogramms werde durch die vom Antragsteller zugestandene Anwesenheit von neun staatlichen Quellen auf dem Programmparteitag der Grundsatz der Staatsfreiheit verletzt, da es sich bei diesem um eine "führende Organisationseinheit" der Antragsgegnerin handele. Der Antragsteller müsse zumindest zu dem Wirken dieser V-Leute auf dem Parteitag Stellung nehmen, da eine Beeinflussung der Abstimmungsergebnisse durch diese nicht auszuschließen sei. Die Darlegung der Staatsfreiheit des Parteiprogramms der Antragsgegnerin könne auchBVerfGE 144, 20 (94) BVerfGE 144, 20 (95)nicht dadurch umgangen werden, dass man auf dessen angebliche "Bestätigung" durch führende Funktionäre der Partei verweise.
b) Nicht anders verhalte es sich hinsichtlich des Positionspapiers "Das strategische Konzept der NPD". Auch insoweit könne sich der Antragsteller nicht darauf berufen, dass die genaue Urheberschaft irrelevant sei, weil Udo Voigt und Frank Franz sich den Inhalt dieses Papiers zu eigen gemacht hätten.
X.
 
Mit Schriftsatz vom 27. August 2015 hat der Antragsteller auf das Berichterstatterschreiben vom 19. März 2015 geantwortet.
Die Antragsgegnerin setze ihre verfassungsfeindliche Ideologie aggressiv-kämpferisch ins Werk und bewirke damit schon jetzt nachweisbare Konsequenzen zulasten gesellschaftlicher Minderheiten, politisch Andersdenkender sowie demokratischer Prozesse. Sie gehe über die Grenzen politischer Kommunikation hinaus, indem sie unter anderem durch physische Präsenz und psychischen Druck eine bedrohliche Wirkung entfalte. Einschüchterungen politischer Gegner, Bedrohungsgefühle bei Minderheiten, der Verzicht auf die Wahrnehmung demokratischer Rechte aus Furcht vor Ausgrenzung oder Gewalt und die Hinnahme eines minderheitenfeindlichen Klimas durch Teile der Bevölkerung seien Teil der Strategie der Antragsgegnerin und führten vor allem in den neuen Ländern zu Beeinträchtigungen des politischen Lebens und der "Freiheit der geistigen Auseinandersetzung".
Ihrer angeblichen "Krise" zum Trotz habe die Antragsgegnerin die Anzahl ihrer kommunalen Mandate bundesweit von rund 330 Sitzen im Jahr 2010 auf 367 Sitze nach den Kommunalwahlen 2014 ausbauen können. Sie fungiere als organisatorische Basis für andere rechtsextremistische Gruppen und sei weiterhin in der Lage, Dominanzansprüche zu äußern und im öffentlichen Raum dementsprechend aufzutreten.
1. Hinsichtlich der im Berichterstatterschreiben vom 19. März 2015 angesprochenen Frage einer "Atmosphäre der Angst" sei festzustellen:
a) Der ideologische Hintergrund der Antragsgegnerin sei nichtBVerfGE 144, 20 (95) BVerfGE 144, 20 (96)nur theoretischer Überbau, sondern unmittelbare Handlungsmaxime, die auf direktem Weg zu Einschüchterungen und Einschränkungen demokratischen Handelns führe. Dabei komme dem Konzept der "Volksgemeinschaft" sowohl im Denken als auch im Handeln der Antragsgegnerin zentrale Bedeutung zu.
b) Das schon jetzt wirkende Bedrohungs- und Einschüchterungspotential der Ideologie der Antragsgegnerin zeige sich in ihrer Strategie und Mittelwahl.
aa) Der Weg zu ihren Zielen führe aus Sicht der Antragsgegnerin insbesondere über "nationalrevolutionäre Graswurzelarbeit". Die Antragsgegnerin strebe die Entwicklung von "Dominanzzonen" an, in denen die Rechtsextremisten "im Alltag bestimmend, kümmernd und meinungsbildend wirken" könnten. "Kümmerer-Image" und aggressive Einschüchterungen widersprächen sich nicht, sondern bedingten einander.
bb) (1) Einschüchterungen und Bedrohungen erfolgten in vielen Fällen unmittelbar durch die Antragsgegnerin beziehungsweise durch ihr zurechenbare Funktionäre und Mitglieder. Es gehöre jedoch auch zu ihrer Strategie, Aktionen von rechtsextremistischen Gruppierungen außerhalb der Partei durchführen zu lassen. Dies hindere die Zurechnung jedoch nicht, da einer Partei zum einen das Verhalten von "Anhängern" zugerechnet werden könne, zum anderen die Antragsgegnerin als ideologische und organisatorische Basis eines rechtsextremistischen Netzwerks agiere und -- zumindest im Sinne einer Beihilfe -- Akte, die von anderen rechtsextremistischen Gruppierungen stammten, fördere.
(2) Insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern seien die Verbindungen zwischen der Antragsgegnerin und der Neonazi-Szene stark. Die Landtagsfraktion habe sich dabei zu einem bedeutenden Kraftzentrum entwickelt. Neben der finanziellen Ausstattung seien insbesondere die Möglichkeit, Rechtsextremisten als Fraktions- oder Wahlkreismitarbeiter zu beschäftigen, sowie die Nutzung als Schulungsplattform für die Gesamtpartei von großem Wert. Über ihre Bürgerbüros, die sich teilweise in rechtsextremistischen Szeneobjekten befänden, wirkten die Abgeordneten zudem in die Fläche hinein. Auf diese Weise habe die AntragsgegBVerfGE 144, 20 (96)BVerfGE 144, 20 (97)nerin großen Einfluss auf örtliche Strukturen der Neonazi-Szene. Besonders augenfällig sei, dass Landtagsabgeordnete der Partei größtenteils entweder selbst mittlerweile verbotenen rechtsextremistischen Vereinen angehört hätten oder sich zumindest offen zur Zusammenarbeit mit neonationalsozialistischen freien Kräften bekennten.
Das Zusammenwirken manifestiere sich unter anderem im Bereich von Publikationen, Treffpunkten und Aktivitäten. So habe die Antragsgegnerin das ursprünglich aus dem parteiunabhängigen Rechtsextremismus stammende Projekt der "Regionalboten" übernommen. Das "nationale Begegnungszentrum" in Anklam diene als Treffpunkt von Neonazis und Funktionären der Antragsgegnerin. Die Stadtvertreterin der Antragsgegnerin Z. trete als Anmelderin für neonazistische Veranstaltungen auf und werde umgekehrt von heimischen Neonazis in Stadtvertreterversammlungen unterstützt.
c) Die praktische Umsetzung der aggressiven politischen Strategie der Antragsgegnerin erfolge durch die Verwirklichung eines räumlichen Dominanzanspruchs, der in Teilen Ostdeutschlands konkrete Einschränkungen demokratischen Handelns bewirke.
aa) Die Partei agiere bestimmender, sichtbarer und provokativer in Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen, wo sie über strukturstarke, kommunal verwurzelte Landesverbände verfüge. Abhängig hiervon sei auch der Grad der Verwirklichung ihrer Strategie: Vollständig "national befreite Zonen" im Sinne der Ideologie der Antragsgegnerin gebe es in Deutschland nicht. Die Verwirklichung des räumlichen Dominanzanspruchs der Antragsgegnerin erfolge vielmehr graduell unterschiedlich.
(1) Innerhalb dieser Skala stelle der mecklenburgische Kleinstort Jamel einen Extremfall dar. Das Dorf werde gesellschaftlich fast vollständig -- sechs von zehn Anschriften -- von Rechtsextremisten beherrscht. Zentrale Figur sei K., der von 2009 bis 2011 für die Antragsgegnerin im Kreistag Nordwestmecklenburg und von November 2010 bis Januar 2011 als Beisitzer im Landesvorstand vertreten gewesen sei. Bei einer Durchsuchung der Wohnräume des K. seien 72 Fotos prominenter Politiker und PersonenBVerfGE 144, 20 (97) BVerfGE 144, 20 (98)jüdischen Glaubens aufgefunden worden, die als Zielscheibe gefertigt gewesen seien und teilweise Einschusslöcher von Luftdruckwaffen aufgewiesen hätten.
Die Majorisierung des Ortes Jamel durch Rechtsextremisten finde deutlichen Ausdruck im Dorfbild. Markant sei zum einen ein Holzwegweiser, der unter anderem Richtung und Entfernung nach Braunau am Inn, dem Geburtsort Adolf Hitlers, angebe und der die Stadt Wien mit der von den Nationalsozialisten für Österreich verwendeten Benennung "Ostmark" konnotiere. Dominant sei zum anderen ein Wandgemälde mit dem Schriftzug "Dorfgemeinschaft Jamel frei-sozial-national". Die Dominanz der Rechtsextremisten rufe bei den wenigen sonstigen Bewohnern ein hohes Bedrohungsgefühl hervor.
Ein Ehepaar, das sich als einzige Personen im Ort offen gegen Rechtsextremismus ausspreche und engagiere, sei zahlreichen Einschüchterungsversuchen und Verunglimpfungen ausgesetzt. Bei einem von diesem Ehepaar veranstalteten Musikfestival sei es 2010 zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen, als ein Mitarbeiter der von K. betriebenen Firma mit den Worten "Ich bin ein Nazi" einem Festivalteilnehmer mehrere Faustschläge versetzt habe. Von einem Gemeindevertreter der Antragsgegnerin sei das Ehepaar mit den Worten bedroht worden: "Sie sollten an mich verkaufen, solange Sie noch können." Die unmittelbar neben dem Wohnhaus des Ehepaars befindliche Scheune sei in der Nacht vom 12. auf den 13. August 2015 in Brand gesetzt worden.
(2) Die Antragsgegnerin erhebe auch in anderen Gebieten Ostdeutschlands Dominanzansprüche und unternehme Schritte zu ihrer Realisierung:
(a) Der Ort Anklam werde als "national befreite Zone" beansprucht. Ihren Dominanzanspruch manifestiere die Antragsgegnerin nicht nur durch Präsenz und ein nationales Begegnungszentrum, sondern auch durch ihr Handeln: So seien im Zusammenhang mit einer Kundgebung der Antragsgegnerin am 31. Juli 2010 von der Stadt aufgestellte Schilder mit dem Text "Kein Ort für Neonazis" über Nacht entfernt, rund zweihundert Plakate abgehängt,BVerfGE 144, 20 (98) BVerfGE 144, 20 (99)sechs Großaufsteller an den Zufahrtsstraßen zerstört und ein Transparent am Stadttor mit Farbbeuteln beworfen worden. In der Stadt habe sich niemand gefunden, der Anzeige erstattet hätte. Viele Geschäftsleute hätten zuvor Angst gehabt, die Plakate gegen Rechtsextremisten in ihre Schaufenster zu hängen.
(b) Ähnliche Dominanzansprüche erhebe die Antragsgegnerin für die Stadt Lübtheen und für deren näheren Umkreis, wobei sie diesen unter anderem durch Immobilienerwerb und den gezielten Zuzug mehrerer führender Funktionäre durchzusetzen suche. Zur Manifestation des Dominanzanspruchs zeige die Antragsgegnerin Präsenz bei örtlichen Veranstaltungen, auch wenn diese gegen Rechtsextremismus gerichtet seien. Im Stadtzentrum werde eine prominente Immobilie von der Antragsgegnerin genutzt, in der sie unter anderem ein Bürgerbüro sowie die Bundesgeschäftsstelle der JN eingerichtet habe. Zudem unternähmen Mitglieder und Anhänger der Antragsgegnerin umfangreiche Anstrengungen zur Verankerung der Partei in der Mitte der Gesellschaft, etwa durch die Beteiligung an der Gründung eines Sportvereins "Sportfreunde Griese Gegend e.V." und die Veranstaltung von Vorträgen und sogenannten Nervendruckseminaren.
Der Dominanzanspruch zeige sich gegenüber politischen Gegnern durch aggressive Einschüchterungsversuche. Dazu gehörten das Verfolgen und Fotografieren von Personen, Beschimpfungen und gezielte Kampagnen auf Flugblättern sowie unterschwellige Drohungen. Voll realisieren könne die Antragsgegnerin ihren Dominanzanspruch nicht -- auch wegen umfangreicher Aktivitäten einer von der Bürgermeisterin initiierten Bürgerinitiative gegen Rechtsextremismus. Dennoch sei die Antragsgegnerin in Lübtheen nach Einschätzung der Bürgermeisterin "durch ständige Präsenz ein Stück Normalität" geworden. Dies führe zu Ängsten in der Bevölkerung, die demokratisches Handeln beeinträchtigten.
(3) Die Realisierung des Dominanzanspruchs der Antragsgegnerin erfolge auch durch reale oder angekündigte physische Präsenz, die gegen Minderheiten und Andersdenkende gerichtet sei. Beispiele hierfür seien Aufrufe zur Bildung von Bürgerwehren sowie der "NPD-Ordnungsdienst":BVerfGE 144, 20 (99)
BVerfGE 144, 20 (100)(a) Der "Bürgerwehr"-Gedanke kombiniere mehrere Aspekte, die zur Einschüchterung von Minderheiten und Gegnern beitrügen: Die Antragsgegnerin gebe vor, die Interessen der Mehrheit des Volkes zu wahren und diese zu vertreten; gleichzeitig stelle sie bestimmte Minderheiten pauschal als Sicherheitsrisiko dar und unternehme konkrete Schritte, um diese einzuschüchtern. Darüber hinaus diffamiere die Antragsgegnerin den Staat, der angeblich seinem Schutzauftrag nicht nachkomme. Dies münde schließlich in die Forderung, die Ordnung des Grundgesetzes revolutionär zu überwinden.
In mehreren -- vom Antragsteller im Einzelnen aufgeführten Fällen -- hätten führende Vertreter der Antragsgegnerin, teilweise verbunden mit fremdenfeindlicher Agitation, zur Gründung von Bürgerwehren aufgerufen, bestehende Bürgerwehren unterstützt und als einschüchternd empfundene "Bürgerstreifen" und "Patrouillen" durchgeführt.
(b) Die Antragsgegnerin verfüge über einen "Ordnungsdienst", bei dem eine dominante physische Präsenz der Partei im öffentlichen Raum zusammentreffe mit einschüchterndem Vorgehen gegen politische Gegner. Der Ordnungsdienst werde mit mehreren Übergriffen auf Gegendemonstranten -- etwa in Lingen und in Aschaffenburg im Jahr 2013 -- in Verbindung gebracht.
(4) Die Jugendorganisation der Antragsgegnerin (JN) verbalisiere den territorialen Dominanzanspruch besonders provokativ und offensiv und verlasse dabei den Bereich des rein geistigen Meinungskampfes. Eine Demonstration 2014 in Erfurt habe unter der Losung gestanden "Hol dir deine Stadt zurück! In Erfurt sicher leben!" und sei mit der Forderung beworben worden, "Bandenbildung, Ausbreitung von Modedrogen und spürbare Überfremdung" zu bekämpfen. Der sächsische JN-Landesverband habe im Sommer 2014 unter dem Motto "Weg mit dem Drogendreck" eine auf Jugendliche zugeschnittene Kampagne mit einem "Platzhirsch" als Maskottchen durchgeführt. Dabei hätten die JN den Schulunterricht gestört und Propagandamaterial verteilt. Begleitend zu dieser Kampagne hätten sie eine Publikation mit einer Auflage von 10.000 Stück unter dem Titel "PlatzhirschBVerfGE 144, 20 (100) BVerfGE 144, 20 (101)-- Der Schülersprecher" an Jugendliche verteilt und im Internet zum Download angeboten. Darin sei vor massiver Überfremdung durch Masseneinwanderung, dem besonders invasorischen Islam und einem falschen Schuldkomplex gewarnt worden.
bb) Über das allgemeine Dominanzstreben hinaus sei die Antragsgegnerin für konkrete Einschüchterungen von politischen Verantwortungsträgern verantwortlich: Das Spektrum der Aktivitäten reiche von persönlichen Bedrohungen politischer Gegner und Störungen von deren Aktivitäten bis hin zu tätlichen Angriffen. Dabei wolle die Antragsgegnerin durch im Privaten spürbaren physischen und vor allem psychischen Druck politische Gegner von der Ausübung öffentlicher Aktivitäten abhalten oder diese jedenfalls sanktionieren. Eine Liste solcher Einschüchterungsversuche durch die Antragsgegnerin und andere rechtsextremistische Gruppierungen habe die Psychologin Anette Hiemisch zusammengestellt.
(1) In der Bandbreite der Einschüchterungsmaßnahmen stellten Angriffe auf Wahlkreisbüros noch die "relativ schwächste" Form dar; auch lasse sich hier eine unmittelbare Täterschaft der Antragsgegnerin schlechter nachweisen als in anderen Beispielen. Jedoch sei belegbar, dass die Antragsgegnerin solche Anschläge gutheiße und dazu motiviere.
So sei 2010 auf der rechtsextremistischen Internetseite "mupinfo" ein Artikel unter der Überschrift "Demokraten gibt es auch in Deiner Stadt" veröffentlicht worden, der Bezug auf vorausgegangene "Anschläge auf Bürgerbüros der SPD" genommen habe. Daran anknüpfend sei dazu aufgerufen worden, bei den örtlichen Bürgerbüros vorbeizuschauen und "brutalstmögliche Hilfestellung bei der Aufklärung der Fälle zu leisten". Abschließend habe der Artikel eine Auflistung sämtlicher Bürgerbüros der CDU-, FDP- und SPD-Fraktionen sowie der Partei DIE LINKE mit den Namen der Abgeordneten und den vollständigen Büroanschriften enthalten. Auffallend sei eine damit zeitlich zusammenfallende, enorme Häufung von Angriffen auf Wahlkreisbüros in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2010 und 2011. Regelmäßig seiBVerfGE 144, 20 (101) BVerfGE 144, 20 (102)über einen längeren Zeitraum auf "mupinfo" wohlwollend über Angriffe auf Bürgerbüros berichtet worden.
(2) Am 5. Dezember 2010 habe sich eine Gruppe von zwölf Aktivisten um den Landtagsabgeordneten David Petereit vor dem Haus des ehrenamtlichen Bürgermeisters von Lalendorf (Mecklenburg-Vorpommern) versammelt, nachdem sich dieser geweigert gehabt habe, einer rechtsextremistischen Familie die Patenurkunde des Bundespräsidenten zur Geburt des siebten Kindes zu überreichen. Mehrere Beteiligte hätten das Grundstück ohne Einverständnis des Hausrechtsinhabers betreten. Die Rechtsextremisten hätten Flugblätter mit dem Inhalt verteilt, dass der Bürgermeister mit einem "Stalinorden für Demokratieerhalt" durch das "Ministerium für Gemeindesicherheit Lalendorf" zu belohnen sei. Fünf der in Lalendorf beteiligten Rechtsextremisten, darunter das frühere NPD-Kreistagsmitglied S., hätten wegen Verdachts des Hausfriedensbruchs vor Gericht gestanden. Die Ehefrau des Lalendorfer Bürgermeisters habe sich während und nach der Aktion erheblich bedroht gefühlt.
(3) Die Bedrängung und Einschüchterung von Lokalpolitikern sowie die Behinderung ihrer Aktivitäten seien sowohl erklärtes Ziel als auch tatsächlicher Inhalt der Kampagne "Den Feind erkennen -- den Feind benennen", die der NPD-Kreisverband Berlin-Pankow am 21. Januar 2015 ausgerufen habe. Erstes konkretes Ziel dieser Kampagne sei der Pankower Bezirksbürgermeister K. gewesen. Parallel zu einer seiner Sprechstunden hätten zunächst circa zehn Rechtsextremisten eine vom Pankower NPD-Kreisvorsitzenden S. angemeldete Kundgebung durchgeführt, bevor sich zwei Teilnehmer Zugang zur Sprechstunde verschafft hätten. Die eigene Darstellung der Ereignisse durch den Kreisverband Berlin-Pankow dokumentiere die Einschüchterung des Bürgermeisters.
(4) In Schneeberg (Sachsen) seien am 12. Oktober 2013 nach einer Kundgebung gegen die geplante Unterbringung von Asylbewerbern, auf der der Kreisvorsitzende der Antragsgegnerin H. (Erzgebirgskreis) gesprochen habe, 30 bis 50 Veranstaltungsteilnehmer vor das Privathaus des damaligen Bürgermeisters gezoBVerfGE 144, 20 (102)BVerfGE 144, 20 (103)gen. Dieser habe die Situation als unangenehm und bedrohlich empfunden. Auch die zu dieser Zeit anwesenden Nachbarn seien entsetzt und verängstigt gewesen.
(5) In Schöneiche bei Berlin (Brandenburg) hätten Anhänger der Antragsgegnerin in den Jahren 2007 bis 2009 das Sukkot-Fest, das Chanukka-Fest und wiederum das Sukkot-Fest in der Kulturgießerei von Schöneiche gestört. Dabei sei unter anderem sinngemäß der Ausspruch getätigt worden: "Da sitzen also alle, die beim Vergasen vergessen wurden."
Wenige Tage nach der letzten Störung sei es zu einer Bedrohung des Bürgermeisters J. durch drei vermummte Personen auf seinem privaten Grundstück gekommen, die gegen 23:40 Uhr bei ihm zu Hause geklingelt und ihn unter anderem mit den Worten beschimpft hätten: "Da ist ja der Volksfeind!" und "Dir werden wir es zeigen!".
Beim Heimatfest von Schöneiche am 14. Juni 2009 seien schließlich zwei Männer aus einer Gruppe um den Ortsverbandsvorsitzenden der Antragsgegnerin S. bedrohlich gegenüber dem Bürgermeister aufgetreten und hätten aggressiv auf diesen eingeredet. Erst eine Polizeistreife habe die Situation beendet und die Personen zur Wache mitgenommen.
(6) Im Landtagswahlkampf 2009 habe die Antragsgegnerin eine rassistische und bedrohlich wirkende Kampagne gegen S., einen in der CDU engagierten Lokalpolitiker in Thüringen, geführt, der auf einem Wahlplakat der CDU zu sehen gewesen sei. Er sei wegen seiner Hautfarbe und seiner Herkunft aus Angola als "CDU-Quotenneger" bezeichnet worden und verbalen Angriffen der Antragsgegnerin ausgesetzt gewesen, die den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt hätten. In einem Internetbeitrag der NPD Thüringen sei angekündigt worden, S. persönlich aufsuchen und dazu animieren zu wollen, in seiner Heimat Angola mit den hier eingezahlten Sozialversicherungsbeiträgen ein neues Leben zu beginnen.
(7) Eine fortlaufende Bedrohungslage habe sich seit 2013 für eine Stadtvertreterin und gleichzeitiges Kreistagsmitglied der Partei DIE LINKE in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) entBVerfGE 144, 20 (103)BVerfGE 144, 20 (104)wickelt, die Leiterin einer soziokulturellen Begegnungsstätte sei und sich engagiert gegen Rechtsextremismus einsetze.
Aussagekräftig für die Einschüchterungstaktik sei ein Vorfall, bei dem sie mit Reportern des Magazins "Stern" in einem Lokal in Güstrow gesprochen und der Funktionär der Antragsgegnerin M. sie von außen entdeckt habe. Nachdem sie M. und dessen -- offenbar herbeigerufene -- Gruppe weggeschickt hatte, habe ihre 15-jährige Tochter angerufen und von Nazis vor dem Haus der Familie berichtet. Als die Polizei gekommen sei, sei die Tür zu dem Mehrfamilienhaus aufgebrochen gewesen, die Täter seien geflüchtet und auf den Briefkästen hätten Nazi-Aufkleber geklebt. Weiterhin berichte die Stadtvertreterin von regelmäßigen Sachbeschädigungen, Drohbriefen, persönlichen Ansprachen, Verleumdungskampagnen und Verfolgung -- vor allem auch im Internet -- sowie Präsenz von Rechtsextremisten vor ihrer Wohnung. Auf der rechtsextremistischen Internetseite "Der Staatsstreich" werde sie als "Güstrower Asyl-Mutti" bezeichnet. Auch auf der Facebook-Seite der rechtsextremistischen Initiative "Güstrow wehrt sich gegen Asylmissbrauch" sei herablassend über sie berichtet worden. Die örtliche Polizei habe aufgrund der Bedrohungslage eine Schutzmaßnahme angeordnet.
(8) Neben Drohungen gehöre auch Gewalt gegen politische Gegner zu den Mitteln der Antragsgegnerin: Am 3. Mai 2012 sei G., der dem NPD-Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern angehört habe und als Geschäftsführer der NPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt sei, vom Landgericht Rostock wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten mit Bewährung verurteilt worden. G. habe in Pölchow Personen, die in einem Zug auf dem Weg zu einer Gegendemonstration gegen eine Veranstaltung der Antragsgegnerin in Rostock gewesen seien, aber auch Unbeteiligte angegriffen.
(9) Die persönlichen Aktionen gegen politische Gegner umfassten schließlich auch Angriffe auf Menschen mit anderer politischer Gesinnung, ohne dass diese dazu konkreten Anlass gegeben hätten:BVerfGE 144, 20 (104)
BVerfGE 144, 20 (105)In der Nacht zum 15. August 2013 hätten Bewohner eines alternativen Wohnprojekts in Greifswald über Notruf gemeldet, eine Gruppe von fünfzehn bis zwanzig schwarz gekleideten und vermummten Personen stehe -- mit Stöcken bewaffnet -- vor der Eingangstür und rufe "Kommt raus, kommt raus!". Zwei Scheiben der Tür seien zerstört worden, danach habe sich die Gruppe mit Fahrzeugen in unbekannte Richtungen entfernt. Zu den Tätern habe unter anderem der damalige Usedomer Stadtvertreter der Antragsgegnerin O. gehört, den das Amtsgericht Greifswald aufgrund dieses Vorfalls wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung verurteilt habe.
(10) Teil der Strategie der Antragsgegnerin sei es schließlich, durch offensiv-aggressives Auftreten, Störungen oder sogar tätliche Angriffe bei Veranstaltungen des politischen Gegners mediale Aufmerksamkeit zu erzielen. Dabei werde auch die Begehung von Straftaten in Kauf genommen.
Beispiel für ein solches Vorgehen sei ein Angriff von JN-Funktionären auf eine DGB-Kundgebung am 1. Mai 2015 in Weimar. Dort hätten rund vierzig Rechtsextremisten -- darunter etliche Aktivisten der sächsischen JN -- zunächst versucht, die Veranstaltung mittels einer provokativen "Wortergreifung" agitatorisch zu vereinnahmen. Sodann hätten sich die Rechtsextremisten rasch und gezielt auf das Rednerpult zubewegt und dem Redner, dem Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider (SPD), das Mikrofon entrissen. Einem weiteren Politiker solle ein Holzstiel in den Magen gestoßen und mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden sein. Eintreffende Polizeibeamte hätten 27 Störer vorläufig festgenommen, darunter die JN-Funktionäre G., H. und R. Der Bundespressesprecher der Antragsgegnerin Klaus Beier habe den Vorfall in Weimar banalisiert und ihn als "legitime Protestaktion gegen den globalen Kapitalismus" dargestellt. Der JN-Bundesvorsitzende Sebastian Richter habe unter der Überschrift "Solidarität ist eine Waffe!" klargestellt, "geschlossen hinter den JN-Aktivisten" zu stehen, "welche in Weimar für ihr Recht auf die Straße gegangen sind".
(11) Bei einer Informationsveranstaltung über die anstehendeBVerfGE 144, 20 (105) BVerfGE 144, 20 (106)Unterbringung von Asylbewerbern in Goldbach nahe Aschaffenburg am 6. Juli 2015 sei es zu massiven Störungen durch die örtliche NPD gekommen. Die NPD-Vertreter hätten von Beginn an mit Zwischenrufen, dem Entrollen eines Banners mit der Aufschrift "Schluß mit der ∎âFlüchtlings-Lüge. Goldbach sagt Nein!" und dem Werfen von Flyern mit dem Slogan "Asylbetrug macht uns arm!" gestört. Als die übrigen Versammlungsteilnehmer die Aktivisten der Antragsgegnerin zum Verlassen des Saals hätten bewegen wollen, habe der Vorsitzende des Kreisverbands Aschaffenburg der Antragsgegnerin S. einen ihn hinausdrängenden Teilnehmer unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen.
(12) Am 5. März 2015 habe der ehrenamtliche Ortsbürgermeister von Tröglitz sein Amt mit der Begründung aufgegeben, ein genehmigter Demonstrationszug zu seinem Privathaus sei als Bedrohung für seine von behördlicher Seite nicht ausreichend geschützte Familie zu sehen.
Der Antragsgegnerin sei es zuvor in Tröglitz gelungen, den sich seit Anfang 2015 formierenden Widerstand gegen die Unterbringung von Asylbewerbern zu forcieren. Im Zeitraum vom 4. Januar bis 15. März 2015 hätten wöchentlich Kundgebungen gegen die geplante Asylbewerberunterkunft mit 70 bis 200 Teilnehmern stattgefunden, die jeweils durch den Funktionär der Antragsgegnerin T. angemeldet worden seien. Unter den Anwesenden hätten sich bei diesen sogenannten "Abendspaziergängen" auch Angehörige der rechtsextremistischen Kameradschaftsszene befunden.
Der Rücktritt des Ortsbürgermeisters sei von der Antragsgegnerin in Sachsen-Anhalt zunächst uneingeschränkt als Erfolg bewertet worden. In den darauf folgenden öffentlichen Stellungnahmen habe die Antragsgegnerin den Rücktritt zusehends vorsichtiger kommentiert. Der Bundesvorsitzende Franz habe in Bezug auf die Medienschlagzeile "NPD jagt CDU-Bürgermeister aus dem Amt -- weil er sich für Flüchtlinge engagierte" geäußert: "Die Presse verdreht zwar die Tatsachen total, aber solche Titel könnte es öfter geben."
cc) Einschüchterungen und Drohungen durch die AntragsgegBVerfGE 144, 20 (106)BVerfGE 144, 20 (107)nerin erfolgten auch gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten. Die bedrohlichen Aktivitäten der Antragsgegnerin richteten sich zum einen gegen ethnische Minderheiten -- insbesondere gegen Asylbewerber. Zum anderen führe die Ethnisierung religiöser Fragen dazu, dass die Antragsgegnerin einzelnen Glaubensgemeinschaften in toto eine Existenzberechtigung in Deutschland abspreche.
(1) Dass die Vertreter der Antragsgegnerin ihre Drohungen auch unmittelbar gegenüber Einzelpersonen aussprächen, belege ein ZDF-Interview des späteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Antragsgegnerin Ronny Zasowk, in dem dieser der in Deutschland geborenen Moderatorin, einer deutschen Staatsangehörigen, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft das Bleiberecht in Deutschland abgesprochen habe. Gleiches gelte für das Verhalten des Kreisvorsitzenden der Antragsgegnerin G., der eine aus Kenia stammende Frau als "Nigger", "Negerschlampe" und "Unrat" bezeichnet habe und deswegen zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden sei.
(2) Ihren Antisemitismus bringe die Antragsgegnerin teilweise subtiler zum Ausdruck als ihren Hass gegenüber anderen Minderheiten. Dieser münde aber ebenfalls in konkrete Aktionen, die einschüchternd oder bedrohend wirkten. Neben den Vorgängen in Schöneiche und provokanten Aktionen vor jüdischen Einrichtungen könnten beispielhaft Vorfälle in Mecklenburg-Vorpommern genannt werden, die von Anhängern der Antragsgegnerin begangen beziehungsweise von dieser gutgeheißen worden seien: In Demmin hätten am 19. August 2010 vier Personen die Stelle besprüht, an der in der darauf folgenden Woche "Stolpersteine" zur Erinnerung an die hier einst wohnenden jüdischen Mitbürger hätten verlegt werden sollen. An eine Gebäudewand seien in roter Farbe ein Judenstern und die Worte "Hess statt Davidsstern und jedem das seine" gesprüht worden. Fünf Personen seien vorläufig festgenommen, die Tatmittel und Plakate sichergestellt worden. Ein Tatverdächtiger habe in seiner Vernehmung angegeben, seit 2006 Mitglied der Antragsgegnerin zu sein. Bei den Durchsuchungen seien unter anderem die NPD-Schulhof-CD von 2006BVerfGE 144, 20 (107) BVerfGE 144, 20 (108)sowie verschiedene NPD-Flugblätter und das Mitteilungsblatt der NPD-Landtagsfraktion "Der Ordnungsruf" aufgefunden worden.
Am 20. August 2010 hätten unbekannte Täter in der Innenstadt von Ueckermünde vier "Stolpersteine" mit schwarzer Farbe beschmiert, weiterhin seien circa 100 Plakate mit dem Inhalt geklebt worden: "Rudolf Hess -- Im Alter von 93 Jahren in Berlin ermordet. Trotz § 130 Mord bleibt Mord! freies-pommern.de -- Pommern im Herzen -- Deutschland im Sinn!".
Die JN hätten den Gaza-Krieg im Sommer 2014 zum Vorwand genommen, um im Stil des nationalsozialistischen "Judenboykotts" auf Facebook einen Boykottaufruf für israelische Waren zu veröffentlichen.
(3) Die Antragsgegnerin fordere den vollständigen Rückzug des Islam beziehungsweise hier lebender Muslime aus Europa. Exklusion und Aufrufe zu entsprechendem Tätigwerden fänden sich bundesweit bei sämtlichen Parteigliederungen. In besonders aggressiver Weise werde auf der Facebook-Seite des bayerischen Landesverbands zur Bekämpfung des Islam aufgerufen, auf der von einem "Kampf für euer Leben" und einem "neuen Kreuzzug" die Rede sei.
Kampfaufrufe blieben nicht auf der rhetorischen Ebene, sondern mündeten in konkrete Aktionen. Beispielhaft sei ein Aufruf zu einer Demonstration am 17. August 2013 unter dem Motto "Maria statt Scharia! Islamisierung und Überfremdung stoppen" gegen die Moschee in Leipzig-Gohlis zu nennen. Die Demonstration habe vor der Moschee stattgefunden, so dass die unmittelbare physische Präsenz für die Betroffenen wahrnehmbar gewesen sei. Ähnlich aggressiv sei eine Aktion von Mitgliedern der Antragsgegnerin und der JN am 20. August 2014 auf dem Baugrundstück der Moschee in Leipzig im Rahmen einer nicht angemeldeten öffentlichen Versammlung gewesen.
(4) In den Jahren 2013 und 2014 habe die Antragsgegnerin bei Wahlkämpfen auf Europa-, Bundes- und Landesebene ein Plakat mit dem antiziganistischen Motto "Geld für die Oma statt für Sinti und Roma" eingesetzt. Für das Parteiverbotsverfahren bedeutsam seien nicht die Strafbarkeit der Aussage, sondern die Ängste,BVerfGE 144, 20 (108) BVerfGE 144, 20 (109)die nach Auskunft des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma solche diffamierenden Äußerungen durch die Antragsgegnerin bei Sinti- und Roma-Familien hervorriefen.
dd) Durch die dargestellten Einschüchterungen, Bedrohungen und Angriffe entstünden Ängste und Hemmungen, sich öffentlich gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Die dauerhafte kommunale Präsenz und das "Kümmerer-Image" der Antragsgegnerin bewirkten eine gesteigerte Akzeptanz rechtsextremistischer, demokratiefeindlicher Ansichten in der Gesellschaft und die Furcht vor einer sozialen Stigmatisierung als "Nestbeschmutzer" im Falle kritischer Auseinandersetzung mit diesen Ansichten. Diejenigen, die sich dennoch politisch engagierten, müssten nicht selten negative Folgen in ihrem Privatbereich in Kauf nehmen. Dies führe in Einzelfällen sogar zur Beendigung des politischen und sozialen Engagements.
(1) Strategie und Aktivitäten der Antragsgegnerin führten dazu, dass die gesellschaftliche Präsenz verfassungsfeindlicher rechtsextremistischer Ansichten in einigen Gegenden Ostdeutschlands als Normalität angesehen werde.
Insbesondere dem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern gelinge "seit Jahren eine bürgerliche Verankerung in weiten Räumen des Landes". Die Antragsgegnerin habe sich dort "im vorpolitischen Raum festgebissen". Sozialwissenschaftliche Mikrostudien hätten dies für einzelne Regionen belegt. Die örtliche Verankerung der Antragsgegnerin in der Gesellschaft zeigten auch Ergebnisse der Kommunalwahlen 2014. Trotz eines landesweiten Rückgangs im Vergleich zu 2011 habe die Antragsgegnerin -- bezogen auf die Kreistagswahlen -- in mehreren Gegenden erneut hohe, teilweise zweistellige Wahlergebnisse erreicht. Gleiches gelte für die Sächsische Schweiz.
(2) Die Akzeptanz der Antragsgegnerin in der Mitte der Gesellschaft verbinde sich insbesondere in ländlichen Gebieten mit den "Früchten" des "Kümmerer-Images" und erzeuge so bei Bürgern Hemmungen, sich gegen Rechtsextremismus zu positionieren. In der Gemeinde Bargischow sei ein Kandidat im Kommunalwahlkampf 2009 gegen Rechtsextremismus eingetreten, woraufhin erBVerfGE 144, 20 (109) BVerfGE 144, 20 (110)Schmähschriften erhalten, aber keine Solidarisierung erfahren habe.
(3) Noch gravierender seien Beeinträchtigungen demokratischer Prozesse durch die Furcht vor Gewalt, Drohungen oder sonstigen Nachteilen, die beispielhaft für Regionen in Mecklenburg-Vorpommern belegt werden könnten. Weite Teile der Gesellschaft seien durch die Aktivitäten der Antragsgegnerin und anderer rechtsextremistischer Gruppierungen eingeschüchtert. Solche Ängste bezögen sich zumindest auch auf das Handeln der Antragsgegnerin. Ihre Aktivitäten trügen jedenfalls entscheidend dazu bei, das beschriebene Klima hervorzurufen.
(4) Wenn politisches oder soziales Handeln Bedrohungsgefühle sowie Ängste um die eigene Sicherheit zur Folge habe, sei dies schon für sich eine Beeinträchtigung des demokratischen Prozesses und damit eine Gefahr für die Demokratie. Denn Demokratie sei nicht erst dann beeinträchtigt, wenn demokratische Akteure vollkommen davon absähen, ihre Rechte wahrzunehmen. Es genüge bereits, wenn Engagierten durch ihre politische Tätigkeit Nachteile für ihre Lebensführung durch Mittel drohten, die nicht zum geistigen Meinungskampf gehörten und diesem fremd seien. Solche Einflüsse schädigten den in einer Demokratie notwendigen freien Diskurs.
Die sozialen Mechanismen wirkten in besonderem Maße zulasten von ethnischen und religiösen Minderheiten. Für diese werde ein Klima der Angst ausgelöst durch das Zusammenwirken der aggressiven Rhetorik mit der gesellschaftlichen Akzeptanz der Antragsgegnerin in Teilen Ostdeutschlands und mit der durch Erfahrung begründeten Kenntnis innerhalb dieser Minderheiten, dass die Antragsgegnerin sowohl selbst zu aggressiven Aktionen, Bedrohungen und sogar Angriffen bereit sei, als auch über ein Netzwerk verfüge, zu dem gewaltbereite Personen gehörten. Konkrete Ängste würden von den Betroffenen selbst bestätigt. Diese Ängste seien der Antragsgegnerin zuzurechnen.
2. Hinsichtlich der im Berichterstatterschreiben vom 19. März 2015 angesprochenen Frage aggressiven Vorgehens gegen Asylbewerber und Flüchtlinge hat der Antragsteller ausgeführt, dassBVerfGE 144, 20 (110) BVerfGE 144, 20 (111)dieses seit Mitte 2013 sowohl inhaltlich als auch quantitativ ein Schwerpunkt der Tätigkeiten der Antragsgegnerin gewesen sei.
a) Das Maß an Aggressivität der Antragsgegnerin gegen Asylbewerber lasse sich allerdings schwerlich in Zahlen fassen. Es erschließe sich vollständig nur bei Betrachtung der menschenverachtenden Ideologie und der darauf basierenden diffamierenden und hetzerischen Rhetorik, die bestimmten Personen die Menschenwürde abspreche. Auch lasse sich die Aggressivität nicht alleine an der Anzahl der Demonstrationen erkennen, weil diese nur einen Ausschnitt der Agitation gegen Asylbewerber darstellten. Hinzu kämen neben parteiinternen Veranstaltungen auch in die Öffentlichkeit wirkende Agitationsformen, wie etwa "Kontrollbesuche" von Asylunterkünften.
Seit 2013 ließen sich konstant hohe Zahlen von Demonstrationsveranstaltungen nachweisen, die auf das Thema Asyl Bezug nähmen und von der Antragsgegnerin angemeldet worden seien. Allein im Jahr 2014 habe bei fast der Hälfte der bundesweit von der Antragsgegnerin angemeldeten 123 Kundgebungen und Demonstrationen der thematische Schwerpunkt im Bereich "Asyl" gelegen. Nicht berücksichtigt sei dabei eine Vielzahl von Kundgebungen mit einer Teilnehmerzahl von weniger als 20 Personen.
Die von der Antragsgegnerin organisierten Demonstrationen reichten thematisch von der schlichten Ablehnung von Asylbewerberunterkünften bis zu Warnungen vor einer vermeintlichen völkischen und kulturellen Überfremdung durch Asylbewerber, welche den Fortbestand des deutschen Volkes und seiner Kultur bedrohe. Bereits in vielen Veranstaltungseinladungen komme die diffamierende Haltung der Antragsgegnerin gegenüber Flüchtlingen zum Ausdruck, die pauschal als "Scheinasylanten" und "Wirtschaftsflüchtlinge" verunglimpft würden. Oftmals knüpften die Veranstaltungen auch an angeblich steigende Kriminalitätsraten -- insbesondere im Bereich der Gewalt- und Drogendelikte -- im Umfeld von Asylunterkünften an.
b) Die Agitation gegen Asylbewerber habe für die Antragsgegnerin zwei Funktionen: Zum einen wolle sie auf diese Weise Schritte zur Verwirklichung der rassistisch definierten "VolksgeBVerfGE 144, 20 (111)BVerfGE 144, 20 (112)meinschaft" gehen. Zum anderen wolle sie an angebliche oder tatsächlich vorhandene Alltagssorgen anknüpfen und sich dadurch in der gesellschaftlichen Mitte etablieren. Die Antragsgegnerin versuche vorsichtig, aber zugleich zielstrebig, bürgerliche Proteste mit ihrem rassistischen Denken zu infiltrieren. Innerhalb der Partei und gegenüber eigenen Anhängern würden hingegen die eigentliche Motivation, das wahre Ziel (die rassistisch definierte "Volksgemeinschaft") und der Wille, dieses revolutionär zu verwirklichen, deutlich artikuliert.
Der exkludierende Inhalt, die große Anzahl der Veranstaltungen und die Aggressivität der Veranstaltungsformen führten bei den betroffenen Asylbewerbern zwangsläufig zu einem Gefühl des Bedrohtseins. Dies sei von der Antragsgegnerin auch bezweckt, da sie ein gesellschaftliches Klima herstellen wolle, in dem ethnischen Minderheiten ihre demokratischen Rechte abgesprochen würden. Seit Beginn der aggressiven Aktivitäten gegen Asylbewerber habe sich die Anzahl der Übergriffe gegen Asylbewerberunterkünfte vervielfacht.
c) Obwohl sich die Antragsgegnerin in der Öffentlichkeit eine strategische Zurückhaltung auferlegt habe, kämen die ideologische Motivation und die Ziele der Agitation gegen Asylbewerber in einer Vielzahl von (überwiegend an eigene Anhänger gerichteten) Äußerungen zum Ausdruck.
aa) Die rassistisch motivierte Fremdenfeindlichkeit zeige sich, wenn in Bezug auf Asylbewerber Begriffe wie "entartete Menschen", "Negerbande", "lautstarke und alkoholisierte Asyl-Neger", "Scheinasylanten", "Asyl-Betrüger", "Moslem-Extremisten" oder "kriminelle Ausländer" verwendet würden. Die rassistische, ehrverletzende und menschenverachtende Ideologie drücke die Antragsgegnerin auch auf Facebook-Profilen ihrer jeweiligen Organisationseinheiten aus. So habe die bayerische NPD in einem Facebook-Eintrag vom 10. Mai 2015 deutsche Frauen vor einer Beziehung mit farbigen Migranten gewarnt und dabei an nationalsozialistische Terminologien angeknüpft. Auch habe sie pauschal behauptet, von Flüchtlingen gehe ein Gesundheitsrisiko für Deutsche aus.BVerfGE 144, 20 (112)
BVerfGE 144, 20 (113)bb) Die Antragsgegnerin mache auch deutlich, welches politische Ziel aus dieser menschenverachtenden Ideologie resultiere: die Exklusion ethnischer Minderheiten, die gegebenenfalls auch zwangsweise durch Gewalt umgesetzt werden solle. Dies reiche bis zu einer Gutheißung der Tötung von Flüchtlingen. Dabei überschneide sich die Agitation gegen Asylbewerber und Muslime häufig.
Ziel der Antragsgegnerin sei es, Asylbewerbern ihre angeblich fehlende Zugehörigkeit zur "Volksgemeinschaft" deutlich zu machen und sie dadurch einzuschüchtern. So rufe etwa die NPD Bayern dazu auf, den pauschal als "Sozialschmarotzer" verunglimpften Asylbewerbern eindringlich zu verdeutlichen, in Deutschland nicht willkommen zu sein. Zudem solle Druck auf Politiker ausgeübt werden: So habe der Kreisverband Unna/Hamm in einem Facebook-Eintrag nicht nur jede Verpflichtung Deutschlands zur Aufnahme von Flüchtlingen drastisch zurückgewiesen, sondern politischen Verantwortungsträgern, die sich in diesem Sinne engagierten, nach einem Machtwechsel drastische Strafen angedroht.
d) Das aggressive Vorgehen der Antragsgegnerin zeige sich anhand beispielhafter Aktivitäten in Sachsen:
aa) Eine Demonstration der Antragsgegnerin in Dresden am 24. Juli 2015 unter dem Motto "Asylflut stoppen -- Nein zur Zeltstadt auf der Bremer Straße" habe sich gegen ein vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) und Technischen Hilfswerk (THW) aufgebautes Zeltlager in einem Dresdner Gewerbegebiet gerichtet. Die Antragsgegnerin habe aufgrund ihrer regional starken Stellung und guter Organisation 200 Anhänger mobilisieren können. Die Veranstaltung habe nicht nur den örtlichen Protest gegen Migranten erheblich angefacht, sondern auch eine Atmosphäre der Bedrohung bis hin zur Anwendung von Gewalt gefördert: So sei es im Nachgang zur Demonstration zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen, in deren Folge drei Gegendemonstranten verletzt worden seien. Nach Polizeiangaben seien die Gewalttaten von Teilnehmern der Kundgebung ausgegangen.
Die Auseinandersetzungen um die Zeltunterkunft in DresBVerfGE 144, 20 (113)BVerfGE 144, 20 (114)den-Friedrichstadt hätten sich in den Folgetagen fortgesetzt und zu einer Attacke von rund 20 Rechtsextremisten auf 15 Asylbefürworter geführt. Beim Aufbau der Zeltstadt sei es zudem zu Angriffen auf Mitarbeiter des DRK durch Asylgegner gekommen.
bb) In Schneeberg habe der Kreisvorsitzende der Antragsgegnerin eine Protestbewegung gegen die Einrichtung einer Asylbewerberunterkunft initiiert, die in der Folgezeit eine beträchtliche, weit über das rechtsextremistische Spektrum hinausreichende Resonanz gefunden habe. Unter dem Label "Schneeberg wehrt sich" habe er Anhänger gesammelt und von Oktober 2013 bis Januar 2014 vier sogenannte "Lichtelläufe" in Form von Fackelumzügen organisiert. Durch die Vermeidung eines offenen Parteibezugs und den volkstümlichen Anstrich der Veranstaltung sei ein hoher Mobilisierungserfolg erzielt worden. An den Veranstaltungen hätten sich bis zu 1.800 Personen beteiligt. Bereits vor dem ersten "Lichtellauf" sei es im Nachgang einer Kundgebung zu dem beschriebenen Vorfall gegenüber dem dortigen Bürgermeister gekommen.
cc) In Leipzig hätten sich 2013 die fremdenfeindlichen Proteste der Antragsgegnerin auf die Agitation gegen einen Moscheeneubau im Stadtteil Gohlis und gegen die Einrichtung einer Asylunterkunft im Stadtteil Schönefeld konzentriert. Den Protest gegen diese Asylunterkunft habe die Antragsgegnerin zu instrumentalisieren und organisatorisch an sich zu ziehen versucht.
In den Orten Rötha und Borna ließen sich ebenfalls starke NPD-Bezüge von zwei Bürgerinitiativen nachweisen, die gegen die Aufnahme von Asylbewerbern gerichtet seien. An der Demonstration der Bürgerinitiative "Rötha wehrt sich" am 14. November 2013 hätten Funktionäre der Antragsgegnerin nicht nur teilgenommen, sondern seien auch als Redner aufgetreten.
dd) In Bautzen habe die Nutzung des dortigen Spreehotels als Flüchtlingsheim im Fokus der Anti-Asyl-Agitation der Antragsgegnerin gestanden. Dabei sei deutlich geworden, dass die Antragsgegnerin versuche, von ihr organisierte Proteste zur Einschüchterung von politischen Akteuren und Privatpersonen zu nutzen. Die Einrichtung sei durch eine Delegation besucht, mehBVerfGE 144, 20 (114)BVerfGE 144, 20 (115)rere Mahnwachen vor der Unterkunft durchgeführt und aggressiv wirkende Aufmärsche organisiert worden, für die bis zu 700 Teilnehmer hätten mobilisiert werden können.
ee) (1) Im Raum Sächsische Schweiz wende die Antragsgegnerin die von der Parteiführung geforderte taktisch-strategische Variabilität in besonderem Maße an. Sie habe seit Ende 2014/Anfang 2015 in mehreren Städten des Landkreises Demonstrationen gegen Asylbewerberunterkünfte organisiert. Dabei sei sie offen als NPD in Erscheinung getreten, habe als "Initiative Nein zum Heim" agiert oder mit einer weiteren Initiative namens "Demokratischer Aufbruch Sächsische Schweiz" (DASS) kooperiert. Angehörige der Antragsgegnerin seien als Anmelder und Redner bei eigenen und von Dritten organisierten Demonstrationen aufgetreten.
(2) Am 21. August 2015 sei es in Heidenau zu Vorfällen gekommen, die für die Inkaufnahme von Gewalt, Einschüchterungen von Minderheiten sowie für die Nutzung von im politischen Diskurs unzulässigen Mitteln beispielhaft seien. Der Stadtrat der Antragsgegnerin R. habe gegen Pläne, einen leerstehenden Baumarkt als Asylunterkunft zu nutzen, Kundgebungen organisiert. Zu einer zentralen Protestveranstaltung am 21. August 2015 seien rund 1.100 Teilnehmer erschienen, die teilweise dem rechtsextremen Spektrum zuzurechnen gewesen seien. Der Demonstrationszug sei auch am Wohnhaus des Bürgermeisters vorbeigezogen, wo eine Zwischenkundgebung stattgefunden habe und dieser als "Volksverräter" beschimpft worden sei. Innerhalb des von R. geleiteten Aufzugs seien schließlich Zettel mit der Information verteilt worden, sich eine halbe Stunde nach Versammlungsende in Kleingruppen in Richtung Erstaufnahmeeinrichtung zu begeben, um eine Blockade durchzuführen.
Tatsächlich seien nach Ende des Aufzugs bereits rund 600 Demonstrationsteilnehmer in die Nähe des ehemaligen Baumarkts gelangt, wobei 30 Personen versucht hätten, die Durchfahrt zur Asylbewerberunterkunft zu blockieren. Im weiteren Verlauf sei es zu Angriffen auf Polizeieinsatzkräfte durch das Werfen von Steinen, Pyrotechnik und Flaschen gekommen. Infolgedessen seiBVerfGE 144, 20 (115)BVerfGE 144, 20 (116)en insgesamt 31 Polizeibeamte verletzt worden, darunter einer schwer. Die Busse, die die Asylbewerber zur Unterkunft bringen sollten, hätten aufgrund der Sicherheitslage teilweise zu anderen Erstaufnahmeeinrichtungen umgeleitet werden müssen. Auch am Folgetag beziehungsweise in der Folgenacht sei es zu gewaltsamen Protesten von Rechtsextremisten gegen die Asylunterkunft und Angriffen auf die Polizei gekommen.
e) In Mecklenburg-Vorpommern dominiere der Landesverband der Antragsgegnerin das gegen Asylbewerber gerichtete rechtsextremistische Veranstaltungsgeschehen.
aa) In Güstrow hätten bei Demonstrationen, Fackelmärschen und Mahnwachen bekannte Funktionäre, Mitglieder und Anhänger der Antragsgegnerin entweder als Organisatoren oder als Teilnehmer mitgewirkt. Eine Demonstration am 23. März 2013 gegen eine geplante Asylunterkunft habe unter dem Motto "Einmal Deutschland und zurück -- Schluß mit der volksfeindlichen Willkommenskultur" gestanden. Die Teilnehmerzahl habe bei 250 bis 300 Teilnehmern gelegen. Bei der Kundgebung seien Transparente mit fremdenfeindlichen Aufschriften mitgeführt worden und Sprechchöre wie "Wir wollen keine Asylantenheime", "Deutschland den Deutschen, Asylbetrüger raus" und "Kriminelle Ausländer raus -- und der Rest -- auch!" zu hören gewesen. Die Aktivitäten seien 2014 und 2015 fortgeführt worden und hätten zudem zur Gründung einer "Bürgerwehr" geführt.
bb) Unter dem Motto "Touristen willkommen -- Asylbetrüger raus" habe der Landesverband ab dem 22. Juli 2013 eine "Infotour durch Mecklenburg und Pommern" durchgeführt. Ziel sei gewesen, Orte zu besuchen, an denen beabsichtigt sei, "Asyl-schnorrer" direkt in Wohngebieten unterzubringen.
cc) Kundgebungstouren der Landtagsfraktion 2014 und 2015 hätten unter anderem das Motto "Ausländer kosten uns Millionen -- Recht auf Asyl abschaffen" und "Konsequent für deutsche Interessen" gehabt. Sie hätten gezielt regionale Proteste gegen geplante oder bereits vorhandene Asylbewerber- oder Flüchtlingsheime aufgreifen oder initiieren sollen, um diese anschließend in die eigene Richtung zu lenken.BVerfGE 144, 20 (116)
BVerfGE 144, 20 (117)dd) Zusätzlich zur Organisation von Demonstrationen habe der Landesverband durch Publikationen auf die Schaffung einer asylbewerberfeindlichen Stimmung abgezielt. So habe der NPD-nahe "Uecker-Randow Bote" auf seiner Facebook-Seite regelmäßig Meldungen über angeblich "besorgniserregende Zustände" rund um Asylunterkünfte veröffentlicht. Darüber hinaus seien stetig Lichtbilder von ankommenden Bussen mit weiteren als "Fremdländer", "Bittsteller" oder "Steuergeldverschwender" bezeichneten Personen veröffentlicht worden, die die ansässigen deutschen Familien verdrängten. Verknüpft worden seien diese Bilder mit der Botschaft, sich gegen die Zustände zu wehren und "zu rebellieren".
f) Das persönliche Aufsuchen von Flüchtlingsunterkünften durch Funktionäre der Antragsgegnerin sei eine besonders aggressive Form der Umsetzung der ideologischen und strategischen Postulate der Antragsgegnerin. Es ziele darauf ab, den Dominanzanspruch der Antragsgegnerin zum Ausdruck zu bringen, indem sie in den Privatbereich der Asylbewerber eindringe.
g) Das Verhältnis der Antragsgegnerin zur "GIDA-Bewegung" ("gegen die Islamisierung des Abendlandes"), die seit Herbst 2014 Veranstaltungen zur Asyl- und Einwanderungspolitik mit zeitweilig hohen Teilnehmerzahlen organisiere, sowie ihre Rolle bei deren Demonstrationen ließen sich nicht pauschal charakterisieren.
aa) Als Partei sei es der Antragsgegnerin verwehrt gewesen, an Veranstaltungen der sich als "überparteilich" bezeichnenden PEGIDA-Bewegung teilzunehmen, doch habe eine Reihe von Führungspersonen der Antragsgegnerin regelmäßig Präsenz bei deren Kundgebungen gezeigt und darüber ausführlich in den sozialen Netzwerken berichtet. Zugleich sei die Antragsgegnerin bestrebt, die Möglichkeiten auszuloten, Berührungsängste durch ein seriöses Auftreten geduldig abzubauen und die Einflussnahme der jeweiligen Konstellation vor Ort anzupassen. Sie sehe sich als Teil derselben "patriotischen Sammlungsbewegung" und habe deshalb etwa zur Unterstützung der PEGIDA-Kandidatin für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl am 7. Juni 2015 aufgerufen.BVerfGE 144, 20 (117) BVerfGE 144, 20 (118)Zugleich versuche sie, die Bürgerbewegung für sich zu vereinnahmen.
bb) Die PEGIDA-Proteste hätten bundesweit in einer Vielzahl von Städten Nachahmer gefunden. Beteiligungs- und Partizipationsvoraussetzungen seien für die Antragsgegnerin -- abhängig von der Lage vor Ort -- durchaus unterschiedlich. Durchgehend habe sie aber angestrebt, als relevanter Teil des Protests wahrgenommen zu werden und diesen weiter zu forcieren. Sie habe zur Teilnahme an GIDA-Kundgebungen aufgerufen und ihre Unterstützung der Proteste angeboten.
cc) In Mecklenburg-Vorpommern hätten von Januar bis April 2015 17 MVGIDA-Demonstrationen stattgefunden. Von Anfang an sei eine starke Beeinflussung der MVGIDA durch den Landesverband der Antragsgegnerin erkennbar gewesen. Im weiteren Verlauf der MVGIDA-Veranstaltungen sei die Dominanz der Antragsgegnerin bei der Organisation immer deutlicher hervorgetreten, während die Teilnehmerzahlen von zunächst circa 600 auf 120 gesunken seien.
dd) In Thüringen gingen die Aktivitäten unter dem GIDA-Label inzwischen maßgeblich von dem Greizer NPD-Funktionär K. aus. Auf seine Initiative seien mittlerweile elf Veranstaltungen zurückzuführen. Die Teilnehmerzahlen hätten sich zwischen 110 und 290 Personen bewegt. Teilnehmer und Redner seien mehrheitlich dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen gewesen. Die Reden des K. und anderer bei diesen Veranstaltungen spiegelten nicht nur die Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes wider, sondern auch Verfassungsfeindlichkeit und Antisemitismus.
XI.
 
1. Der Senat hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2015 gemäß § 45 BVerfGG die Durchführung der mündlichen Verhandlung angeordnet (BVerfGE 140, 316) und mit gesondertem Schreiben darauf hingewiesen, dass die mit der Antragsschrift vorgelegte "Übersicht und Statistik über strafrechtliche Verurteilungen von Bundes- und Landesvorstandsmitgliedern der NPD" in anonymiBVerfGE 144, 20 (118)BVerfGE 144, 20 (119)sierter Form nicht verwertbar sei. Daraufhin hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11. Februar 2016 eine Übersicht in deanonymisierter Form vorgelegt und dem eine Fortschreibung der Stellungnahme des Instituts für Zeitgeschichte zur Frage der Wesensverwandtschaft von NPD und historischem Nationalsozialismus sowie ein Gutachten "Rechtsfragen eines Verbots der NPD am Maßstab der EMRK" der Professoren Dr. Grabenwarter und Dr. Walter vom 5. Februar 2016 hinzugefügt. Außerdem hat er weitere Belege eingereicht, die insbesondere Äußerungen zu Asylbewerberunterkünften, zum Umgang mit straffälligen Asylbewerbern sowie ein anlässlich des Geburtstags Adolf Hitlers durch den Hamburger Landesvorsitzenden der Antragsgegnerin gepostetes Gedicht betreffen. Schließlich hat der Antragsteller die Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten zu 3. mitgeteilt.
Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2016 hat der Antragsteller seinen Sachvortrag ergänzt: Bezüglich der Demonstration am 24. Juli 2015 in Dresden seien vier Personen ermittelt worden, die sowohl an den Gewalttätigkeiten beteiligt gewesen seien, als auch an der Demonstration teilgenommen hätten. Der Vorsitzende der Ortsgruppe der Antragsgegnerin Heidenau sei innerhalb der Gruppe gewaltbereiter Personen identifiziert worden.
2. Bereits mit Schriftsatz vom 26. Januar 2016 hatte der Verfahrensbevollmächtigte zu 2. der Antragsgegnerin seine Bestellung mitgeteilt.
XII.
 
In der mündlichen Verhandlung hat die Antragsgegnerin einen Schriftsatz vom 2. März 2016 vorgelegt, mit dem sie im Wesentlichen auf die Antragsbegründung und den Schriftsatz des Antragstellers vom 27. August 2015 erwidert.
1. Der Verbotsantrag sei nicht nur mangels ordnungsgemäßer Prozessvollmacht unzulässig, sondern auch, weil keine gesetzliche Grundlage für ein Parteiverbot existiere.
a) Art.  21 Abs.  2 GG ziele prozessual ausschließlich auf eine Feststellung ab. Die Norm sei nicht als Verbotsvorschrift formuliert, wie dies etwa beim Vereinsverbot nach Art.  9 Abs.  2 GG derBVerfGE 144, 20 (119) BVerfGE 144, 20 (120)Fall sei. Ein Verbot werde erst durch § 46 Abs.  3 BVerfGG auf einfachgesetzlicher Grundlage normiert. Der einfache Gesetzgeber habe damit seinen Ausgestaltungsspielraum jedoch überschritten. Art.  21 Abs.  2 GG sei auf eine Feststellungsentscheidung hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit einer Partei beschränkt und überlasse es dem "mündigen Bürger", eine entsprechende verfassungsgerichtliche Erkenntnis durch Nichtwahl einer förmlich als verfassungswidrig erkannten Partei zu "vollstrecken".
b) Art.  21 Abs.  2 GG sei auch deshalb keine taugliche Grundlage für ein Parteiverbot, weil das in der Vorschrift enthaltene Tatbestandsmerkmal des "Beeinträchtigens" der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, auf welches sich die Antragsschrift ausschließlich stütze, kein gültiges Verfassungsrecht darstelle, da es sich insoweit um ein Redaktionsversehen des Grundgesetzgebers handele.
c) Die Unzulässigkeit des Antrags ergebe sich außerdem aus der unzulänglichen Regelung der Antragsberechtigung für ein Verbotsverfahren. § 43 BVerfGG sei aufgrund seines Numerus clausus der Antragsberechtigten verfassungswidrig, da die Regelung der Chancengleichheit der Parteien als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung nicht hinreichend Rechnung trage. Sie sei nur gegeben, wenn eine Partei, die sich -- wie die Antragsgegnerin -- nicht hinter einem der antragsberechtigten Staatsorgane "verstecken" könne, auch einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Parteien stellen könne. Dementsprechend sei das vorliegende Verfahren bis zur Schließung dieser Gesetzeslücke auszusetzen.
2. Der Antrag sei zudem unbegründet.
a) Die bisherige Parteiverbotskonzeption sei grundlegend überholungsbedürftig.
aa) Die aufgrund Art.  21 Abs.  2 GG bisher ausgesprochenen Verbote der Sozialistischen Reichspartei (SRP) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) seien vor dem Erlass der erst 1968 in das Grundgesetz aufgenommenen sogenannten Notstandsverfassung ergangen, also zu einer Zeit, als die wirkliche Notstandskompetenz noch bei den westlichen BesatzungsmächBVerfGE 144, 20 (120)BVerfGE 144, 20 (121)ten gelegen habe und das Bundesverfassungsgericht auf die Ausübung der "Diktatur der Besiegten" beschränkt gewesen sei. Schon dieser politische Kontext führe dazu, dass jene Urteile keine Orientierungsfunktion mehr erfüllen könnten.
bb) Die Erklärung der Verfassungswidrigkeit könne verfassungsgemäß nur in einer Weise erfolgen, in der keine anderen Grundgesetzbestimmungen verletzt würden. Insbesondere dürften nicht die verfassungsrechtlichen Bestimmungen verletzt werden, welche durch Art.  79 Abs.  3 GG einen besonderen Rang besäßen. Nach Art.  20 Abs.  1 GG sei die Bundesrepublik Deutschland aber keine "wehrhafte Demokratie", sondern ein "demokratischer [...] Bundesstaat", in dem nach Absatz 2 dieses Artikels alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe. Demgemäß stehe das Demokratieprinzip in untrennbarer Wechselwirkung mit dem Prinzip der Volkssouveränität, wobei letztere wörtlich zu nehmen sei: In der Demokratie sei das Volk der Souverän, von ihm leite sich alle staatliche Macht ab und ihm allein komme die Befugnis der Verfassungsgebung zu. Dies lasse sich auf die Formel bringen: "Das Volk hat immer Recht." Dieses Prinzip der Volkssouveränität pervertiere der Antragsteller ins Gegenteil. Eine selbsternannte Verbotselite, die sich aus den als Bundesrat in Erscheinung tretenden etablierten politischen Parteien rekrutiere, maße sich die Befugnis an, dem Souverän mittels Parteiverbot vorzuschreiben, welche politischen Programme, Ideen und Ideologien zulässigerweise vertreten werden dürften.
Der Verbotsantrag verstoße gegen das Demokratieprinzip, weil er gegen eine gesamte politische Strömung gerichtet sei, deren Ausschaltung bis hin zum Wahlverbot für das gesamte Wahlvolk letztlich das Mehrparteienprinzip beseitige. Die drohende Ausschaltung einer kompletten politischen Richtung führe zum Verlust politischer Pluralität und zu einem virtuellen Einparteiensystem der nicht verbotenen "Demokraten". Das verstoße gegen die mit dem Begriff der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" verbundene Maßgabe, dass der Demokratieschutz nicht auf die Errichtung "volksdemokratischer" Verhältnisse gerichtet sein dürfe.BVerfGE 144, 20 (121)
BVerfGE 144, 20 (122)cc) Das Merkmal der "aggressiv-kämpferischen Haltung" sei ein untaugliches Kriterium für die Beschreibung einer mit dem Parteiverbot abzuwehrenden Gefahr, weil damit fast alle bei "ideologisch guten" Parteien für normal gehaltenen Aktivitäten wie Wahlkampfführung und soziales Engagement in Vereinen bei entsprechender "falscher" Ideologie als "aggressiv-kämpferisch" eingestuft werden könnten, so dass es letztlich doch ausschließlich auf die falschen politischen Auffassungen als Verbotsgrund ankomme.
In Art.  21 Abs.  1 GG werde der politischen Partei die Verpflichtung zu einer demokratischen Binnenstruktur und zu Transparenz bei ihrer Finanzierung auferlegt. Dem liege die verfassungsrechtliche Vermutung zugrunde, dass sich eine parteipolitische Organisation, die eine demokratische Binnenstruktur aufweise, auch im externen Bereich des Staates demokratisch verhalte und demokratisch denke. Der Maßstab der demokratischen Binnenstruktur ergebe somit ein operables, da nachprüfbares Kriterium für die Demokratiekompatibilität einer politischen Partei, während die Vorgabe eines demokratischen Bekenntnisses dazu zwinge, von der juristischen Logik weitgehend abzugehen und sich auf die Ebene wissenschaftstheoretisch zweifelhafter Methodik wie derjenigen der politologischen Sprachpolizei und Ideologiebewertung begeben zu müssen.
Das Rechtsstaatsprinzip erfordere, auch im Parteiverbotsverfahren den Rechtsgedanken von Art.  137 Abs.  1 WRV, der gemäß Art.  140 GG weiterhin gelte, zu beachten. Demgemäß müsse ausgeschlossen werden, dass ein Parteiverbot auf eine "unzulässige" Ideologie gestützt werde. Vielmehr gelte ein staatliches Ideologiebewertungsverbot, was die Antragsbegründung weitgehend bedeutungslos mache. Grundrechtlich geschützte Handlungen und Äußerungen seien per se ungeeignet, ein Parteiverbot zu begründen. Dieses sei auf die Bekämpfung illegalen Handelns beschränkt. Der rechtsstaatliche Grundsatz, wonach der Staat dem Bürger nur rechtswidriges Handeln zum Vorwurf machen dürfe, gelte auch im Parteiverbotsverfahren.
Da der Verbotsantrag darauf gerichtet sei, die AntragsgegnerinBVerfGE 144, 20 (122) BVerfGE 144, 20 (123)zu verbieten, weil sie insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung des Charakters der Bundesrepublik Deutschland und zu zivilreligiösen Fragen (Anerkennung der Kriegsschuld, Schweigegebot über an Deutschen begangene Verbrechen, Bewältigungsbedürftigkeit der Deutschenvertreibung) andere Auffassungen als die dem Bundesrat angehörenden Parteien vertrete, stelle sich der Antrag als gegen die Meinungsfreiheit gerichtet dar. Dementsprechend sei der Verbotsantrag offensichtlich verfassungswidrig.
dd) Zu einem angemessenen Verbotsverständnis gelange man, wenn man das Parteiverbot als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Notstandsrechts begreife. Dies bedeute, dass die Voraussetzungen eines Parteiverbots rechtlich eindeutig sein und die Folgen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend beschränkt werden müssten. Interpretiere man Art.  21 Abs.  2 GG im Zusammenhang mit Art.  91 und Art.  87a Abs.  4 GG, gelange man automatisch zur Befristung bei den Verbotsfolgen und zu einer operablen Bestimmung der Verbotsvoraussetzungen. Die Analyse der zum Verständnis von Art.  21 Abs.  2 GG heranzuziehenden Grundgesetzbestimmungen führe zu dem Ergebnis, dass Gewaltbereitschaft oder eine auf den Verfassungsumsturz ausgerichtete politisch motivierte Illegalität eine für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit nach Art.  21 Abs.  2 GG erforderliche Voraussetzung darstelle. Das Schutzgut dieser Vorschrift, die freiheitliche demokratische Grundordnung, sei nicht als Ansammlung von Verfassungsprinzipien zu verstehen, sondern habe das rechtmäßige Funktionieren der Verfassungseinrichtungen zum Gegenstand. Nur dieses Funktionieren könne im Falle des Notstands durch besonderen Polizei- und Militäreinsatz gesichert werden.
Als verfassungswidrig erkannt (und möglicherweise verboten) werden könne danach nur eine als Partei organisierte Umsturzbewegung, etwa eine Partei, die als parlamentarischer Arm einer Terrororganisation anzusehen sei. Sie müsse dabei den Straftatbestand des Hochverrats noch nicht verwirklichen, aber dazu Bereitschaft zeigen, etwa durch das Anlegen von Waffenlagern oder militärisches Training ihrer Anhänger. Ein Parteiverbot könneBVerfGE 144, 20 (123) BVerfGE 144, 20 (124)nur legitim sein, wenn eine Partei gerade den Einfluss der Wähler ausschalten wolle, indem sie jenseits eines Wählervotums gewaltsam die Macht anstrebe.
ee) Verfassungsrechtlich unzulässig seien auch die gemäß § 46 Abs.  3 BVerfGG angeordneten Rechtsfolgen der Auflösung der Partei und der Vermögenskonfiskation. Denkbar sei, dass eine als verfassungswidrig erkannte Partei als Verein fortbestehe, sofern dieser dann nicht auch nach Art.  9 Abs.  2 GG verboten werden könne. Insofern könne durch die Feststellung der Verfassungswidrigkeit nach Art.  21 Abs.  2 GG allenfalls das Spezifikum "verwirkt" werden, welches eine Partei von einer sonstigen (politischen) Vereinigung unterscheide.
b) Auch die Rechtsprechung des EGMR stehe dem Verbotsantrag entgegen. Insbesondere fehle es an dem nach dieser Rechtsprechung für ein Parteiverbot erforderlichen "dringenden sozialen Bedürfnis". Die vom EGMR als Auslegungshilfe herangezogenen "Guidelines on prohibition and dissolution of political parties" der Venedig-Kommission des Europarates postulierten ausdrücklich das Gewaltkriterium als notwendige Bedingung für den Ausspruch eines Parteiverbots.
c) Entsprechend der EGMR-Rechtsprechung müsse bei einem Parteiverbot der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Ein Parteiverbot sei aber regelmäßig unverhältnismäßig, weil es schon kein geeignetes Mittel darstelle, um die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen. Das Gedankengut der verbotenen Partei ebenso wie die daraus folgenden Handlungen bestünden fort. Auch sei ein Verbot nicht erforderlich, weil mildere, gleich geeignete Mittel zur Verfügung stünden, so zum Beispiel bereits erfolgreich eingesetzte staatliche und zivilgesellschaftliche "Anti-Rechts-Programme", das Verbot von "freien Kameradschaften" nach Vereinsrecht und Grundrechtsverwirkungsverfahren gegen führende Funktionäre. Letztlich wäre ein Verbot der Antragsgegnerin auch nicht verhältnismäßig im engeren Sinne, weil ihr "Gefährlichkeitsgrad" in Anbetracht der äußerst geringen Realisierungschance ihrer programmatischen Zielsetzungen in einem groben Missverhältnis zu der Schwere des mitBVerfGE 144, 20 (124) BVerfGE 144, 20 (125)einem Parteiverbot verbundenen Eingriffs in die Menschenrechte der Art.  10, 11 EMRK stehe.
d) Art.  21 Abs.  2 GG sei schließlich unanwendbar, weil er gegen Unionsrecht verstoße.
Art.  2 EUV, Art.  22 AEUV sowie Art.  12, 39, 40 GRCh seien in Parteiverbotsverfahren jedenfalls dann unmittelbarer Prüfungsmaßstab, wenn die zu verbietende Partei -- wie hier -- im Europäischen Parlament durch einen eigenen Abgeordneten vertreten und zudem als nationale Partei Mitglied einer politischen Partei auf europäischer Ebene im Sinne der Verordnung (EG) Nr.  2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 sei.
Nach den genannten Vorschriften bestünden aus unionsrechtlicher Sicht erhebliche Bedenken gegen eine nationale Parteiverbotskonzeption, welche das Verbot im Europäischen Parlament vertretener nationaler politischer Parteien allein aufgrund ihrer Programmatik und daher auf der Basis reinen Gesinnungsstrafrechts erlaube. Zwar würden auch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Rechtsinstitut des Parteiverbots kennen; in keinem anderen Mitgliedstaat hänge die Verbotsschwelle jedoch so niedrig wie in Deutschland. Insoweit sei die deutsche Rechtslage im Hinblick auf die unionale Rechtslage einem erhöhten Rechtfertigungszwang ausgesetzt.
Aus dem Beschluss des Senats vom 22. November 2001 (BVerfGE 104, 214), mit dem dieser die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens abgelehnt habe, ergebe sich nichts anderes. Die damals tragenden Erwägungen seien durch die zwischenzeitlich vorangeschrittene stärkere europäische Integration auch und gerade im Recht der politischen Parteien überholt. Zwar seien Regelung und Durchführung der Wahl zum Europäischen Parlament nach Art.  7 Abs.  2 Direktwahlakt (DWA) Sache der Mitgliedstaaten. Bei der Entscheidung, welche Parteien sich an der Wahl beteiligen dürften, seien aber die wertsetzende Bedeutung der in der Grundrechtecharta niedergelegten Grundrechte ebenso zu beachten wie die Werte der Union. Die Herausnahme einer im Europäischen Parlament vertretenen nationalen politischen Partei imBVerfGE 144, 20 (125) BVerfGE 144, 20 (126)Wege eines Verbots zeitige durch die damit verbundene Aberkennung der Mandate dieser Partei im Europäischen Parlament (§ 22 Abs.  4 des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland [Europawahlgesetz -- EuWG]) unmittelbare Auswirkungen auf ein Unionsorgan, weshalb die Voraussetzungen des Art.  51 Abs.  1 GRCh vorlägen.
Ein Parteiverbot gerate jedenfalls dann in einen Konflikt mit dem Unionsrecht, wenn das Verbot der nationalen Partei automatisch zu einem faktischen Verbot einer gemäß Art.  3 Abs.  1 der Verordnung (EG) Nr.  2004/2003 anerkannten politischen Partei auf europäischer Ebene (hier: der Alliance for Peace and Freedom [APF]) führe. Würde die Antragsgegnerin verboten, verlöre ihr Abgeordneter Voigt gemäß § 22 Abs.  4 EuWG seinen Sitz im Europäischen Parlament. Dies hätte zur Folge, dass die APF nicht mehr in einer ausreichenden Zahl von Mitgliedstaaten durch Mitglieder des Europäischen Parlaments oder nationaler Parlamente vertreten wäre. Sie ginge ihres Status als politische Partei auf europäischer Ebene verlustig und wäre von der europäischen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Das Verbot der nationalen politischen Partei NPD zöge somit automatisch das faktische Verbot der politischen Partei APF auf europäischer Ebene nach sich.
Da die rechtliche Frage der Vereinbarkeit des Art.  21 Abs.  2 GG mit dem Unionsrecht mithin entscheidungserheblich sei, habe das Bundesverfassungsgericht zur Wahrung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung anzurufen. Es werde daher beantragt,
    das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art.  267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
    1. Sind Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), Artikel 22 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die Artikel 11, 12, 39, 40 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) sowie die Vorschriften der VerordnungBVerfGE 144, 20 (126)
    BVerfGE 144, 20 (127)(EG) Nr.  2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes, nach der eine nationale politische Partei allein auf Grund ihrer programmatischen Zielsetzung verboten werden kann, entgegenstehen, wenn die zu verbietende nationale politische Partei mit eigenen Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten ist?
    2. Falls die erste Frage verneint wird: Sind Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), Artikel 22 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die Artikel 11, 12, 39, 40 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) sowie die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr.  2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes, nach der eine nationale politische Partei allein auf Grund ihrer programmatischen Zielsetzung verboten werden kann, jedenfalls dann entgegenstehen, wenn die zu verbietende nationale politische Partei nicht nur mit eigenen Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten ist, sondern sie selbst sowie der von ihr entsandte Europaabgeordnete Mitglied einer politischen Partei auf Europäischer Ebene sind und der mit dem nationalen Parteiverbot verbundene Mandatsverlust dazu führen würde, dass die politische Partei auf Europäischer Ebene wegen Unterschreitens des Mindestquorums des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe b Alternative 1 der Verordnung (EG) Nr.  2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung ihre Anerkennung als politische Partei auf Europäischer Ebene verlieren würde?
aa) Zuzurechnen sei einer Partei grundsätzlich das Handeln von Funktionären und -- mit Einschränkungen -- von einfachen Parteimitgliedern. Der vorliegende Verbotsantrag stütze sich aber in zentralen Teilen -- gerade im Kontext der angeblichen Schaffung einer "Atmosphäre der Angst" -- auf Handlungen von tatBVerfGE 144, 20 (127)BVerfGE 144, 20 (128)sächlichen oder vermeintlichen Anhängern der Antragsgegnerin. Der Anhängerbegriff sei jedoch uferlos und verstoße daher gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Allein der Umstand, dass sich eine Person zu einer von der Partei organisierten Demonstration hinzugeselle, dort eine selbst mitgebrachte Parteifahne schwenke und anschließend verfassungsfeindliche Parolen gröle oder gar Straftaten begehe, könne der Partei nicht zugerechnet werden. Erst recht könnten anonyme Kommentare auf Internetseiten keine Zurechnung bewirken.
Letztlich dürfe Verhalten nur zugerechnet werden, wenn dieses auch für den von der Zurechnung Betroffenen beherrschbar sei. Die Antragsgegnerin könne Verhalten von bloßen Anhängern, anders als von Mitgliedern, jedoch nicht ahnden und damit auch nicht beherrschen. Eine Distanzierung zu fordern, werfe nur noch mehr Fragen -- der Zuständigkeit, der Form, des Adressaten und der Wahrnehmung -- auf. Die vom Antragsteller konstruierte "Distanzierungsobliegenheit" sei in der Praxis nicht darstellbar.
Wolle man Anhängerverhalten dennoch zurechnen, stelle sich ein besonderes Problem im Hinblick auf die Gewährleistung der Quellenfreiheit. Es ergebe sich in jedem Fall, in dem es um die Zurechnung von anonymem Anhängerverhalten gehe.
bb) Dem Antragsteller sei auch zu widersprechen, soweit er den Grundsatz der Indemnität der Parlamentsabgeordneten nicht beachte und deren im Parlament getätigte Äußerungen für den Verbotsantrag verwende. Abgeordnete dürften zu keiner Zeit wegen einer Abstimmung oder wegen einer Äußerung im Parlament oder in einem seiner Ausschüsse gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst zur Verantwortung gezogen werden. Diese Vorschrift sei weit zu verstehen und erfasse nicht nur eine gerichtliche Verfolgung, sondern auch ein sonstiges Zur-Verantwortung-Ziehen außerhalb des Parlaments. Dies gelte auch in einem Parteiverbotsverfahren. Es mache keinen Unterschied, ob der Abgeordnete deshalb zur Selbstzensur genötigt werde, weil er eine strafrechtliche Verurteilung fürchte, oder weil er damit rechnen müsse, dass seine Aussagen über ein damit begründetes Parteiverbot zur Aberkennung seines Parlamentsmandats führten.BVerfGE 144, 20 (128)
BVerfGE 144, 20 (129)f) Die Antragsgegnerin sei nicht verfassungswidrig. Selbst wenn man sämtliche tatsächlichen Behauptungen des Antragstellers als wahr unterstelle und diese unter den von der Antragsgegnerin vertretenen Prüfungsmaßstab subsumiere, erweise sich der Verbotsantrag als unschlüssig. Der Antragsteller behaupte nicht einmal, dass die Antragsgegnerin in der politischen Auseinandersetzung Gewalt anwende oder sich überhaupt rechtswidriger Mittel bediene. Ihr werde lediglich ein -- verfassungsrechtlich irrelevanter, weil grundrechtlich geschützter -- Verbalradikalismus zum Vorwurf gemacht, der weit davon entfernt sei, den demokratischen Rechtsstaat in irgendeiner Form zu gefährden.
Grundlage der verfassungsgerichtlichen Prüfung könne nur das dem Bundeswahlleiter vorgelegte Programm und nicht ein vom Antragsteller pseudowissenschaftlich ermitteltes "Geheimprogramm" sein. Der Antragsgegnerin könne auch keine "Verschleierungstaktik" unterstellt werden, die ihre wahre, "verfassungswidrige" Gesinnung mit prima facie harmlos daherkommenden Aussagen verberge. Das als primäres Erkenntnismittel zu verwertende Parteiprogramm könne nicht durch Entgleisungen Einzelner in Frage gestellt werden, weil diesen nicht die Befugnis zustehe, vom Bundesparteitag beschlossene programmatische Leitlinien durch individuelles Handeln zu derogieren.
Auch der Vorwurf des Antragstellers, die Antragsgegnerin betreibe ein "Spiel mit Doppeldeutigkeiten", greife nicht durch. Es gälten dieselben Grundsätze wie im Strafrecht, wonach eine objektiv mehrdeutige Aussage in allen Auslegungsalternativen strafbar sein müsse, und nicht die zivilrechtliche Rechtsprechung zum Schutz vor unwahren Tatsachenbehauptungen, denn es gehe nicht um die Unterbindung zukünftiger Äußerungen, sondern um die Verhängung der "Todesstrafe" für eine Partei.
aa) Die Antragsgegnerin strebe weder die Beseitigung noch eine Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an, noch arbeite sie faktisch auf ein derartiges Ziel hin.
(1) Die Hauptstoßrichtung des Verbotsantrags gehe dahin, die Antragsgegnerin ausgehend von ihrem Volksbegriff mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen die Menschenwürde von AusländernBVerfGE 144, 20 (129) BVerfGE 144, 20 (130)und Minderheiten zu überziehen. Sie stehe mit ihrem Volksbegriff jedoch auf dem Boden des Grundgesetzes. Demgegenüber erweise sich der vom Antragsteller propagierte, auf beliebiger Austauschbarkeit der zum Staatsvolk gehörenden Personen beruhende Volksbegriff als verfassungswidrig. Auch jenseits des ethnischen Volksbegriffs greife die Antragsgegnerin weder die Menschenwürde von Ausländern noch von sonstigen Minderheiten an.
Entschieden zu widersprechen sei der These des Antragstellers, dass aus der Menschenwürde ein Recht resultiere, jede beliebige Staatsangehörigkeit annehmen zu können. Dem liege offenbar die bereits im Ansatz verfehlte Vorstellung zugrunde, jeder Mensch müsse theoretisch Träger jedes denkbaren Rechts sein können. Die Menschenwürde umfasse aber lediglich das Recht, überhaupt Staatsangehöriger irgendeines Staates sein zu können. Die von der Antragsgegnerin erhobene Forderung nach einer Rückkehr zum alten, auf dem ius sanguinis beruhenden Abstammungsrecht sei mithin kein Verstoß gegen die Menschenwürde.
Der ethnische Volksbegriff sei tradiertes Leitprinzip des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts. In diesem Zusammenhang könne auf Art.  116 Abs.  1 GG verwiesen werden, die Präambel der Weimarer Reichsverfassung sowie die Formulierungen über den Amtseid von Bundeskanzler, Bundespräsident und Bundesministern. Auch das Bundesverfassungsgericht lege seinem "Teso"-Beschluss diesen Volksbegriff zugrunde und postuliere eine Pflicht des Gesetzgebers, die Identität des deutschen Staatsvolks zu erhalten (unter Hinweis auf BVerfGE 77, 137 [150]). Dem bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) habe daher wie selbstverständlich das Abstammungsprinzip als prägendes Wesensmerkmal zugrunde gelegen. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit kraft Geburt sei der Regelfall, die Ermessenseinbürgerung nach § 8 RuStAG die Ausnahme. Daher verletze das neue StAG das Identitätswahrungsgebot des Bundesverfassungsgerichtes, indem es die Identität des deutschen Staatsvolkes radikal verändern wolle.
Ausgehend von diesen Maßstäben sei nicht ersichtlich, inwiefern der ethnische Volksbegriff der Antragsgegnerin gegen dieBVerfGE 144, 20 (130) BVerfGE 144, 20 (131)freiheitliche demokratische Grundordnung im Allgemeinen oder gegen die Menschenwürdegarantie im Besonderen verstoßen könne. Die Antragsgegnerin verstehe unter dem Begriff "Volk" eine menschliche Gruppe beziehungsweise Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Abstammung, Sprache, Kultur und Geschichte. Der an Herder angelehnte Volksbegriff der Antragsgegnerin werde nicht rassisch konstruiert. Die Antragsgegnerin gehe von der Vielgestaltigkeit der Menschen und Völker aus. Deshalb habe nach ihrer Ansicht auch jedes Volk ein Recht auf Selbstbestimmung und Wahrung seiner kulturellen und nationalen Identität.
Die Antragsgegnerin vertrete im Ergebnis eine auf dem ius sanguinis beruhende Staatsangehörigkeitskonzeption. Indem sie die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung ausdrücklich anerkenne, sei eine Verletzung der Menschenwürdegarantie in jedem Fall ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin habe zu keinem Zeitpunkt gefordert, denjenigen Menschen, die auf der Basis eines aus ihrer Sicht verfehlten Staatsangehörigkeitsrechts eingebürgert worden seien, die deutsche Staatsangehörigkeit wieder zu entziehen.
Die Programmatik der Antragsgegnerin beruhe auf einem "lebensrichtigen Menschenbild". Alle Völker und Menschen seien danach gleichwertig. Gemeinschaft und Individuum würden sich gegenseitig bedingen. Die übertriebene Vertretung von Einzel- oder Gruppeninteressen solle verhindert werden; es dürfe keinen Kampf aller gegen alle geben. Die Rechte des Einzelnen würden durch die "Volksgemeinschaft" daher nicht bedroht, sondern gerade garantiert.
Der Antragsteller sei der Auffassung, das von der Antragsgegnerin vertretene Konzept der "Volksgemeinschaft" führe zu einem Ausschluss Nicht-Staatsangehöriger von der Grundrechtsberechtigung und verstoße dadurch gegen das Prinzip der Menschenwürde. Dieser Vorwurf sei zurückzuweisen; die Antragsgegnerin beabsichtige in keiner Weise, Nicht-Deutsche von jeglicher Grundrechtsberechtigung auszuschließen, sondern setze sich lediglich für eine konsequente Unterscheidung von Staatsangehörigen und Nicht-Staatsangehörigen ein. Insbesondere spreche die Antragsgegnerin Asylbewerbern und Migranten nicht dieBVerfGE 144, 20 (131) BVerfGE 144, 20 (132)Menschenwürde ab. Grundsätzliche Kritik an der Einwanderungspolitik der regierenden Parteien müsse jedoch zulässig sein. So bezeichne die Antragsgegnerin keineswegs alle Asylbewerber als Betrüger, sondern wolle lediglich auf den tagtäglich stattfindenden Asylbetrug hinweisen.
Die vom Antragsteller aufgestellte Behauptung, der Fraktionsvorsitzende im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern Pastörs habe Asylbewerber als "entartete Menschen" bezeichnet, beruhe auf einer perfiden Entstellung einer Landtagsrede. Inwiefern die Termini "Scheinasylanten", "Asylbetrüger", "Moslem-Extremisten" oder "kriminelle Ausländer" einen Angriff auf die Menschenwürde darstellten, erschließe sich nicht, da es all dies in Deutschland zuhauf gebe. Es sei von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet worden, dass von Flüchtlingen per se eine Gesundheitsgefahr ausgehe, sondern nur auf Zeitungsinformationen über vermehrte Infektionen mit Krätze in Flüchtlingsunterkünften hingewiesen worden.
Ebenso wenig spreche die Antragsgegnerin Juden, Muslimen oder Sinti und Roma die Menschenwürde ab und schüchtere diese ein. Legitime Kritik am Staat Israel sowie an prominenten jüdischen Funktionären könne schwerlich als "Einschüchterung" gewertet werden. Der Vorwurf des Antisemitismus sei schlicht falsch. Die Antragsgegnerin setze sich differenziert mit dem Judentum sowie der schwierigen deutsch-jüdischen Geschichte im 20. Jahrhundert auseinander. Ihre mangelnde Semitophilie könne ihr jedenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden. Zum Islam stelle die Antragsgegnerin ausdrücklich fest, dass dieser dort, wo er historisch beheimatet sei, selbstverständlich ein Existenzrecht habe. Die Position der Antragsgegnerin sei ethnopluralistisch, das heiße dem Ziel einer multipolaren Weltordnung verpflichtet, in der die Völker in ihrer Vielfalt friedlich zusammenlebten. Dass sich durch die Politik der Antragsgegnerin jemand bedroht fühlen müsse, werde ausdrücklich bestritten.
(2) Der ethnische Volksbegriff der Antragsgegnerin verstoße auch nicht gegen das Demokratieprinzip.
(a) Bereits die Ausgangsprämisse des Antragstellers, das StaatsBVerfGE 144, 20 (132)BVerfGE 144, 20 (133)angehörigkeitsrecht müsse vom einfachen Gesetzgeber völlig offen und frei ausgestaltet werden können, sei verfehlt. Das Grundgesetz gewähre dem einfachen Gesetzgeber bei der Verteilung deutscher Pässe keine Narrenfreiheit, sondern verpflichte ihn, die Identität des deutschen Staatsvolkes zu erhalten. Ihm seien schon von Verfassungs wegen Grenzen bei der Konzeption des Staatsangehörigkeitsrechts gesetzt, wobei diese Grenzen im Abstammungsgedanken zu sehen seien.
Kritik an den von den etablierten Parteien zu verantwortenden "Masseneinbürgerungen" bedeute nicht, dass die Antragsgegnerin nicht anerkennen würde, dass die eingebürgerten Personen deutsche Staatsangehörige seien. Ihre Auffassung sei lediglich eine Meinung auf dem Markt politischer Meinungen, in die der Verbotsantrag eingreife, indem er eine Änderung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts aus dem Kanon zulässiger politischer Forderungen ausschließen wolle.
(b) Dass sich die Antragsgegnerin als nationalistische Partei sehe, könne ihr ebenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden, da ein aufgeklärter Nationalismus, wie ihn die Antragsgegnerin vertrete, in keinerlei Widerspruch zum Grundgesetz stehe. Für die Antragsgegnerin stehe die eigene Nation als gewachsener Schicksalsverband mit starken Zusammengehörigkeitsgefühlen, emotionaler Bindekraft und Loyalitätsempfindungen im Mittelpunkt. Die eigene Nation, die moralisch nicht über anderen Nationen stehe, aber gegen diese ihre kulturelle Identität zu bewahren und ihre Lebensinteressen zu behaupten habe, sei einer der höchsten ethischen Werte. Ziel des deutschen Nationalismus sei ein freies und identitätsstarkes deutsches Volk unter anderen freien und identitätsstarken Völkern. Die Antragsgegnerin erhebe das deutsche Volk aber nicht über andere Völker und werfe diesen keine "Minderwertigkeit" vor.
(c) Eine grundlegende Fehleinschätzung der Antragsschrift bestehe darin, dass die von der Antragsgegnerin artikulierte Kritik an der herrschenden politischen Klasse in Deutschland als Kritik an der Demokratie als solcher fehlinterpretiert werde. Die Antragsgegnerin bekenne sich zur Volkssouveränität, fordere dieBVerfGE 144, 20 (133) BVerfGE 144, 20 (134)Einführung von Volksentscheiden und die Direktwahl des Staatsoberhaupts. Ihre demokratie- und staatspolitische Grundposition bestehe darin, eine Demokratisierung des Staates durch den Ausbau konkreter Mitbestimmungsrechte der Staatsbürger und der Volksgesetzgebung zu fordern sowie der massiven Beschneidung des politischen Pluralismus im Zuge des sogenannten "Kampfes gegen Rechts" entgegenzutreten.
Die zahlreichen parlamentarischen Initiativen der Landtagsfraktionen der Antragsgegnerin, in denen ausdrücklich ein Mehr an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eingefordert werde, zeigten, dass die Antragsgegnerin weit davon entfernt sei, die Demokratie als solche zu bekämpfen. Die Berücksichtigung dieser Initiativen sei auch deshalb bedeutsam, weil die Antragsschrift den Eindruck erwecke, die Antragsgegnerin würde durch ihre Abgeordneten in den Landesparlamenten nur gegen die parlamentarische Ordnung verstoßen. Die Zahl von Ordnungsrufen und die angebliche Sprachverrohung seien -- abgesehen von ihrer Unverwertbarkeit aufgrund der bestehenden Indemnität -- kein tauglicher Beleg für eine "Verachtung des parlamentarischen Systems". Die Abgeordneten der Antragsgegnerin überschritten die Grenzen des parlamentarisch Üblichen nicht. Dass sie sich das Recht herausnähmen, den politischen Gegner mit scharfen Worten anzugreifen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die auf Abgeordnete der Antragsgegnerin überproportional häufig entfallenden Ordnungsrufe seien kein Beleg für ihre "Aggressivität", sondern für die höchst parteiische Sitzungsführung der Parlamentspräsidenten in Dresden und Schwerin.
(3) Die Antragsgegnerin bekämpfe auch den Rechtsstaat nicht.
Gerade weil sie fortwährend politisch motivierten Diskriminierungen vielfältigster Art ausgesetzt sei und in extrem hohem Ausmaß Opfer physischer Gewalt durch linksextremistische Elemente werde, bekenne sie sich vorbehaltslos zur Herrschaft des Rechts im demokratischen Rechtsstaat, zum Gewaltmonopol des Staates und zur Unabhängigkeit der Justiz. Sie lehne Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung kategorisch ab. Dass die Antragsgegnerin einen "nationalrevolutionären" beziehungsweiseBVerfGE 144, 20 (134) BVerfGE 144, 20 (135)"systemüberwindenden" Anspruch erhebe, habe nichts mit Gewalt zu tun, sondern beziehe sich einzig und allein auf eine beabsichtigte Änderung des geltenden Rechts auf demokratischem Wege.
Bei ihren Demonstrationen verhalte die Antragsgegnerin sich friedlich und leiste den Anordnungen der Polizei Folge. Selbstverteidigungskurse dienten lediglich der Abwehr linker Gewalt. Bürgerwehren würden gegründet, weil die Bürger aufgrund der äußerst prekären Sicherheitslage das Vertrauen in die staatlichen Sicherheitsbehörden verloren hätten. Die Initiative zur Gründung von Bürgerwehren gehe zudem von den Betroffenen aus, die lediglich von der Antragsgegnerin unterstützt würden. Es sei selbstverständlich, dass derartige Bürgerwehren keinen Ersatz für das staatliche Gewaltmonopol darstellten und an die Rechtsordnung gebunden seien. Der Ordnungsdienst der Antragsgegnerin rechtfertige sich bereits aufgrund des Ordnererfordernisses bei öffentlichen Versammlungen. Angriffe auf Gegendemonstranten seien von diesem nicht ausgegangen.
(4) Die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus sei kein Tatbestandsmerkmal des Art.  21 Abs.  2 GG. Darauf komme es aber auch nicht an, weil die Antragsgegnerin mit dem Nationalsozialismus nicht wesensverwandt sei.
Die Antragsgegnerin sei nicht nach dem "Führerprinzip" aufgebaut. Ihre Programmatik beruhe auf vollständig anderen Grundsätzen als diejenige des historischen Nationalsozialismus. Eugenik und Sozialdarwinismus lehne sie ab. Kommunikationsformen des historischen Nationalsozialismus verwende sie nicht. Daher unterscheide die Antragsgegnerin sich fundamental von der NSDAP. Demgegenüber seien einzelne Aussagen selbst führender Persönlichkeiten der Antragsgegnerin für die Frage der Wesensverwandtschaft irrelevant. Dies gelte erst recht für Aussagen von Personen, die nicht einmal Mitglied der Antragsgegnerin seien.
Aus den anonym verfassten Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte ergebe sich die behauptete Wesensverwandtschaft nicht. Die Gutachten wiesen durchgreifende wissenschaftlich-methodiBVerfGE 144, 20 (135)BVerfGE 144, 20 (136)sche Fehler auf, da die zitierten Belege nicht vorgelegt würden, und seien daher unverwertbar. Mit Wortvergleichen und einer Zusammenschau aufgrund sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse könne eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus nicht bewiesen werden.
bb) Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des "Darauf Ausgehens" gelte: Selbst wenn man dieses nicht als Verbot des gewaltsamen Verfassungsumsturzes begreife und nicht einmal strafbares und auch kein rechtswidriges Verhalten zu fordern wäre, gäben die vom Antragsteller vorgelegten "Belege" für eine Bejahung dieses Tatbestandsmerkmals nichts Substantielles her.
Der Antragsteller werfe der Antragsgegnerin vor, was gemäß Art.  21 Abs.  1 GG ihre Aufgabe sei: Die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung durch Teilnahme an Wahlen, strategische Konzepte, bürgernahes Agieren, Anwendung der Wortergreifungsstrategie, Schulung kommunaler Mandatsträger und jugend-orientierte Initiativen. Soweit der Antragsteller sich dabei auf das Gutachten von Prof. Borstel beziehe, werde dessen Verwertung widersprochen. Viele Belege seien anonym und für eine Beweisführung daher ungeeignet.
(1) Es werde bestritten, dass die Antragsgegnerin eine Taktik der "kulturellen Subversion und gezielter Siedlung an ausgesuchten Orten" betreibe, um in einzelnen Regionen "Dominanzzonen" und eine "Kultur der Angst" zu erzeugen.
(a) Insbesondere sei die Besiedlungsstruktur des Dorfes Jamel nicht auf Initiativen der Antragsgegnerin zurückzuführen. Dass die dort beheimateten rechtsorientierten Bürger und insbesondere der vom Antragsteller benannte K. bei den anderen Bürgern ein Bedrohungsgefühl hervorriefen, werde bestritten. Die tätliche Auseinandersetzung im Rahmen des Musikfestivals und der Brand der Scheune könnten der Antragsgegnerin nicht zugerechnet werden.
(b) Ein wie auch immer geartetes "Dominanzstreben" der Antragsgegnerin könne auch in Anklam nicht festgestellt werden. Es werde bestritten, dass in der Stadt ein von der Antragsgegnerin erzeugtes "Klima der Angst" herrsche, das eine offensive AuseiBVerfGE 144, 20 (136)BVerfGE 144, 20 (137)nandersetzung mit dem Rechtsextremismus lähme, Menschen von Aussagen gegenüber der Polizei abhalte und demokratische Prozesse beinträchtige. Die Antragsgegnerin stelle in der Stadtvertretung Anklams nur zwei von 25 Mitgliedern. In den Ausschüssen sei sie jeweils mit nur einem Sitz vertreten.
Eine Lähmung des "Kampfes gegen Rechts" sei nicht feststellbar. Neben einem "Demokratieladen", der von den Landeszentralen für politische Bildung des Bundes und des Landes seit 2011 gefördert werde, gebe es noch einen vom Stadtjugendring Greifswald betriebenen "Demokratiebahnhof" sowie ein Büro des "Regionalzentrums für demokratische Kultur". Tätig sei zudem ein Präventionsrat der Stadt. Dass im Jahr 2007 Geschäftsleute der Stadt sich aus Furcht vor der Antragsgegnerin geweigert hätten, eine gegen sie gerichtete öffentliche Erklärung in ihren Ladengeschäften aufzuhängen, werde bestritten. Ebenso werde bestritten, dass in Anklam begangene Straftaten mit der Antragsgegnerin in Verbindung stünden. Dass diese sich nicht von jedem einzelnen Vorfall distanziere, sei aufgrund der grundsätzlichen Ablehnung von Gewalt unerheblich.
(2) Selbst Prof. Borstel habe in seinem Gutachten festgestellt, dass von einer "Atmosphäre der Angst" keine Rede sein könne. Die von der Antragsgegnerin praktizierte "Wortergreifungsstrategie" könne ihr ebenfalls nicht vorgeworfen werden. Dass sie mittels "geschulter Aktivisten" "politische Veranstaltungen der anderen Parteien zu eigenen Zwecken umfunktioniert", sei ein in der Demokratie völlig normaler Vorgang. Dass der politische Gegner hierbei "eingeschüchtert, bloßgestellt, lächerlich gemacht" werde, werde bestritten. Mit Angriffen auf Wahlkreisbüros habe die Antragsgegnerin nichts zu tun und dazu auch nicht aufgerufen. Die zitierten Artikel des Internet-Portals "mupinfo" könnten nicht als Aufruf zur oder Billigung von Gewalt angesehen werden.
(a) Es werde bestritten, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem ehrenamtlichen Bürgermeister von Lalendorf in bedrohlicher Weise aufgetreten sei, um diesen in der Wahrnehmung seiner Grundrechte einzuschränken. Alle in dieser Sache AngeklagtenBVerfGE 144, 20 (137) BVerfGE 144, 20 (138)seien vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs rechtskräftig freigesprochen worden. Auch habe die Antragsgegnerin weder zum Betreten des Grundstücks aufgefordert noch dieses toleriert. Im Übrigen sei der Vorgang nicht als einseitiger Akt der "Bedrängung und Einschüchterung" zu werten, sondern als politischer Schlagabtausch.
(b) Bestritten werde auch die Bedrohung von Lokalpolitikern in Berlin-Pankow. Die Kundgebung mit fünf Teilnehmern habe nicht direkt vor dem Bürgerhaus, sondern laut polizeilicher Auflage 50 Meter daneben auf einer Grünfläche stattgefunden. Den Teilnehmern der Kundgebung sei rechtswidrig untersagt worden, an der Bürgersprechstunde teilzunehmen; von "Zugang verschaffen" könne keine Rede sein. Eine Bedrohungslage gegenüber dem Bezirksbürgermeister habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.
(c) Auch eine Bedrohung des Bürgermeisters von Schneeberg durch die Antragsgegnerin habe nicht stattgefunden. Die genannte Demonstration sei keine der Antragsgegnerin gewesen. Dass die Versammlung sich in Richtung des Hauses des Bürgermeisters in Bewegung gesetzt habe, habe der lediglich teilnehmende Funktionär der Antragsgegnerin nicht veranlasst. Ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sei eingestellt worden.
(d) Ebenso werde eine Bedrohung des Bürgermeisters von Schöneiche bestritten. Eine Störung der jüdischen Feste in der Kulturgießerei sei bei keinem der drei genannten Besuche entstanden, der Funktionär S. sei nie in der Kulturgießerei gewesen. Dass der Bürgermeister auf seinem Privatgrundstück beschimpft und bedroht worden sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls könne dies der Antragsgegnerin nicht zugerechnet werden. Auch eine Bedrohung des Bürgermeisters auf dem Heimatfest habe nicht stattgefunden.
(e) Durch die "Kampagne" gegen den Lokalpolitiker S. habe lediglich legitime Kritik an der überbordenden Einbürgerungspolitik der Bundesregierung geübt werden sollen. Die Antragsgegnerin habe mit dieser Aktion nur zum Ausdruck gebracht, dassBVerfGE 144, 20 (138) BVerfGE 144, 20 (139)Herr S. nach ihrer Auffassung nicht hätte eingebürgert werden dürfen.
(f) Auch die Bedrohung einer Aktivistin in Güstrow werde bestritten. Diese begebe sich selbst offensiv in die Nähe der von ihr angeblich so gefürchteten Antragsgegnerin. Ein bedrohlicher Charakter sei dem geschilderten Vorfall -- der Beobachtung durch Mitglieder der Antragsgegnerin -- nicht zu entnehmen. Um wen genau es sich bei den Personen gehandelt habe, die sich anschließend vor ihrem Haus versammelt haben sollen, gehe aus dem Bericht nicht hervor. Eine Zurechnung zur Antragsgegnerin sei nicht möglich.
(g) Die vom Antragsteller als "Gewalt gegen politische Gegner" gewerteten Ereignisse von Pölchow belegten genau das Gegenteil. G. und seine Begleiter seien auf dem Weg zu einer angemeldeten Demonstration gewesen, als gewaltbereite Linksextremisten sie daran hätten hindern wollen. Dass G. bei seiner Reaktion auf diesen Übergriff nach Ansicht des Landgerichts Rostock sein Notwehrrecht überschritten und sein Agieren den Charakter eines Gegenangriffs angenommen habe, ändere -- unabhängig davon, dass diese Darstellung bestritten werde -- nichts an der Tatsache, dass hier von einem Versuch, systematisch Dominanz über politische Gegner zu erringen und Furcht zu verbreiten, keine Rede sein könne.
(h) Soweit der Antragsteller versuche, anhand eines einzigen Vorfalls in Greifswald die Stadt als Angstzone für politische Gegner der Antragsgegnerin darzustellen, sei dies zurückzuweisen. Lediglich das NPD-Mitglied O. sei aufgrund eines Vorfalls verurteilt worden. Die Stadt sei als eine von Linksextremen dominierte Angstzone anzusehen.
(i) Auch ein "Angriff" auf die DGB-Kundgebung in Weimar habe nicht stattgefunden. Es habe sich um eine öffentliche, für jeden Bürger zugängliche Veranstaltung gehandelt. Die JN-Aktivisten hätten Transparente entrollt und Flugblätter verteilt. Ein Teilnehmer habe das Motto der Veranstaltung "Besucher fragen -- Politiker antworten" ernst genommen und das freie MikrofonBVerfGE 144, 20 (139) BVerfGE 144, 20 (140)ergriffen. Daraufhin seien die Teilnehmer der Kundgebung gegenüber den Aktivisten aggressiv geworden.
(j) Ebenso sei es nicht zu einer "gewaltsamen Störung" einer Informationsveranstaltung in Goldbach seitens der Antragsgegnerin gekommen. Richtig sei, dass Herr S. an der Bürgerversammlung teilgenommen und ein Transparent mit der Aufschrift "Asylflut ist kein Menschenrecht" mitgebracht habe. Als Herr S. die Veranstaltung habe verlassen wollen, habe man versucht, ihm sein Transparent zu entreißen und ihn zu schubsen. Erst im Rahmen einer Abwehrreaktion habe er dann zugeschlagen. Das eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Versammlungsstörung sei eingestellt und Strafanzeige wegen Körperverletzung nicht erstattet worden.
(k) Eine Bedrohung des Bürgermeisters von Tröglitz werde bestritten. Der Kreisrat der Antragsgegnerin habe lediglich gegen die geplante Aufnahme von "Asylanten" insgesamt zehn "Lichterspaziergänge" durchgeführt. Zwischenfälle habe es bei keiner Veranstaltung gegeben. Die Route des zehnten Spaziergangs habe am Haus des Bürgermeisters vorbeigeführt, da dieser bis dahin nicht auf die Proteste reagiert gehabt habe. Eine Bedrohungslage habe nicht bestanden. Die Antragsgegnerin sei für den Rücktritt des Bürgermeisters nicht verantwortlich.
(3) Die These von der seitens der Antragsgegnerin angeblich zu verantwortenden "Beeinträchtigung des demokratischen Handelns vor Ort" erweise sich damit insgesamt als haltlos. Soweit der Antragsteller darüber hinaus moniere, dass "verfassungsfeindliche rechtsextremistische Ansichten" in der Gesellschaft verbreitet Akzeptanz fänden, spreche dies bei richtiger Betrachtung lediglich für die Verankerung der Antragsgegnerin in der Gesellschaft.
Die Behauptung des Antragstellers, in bestimmten Regionen würden Bürger durch das politische Wirken der Antragsgegnerin davon abgehalten, offen gegen Rechtsextremismus Position zu beziehen und von ihren demokratischen Rechten Gebrauch zu machen, werde bestritten. Dass in Lübtheen niemand etwas Negatives über Herrn Pastörs sage, liege an seiner Beliebtheit. AuchBVerfGE 144, 20 (140) BVerfGE 144, 20 (141)die Weigerung von Geschäftsleuten in Anklam, eine vom Rat verabschiedete Erklärung gegen den Immobilienkauf von NPD-Mitgliedern aufzuhängen, sei allenfalls auf gesunden Menschenverstand zurückzuführen. Die Behauptung, es gebe in Mecklenburg-Vorpommern Städte und Regionen, in denen sich gegen Rechtsextremismus Engagierte und Minderheiten kaum angstfrei bewegen könnten, sei unzutreffend.
(4) Aggressives Verhalten gegenüber Asylbewerbern gebe es nicht. Die Antragsgegnerin betreibe keine "diffamierende und hetzerische Rhetorik", sondern übe Kritik am ausufernden Asylmissbrauch. Auch die Durchführung von Demonstrationen stelle nichts weiter als ein legitimes Gebrauchmachen vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art.  8 Abs.  1 GG) dar. Der Hinweis auf die angeblich steigende Zahl von Angriffen auf Asylbewerberunterkünfte trage nicht, weil die Antragsgegnerin hierfür nicht verantwortlich sei und sich ausdrücklich von solchen Taten distanziere. Die Proteste der Antragsgegnerin seien nicht ursächlich für die genannten Gewaltattacken und diese könnten ihr nicht zugerechnet werden. Zu den einzelnen Vorwürfen sei wie folgt zu erwidern:
(a) Die Versammlung unter dem Motto "Asylflut stoppen -- Nein zur Zeltstadt auf der Bremer Straße!" in Dresden sei als Eilversammlung angezeigt worden. Die Kundgebung selbst sei ruhig geblieben. Die Behauptung des Antragstellers, in der Nacht zum 28. Juli 2015 hätten rund 20 Rechtsextremisten in der Nähe der Flüchtlingsunterkunft 15 Asylbefürworter attackiert, werde mit Nichtwissen bestritten. Gleiches gelte für die Behauptung, beim Aufbau der Zeltstadt sei es zu Angriffen auf Mitarbeiter des DRK gekommen. Die Antragsgegnerin distanziere sich von diesen Vorfällen.
(b) Unklar bleibe, was an den "Schneeberger Lichtelläufen" verfassungsrechtlich zu beanstanden sei. Dass ein Funktionär der Antragsgegnerin mit einem Bürgermeister ins Gespräch kommen wolle und diesem daher ein entsprechendes Angebot unterbreite, sei ein völlig normaler Vorgang.
(c) Ebenso wenig erschließe sich, worin eine "Bedrängung" derBVerfGE 144, 20 (141) BVerfGE 144, 20 (142)Leipziger Stadtspitze liegen solle, wenn dem Bürgermeister Unterschriften besorgter Bürger gegen den Bau einer Moschee und die Unterbringung von Asylbewerbern übergeben würden. Die veranstalteten Demonstrationen seien durch Art.  5 Abs.  1 Satz 1 und Art.  8 Abs.  1 GG geschützt; gewalttätige Aktionen würden nicht behauptet.
(d) Die Proteste in Bautzen gegen eine Asylbewerberunterkunft seien legitim, die Aufforderung gegenüber dem Vermieter des Hauses zum Nachdenken das gute Recht der Antragsgegnerin. Es sei ausdrücklich von friedlich-legalen Protestformen gesprochen worden; ein Drohpotential sei mithin nicht erkennbar.
(e) Die Beteiligung der Antragsgegnerin an Bürgerprotesten in der Sächsischen Schweiz stelle legitimen Protest dar.
(f) Die angebliche Gewalteskalation in Heidenau sei der Antragsgegnerin nicht zurechenbar, sondern habe sich erst einige Stunden nach Ende der von ihr durchgeführten Kundgebung ereignet. Die Antragsgegnerin habe auch keine Zettel verteilt, um sich nach Versammlungsende für eine Blockade zu treffen. Im Übrigen sei von der Sitzblockade keine Gewalt ausgegangen, sondern von der Polizeihundertschaft, die diese mit brachialer Gewalt aufgelöst habe.
(g) Das Aufsuchen von Asylunterkünften durch gewählte Abgeordnete der Antragsgegnerin geschehe in Wahrnehmung des ihnen zustehenden parlamentarischen Kontrollrechts. Es handele sich hierbei um eine seit Jahren bei sämtlichen Fraktionen anzutreffende, gängige Praxis, so dass nicht erkennbar sei, wieso ein von den Mandatsträgern der Antragsgegnerin durchgeführter Besuch einer entsprechenden Unterkunft irgendjemanden "einschüchtern" oder ein Zeichen von "Dominanz" sein solle.
(5) Soweit die Gegenseite behaupte, ein Großteil der Funktionäre der Antragsgegnerin sei vorbestraft und offenbare dadurch mangelnde Rechtstreue, sei dem entschieden zu widersprechen. Richtig sei, dass es vereinzelt zu Verurteilungen von Funktionären gekommen sei, wobei es sich in der allergrößten Zahl der Fälle um reine Meinungs- und Propagandadelikte handele (§§ 86a, 130 StGB). Die Behauptung des Antragstellers, 25% der VorBVerfGE 144, 20 (142)BVerfGE 144, 20 (143)standsmitglieder der Antragsgegnerin seien rechtskräftig strafrechtlich verurteilt und über 11% der Vorstandsmitglieder seien schon mehrfach verurteilt worden, werde bestritten. Die Verurteilung des Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung beruhe auf willkürlicher Rechtsanwendung. Weitere -- von der Antragsgegnerin im Einzelnen aufgeführte -- Verurteilungen seien rechtlich fehlerhaft, ohne politischen Bezug oder der Antragsgegnerin nicht zurechenbar.
(6) Auch werde bestritten, dass die Antragsgegnerin -- insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern -- zusammen mit Kameradschaften, die auf Gewalt und Einschüchterung abzielten, ein Netzwerk oder gar eine "Volksfront von Rechts" bilde. Erst recht könnten deren Taten nicht der Antragsgegnerin zugerechnet werden.
Es sei auch befremdlich, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin die Resozialisierung von vorbestraften Jugendlichen und Heranwachsenden vorwerfe. Die Antragsgegnerin nehme ihre Aufgabe ernst, auch Personen und Tendenzen in den demokratischen Prozess zu integrieren, die sich radikalisieren könnten. Zu diesem Integrationsprozess gehöre, dass bestimmten Aussagen nicht sofort disziplinarisch entgegengetreten werde. Tatsächlich erweise sich die Antragsgegnerin als entscheidender gesellschaftspolitischer Ordnungsfaktor in der "Neonazi-Szene". Von den wirklich radikalen Kräften der "Freien Szene" werde die Antragsgegnerin als "weichgespült" kritisiert und politisch bekämpft.
(7) Letztlich komme es auf die vorgenannten Punkte aber nicht an, weil die Antragsgegnerin gegenwärtig weit davon entfernt sei, ihre Programmatik in absehbarer Zeit verwirklichen zu können. Sie sei nicht im Deutschen Bundestag vertreten und es sei auch nicht absehbar, dass sie demnächst dort einziehen werde. Selbst wenn dies anders wäre, würde keine der etablierten Parteien mit der Antragsgegnerin koalieren.
Soweit der Antragsteller auf die über 300 kommunalen Mandate der Antragsgegnerin in ganz Deutschland hinweise, relativiere sich diese Zahl ganz erheblich, wenn man sich vergegenwärtige,BVerfGE 144, 20 (143) BVerfGE 144, 20 (144)dass die Antragsgegnerin in den meisten Räten nur mit ein oder zwei fraktionslosen Abgeordneten vertreten sei, die in der Regel nicht einmal über ein eigenes Antragsrecht verfügten.
Vergegenwärtige man sich zudem die -- gerichtsbekannten -- eminenten finanziellen Probleme, an denen die Antragsgegnerin seit Jahren leide, werde auch eine verbleibende "Rest-Gefahr" durch den Mangel an Liquidität und die damit verbundene Einschränkung der politischen Kampagnenfähigkeit erheblich relativiert.
g) Hilfsweise hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass selbst dann, wenn ihr eine unter normalen Umständen als aggressiv-kämpferisch zu qualifizierende Haltung nachgewiesen werden könnte, diese Haltung aufgrund ihrer besonderen Situation gerechtfertigt wäre. Diese Situation bestehe in der seit ihrem Bestehen massiven Diskriminierung der Antragsgegnerin durch die Parteien, welche vorliegend als Antragsteller in Erscheinung träten. In dieser Situation könnten Aussagen, insbesondere die Wortwahl, die man als bedenklich einstufen möge, nicht als "aggressiv-kämpferisch", sondern nur als "defensiv-kämpferisch" eingestuft werden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Mitglieder der Antragsgegnerin beinahe täglich zum Opfer gewalttätiger körperlicher Angriffe aus der linksradikalen Szene würden.
XIII.
 
1. Unmittelbar vor Beginn der mündlichen Verhandlung hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 1. März 2016 mehrere Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt und die Besetzung des Senats gerügt. Zur Begründung hat sie auf Äußerungen einzelner Mitglieder des Senats vor ihrer Ernennung zu Richtern des Bundesverfassungsgerichtes, auf § 15 Abs.  3 Satz 1 BVerfGG sowie ein (angeblich) gegen Art.  94 Abs.  1 Satz 2 GG verstoßendes Berufungsverfahren verwiesen. Am selben Tag sind sämtliche Anträge zurückgewiesen oder verworfen worden, und auf die entsprechenden Rügen hat der Senat seine ordnungsgemäße Besetzung festgestellt. Die schriftliche Begründung ist mit vier im Mai 2016 veröffentlichten Beschlüssen erfolgt (jeBVerfGE 144, 20 (144)BVerfGE 144, 20 (145)weils mit dem Aktenzeichen 2 BvB 1/13; BVerfGE 142, 1; 142, 5; 142, 9; 142, 18).
2. In der mündlichen Verhandlung vom 1., 2. und 3. März 2016 haben die Beteiligten ihren Vortrag vertieft und ergänzt. Gemäß § 27a BVerfGG sind Prof. Dr. Dierk Borstel, Prof. em. Dr. Eckhard Jesse, PD Dr. habil. Steffen Kailitz, Andrea Röpke sowie die Funktionsträger der Antragsgegnerin Jürgen Gansel und Udo Voigt und deren ehemaliger Vorsitzender Holger Apfel gehört worden. Die Präsidentin des Landtages und der Minister für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie der Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr des Freistaates Bayern haben Stellung genommen.
3. a) Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung einen weiteren auf den 1. März 2016 datierten Schriftsatz vorgelegt, in dem sie mitgeteilt hat, gegen zwei ihrer Landesvorstandsmitglieder des Landesverbands Nordrhein-Westfalen seien laut Benachrichtigungen des Polizeipräsidiums Wuppertal in der Zeit vom 10. Juli 2015 bis zum 9. August 2015 durch die nordrhein-westfälische Polizei Maßnahmen gemäß § 16a Abs.  1 und § 17 Abs.  1 Satz 1 PolG NRW durchgeführt worden. Der Anlass für die Überwachungsmaßnahmen sei nicht bekannt. Offenbar hätten die Maßnahmen sich primär gegen "eine bestimmte Person" gerichtet, wobei die beiden Betroffenen als Begleit- und Kontaktpersonen ebenfalls überwacht worden seien. Dies lege die Vermutung nahe, dass primäres Überwachungsobjekt eine weitere Person aus dem Landesvorstand gewesen sei.
Es stehe damit fest, dass entgegen der Zusicherung des Antragstellers Mitglieder eines Landesvorstands -- also der Führungsebene der Antragsgegnerin -- während des laufenden Verbotsverfahrens mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht worden seien. Darüber hinaus habe auch der Verfahrensbevollmächtigte zu 1. der Antragsgegnerin mit einer der beiden Betroffenen in den letzten Monaten in vermehrtem Kontakt gestanden, weshalb vermutlich auch von ihm Daten erfasst worden seien.
b) Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung erwidert, dass der von der Antragsgegnerin geschilderte VorgangBVerfGE 144, 20 (145) BVerfGE 144, 20 (146)nicht von den Testaten umfasst sei und keine Verfahrenshindernisse im hier verhandelten Sinne betreffe.
Zum konkreten Sachverhalt ist Landeskriminaldirektor S. vom Nordrhein-Westfälischen Innenministerium mündlich angehört worden: Er hat erklärt, dass Gegenstand der Maßnahme, auf die sich die Benachrichtigung über eine Datenerhebung durch die Polizei bezogen habe, ein Verfahren zur Gefahrenabwehr gewesen sei, das das Polizeipräsidium Wuppertal betrieben habe. Adressat der Maßnahmen sei ein in Nordrhein-Westfalen als sogenannter Gefährder eingestufter Straftäter gewesen, der sich zu diesem Zeitpunkt noch in Strafhaft befunden habe. Anlässlich seiner Haftentlassung am 14. Juli 2015 habe das Polizeipräsidium Wuppertal die Anordnung getroffen, ihn mit dem Ziel der Ermittlung des weiteren Aufenthalts und der Wohnsitznahme unter Einsatz technischer Mittel zu observieren. Daraufhin hätten Einsatzkräfte der Polizei am 14. Juli 2015 festgestellt, dass der Betroffene bei seiner Entlassung von drei Personen abgeholt worden sei. Zwei dieser Personen seien die Adressaten der Benachrichtigung über die Datenerhebung durch die Polizei gewesen. Nach erfolgreicher Feststellung des Wohnsitzes seien die Maßnahmen eingestellt worden.
4. Die Antragsgegnerin hat außerdem zwei eidesstattliche Versicherungen von A. und Uwe Meenen vorgelegt, die den bereits schriftsätzlich vorgetragenen Anwerbeversuch von Herrn A. (vgl. Rn. 91) belegen sollen. In der Erklärung von Herrn A. wird der angebliche Anwerber des Staatschutzes als "Herr Fink" bezeichnet.
XIV.
 
1. Mit Schriftsatz vom 22. März 2016 hat der Antragsteller die von ihm aus den beiden Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte zitierten Belege vorgelegt.
2. Mit Schriftsatz vom 11. April 2016 hat die Antragsgegnerin zur mündlichen Verhandlung Stellung genommen.
a) Sie wendet sich zunächst gegen Behauptungen der Präsidentin des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern in der mündliBVerfGE 144, 20 (146)BVerfGE 144, 20 (147)chen Verhandlung und macht geltend, dass diese durch eine Belastungstendenz zum Nachteil der Antragsgegnerin geprägt seien, was durch von ihr geschilderte Vorfälle belegt werde. Außerdem bestreitet sie von der sachkundigen Dritten Andrea Röpke in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptungen, vor allem zu einem angeblichen Angriff eines Mitglieds der Antragsgegnerin auf einen Gewerkschaftsvertreter.
b) Die Antragsgegnerin führt ferner sechs Fälle der Bezugnahme auf den Nationalsozialismus durch eigene Mitglieder auf, gegen die sie mit parteirechtlichen Ordnungsmitteln vorgegangen sei. Außerdem verweist sie auf einen Parteivorstandsbeschluss vom 5./6. April 2014, wonach die vom Antragsteller als Belege vorgelegten, vom Parteivorstand nicht genehmigten Leitfäden der JN nicht weiter zu verbreiten und zu vernichten seien. Gleiches gelte auch für die Broschüre des Parteivorstands "Leitfaden für Kandidaten" ("Argumente für Mandats- und Funktionsträger").
c) Darüber hinaus nimmt die Antragsgegnerin hinsichtlich der Behauptung, sie verbreite ein "Klima der Angst", Bezug auf eine Broschüre der Heinrich-Böll-Stiftung sowie der Amadeu Antonio Stiftung mit dem Titel "Darf die NPD wegen Taten parteiloser Neonazis verboten werden?". In dieser würden aktuelle Erkenntnisse zu den vom Antragsteller aufgeführten Fällen einer angeblichen Einschüchterung verarbeitet und die Antragsgegnerin umfassend entlastet.
So heiße es zum Rücktritt des Ortsbürgermeisters von Tröglitz, dass dieser weniger durch das Verhalten der Antragsgegnerin, als durch den Unwillen und die Unfähigkeit der zuständigen Versammlungsbehörde begründet sei, einen Ausgleich zwischen den Grundrechten der Familie des Bürgermeisters und dem Versammlungsrecht zu finden. Zu den Vorgängen in Dresden am 24. Juli 2015 werde festgestellt, dass die Mitglieder der Antragsgegnerin an der Gewalt im Anschluss an die Kundgebung nicht beteiligt gewesen seien, auch wenn sie diese nicht unterbunden hätten. Die Taten seien jedenfalls nach derzeitigem Kenntnisstand nicht von der Antragsgegnerin geplant oder gesteuert worden. Zum Fall Heidenau weise die Broschüre darauf hin, dass die Partei zwarBVerfGE 144, 20 (147) BVerfGE 144, 20 (148)eine aggressive, rassistische Stimmung befördert, der verantwortliche Funktionär R. die Antragsgegnerin aber mittlerweile verlassen habe. Formal habe sich die Partei von der Gewalt in direkter zeitlicher Nähe distanziert. Auch die Ausführenden seien keine NPD-Mitglieder gewesen, für eine Lenkung durch die Antragsgegnerin bestünden keine Anhaltspunkte.
3. Mit Schriftsatz vom 27. April 2016 hat der Antragsteller auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 2. März und 11. April 2016 geantwortet.
Die Schriftsätze seien selbst von den verfassungswidrigen Zielen der Antragsgegnerin geprägt. Sie enthielten Falschbehauptungen, verzerrende Interpretationen von Aussagen der Antragsgegnerin und ihrer Mitglieder, unrichtige Darstellungen des Vortrags des Antragstellers sowie Behauptungen ins Blaue hinein.
a) Mit dem Grundgesetz -- insbesondere mit den Grundsätzen des Art.  79 Abs.  3 GG -- sei das Demokratieverständnis der Antragsgegnerin nicht zu vereinbaren. Es baue auf der Möglichkeit einer Diktatur der Mehrheit auf, die an keine rechtlichen Regeln gebunden sei. In dieser Konstruktion lösten sich nicht nur die änderungsfesten Grenzen des Art.  79 Abs.  3 GG, sondern bereits der einfache Vorrang der Verfassung auf. Zudem sei die von der Antragsgegnerin beschriebene Mehrheit keine Mehrheit innerhalb einer demokratischen Allgemeinheit, sondern eine völkisch selektierte Mehrheit. Bringe man diese Sicht der Volkssouveränität mit dem Volksbegriff der Antragsgegnerin in Verbindung, so ergebe sich daraus das Ideal einer politischen Ordnung, in der eine rassisch homogene "Volksgemeinschaft" sich dazu ermächtigt sehe, prozedural und materiell unbegrenzt politische Entscheidungen zu treffen. Dass die Universalität der Menschenwürde auch die demokratische Mehrheit begrenze, lasse die Antragsgegnerin völlig außer Betracht.
b) Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wende.
aa) Sie vertrete -- entgegen ihrem Vorbringen -- einen rassisch definierten, ethnischen Volksbegriff. Der Deutschenbegriff des Parteiprogramms knüpfe nicht an der Staatszugehörigkeit, sonBVerfGE 144, 20 (148)BVerfGE 144, 20 (149)dern an einer ethnisch definierten Volkszugehörigkeit an. Die gesetzlich ausgestaltete Staatsangehörigkeit führe ein politisch und rechtlich irrelevantes Nebendasein. Die Antragsgegnerin stelle ethnisch Fremde mit deutscher Staatsbürgerschaft rechtlos und wolle diese des Landes verweisen. Wenn sie behaupte, dass sie "keine Ausbürgerungen" plane, sei dies für ihre verfassungsfeindlichen Ziele irrelevant. Die Staatsbürgerschaft habe letztlich für das Bleiberecht keine Bedeutung, da dieses ausschließlich rassisch-ethnisch definiert werde.
Zwar sei eine Rückkehr zu einem allein auf Abstammung basierenden Staatsangehörigkeitsrecht auf gesetzlichem Weg möglich. Der Antragsteller trete jedoch der Auffassung der Antragsgegnerin entgegen, wonach der Gesetzgeber gar nicht konstitutiv entscheiden könne, wer zum "deutschen Volk" gehöre, da sich dies aus ethnisch-rassischen Kriterien ergebe. Art.  116 Abs.  1 Var. 1 GG bestätige gerade, dass die "Volkszugehörigkeit" allein nicht darüber bestimmen dürfe, wer zum Staatsvolk gehöre, sondern dass dies bewusst dem Gesetzgeber im Rahmen des Staatsangehörigkeitsrechts überlassen werde.
bb) Die Antragsgegnerin versuche, die Verfassungswidrigkeit ihrer Ideologie durch Verfälschungen zu überdecken. Sie betreibe eine verharmlosende Auslegung von Äußerungen (1), eine bewusste Dekontextualisierung und Unterschlagung von nationalsozialistischen Bezügen (2) sowie den Versuch der Distanzierung von grundlegenden Parteidokumenten (3) und einzelnen Belegen und Personen (4).
(1) Die Antragsgegnerin richte ihre Äußerungen bewusst am Adressatenkreis aus. Dies stehe der von ihr behaupteten "objektiven Mehrdeutigkeit" ihrer Äußerungen entgegen. Sie banalisiere insbesondere den die Menschenwürde verachtenden Charakter des Antisemitismus. Vereinzelte Zitate, die das Fehlen von Antisemitismus in der Partei belegen sollten, stünden einer Vielzahl antisemitischer Äußerungen gegenüber.
(2) Bewusst dekontextualisiert und damit entgegen den verfassungsrechtlichen Maßstäben ausgelegt würden insbesondere Aussagen, die die Wesensverwandtschaft der Antragsgegnerin zumBVerfGE 144, 20 (149) BVerfGE 144, 20 (150)Nationalsozialismus belegten. Auch weitere beispielhaft aufgeführte Äußerungen würden durch die Außerachtlassung des kommunikativen Kontextes bewusst verfälscht. Irreführend sei die Behauptung, beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft in München hätten sich Bewohner mit einem Funktionär der Antragsgegnerin fotografieren lassen. In Wahrheit hätten drei der abgebildeten Asylbewerber Strafantrag gestellt mit der Folge, dass das Amtsgericht München einen Strafbefehl wegen Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz erlassen habe. Verharmlosend dargestellt werde auch die Kampagne gegen S., deretwegen der Funktionär Frank Schwerdt zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt worden sei. Hinsichtlich der Bedrängung von Kommunalpolitikern in Berlin-Pankow blende die Antragsgegnerin aus, dass das Motto der Aktion gelautet habe: "Den Feind erkennen -- den Feind benennen." Bezogen auf die Störung der DGB-Kundgebung in Weimar habe die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Verstoßes gegen § 21 VersG erhoben. Hauptbeteiligte der Ausschreitungen am 24. Juli 2015 in Dresden seien der Vorsitzende der Ortsgruppe Heidenau und ein weiterer Anhänger der Antragsgegnerin sowie drei weitere Teilnehmer der von der Antragsgegnerin veranstalteten Demonstration gewesen.
(3) Die Antragsgegnerin versuche vergeblich, sich nachträglich von grundlegenden Parteidokumenten, insbesondere der Schrift "Wortgewandt -- Argumente für Mandats- und Funktionsträger" sowie den Leitfäden der JN zu distanzieren. Der vorgelegte Beschluss des Parteivorstands vom 5./6. April 2014 sei Teil eines taktischen Vorgehens im Hinblick auf das Parteiverbotsverfahren. Die betroffenen Texte behandelten Kernpositionen der Antragsgegnerin, die diese nicht nur über einen langen Zeitraum vertreten habe, sondern auch weiterhin vertrete. Dies werde durch zahlreiche Äußerungen führender Parteifunktionäre belegt.
Der für die Leitfäden verantwortliche JN-Schulungsleiter D. sei ein halbes Jahr nach diesem Beschluss zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JN aufgestiegen. Dieses Amt übe er weiterhin aus. In einem Interview vom 27. April 2014 habe er die fortwährende Gültigkeit der Leitfäden bestätigt.BVerfGE 144, 20 (150)
BVerfGE 144, 20 (151)Die Argumentationsbroschüre für Mandats- und Funktionsträger besitze ihrerseits eine große Relevanz innerhalb der Antragsgegnerin und eine hohe Reichweite. Sie entstamme der "Schriftenreihe des Parteivorstands der NPD" und enthalte ein Vorwort des damaligen Parteivorsitzenden, wonach es sich um eine der "drei Grundlagenschriften nationaldemokratischen Politikverständnisses" handele. Der Verfasser Jürgen Gansel sei führender und die Ideologie prägender Funktionär der Antragsgegnerin. Die 2012 in zweiter Auflage erschienene Broschüre sei seit mindestens zehn Jahren ideologische Grundlage der Parteiarbeit. Die fortgesetzte Gültigkeit der Broschüre zeige sich schließlich daran, dass zentrale Thesen der Schrift noch heute im Wortlaut auf der Homepage der Partei abgerufen werden könnten.
(4) Auch die Distanzierung von einzelnen Belegen und Personen sei vergeblich. Wenn eine verharmlosende Auslegung einer Äußerung nicht mehr möglich sei, werde versucht, diese als Entgleisung eines Einzelnen darzustellen oder deren Zurechenbarkeit zu bestreiten. Dies sei nicht hinnehmbar, da an der Zurechenbarkeit im Einzelfall keine Zweifel bestünden und die aufgeführten Äußerungen den Grundtendenzen der Partei entsprächen.
Die Schilderung eines Vorgehens gegen rechts- und satzungswidriges Verhalten von Mitgliedern in sechs Einzelfällen sei kaum repräsentativ und betreffe keine prägenden Mitglieder. Sie seien für das Gesamtbild der Partei ohne Belang. Vielmehr sei ein bekennender Nationalsozialist wie Thomas Wulff Anfang 2014 auf einem Parteitag in Hamburg zum Landesvorsitzenden gewählt worden und gehöre dem Bundesvorstand der Antragsgegnerin an.
cc) Bezeichnend sei schließlich, dass die Antragsgegnerin in ihren Schriftsätzen die zahlreichen Belege zum Antiparlamentarismus und zur Systemüberwindung nicht inhaltlich kommentiere. Der systemüberwindende Anspruch sei noch einmal in den Äußerungen von Udo Voigt in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden. Von dieser handlungsleitenden Zielsetzung könne auch der Verweis auf die parlamentarische Arbeit nicht ablenken, da diese nur Mittel auf dem Weg zur Abschaffung des parlamentarischen Systems sei. Ziel der Antragsgegnerin sei die HerrschaftBVerfGE 144, 20 (151) BVerfGE 144, 20 (152)einer rassischen Elite. Dies sei keine andere Form von Demokratie, sondern eine menschenrechtsverletzende Willkürherrschaft.
c) Die Antragsgegnerin gehe auch weiterhin auf eine Beeinträchtigung beziehungsweise Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus.
aa) (1) Zwar könne ein Parteiverbot nicht allein auf eine verfassungswidrige Gesinnung gestützt werden. Das Verfahren erfülle jedoch eine eigenständige Funktion. Daher könnten Strafbarkeit oder Rechtswidrigkeit nicht Voraussetzung eines verbotswidrigen Verhaltens sein. Dem Parlamentarischen Rat sei es bei Verabschiedung des Grundgesetzes nicht darum gegangen, über die verfassungswidrigen Ziele hinaus weitere Voraussetzungen für ein Parteiverbot aufzustellen. Das Kriterium "Verhalten der Anhänger" sei nur hinzugefügt worden, damit eine Partei sich nicht hinter dem "Lippenbekenntnis" eines harmlosen Programms verstecken könne. Der Verbotstatbestand setze keine -- auch nicht eine marginale -- konkrete Gefahr für eines der beiden Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 GG voraus, zumal eine verlässliche Prognose über die Realisierungschance einer solchen Gefahr nicht getroffen werden könne.
Die jeweilige prozentuale Entwicklung der Wahlergebnisse könne daher kein Maßstab für den "richtigen Zeitpunkt" eines Parteiverbots sein. Die Wahl des Zeitpunkts der Einleitung eines Verbotsverfahrens liege im politischen Ermessen der zugelassenen Antragsteller, die allesamt Verfassungsorgane seien. Dieses Ermessen sei vom Bundesverfassungsgericht allenfalls auf Missbrauch hin überprüfbar.
Eine dem Zweck des Verfahrens angemessene Prävention erlaube ein Verbot jedenfalls dann, wenn der Partei Äußerungen oder Aktivitäten zuzurechnen seien, die typischerweise Gefährdungen für den Verfassungsstaat oder die Menschenwürde darstellten, und es unvorhersehbar sei, wie und wann sie sich realisierten. Derartige typische Gefährdungen seien namentlich mit Handlungen und Äußerungen unmittelbar gegenüber dem politischen Gegner oder einer angegriffenen Minderheit verbunden. Selbst wenn Aktivitäten in der Form einer Äußerung erfolgten --BVerfGE 144, 20 (152) BVerfGE 144, 20 (153)etwa eine Aufforderung zur Ausreise --, könne darin nicht nur eine Mitteilung von Inhalten gesehen werden. Die Äußerung stelle -- etwa aufgrund des bedrohlichen oder einschüchternden Charakters -- gleichzeitig eine die Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 GG gefährdende Handlung dar. Gefährlich könnten auch Äußerungen gegenüber eigenen Anhängern sein, wenn diese handlungsleitend seien.
(2) Auch das Kriterium der "Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus" knüpfe nicht nur an eine Gesinnung oder eine Überzeugung an. Es sei -- als ein Indiz für ein "Darauf Ausgehen" -- vielmehr auch anwendbar, wenn man deutlich mehr als eine verfassungswidrige Überzeugung verlange, da es auf der Erkenntnis basiere, dass eine dem Nationalsozialismus verwandte Partei typischerweise Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung verursache.
bb) (1) Der gestiegene Umfang der Aktivitäten der Antragsgegnerin sei ein Indiz für die aggressiv-kämpferische Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele. Nach einer Schwächephase von 2012 bis 2014 sei in den vergangenen eineinhalb Jahren -- auch bedingt durch die Flüchtlingsproblematik -- eine Stärkung der Antragsgegnerin zu beobachten. Dies betreffe insbesondere die Zahl und die Reichweite der Aktivitäten, wie etwa das zunehmende Demonstrationsgeschehen zeige. Die selektive Betrachtung von Verfassungsschutzberichten aus einzelnen Jahren sei nicht repräsentativ. Vielmehr sei die Entwicklung der Partei insgesamt in den Blick zu nehmen.
Die Reichweite der Aktivitäten der Antragsgegnerin könne nicht nur an traditionellen Indikatoren, wie etwa Mitgliederzahlen, festgemacht werden. Die Antragsgegnerin benutze umfangreich und professionell die neuen Medien und erreiche dadurch -- mit relativ kleinem Aufwand -- eine große Zahl von Adressaten. Entscheidend für die Beurteilung ihrer Stärke sei darüber hinaus ihr Selbstverständnis als Weltanschauungspartei. Dieses habe zur Folge, dass ihre Mitglieder eine -- im Vergleich zu den Mitgliedern anderer Parteien -- überdurchschnittlich hohe Aktivitätsquote hätten.BVerfGE 144, 20 (153)
BVerfGE 144, 20 (154)Die Kampagnenfähigkeit und das Mobilisierungspotential der Antragsgegnerin ließen sich insbesondere an den umfangreichen Demonstrationsaktivitäten im Jahr 2015 ablesen. Betrachte man nur die Veranstaltungen ab 20 Personen, seien 192 unmittelbar der Antragsgegnerin zurechenbare Veranstaltungen mit insgesamt circa 23.000 Teilnehmern im Jahr 2015 zu verzeichnen. Hinzu kämen 95 von der Antragsgegnerin beeinflusste oder gesteuerte Veranstaltungen (THÜGIDA, MVGIDA, "Saarländer gegen Salafisten" etc.) mit einer Gesamtteilnehmerzahl von über 20.000.
Die Antragsgegnerin sei ein Hauptakteur der rechtsextremistischen Anti-Asyl-Agitation. Von rechtsextremistischen Parteien organisierte Aktionen und Straftaten gegen Asylunterkünfte hätten im Jahr 2015 mit 1.031 Straftaten (davon 177 Gewaltdelikte) ihren Höchststand erreicht. Der völkischen Ideologie der Antragsgegnerin könne dabei nach Einschätzung des Bundeskriminalamts eine katalysierende Wirkung zukommen.
Ein weiterer Faktor bei der Beurteilung der Stärke der Antragsgegnerin sei ihre Rolle als Arbeitgeberin. Insgesamt seien den Verfassungsschutzbehörden 87 Personen bekannt, die seit 2004 als Mitarbeiter beziehungsweise Praktikanten der Landtagsfraktionen der Antragsgegnerin in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, der einzelnen Landtagsabgeordneten der Partei sowie des Europaabgeordneten Udo Voigt tätig gewesen seien. Bei 37 dieser Personen könne eine vorherige oder gleichzeitige Verbindung zu neonazistischen Personenzusammenschlüssen aus offen verwertbaren Informationen bestätigt werden. Ihre Rolle als Arbeitgeberin stärke die personelle Basis der Antragsgegnerin und ihre Netzwerkfunktion im rechtsextremistischen Spektrum.
(2) In den vergangenen Wochen und Monaten sei es zudem zu weiteren Ereignissen gekommen, die zeigten, dass die Antragsgegnerin durch Einschüchterungen und Bedrohungen bis hin zur Gewaltanwendung demokratisches Handeln vor Ort einschränke.
In Nauen sei der Funktionär S. wegen des dringenden Tatverdachts der Brandstiftung mit Blick auf eine als Notunterkunft für Asylbewerber geplante Turnhalle verhaftet worden. In LöcknitzBVerfGE 144, 20 (154) BVerfGE 144, 20 (155)habe eine Gruppe um einen Gemeindevertreter der Antragsgegnerin eine Versammlung gestört und sei wegen Äußerungen wie "keine Volksdeutschen", "alles Parasiten" und "polnischer Pöbel" angezeigt worden.
Am 11. Januar 2016 sei es im Leipziger Stadtteil Connewitz zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, die der Kreisverband der Antragsgegnerin Leipzig in den sozialen Medien positiv kommentiert und dadurch die Situation angeheizt habe. Der überwiegende Teil der Täter habe einen rechtsextremen Hintergrund gehabt.
Schließlich habe die Antragsgegnerin in scheinlegaler Weise zum Umsturz aufgerufen, als sie im Februar 2016 Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes sowie Soldaten dazu aufgefordert habe, von ihrem Widerstandsrecht nach Art.  20 Abs.  4 GG Gebrauch zu machen. Eine derart gezielte Verleitung zum Ungehorsam gegenüber dem Staat beinhalte ein aktives Untergraben der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
4. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2016 hat die Antragsgegnerin zu den mit Schriftsatz vom 22. März 2016 vorgelegten Belegen des Instituts für Zeitgeschichte mitgeteilt, dass ihr die Belege hinsichtlich P. und H. nicht zurechenbar seien, da keine der beiden Personen Mitglied der Antragsgegnerin sei.
5. Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2016 hat die Antragsgegnerin auf den Schriftsatz des Antragstellers vom 27. April 2016 erwidert und geltend gemacht, dass sie die Bindung des Gesetzgebers an das Menschenwürdeprinzip ausdrücklich anerkenne. Auch die Behauptung des Antragstellers, sie negiere die Geltung der (Jedermann-)Grundrechte für Ausländer, gehe fehl. Sie strebe auch keine Ausbürgerung an, sondern fordere eine Einschränkung der überbordenden Einbürgerungspraxis durch eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechtes ex nunc.
Zu den neu erhobenen tatsächlichen Vorwürfen sei Folgendes auszuführen: S. stehe in Nauen lediglich unter Brandstiftungsverdacht, gerichtliche Feststellungen seien bislang nicht getroffen worden. Jedenfalls könne die Tat der Antragsgegnerin nicht zugerechnet werden, da sie diese weder billige, noch dazu angestiftetBVerfGE 144, 20 (155) BVerfGE 144, 20 (156)habe. Im Fall Löcknitz habe ihr Gemeindevertreter weder beleidigende Äußerungen getätigt noch Gewalt ausgeübt.
Zu den Verlautbarungen des Kreisverbands Leipzig sei festzustellen, dass die Antragsgegnerin den hierfür verantwortlichen Kreisvorsitzenden B. unverzüglich seines Amts enthoben habe. Der Betroffene habe die Partei sodann freiwillig verlassen. Mehr könne von der Antragsgegnerin nicht verlangt werden.
6. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2016 hat die Antragsgegnerin die ordnungsgemäße Besetzung des Senats im Hinblick auf die Mitwirkung des Richters Landau gerügt. Dessen Amtszeit sei abgelaufen. Gleichwohl versuche der Antragsteller durch die vorsätzliche Nichtwahl eines Nachfolgers die Erfolgsaussichten seines Verbotsantrags zu verbessern.
XV.
 
Hinsichtlich der 57 vom Antragsteller in der Antragsschrift und der deanonymisierten Übersicht aufgeführten strafrechtlichen Verurteilungen hat der Senat in 54 Fällen die entsprechenden Verfahrensakten beiziehen können.
 
B.
 
Die Anträge sind zulässig.
Bedenken gegen die ordnungsgemäße Besetzung des Senats bestehen nicht (I.). Auch stehen der Durchführung des Verfahrens keine unbehebbaren Verfahrenshindernisse entgegen (II.). Der hilfsweise gestellte Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung des Verfahrens, bis der vom Deutschen Bundestag am 20. März 2014 eingesetzte Untersuchungsausschuss zur NSA-Abhör-Affäre seinen Abschlussbericht vorgelegt hat, ist zurückzuweisen (III.). Die von der Antragsgegnerin im Übrigen geltend gemachten Zulässigkeitsmängel liegen nicht vor. Weder fehlt es an einer ordnungsgemäßen Prozessvollmacht der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers (IV.1.), noch ergibt sich die Unzulässigkeit des Antrags aus einer verfassungswidrigen Ausgestaltung der Antragsbefugnis im Parteiverbotsverfahren durch § 43 BVerfGG (IV.2.). Auch die Auffassung, für das beantragte Parteiverbot stelBVerfGE 144, 20 (156)BVerfGE 144, 20 (157)le Art.  21 Abs.  2 GG keine geeignete Rechtsgrundlage dar, steht der Zulässigkeit des Verbotsverfahrens nicht entgegen (IV.3.).
I.
 
Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt. Hinsichtlich der bereits in der mündlichen Verhandlung beschiedenen Besetzungsrügen wird auf die gesondert ergangenen Beschlüsse verwiesen (vgl. Rn. 349). Die Besetzungsrüge der Antragsgegnerin betreffend den Richter Landau geht ins Leere. Die Amtszeit des Richters ist abgelaufen und er ist mit der Ernennung seiner Nachfolgerin gemäß § 4 Abs.  1 und 4 BVerfGG aus dem Senat ausgeschieden. Demgemäß hat er an der Entscheidung nicht mitgewirkt.
II.
 
Für eine Einstellung des Verfahrens wegen unbehebbarer Verfahrenshindernisse ist kein Raum.
1. Ein zur Verfahrenseinstellung führendes Hindernis kommt lediglich als ultima ratio möglicher Rechtsfolgen von Verfassungsverstößen in Betracht (a). Im Parteiverbotsverfahren gemäß Art.  21 Abs.  2 GG setzt dies einen Verfassungsverstoß von erheblichem Gewicht voraus (b). Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn gegen das aus Art.  21 Abs.  1 und Abs.  2 in Verbindung mit Art.  20 Abs.  3 GG folgende Gebot freier und selbstbestimmter Willensbildung und Selbstdarstellung der Partei vor dem Bundesverfassungsgericht verstoßen wird (c). Mit dem rechtsstaatlichen Gebot strikter Staatsfreiheit ist der Einsatz von V-Leuten und Verdeckten Ermittlern auf den Führungsebenen einer Partei während eines laufenden Verbotsverfahrens grundsätzlich nicht zu vereinbaren (d). Gleiches gilt, soweit ein Verbotsantrag im Wesentlichen auf Materialien und Sachverhalte gestützt wird, deren Zustandekommen durch staatliche Quellen beeinflusst wurde (e). Daneben kommt dem Grundsatz des fairen Verfahrens besondere Bedeutung zu. Der daraus folgende Anspruch einer Prozesspartei, im Rahmen einer von ihr ausgewählten Strategie effektiv Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können, steht einem Ausspähen der Prozessstrategie mit nachrichtendienstliBVerfGE 144, 20 (157)BVerfGE 144, 20 (158)chen Mitteln entgegen (f). Wird diesen Anforderungen nicht genügt, kommt eine Fortsetzung des Parteiverbotsverfahrens grundsätzlich nicht in Betracht. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn angesichts der von einer Partei ausgehenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Präventionszweck des Parteiverbotsverfahrens die Beeinträchtigung der rechtsstaatlichen Anforderungen an das Parteiverbotsverfahren eindeutig überwiegt (g).
a) Weder das Grundgesetz noch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz enthalten spezielle Normen zu den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an die Durchführung eines Verfahrens gemäß Art.  21 Abs.  2 GG, Art.  93 Abs.  1 Nr.  5 GG in Verbindung mit § 13 Nr.  2, §§ 43 ff. BVerfGG sowie zu den Rechtsfolgen von Verstößen gegen solche Anforderungen. Insbesondere fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung der Verfahrenseinstellung wegen nicht behebbarer Verfahrenshindernisse (vgl. BVerfGE 107, 339 [363]).
Allerdings hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes in seiner Entscheidung vom 18. März 2003 (BVerfGE 107, 339) hierzu -- insoweit im Ansatz übereinstimmend zwischen damaliger Senatsmehrheit und -minderheit -- ausgeführt: Kein staatliches Verfahren darf einseitig nur nach Maßgabe des jeweils rechtlich bestimmten Verfahrenszwecks ohne Rücksicht auf mögliche gegenläufige Verfassungsgebote und auf mögliche übermäßige rechtsstaatliche Kosten einseitiger Zielverfolgung durchgeführt werden. Die Durchsetzung jedes staatlichen Verfahrensinteresses muss im Konflikt mit gegenläufigen verfassungsrechtlichen Rechten, Grundsätzen und Geboten als vorzugswürdig nach Maßgabe der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein (BVerfGE 107, 339 [364]). Weiterhin hat der Senat darauf hingewiesen, dass dem Bundesverfassungsgericht aufgrund seiner alleinigen Zuständigkeit für die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei eine Garantenstellung für die Wahrung rechtsstaatlicher Anforderungen im Verbotsverfahren zukommt. Es hat daher von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob das staatliche Interesse an der weiteren DurchführungBVerfGE 144, 20 (158) BVerfGE 144, 20 (159)des Verfahrens überwiegt, oder ob die Fortsetzung des Verfahrens den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit und dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Antragsgegnerin widerspräche (vgl. BVerfGE 107, 339 [364 f.]). Ein zur Verfahrenseinstellung zwingendes Verfahrenshindernis wird dabei allerdings nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen angenommen werden können, wenn die materiellen Ziele des Verfahrens tatsächlich nicht mehr oder nur bei Inkaufnahme unverhältnismäßiger Rechtsverletzungen zu verwirklichen sind (BVerfGE 107, 339 [380] nicht entscheidungstragende Senatsmehrheit). Die Annahme eines zur Verfahrenseinstellung führenden Verfahrenshindernisses kommt nur als ultima ratio möglicher Rechtsfolgen von Verfassungsverstößen in Betracht (vgl. BVerfGE 107, 339 [365] entscheidungstragende Senatsminderheit).
b) Voraussetzung für die Annahme eines unüberwindlichen Verfahrenshindernisses ist demgemäß ein Verfassungsverstoß von erheblichem Gewicht (vgl. BVerfGE 107, 339 [365]). Bei weniger schwerwiegenden oder auf andere Weise ausgleichbaren Verfahrensmängeln verbietet sich hingegen eine Verfahrenseinstellung. Sie können durch Rechtsfolgen ausgeglichen werden, die nicht das gesamte Verfahren mit sofortiger Wirkung beenden, wie etwa erhöhte Anforderungen an die Beweiswürdigung oder Beweisverwertungsverbote (vgl. BVerfGE 107, 339 [379] Senatsmehrheit unter Verweis auf BVerfGE 44, 353 [383]; 57, 250 [292 f.]; 101, 106 [126]).
c) Für die Frage, ob ein gewichtiger Verfassungsverstoß gegeben ist, sind vor allem die sich spezifisch aus dem Wesen des Parteiverbotsverfahrens gemäß Art.  21 Abs.  1 und Abs.  2 in Verbindung mit Art.  20 Abs.  3 GG ergebenden rechtsstaatlichen Anforderungen zu beachten: Das verfassungsgerichtliche Parteiverbot stellt die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar. Im Parteiverbotsverfahren ist daher ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Transparenz, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit geboten (vgl. BVerfGE 107, 339 [369] Senatsminderheit). Die betroffene Partei erhält vor dem Bundesverfassungsgericht -- geBVerfGE 144, 20 (159)BVerfGE 144, 20 (160)gebenenfalls letztmalig -- die Chance, dem Vorbringen des oder der Antragsteller, die ein Parteiverbot für erforderlich halten, das Bild einer loyalen verfassungsrechtlichen Institution entgegenzusetzen, deren weitere Teilnahme am Prozess der Volks- und Staatswillensbildung gerade im Interesse einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung notwendig und legitim ist. Staatsfreiheit und Selbstbestimmung gewinnen in dieser Situation eine besonders herausragende Bedeutung (vgl. BVerfGE 107, 339 [368] Senatsminderheit). Es muss gewährleistet sein, dass die Partei ihre Position frei, unbeobachtet und selbstbestimmt darstellen kann. Neben den Geboten der Verlässlichkeit und Transparenz ist die Anforderung strikter Staatsfreiheit im Sinne unbeobachteter selbstbestimmter Willensbildung und Selbstdarstellung vor dem Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 107, 339 [369] Senatsminderheit) unverzichtbar.
d) Die Tätigkeit von V-Leuten und Verdeckten Ermittlern auf den Führungsebenen einer Partei während eines gegen diese laufenden Verbotsverfahrens ist mit dem Gebot strikter Staatsfreiheit nicht vereinbar:
aa) Erfolgt die Beobachtung einer als verfassungsfeindlich eingestuften Partei durch V-Leute oder Verdeckte Ermittler, die im Bundesvorstand oder einem Landesvorstand dieser Partei oder in den Vorständen ihrer Teilorganisationen tätig sind, ist deren freie und selbstbestimmte Willensbildung und Selbstdarstellung nicht gewährleistet. V-Leute wirken notwendig als Medien staatlicher Einflussnahme. Ihre Tätigkeit ist durch widersprüchliche Loyalitätsansprüche als Parteimitglieder einerseits und als -- in der Regel entgeltlich tätige -- Informanten für staatliche Behörden andererseits geprägt, dessen Aufgabe es sein kann, Material für ein mögliches Parteiverbotsverfahren zu beschaffen (vgl. BVerfGE 107, 339 [367] Senatsminderheit). Staatliche Präsenz auf den Führungsebenen der Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar (vgl. BVerfGE 107, 339 [366] Senatsminderheit). Ob und inwieweit der Einzelne tatsächlich Einfluss genommen hat, ist regelmäßig nicht nachvollziehbar und daher nicht ausschlaggebend.BVerfGE 144, 20 (160)
BVerfGE 144, 20 (161)bb) Staatliche Stellen müssen rechtzeitig vor dem Eingang des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht -- spätestens mit der öffentlichen Bekanntmachung der Absicht, einen derartigen Antrag zu stellen -- ihre Quellen (V-Leute) in den Vorständen einer politischen Partei abgeschaltet haben und dürfen auch keine die "Abschaltung" umgehende "Nachsorge" betreiben; eingeschleuste Personen (Verdeckte Ermittler) sind zurückzuziehen (vgl. BVerfGE 107, 339 [369]). Dabei ist die Pflicht zur "Abschaltung" von V-Leuten und Zurückziehung von Verdeckten Ermittlern auf den Bundesvorstand und die Landesvorstände der Partei sowie ihre Teilorganisationen begrenzt, da es sich hierbei um diejenigen Gremien handelt, die auf die Willensbildung und Selbstdarstellung der Partei während eines laufenden Verbotsverfahrens entscheidenden Einfluss haben. Parteitagsdelegierten, Abgeordneten oder Fraktionsmitarbeitern kommt demgegenüber ein vergleichbarer Einfluss nicht zu.
cc) Die "Abschaltung" von V-Leuten und die Zurückziehung Verdeckter Ermittler aus den Führungsebenen der Partei nach Bekanntmachung der Absicht, ein Verbotsverfahren einzuleiten, stehen der Forderung, die Handlungsfähigkeit der Organe präventiven Verfassungsschutzes zu erhalten, nicht entgegen (vgl. auch Rn. 418). Ein auf die Dauer des Verbotsverfahrens begrenztes Abschalten der V-Leute in den Führungsgremien der Partei setzt die zuständigen Behörden nicht außerstande, unter Einsatz der verbleibenden nachrichtendienstlichen Mittel (einschließlich des Einsatzes von V-Leuten unterhalb der Ebene der Führungsgremien) im rechtlich zulässigen Rahmen verfassungsfeindliche Bestrebungen in gebotenem Umfang aufzuklären. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Beobachtung einer Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln einen schweren Eingriff in das aus der Parteienfreiheit des Art.  21 Abs.  1 GG folgende Selbstbestimmungsrecht darstellt, der in jedem Einzelfall neben einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage einer besonderen Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedarf (vgl. BVerfGE 107, 339 [366]; siehe auch BVerfGE 134, 141 [179 f. Rn. 112 ff.]).BVerfGE 144, 20 (161)
BVerfGE 144, 20 (162)e) Ebenfalls mit dem Gebot strikter Staatsfreiheit nicht zu vereinbaren ist es, wenn die Begründung eines Verbotsantrags auf Beweismaterialien gestützt wird, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder Verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist (vgl. BVerfGE 107, 339 [370] Senatsminderheit; Gebot der Quellenfreiheit).
aa) Manifestationen der Parteiziele und Verhaltensweisen der Parteianhänger können nur dann der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art.  21 Abs.  2 GG zugrunde gelegt werden, wenn sie der Partei als Gegenstand eigenständiger unbeeinflusster Willensbildung zuzurechnen sind. Dies ist bei Sachverhalten, die von staatlicher Stelle provoziert oder beeinflusst wurden, regelmäßig nicht der Fall (vgl. BVerfGE 107, 339 [382] Senatsmehrheit). Äußerungen oder Verhaltensweisen von Personen, die nachrichtendienstliche Kontakte zu staatlichen Stellen unterhalten, können aufgrund der mit der V-Mann-Tätigkeit verbundenen unterschiedlichen Loyalitäten nicht eindeutig der Sphäre der betroffenen Partei zugeordnet werden. Eine Verwertung derartigen Materials zulasten der von einem Verbotsverfahren betroffenen Partei hat zu unterbleiben.
Demgegenüber sind Äußerungen oder Verhaltensweisen vor oder nach Beendigung der V-Mann-Tätigkeit zumindest nicht uneingeschränkt als unverwertbar anzusehen. Jedenfalls im Falle eines ausreichenden zeitlichen Abstands zur V-Mann-Tätigkeit, der gewährleistet, dass Loyalitätskonflikte das Verhalten nicht beeinflusst haben, bestehen regelmäßig keine Bedenken gegen eine Zurechnung dieses Verhaltens zu der betroffenen Partei.
bb) Die Quellenfreiheit des zur Begründung eines Verbotsantrags vorgelegten Beweismaterials hat der jeweilige Antragsteller darzulegen (vgl. BVerfGE 107, 339 [370] Senatsminderheit). Verbleiben nach Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlung Zweifel, ob vorgelegtes Beweismaterial quellenfrei ist, darf dieses der Partei nicht zugerechnet und nicht zu Beweiszwecken verwendet werden.
cc) Ein solches, auf das infizierte Beweismaterial beschränktes Verwertungsverbot bedeutet allerdings nicht, dass damit stets einBVerfGE 144, 20 (162) BVerfGE 144, 20 (163)nicht ausgleichbarer Verfahrensmangel begründet ist. Ist lediglich ein Teil des Beweismaterials betroffen, verbietet sich eine Verfahrenseinstellung als prozessuale Rechtsfolge jedenfalls dann, wenn die restliche Tatsachengrundlage die Durchführung des Verfahrens zulässt (vgl. BVerfGE 107, 339 [379] Senatsmehrheit).
f) Im Parteiverbotsverfahren hat -- nicht zuletzt angesichts der Rechtsfolge der Auflösung der betroffenen Partei -- zudem der Grundsatz des fairen Verfahrens besondere Bedeutung. Er garantiert Schutz vor Maßnahmen, die den freien Kontakt zwischen der Partei und ihrem Verfahrensbevollmächtigten behindern, und steht einer Verwendung von Informationen über die Prozessstrategie der Partei, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden, entgegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art.  2 Abs.  1 GG) den Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren abgeleitet (vgl. BVerfGE 107, 339 [383] Senatsmehrheit).
aa) Dieser Anspruch umfasst insbesondere das Recht einer Prozesspartei, zur Wahrung ihrer Rechte im Rahmen einer von ihr ausgewählten Strategie Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 [111]; 63, 380 [390 f.]; 65, 171 [174 f.]; 66, 313 [318]; 107, 339 [383 f.] Senatsmehrheit), und ist auch im Parteiverbotsverfahren zu beachten (vgl. BVerfGE 104, 42 [50]; 107, 339 [367, 383]). Eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens liegt im Fall des Art.  21 Abs.  2 GG insbesondere vor, wenn die Verhandlungskonzeption der von einem Verbotsverfahren betroffenen Partei gezielt in einer Weise ausgeforscht wird, die eine sachangemessene Rechtsverteidigung unmöglich macht (vgl. BVerfGE 107, 339 [384] Senatsmehrheit) oder wesentlich erschwert. Gleiches kommt in Betracht, wenn während eines laufenden Verbotsverfahrens unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nicht allgemein zugängliche Informationen über die Prozessstrategie der betroffenen Partei zufällig erlangt und in einer die Effektivität ihrer Verteidigung beeinträchtigenden Weise verwertet werden.
bb) Allerdings führt auch der Anspruch auf ein faires VerfahBVerfGE 144, 20 (163)BVerfGE 144, 20 (164)ren nicht zu einem Verbot der Beobachtung einer Partei und ihrer Mandatsträger mit nachrichtendienstlichen Mitteln während eines laufenden Verbotsverfahrens (vgl. bereits Rn. 409). Die Möglichkeit nachrichtendienstlicher Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen ist Ausfluss des Prinzips der "streitbaren" oder "wehrhaften Demokratie", das vor allem in Art.  9 Abs.  2, Art.  18 und Art.  21 Abs.  2 GG verfassungsrechtlich verankert ist und gewährleisten soll, dass Verfassungsfeinde nicht unter Berufung auf die Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, und unter ihrem Schutz die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören (vgl. BVerfGE 2, 1 [11 ff.]; 5, 85 [138 f.]; 28, 36 [48]; 30, 1 [18 f.]; 40, 287 [292]; 134, 141 [179 ff. Rn. 109--117]). Eine Beobachtung -- auch unter Rückgriff auf die Instrumente heimlicher Informationsbeschaffung gemäß § 8 Abs.  2 Bundesverfassungsschutzgesetz -- ist daher in einem laufenden Verbotsverfahren grundsätzlich zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfolgt und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 107, 339 [365] Senatsminderheit; 134, 141 [179 ff. Rn. 109--117]; BVerwGE 110, 126 [130 ff.]) sowie die rechtsstaatlichen Gebote der Staatsfreiheit und des fairen Verfahrens nicht außer Acht lässt.
Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet daher, dass, soweit die Beobachtung einer Partei während eines laufenden Verbotsverfahrens fortgesetzt wird, dies nicht der Ausspähung ihrer Prozessstrategie dient und dass im Rahmen der Beobachtung erlangte Informationen über die Prozessstrategie im Verfahren nicht zulasten der Partei verwendet werden. Nur auf diesem Weg kann sichergestellt werden, dass die Aufgabe präventiven Verfassungsschutzes weiter wahrgenommen werden kann, ohne das verfassungsmäßige Recht der betroffenen Partei auf ein faires Verfahren zu verletzen.
cc) Bei fortgesetzter Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln sind staatlicherseits hinreichende Vorkehrungen zu treffen, die eine Beachtung des Grundsatzes des fairen Verfahrens gewährleisten. Dabei ist vor allem der besonderenBVerfGE 144, 20 (164) BVerfGE 144, 20 (165)Stellung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Parteiverbotsverfahren Rechnung zu tragen.
Das Bundesverfassungsgericht hat für den ähnlich gelagerten Fall der Überwachung der Verteidigerkommunikation im Strafverfahren mehrfach festgestellt, dass Überwachungsmaßnahmen gegenüber dem Strafverteidiger nicht von vornherein und in jedem Fall unstatthaft sind, aber bei Maßnahmen, die den freien Kontakt zwischen dem Beschuldigten und seiner Verteidigung behindern, das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren berührt ist (vgl. BVerfGE 30, 1 [32]; 49, 24 [55]; BVerfGK 11, 33 [43 ff.]; 19, 326 [332 f.]; vgl. auch BVerfGE 109, 279 [323, 329 ff.]; 110, 226 [251 ff.]; 113, 29 [49]). Die Überwachung des Telefonanschlusses eines Strafverteidigers ist demzufolge von Verfassungs wegen unstatthaft, wenn sie auf die Überwachung der Kommunikation mit seinem Mandanten abzielt (vgl. BVerfGK 11, 33 [43]).
Für das Parteiverbotsverfahren kann nichts anderes gelten. Auch hier sind das Vertrauensverhältnis zwischen der betroffenen Partei und ihren Verfahrensbevollmächtigten und das Recht auf effektive Verteidigung verfassungsrechtlich in grundsätzlich gleicher Weise geschützt. Dem ist durch geeignete Maßnahmen, die den freien und unbeobachteten Kontakt zwischen der Antragsgegnerin und ihren Verfahrensbevollmächtigten gewährleisten, Rechnung zu tragen.
dd) Es ist Sache des Antragstellers im Parteiverbotsverfahren darzulegen, welche Vorkehrungen er zur Verhinderung einer Ausspähung der Prozessstrategie der Antragsgegnerin oder einer Verwertung zufällig erlangter Kenntnisse zu ihren Lasten getroffen hat. Hat er dies in glaubhafter und nachvollziehbarer Weise getan, genügt die abstrakte Gefahr einer Ausforschung nicht, um von einer Verletzung des rechtsstaatlich verbürgten Anspruchs auf ein faires Verfahren ausgehen zu können (vgl. BVerfGE 107, 339 [384] Senatsmehrheit).
g) Die Verletzung des Gebots der strikten Staatsfreiheit und des Anspruchs auf ein faires Verfahren bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in die gemäß Art.  21 Abs.  2 in Verbindung mit Art.  20 Abs.  3 GG gebotene Rechtsstaatlichkeit des ParteiverbotsverfahBVerfGE 144, 20 (165)BVerfGE 144, 20 (166)rens. Der Einsatz von V-Leuten oder Verdeckten Ermittlern auf den Führungsebenen einer Partei während eines laufenden Verbotsverfahrens, die Begründung des Verbotsantrags in seinen wesentlichen Teilen unter Rückgriff auf von staatlichen Quellen infiziertes Beweismaterial oder die Ausnutzung von unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erworbener Kenntnisse über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin stellen erhebliche Verfassungsverstöße dar. Deren Gewicht wird noch dadurch verstärkt, dass ein Parteiverbotsverfahren nicht nur mit der Rechtsfolge der Auflösung der betroffenen Partei verbunden sein kann, sondern dass bereits die mit Beantragung eines Verbots zum Ausdruck kommende Einschätzung ihrer Verfassungswidrigkeit einen schwerwiegenden Eingriff in das sich aus der Parteienfreiheit ergebende Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb darstellt.
Bei der Beantwortung der Frage, ob dies zu einer Beendigung des Verfahrens ohne Sachentscheidung führt, ist allerdings neben der in Art.  21 Abs.  1 GG garantierten Parteienfreiheit auch die Entscheidung des Grundgesetzes für eine "streitbare Demokratie" zu beachten. Die Normentrias der Art.  9 Abs.  2, Art.  18 und Art.  21 Abs.  2 GG gehört zu den Kernbestandteilen präventiven Verfassungsschutzes (vgl. BVerfGE 107, 339 [386] Senatsmehrheit). Das Grundanliegen einer Verfassung, die sich nicht durch den Missbrauch der von ihr gewährleisteten Freiheitsrechte zur Disposition stellen lassen will, würde verfehlt, wenn sie nicht über wirksame Instrumente zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verfügte (vgl. BVerfGE 107, 339 [387] Senatsmehrheit). Daher ist bei der Entscheidung über das Vorliegen eines zur Verfahrenseinstellung führenden unbehebbaren Verfahrenshindernisses im Parteiverbotsverfahren neben den rechtsstaatlichen Anforderungen an seine Durchführung immer auch dessen Präventionszweck in den Blick zu nehmen und beides gegeneinander abzuwägen.
Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass ein Verstoß gegen die rechtsstaatlichen Erfordernisse der Verfahrensgestaltung im Parteiverbotsverfahren ausnahmslos nach sich zieht,BVerfGE 144, 20 (166) BVerfGE 144, 20 (167)dass eine Fortsetzung des Verfahrens von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 107, 339 [371] Senatsminderheit). Zwar wird im Falle einer Verletzung der rechtsstaatlichen Gebote strikter Staatsfreiheit und des fairen Verfahrens regelmäßig ein nicht behebbarer rechtsstaatlicher Mangel gegeben sein mit der Folge, dass grundsätzlich vom Vorliegen eines Verfahrenshindernisses auszugehen und das Verfahren einzustellen sein wird. Etwas anderes muss jedoch gelten, wenn dem Eingriff in die rechtsstaatlichen Verfahrensanforderungen eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Präventionszwecks des Verbotsverfahrens gegenübersteht. Auch wenn ein Verfassungsverstoß von erheblichem Gewicht vorliegt, ist Voraussetzung für die Einstellung des Verfahrens, dass seine Fortsetzung auch bei einer Abwägung mit den staatlichen Interessen am wirksamen Schutz gegen die von einer möglicherweise verfassungswidrig tätigen Partei ausgehenden Gefahren rechtsstaatlich nicht hinnehmbar ist (vgl. BVerfGE 107, 339 [365] Senatsminderheit, [380] Senatsmehrheit). Im Fall des eindeutigen Überwiegens des Präventionszwecks des Parteiverbotsverfahrens kann dessen Fortführung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sein (vgl. BVerfGE 107, 339 [385] Senatsmehrheit). Im Parteiverbotsverfahren bedarf es daher zur Feststellung des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einer Abwägung zwischen den rechtsstaatlichen Verfahrensanforderungen einerseits und dem Präventionszweck dieses Verfahrens andererseits.
2. Nach diesen Maßgaben ist ein zur Einstellung des Verbotsverfahrens führendes Verfahrenshindernis vorliegend nicht gegeben. Da aufgrund der vom Antragsteller vorgelegten Testate und Belege davon auszugehen ist, dass es auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin spätestens seit dem 6. Dezember 2012 keine Verdeckten Ermittler oder V-Leute mehr gibt (a), das relevante Beweismaterial in seinen wesentlichen Teilen nicht auf Äußerungen und Verhaltensweisen von Parteimitgliedern mit Kontakten zu staatlichen Behörden gestützt ist (b), der besonderen Stellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin Rechnung getragen worden ist und Kenntnisse über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin unter Einsatz nachrichtendienstlicherBVerfGE 144, 20 (167) BVerfGE 144, 20 (168)Mittel nicht erlangt wurden (c), fehlt es bereits an einem erheblichen Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien (erste Prüfungsstufe). Einer Abwägung mit dem Präventionszweck des Verbotsverfahrens (zweite Prüfungsstufe) bedarf es daher nicht.
a) Eine Verletzung des rechtsstaatlichen Gebots strikter Staatsfreiheit im Sinne freier und unbeobachteter Willensbildung und Selbstdarstellung der Partei vor dem Bundesverfassungsgericht durch Einsatz staatlicher Quellen auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin während des streitgegenständlichen Verbotsverfahrens liegt nicht vor. Der Antragsteller hat glaubhaft -- und ohne dass dies von der Antragsgegnerin in aufklärungsbedürftiger Weise erschüttert werden konnte -- dargetan, dass rechtzeitig alle V-Leute auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin abgeschaltet (aa) und nicht in informationsgewinnender Weise nachbetreut wurden (bb), sowie dass gegen die Antragsgegnerin keine Verdeckten Ermittler eingesetzt wurden oder werden (cc).
aa) Die "Abschaltung" aller V-Leute auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin hat der Antragsteller durch die vorgelegten Testate und sonstigen Dokumente hinreichend belegt (1). Der Vortrag der Antragsgegnerin begründet keine ernsthaften Zweifel daran (2), so dass es weiterer Beweiserhebungen nicht bedurfte (3).
(1) (a) Der Antragsteller hat zum Nachweis der "Abschaltung" der V-Leute in den Führungsgremien der Antragsgegnerin Testate des Bundesinnenministers sowie der Innenminister und -senatoren aller Länder vorgelegt, in denen diese gleichlautend erklären, dass spätestens seit der Bekanntmachung der Absicht am 6. Dezember 2012, einen Verbotsantrag zu stellen, in den Vorständen der Antragsgegnerin und ihrer Teilorganisationen (JN, KPV und RNF) keine Quellen im Sinne von Verdeckten Ermittlern, Under-Cover-Agents oder V-Leuten eingesetzt werden. Darüber hinaus hat er inhaltlich übereinstimmende Erklärungen der Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes, des Bundeskriminalamts und des Bundespolizeipräsidiums sowie der Staatssekretäre im Bundesministerium der Finanzen und im Bundesministerium der Verteidigung vorgelegt. DieseBVerfGE 144, 20 (168) BVerfGE 144, 20 (169)nehmen zwar auf das Datum vom 6. Dezember 2012 nicht ausdrücklich Bezug, datieren aber alle vor diesem Zeitpunkt.
Diese Testate sind im Rahmen der Prüfung der Staatsfreiheit der Antragsgegnerin zu beachten, da im Verfassungsprozess als Beweismittel alle Erkenntnisquellen in Betracht kommen, die geeignet sind, dem Gericht die Überzeugung von der Wahrheit des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu verschaffen. Einen Numerus clausus der Beweismittel kennt das Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht (vgl. Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 26 Rn. 10 [Januar 1979]; Haberzettl, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 26 Rn. 20; Lechner/Zuck, BVerfGG, 7. Aufl. 2015, § 26 Rn. 8).
Beweisrechtlich handelt es sich bei den Testaten um schriftliche Erklärungen von Zeugen. Hinsichtlich ihres Beweiswertes ist zu berücksichtigen, dass diese Erklärungen von den Testierenden in ihrer jeweiligen amtlichen Eigenschaft abgegeben wurden. Selbst wenn den Innenministern und -senatoren ein Interesse am Ausgang des Verfahrens unterstellt würde, sind sie doch selbst nicht Antragsteller. Dies gilt erst recht für die übrigen Testierenden, so dass die Bedeutung der Testate über die Qualität eines bloßen Parteivortrags hinausreicht. Außerdem wären ein falsches Testat und die damit verbundene Verantwortung für ein mögliches Scheitern des Verbotsverfahrens für den jeweiligen Testierenden mit einem erheblichen persönlichen und politischen Risiko verbunden. Dies spricht dafür, dass die vorgelegten Testate nicht leichtfertig abgegeben wurden. Sie sind als Beweismittel für eine "Abschaltung" der V-Leute auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin grundsätzlich geeignet, es sei denn, dass ihre Glaubhaftigkeit durch den beweis- oder indiziengestützten Tatsachenvortrag der Antragsgegnerin oder in anderer Weise erschüttert wird.
(b) Der Antragsteller hat außerdem auf die Aufforderung in Ziffer III.1. des Hinweisbeschlusses vom 19. März 2015 (vgl. Rn. 131) den Vollzug der "Abschaltung" der V-Leute auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin dargestellt und belegt. Er hat dadurch die Glaubhaftigkeit der vorgelegten Testate untermauert:BVerfGE 144, 20 (169)
BVerfGE 144, 20 (170)Die Anzahl der Quellen auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin hat er zum Stichtag 1. Dezember 2011 mit insgesamt elf V-Leuten beziffert, die zwischen dem 29. Dezember 2011 und dem 10. April 2012 ausnahmslos abgeschaltet worden seien. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass es sich bei den eingesetzten Quellen ausschließlich um V-Leute gehandelt habe, da Verdeckte Ermittler nicht eingesetzt worden seien. Dabei führt der Antragsteller aus, er sei vom Quellenbestand zum Stichtag 1. Dezember 2011 -- und nicht erst zum Zeitpunkt des Beginns der Materialsammlung am 2. April 2012 -- ausgegangen, um auch "Abschaltungen", die gleichsam im Vorgriff auf das Verbotsverfahren erfolgt seien, zu dokumentieren. Zudem hat der Antragsteller vorgetragen, es sei seit dem 1. Dezember 2011 nicht vorgekommen, dass V-Leute unterhalb der Führungsebene in diese aufgerückt seien.
Zum Beleg der Anzahl an V-Leuten zum Stichtag hat der Antragsteller die Anschreiben der Innenministerien aller Länder und des Bundesministeriums des Innern an die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vorgelegt, in denen -- jeweils unter Vorlage weiterer Anlagen und Belege (etwa der Leiter der Verfassungsschutzbehörden) -- der jeweilige Quellenbestand dargelegt wird. Außerdem schildert der Antragsteller detailliert den "Regelfall" einer "Abschaltung" -- in Form eines "Abschalttreffens" und der Unterzeichnung einer "Abschalterklärung" -- und benennt (Einzel-)Fälle sogenannter "Nachbetreuungstreffen" zur Abwicklung der "Abschaltung" (insbesondere Auszahlung der "Abschaltprämie"), die -- nach seinem Vortrag -- jeweils vor dem 6. Dezember 2012 stattfanden und ausnahmslos nicht mit einem Informationsaustausch verbunden waren. Zum Nachweis der einzelnen Abschaltvorgänge wurden die entsprechenden Abschaltvermerke und Abschalterklärungen vorgelegt.
(2) Die Antragsgegnerin hat demgegenüber keine Umstände vorgetragen, noch sind solche in sonstiger Weise ersichtlich, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der abgegebenen Erklärungen und vorgelegten Belege zur "Abschaltung" der V-Leute aufBVerfGE 144, 20 (170) BVerfGE 144, 20 (171)den Führungsebenen der Antragsgegnerin zu begründen geeignet sind.
(a) Bezogen auf die Testate selbst wendet die Antragsgegnerin ein, diese seien unvollständig, da sich die Erklärungen zur "Abschaltung" von V-Leuten nicht auf alle zu berücksichtigenden Gremien der Antragsgegnerin bezögen und für MAD, BND und Zollkriminalamt keine ausreichenden Erklärungen abgegeben worden seien. Diese Einwendungen gehen fehl.
(aa) Die vorgelegten Testate beziehen sich auf die Vorstände der Antragsgegnerin und ihrer Teilorganisationen (JN, KPV und RNF) auf Bundes- und Landesebene. Mit dieser Bezugnahme auf Bundes- und Landesvorstände orientiert sich der Antragsteller an den Vorgaben der Senatsminderheit im vorangegangenen Verbotsverfahren gegen die Antragsgegnerin (vgl. BVerfGE 107, 339 [369]) und wird dem hier anzuwendenden Maßstab gerecht.
Der Begriff der Führungsebene ist mit Blick auf das Gebot unbeeinflusster Willensbildung und Selbstdarstellung der Partei im Parteiverbotsverfahren zu bestimmen. Damit umfasst er -- entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin -- weder die Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände, kommunalen Mandatsträger, Mitglieder der Landtagsfraktionen und deren Mitarbeiterstäbe noch die Delegierten von Bundes- und Landesparteitagen:
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die genannten Personen und Gremien innerhalb der Parteiorganisation der Antragsgegnerin überhaupt Führungsfunktionen wahrnehmen. So sind Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände nachgeordnete Organisationseinheiten innerhalb der Parteihierarchie. Bei Landtagsfraktionen handelt es sich bereits nicht um (Unter-)Gliederungen der Partei. Auch wenn die Arbeit der (Landtags-)Fraktionen eng mit der Parteiarbeit verknüpft sein wird, ergibt sich daraus noch nicht, dass Mitgliedern oder gar Mitarbeitern der Landtagsfraktionen Führungsverantwortung innerhalb der Partei zukommt. Ebenso wenig handelt es sich bei den Delegierten der Bundes- und Landesparteitage per se um Mitglieder der Führungsebene der Partei. Zwar ist der Parteitag gemäß § 9 Abs.  1 Satz 1 PartG das oberste Organ des jeweiligen Gebietsverbands, jedoch bestimmt er durchBVerfGE 144, 20 (171) BVerfGE 144, 20 (172)die Wahl des Parteivorstands gemäß § 9 Abs.  4 PartG erst die führende Organisationseinheit der Partei innerhalb seiner Gebietszuständigkeit. Gemäß § 7 Abs.  1 Satz 1 der Satzung der Antragsgegnerin obliegt die politische und organisatorische Führung der Partei dem Parteivorstand. Das den Parteitagsdelegierten zustehende Vorstandswahlrecht macht diese daher nicht selbst zu Mitgliedern der Parteiführung. Unabhängig davon ist unter dem Gesichtspunkt strikter Staatsfreiheit allein entscheidend, wer während des laufenden Verbotsverfahrens auf die Willensbildung und Selbstdarstellung der Partei vor dem Bundesverfassungsgericht Einfluss nehmen kann. Dies sind in erster Linie der Bundesvorstand und allenfalls noch die Landesvorstände und die entsprechenden Gremien der Teilorganisationen der Antragsgegnerin. Eine darüber hinausgehende Bestimmung des Begriffs der "Führungsebene" kommt jedenfalls für das Parteiverbotsverfahren nicht in Betracht.
(bb) Soweit die Antragsgegnerin hinsichtlich der "Abschaltung" von V-Leuten aus dem Bereich des MAD, des BND und des Zollkriminalamts rügt, dass das Testat des Bundesministers des Inneren unzureichend sei und die Untertestate der Staatssekretäre in den Bundesministerien der Finanzen und der Verteidigung und der Präsidenten der jeweiligen Bundesbehörden nicht genügten, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, welcher Beweiswert der Erklärung des Bundesministers des Inneren bezogen auf die "Abschaltung" von V-Leuten von Behörden außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs zukommt. Jedenfalls ist der Beweiswert der -- nachträglich vorgelegten -- Testate der Staatssekretäre in den Bundesministerien der Finanzen und der Verteidigung sowie des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes ausreichend, um von der Richtigkeit der Behauptung, dass im jeweiligen Zuständigkeitsbereich seit Dezember 2012 keine V-Leute eingesetzt werden, ausgehen zu können. Diese Personen sind Amtsträger in hervorgehobener Position, deren Erklärungen aufgrund ihrer Verantwortung, des von ihnen geleisteten Diensteides (vgl. § 64 Abs.  1 BBG) sowie der möglichen dienstrechtliBVerfGE 144, 20 (172)BVerfGE 144, 20 (173)chen Konsequenzen im Falle eines falschen Testats ein hohes Maß an Glaubhaftigkeit zukommt.
Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang dem von der Antragsgegnerin geltend gemachten unterschiedlichen Maß an demokratischer Legitimation zukommen soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Glaubhaftigkeit der abgegebenen Erklärungen wird dadurch nicht tangiert. Daher liegt die Behauptung der Antragsgegnerin, dass nur der jeweilige Fachminister wirksame Testate abgeben könne, neben der Sache.
(b) Auch die sonstigen von der Antragsgegnerin erhobenen Einwendungen vermögen die Vermutung der Richtigkeit der zur "Abschaltung" der V-Leute vorgelegten Testate nicht zu erschüttern.
(aa) Unschlüssig ist die Behauptung der Antragsgegnerin, dass sich aus den statistischen Angaben des Antragstellers bereits ergebe, dass im Jahr 2013 in ihren Führungsgremien noch V-Leute tätig gewesen seien. Zwar hat der Antragsteller den Anteil der V-Leute, die im Zeitraum von 2008 bis 2013 in den Führungsgremien der Antragsgegnerin tätig gewesen seien, mit höchstens 6,6% der Vorstandsmitglieder angegeben und dabei auch das Jahr 2013 in die Betrachtung einbezogen. Daraus folgt jedoch nicht, dass auch im Jahr 2013 noch V-Leute auf der Ebene des Bundesvorstands oder der Landesvorstände der Antragsgegnerin und ihrer Teilorganisationen tätig waren. Vielmehr handelt es sich um die Angabe eines Maximalwertes für den angesprochenen Zeitraum. Dies schließt nicht aus, dass dieser Wert je nach Zeitpunkt deutlich unterschritten wurde und im Jahr 2013 -- wie vom Antragsteller vorgetragen -- überhaupt kein Einsatz von V-Leuten auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin mehr erfolgte.
(bb) Ebenso wenig steht die Auffassung der Antragsgegnerin, der Antragsteller könne aufgrund des Vorverhaltens im vorangegangenen Verbotsverfahren eine grundsätzliche Vermutung rechtmäßigen Handelns staatlicher Stellen nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, einer Verwertung der Testate entgegen. Die Antragsgegnerin lässt insbesondere außer Betracht, dass entspreBVerfGE 144, 20 (173)BVerfGE 144, 20 (174)chende Erklärungen im vorangegangenen Verbotsverfahren nicht abgegeben wurden.
(cc) Auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe nicht dargelegt, wie im Fall der Wahl einer V-Person in ein Amt auf der Führungsebene der Antragsgegnerin während des laufenden Verbotsverfahrens vorgegangen würde, trägt nicht. Der Antragsteller hat durch die vorgelegten Testate hinreichend belegt, dass -- unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Wahl -- spätestens seit dem 6. Dezember 2012 keine V-Leute auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin eingesetzt werden. Er hat außerdem Dokumente des Bundes und der Länder vorgelegt, die ausdrücklich anordnen, dass Quellen, die während des laufenden Verfahrens in den Vorstand aufrücken, unverzüglich und ohne "Nachsorge" abgeschaltet werden. Solche Fälle hat es nach seiner Darstellung seit Einleitung des Verbotsverfahrens nicht gegeben. Diesen Vortrag hat die Antragsgegnerin nicht substantiiert in Frage gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Darstellung unrichtig sein könnte, sind nicht ersichtlich. Daher hat es keiner weiteren Darlegungen bedurft, wie in einem solchen Fall verfahren worden wäre.
(dd) Die Behauptung der Antragsgegnerin, der sächsische Staatsschutz habe im Jahr 2014 versucht, den von ihr benannten A. anzuwerben und einzuschleusen, steht der Richtigkeit der vorgelegten Testate ebenfalls nicht entgegen. Es wurde nicht dargelegt, dass der als Zeuge Benannte überhaupt auf der Ebene des Bundes- oder eines Landesvorstands der Antragsgegnerin oder ihrer Teilorganisationen tätig wurde oder auch nur werden sollte. Die Antragsgegnerin trägt nur undifferenziert vor, A. sei aufgefordert worden, sich in "Vorstände" wählen zu lassen und Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen. Inwieweit dies den Rückschluss auf einen Einsatz von V-Leuten auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin im laufenden Verbotsverfahren erlauben soll, erschließt sich nicht. Hinzu kommen Ungereimtheiten im Vortrag der Antragsgegnerin. So behauptet sie schriftsätzlich, als Anwerber für den sächsischen Staatsschutz sei ein Herr "Friebe" aufgetreten, während in der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des A. vonBVerfGE 144, 20 (174) BVerfGE 144, 20 (175)einem Herrn "Fink" die Rede ist. Das Ansinnen, Aufgaben auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin zu übernehmen, kann der eidesstattlichen Versicherung nicht entnommen werden. Schließlich ist die Antragsgegnerin dem Vortrag des Antragstellers nicht entgegengetreten, dass die Befragung aller für einen Anwerbeversuch in Betracht kommenden Dienststellen zu einem negativen Ergebnis geführt habe. Demgemäß bestehen erhebliche Zweifel, ob der von der Antragsgegnerin behauptete Anwerbeversuch überhaupt stattgefunden hat. Jedenfalls kann hieraus nicht auf den Einsatz von V-Leuten auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin während des laufenden Verbotsverfahrens geschlossen werden.
(ee) Soweit die Antragsgegnerin der Verwertung der vorgelegten Dokumente wegen der darin vorgenommenen Schwärzungen widerspricht, kann dem nicht gefolgt werden. Die Antragsgegnerin lässt außer Betracht, dass diese durch den Hinweis auf staatliche Fürsorgepflichten für Leib und Leben der betroffenen Personen und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden nachvollziehbar begründet worden sind. Dass die Schwärzungen das erforderliche Maß übersteigen, ist nicht erkennbar. Die Verständlichkeit der vorgelegten Erklärungen wird dadurch nicht entscheidend vermindert.
Die Behauptung der Antragsgegnerin, der Inhalt der geschwärzten Passagen führe möglicherweise zu einer Verkehrung des Bedeutungsgehalts der vorgelegten Erklärungen in ihr Gegenteil, stellt sich als eine durch keinerlei tatsächliche Umstände unterlegte Spekulation dar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Antragsgegnerin, in einem Abschaltvermerk aus Nordrhein-Westfalen, der nur eine Quelle betreffe, sei der Plural verwendet worden. Für die -- vom vorgelegten Parallelvermerk abweichende -- Formulierung kann es vielfältige Gründe gegeben haben. Jedenfalls erschließt sich nicht, weshalb aus der Verwendung des Plurals in dem vorgelegten Abschaltvermerk folgen soll, dass es in Nordrhein-Westfalen mehr als die zwei angegebenen Quellen auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin gegebenBVerfGE 144, 20 (175) BVerfGE 144, 20 (176)habe und daher insgesamt von der Unrichtigkeit der vorgelegten Dokumente ausgegangen werden müsse.
(ff) Soweit die Antragsgegnerin behauptet, die vorgelegten Weisungen zur "Abschaltung" der V-Leute seien nicht geeignet, deren Vollzug zu belegen, ignoriert sie die vorgelegten Abschalterklärungen und -protokolle sowie die weiteren hierzu vorgelegten Dokumente aus den Akten der Sicherheitsbehörden, die den Vollzug der entsprechenden Weisungen dokumentieren.
(gg) Auch die Auffassung, die vorgelegten Unterlagen seien bereits deshalb unglaubhaft, weil es danach auf den Führungsebenen der besonders starken Landesverbände der Antragsgegnerin in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen keine Quellen gegeben habe, trägt nicht. Das Fehlen von Quellen auf den Führungsebenen dieser Landesverbände kann unterschiedliche Ursachen haben und etwa Ergebnis besonders erfolgreicher Abschottung gegenüber Anwerbeversuchen der jeweiligen Sicherheitsbehörden sein.
(hh) Soweit die Antragsgegnerin schließlich das angeblich plötzliche Ausscheiden der beiden ehemaligen sächsischen Fraktionsvorsitzenden Apfel und Szymanski als "verdächtig" bewertet und daraus ableitet, die Erklärung des Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz Sachsen zum Nichteinsatz staatlicher Quellen in der ehemaligen sächsischen Landtagsfraktion der Antragsgegnerin seit Dezember 2011 sei nicht glaubhaft, erschließt sich die Bedeutung dieses Vorbringens für den vorliegend relevanten Sachzusammenhang nicht:
Die Antragsgegnerin stellt eine V-Mann-Tätigkeit der beiden ehemaligen sächsischen Fraktionsvorsitzenden in den Raum. Bezüglich des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Apfel wird dies lediglich damit begründet, er habe während des laufenden Verbotsverfahrens die Bundesrepublik Deutschland "fluchtartig" verlassen. Dieser Vortrag stellt sich als in keiner Weise tatsachengestützte Vermutung der Antragsgegnerin dar. Bezüglich des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Szymanski bezieht sie sich auf einen Eintrag im Internetblog "gamma", der sich lediglich mit einer bereits im Jahr 2000 beendeten angeblichen V-Mann-TätigBVerfGE 144, 20 (176)BVerfGE 144, 20 (177)keit und einem Anwerbeversuch im Jahr 2004 befasst. Bereits aufgrund der zeitlichen Abläufe hat dieser Sachverhalt keine Relevanz für das vorliegende Verfahren. Die Glaubhaftigkeit der Erklärung des Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz Sachsen wird durch dieses Vorbringen der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellt. Im Übrigen bezieht sich dessen Erklärung lediglich auf den Einsatz staatlicher Quellen in der ehemaligen sächsischen Landtagsfraktion der Antragsgegnerin und damit auf eine Ebene, die hinsichtlich der Beachtung des Gebots der Staatsfreiheit im Parteiverbotsverfahren ohne Belang ist (vgl. Rn. 439 f.).
(3) Im Ergebnis ist die "Abschaltung" der V-Leute auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin aufgrund der durch zahlreiche Dokumente ergänzten Testate hinreichend belegt. Da die Antragsgegnerin nichts vorgetragen hat, was geeignet wäre, die Darlegungen des Antragstellers in Frage zu stellen, bestand keine Veranlassung, ihrer Beweisanregung zu folgen und eine Beschlagnahme und Inaugenscheinnahme sämtlicher sie betreffenden Akten der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder vorzunehmen.
bb) (1) Hinsichtlich des Verzichts auf eine informationsgewinnende "Nachsorge" bei den abgeschalteten V-Leuten hat der Antragsteller -- entsprechend Ziffer III.2. des Hinweisbeschlusses vom 19. März 2015 -- die in Bezug genommene "Vereinbarung zwischen Bund und Ländern" in Form des 4. Teils des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens ("Konsensuale Punkte des Kriterienkatalogs") vorgelegt und deren Umsetzung auch auf Länderebene erläutert. Insoweit verweist er auf ein zeitlich nachfolgendes "Musterschreiben" vom Dezember 2012, in dem die Sicherheitsbehörden angewiesen werden, jeden Kontaktversuch abgeschalteter Quellen zurückzuweisen und dies zu dokumentieren. Die Weiterleitung dieses Schreibens an alle betroffenen Behörden wird für den Bund aus zwei Schreiben des Staatssekretärs des Bundesministers des Innern und für die Länder aus dem dies bestätigenden Ergebnis einer Länderumfrage des VorsitzlandesBVerfGE 144, 20 (177) BVerfGE 144, 20 (178)der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum NPD-Verbotsverfahren abgeleitet.
Im Hinblick auf den Vollzug des angewiesenen Verzichts auf eine informationsgewinnende "Nachsorge" bei "abgeschalteten Quellen" im Bund und in den Ländern und die Zurückweisung etwaiger Kontaktversuche im Einzelfall sowie deren Dokumentation werden in den vorgelegten Anlagenkonvoluten sowohl Fälle zurückgewiesener Kontaktversuche (Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern) und zufälliger Kontakte (Nordrhein-Westfalen) als auch ein Fall eines "Betreuungstelefonates" wegen einer befürchteten psychischen Ausnahmesituation (Baden-Württemberg) dargestellt und belegt.
(2) Damit hat der Antragsteller bewiesen, dass eine informationsgewinnende "Nachsorge" bei den abgeschalteten V-Leuten grundsätzlich unterblieben ist. Soweit er einräumt, dass eine Ausnahme von dem angeordneten Kontaktverbot für Maßnahmen gemacht worden ist, die dem unmittelbaren Schutz von Leib und Leben der Quellen dienten, erscheint dies gerechtfertigt. Die Fälle nachträglicher Kontakte und Kontaktversuche hat der Antragsteller dokumentiert. Umstände, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit seiner Darlegungen zu begründen geeignet wären, sind nicht ersichtlich. Weiterer Beweiserhebungen bedurfte es insoweit nicht.
cc) (1) Soweit die Antragsgegnerin rügt, die Testate verhielten sich nicht zur "Rückziehung" eingeschleuster V-Leute und Verdeckter Ermittler, weist der Antragsteller darauf hin, dass eine Rückziehung nur bei Verdeckten Ermittlern in Betracht komme, da nur diese als staatliche Bedienstete weisungsabhängig seien. Sodann legt er durch Vorlage von Aktenauszügen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder glaubhaft dar, dass gegenüber der Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt Verdeckte Ermittler eingesetzt worden sind.
(2) (a) Die hiergegen gerichteten Ausführungen der Antragsgegnerin zur "Rückziehung eingeschleuster V-Leute" betreffen nicht staatlich bedienstete Verdeckte Ermittler, sondern Personen, die der Antragsgegnerin oder ihren Teilorganisationen aufBVerfGE 144, 20 (178) BVerfGE 144, 20 (179)Anregung oder Anweisung der Sicherheitsbehörden beigetreten sein sollen, um anschließend als Informanten tätig zu sein. Auch hinsichtlich dieser Personen genügt nach Auffassung der Antragsgegnerin eine "Abschaltung" nicht; sie seien vielmehr ebenfalls (aktiv) zurückzuziehen. Der Antragsteller bestreitet, dass Sicherheitsbehörden V-Leute in die Antragsgegnerin "eingeschleust" hätten.
(b) Ob es in derartigen Fällen tatsächlich einer Rückziehung bedarf, kann dahinstehen, da die Antragsgegnerin keine Umstände dargelegt hat, aus denen sich die Tätigkeit "eingeschleuster" V-Leute auf ihren Führungsebenen seit der Bekanntmachung der Absicht des Antragstellers, ein Verbotsverfahren einzuleiten, ergibt und derartige Umstände auch in sonstiger Weise nicht ersichtlich sind.
(aa) Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang erneut auf den angeblichen Anwerbe- und Einschleusungsversuch des von ihr als Zeugen benannten A. durch den sächsischen Staatsschutz rekurriert, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen (vgl. Rn. 447).
(bb) Nichts anderes gilt für die Behauptung der Antragsgegnerin, der ehemalige "V-Mann Piatto", S., sei auf Veranlassung des Verfassungsschutzes Brandenburg in die Antragsgegnerin "eingeschleust" worden, dort als "Geheimagent" auf der Führungsebene der Antragsgegnerin tätig gewesen und selbst zu einem Zeitpunkt, als er ideologisch nicht mehr hinter seinem Handeln gestanden habe, vom Verfassungsschutz zu einer weiteren Tätigkeit innerhalb der Antragsgegnerin angestachelt worden.
Auch mit diesem Vortrag lässt sich eine Einschleusung von V-Leuten in die Führungsebenen der Antragsgegnerin, die nicht spätestens am 6. Dezember 2012 zurückgezogen wurden, nicht belegen. S. wurde als V-Mann bereits im Jahr 2000 enttarnt. Welche Relevanz für das vorliegende Verfahren dem auf S. bezogenen Vorbringen angesichts dieser Zeitabläufe zukommen soll, ist nicht ersichtlich. Für die von der Antragsgegnerin begehrte Beiziehung der Akten des Oberlandesgerichts München zum "NSU-Prozess" besteht daher kein Anlass.BVerfGE 144, 20 (179)
BVerfGE 144, 20 (180)(cc) Deshalb ist davon auszugehen, dass spätestens seit dem 6. Dezember 2012 keine Verdeckten Ermittler auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin eingesetzt werden. Auch für einen Einsatz "eingeschleuster V-Leute" bestehen keine Anhaltspunkte, so dass es seitens des Antragstellers keiner Erklärung zu deren "Rückziehung" bedurfte.
b) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass einer Fortführung des Verfahrens die fehlende Quellenfreiheit wesentlicher Teile des zulasten der Antragsgegnerin vorgelegten Beweismaterials entgegensteht.
aa) Der Antragsteller hat zum Beleg der Quellenfreiheit des vorgelegten Beweismaterials weitere Testate des identischen Personenkreises vorgelegt, der auch die "Abschaltung" der V-Leute auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin testiert hat. Der Beweiswert dieser Testate zur Quellenfreiheit des Beweismaterials entspricht demjenigen der Testate zur "Abschaltung" der V-Leute und Verdeckten Ermittler (vgl. Rn. 432). Sie sind hinsichtlich der in Bezug genommenen Belege geeignet, Beweis für die Tatsache fehlender staatlicher Einflussnahme zu erbringen.
(1) In der Kategorie 1 bezieht der Antragsteller sich auf Beweismittel, die einer Person inhaltlich zugeordnet werden können (z.B. Aufsätze, Reden). Mit den Testaten wird bestätigt, dass keine der in dieser Kategorie aufgeführten Personen nach dem 1. Januar 2003 als V-Mann oder Verdeckter Ermittler tätig gewesen sei (vgl. Rn. 17). Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser Erklärung sind nicht ersichtlich.
(2) Hinsichtlich der Belege der Kategorie 2 wird durch die vorgelegten Testate bestätigt, dass zum Zeitpunkt, zu dem die Beweismittel entstanden sind, in dem dafür verantwortlichen Personenkreis (z.B. Vorstand oder Redaktion) der Organisation, der das Beweismittel inhaltlich zuzuordnen ist, keine Quellen im Sinne von Verdeckten Ermittlern, Under-Cover-Agents oder V-Leuten zur Ausforschung der Antragsgegnerin eingesetzt worden seien (vgl. zum genauen Wortlaut der Testate Rn. 17). Auch insoweit fehlt es an Anhaltspunkten für eine Unrichtigkeit dieser Behauptung.BVerfGE 144, 20 (180)
BVerfGE 144, 20 (181)(3) Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass jedenfalls ein zur Durchführung des Verbotsverfahrens ausreichender Teil des vorgelegten Beweismaterials quellenfrei ist:
(a) Der allergrößte Teil der vom Antragsteller vorgelegten Belege der Kategorie 1 datiert deutlich nach dem Jahr 2003. Lediglich bei drei Belegen, die dem Nachweis einer früheren Mitgliedschaft einzelner Angehöriger des Parteipräsidiums in neonazistischen Vereinigungen dienen, ist dies nicht der Fall. Ein weiterer Beleg, der die Ansprache des damaligen Vorsitzenden der Antragsgegnerin Voigt auf dem Bundesparteitag 2004 zum Gegenstand hat (Nr.  111), entstammt dem zeitlichen Umfeld des vom Antragsteller gewählten Stichtags. Bei allen übrigen Belegen der Kategorie 1 besteht ein hinreichender zeitlicher Abstand zu dem vom Antragsteller gewählten Bezugsjahr. Sie sind aufgrund der vorgelegten Testate als quellenfrei anzusehen.
(b) Demgegenüber führt der Hinweis der Antragsgegnerin auf die Möglichkeit "mittelbarer Beeinflussung" des vorgelegten Beweismaterials durch staatliche Quellen nicht zur Unverwertbarkeit. Die Antragsgegnerin hat keinerlei tatsächliche Umstände dargelegt, aus denen darauf geschlossen werden könnte, dass die das Beweismaterial bildenden Äußerungen und Verhaltensweisen nicht Gegenstand eigenständiger Willensbildung oder Überzeugung der jeweiligen Funktionäre, Mitglieder oder Anhänger der Antragsgegnerin waren, sondern durch Dritte provoziert wurden. Insbesondere für das Führungspersonal der Antragsgegnerin erscheint eine derartige "Fremdsteuerung" fernliegend.
(c) Nichts anderes gilt hinsichtlich der Belege der Kategorie 2. Auch insoweit ist auf der Grundlage der abgegebenen Testate davon auszugehen, dass deren Inhalt nicht staatlich beeinflusst ist.
bb) Dass der Antragsteller weder Beleg Nr.  112 (Positionspapier "Das strategische Konzept der NPD" vom 9. Oktober 1997) noch das vorgelegte Parteiprogramm der Antragsgegnerin einer der beiden Beweismittelkategorien zugeordnet hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn für diese Belege eine fehlende Quellenfreiheit und damit ihre Unverwertbarkeit (zum Parteiprogramm vgl. insoweit nachfolgend Rn. 647 ff.) anzunehmen wäre,BVerfGE 144, 20 (181) BVerfGE 144, 20 (182)verbliebe mit den von den Testaten erfassten, mehr als 650 Belegen eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Durchführung des Verbotsverfahrens. Ein Verfahrenshindernis wegen staatlicher Beeinflussung wesentlicher Teile des Beweismaterials kommt ungeachtet der Frage der Verwertbarkeit dieser Einzelbelege nicht in Betracht.
c) Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens liegt nicht vor, da zur Überzeugung des Senats feststeht, dass die Prozessstrategie der Antragsgegnerin nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht wurde, der besonderen Stellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. Rechnung getragen worden ist, und auch keine zufällig mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangten Erkenntnisse über die Prozessstrategie im laufenden Verbotsverfahren zum Nachteil der Antragsgegnerin verwandt wurden.
aa) Der Antragsteller nimmt zum Beweis der Nichtausspähung der Antragsgegnerin Bezug auf den 4. Teil des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe und das "Musterschreiben" vom Dezember 2012 mit der Weisung, nachrichtendienstlich erlangte Informationen zur Prozessstrategie der Antragsgegnerin nicht entgegenzunehmen. Weiterhin bezieht er sich auf eine Weisung vom 17. März 2014 vor dem Hintergrund der Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin, wonach Informationen zu deren Prozessstrategie auch nicht entgegengenommen werden dürften, wenn sie aus dem Umfeld ihres Verfahrensbevollmächtigten oder seiner Kanzlei stammten. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin selbst ein Schreiben des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 29. April 2014 und des Landesamts für Verfassungsschutz des Saarlandes vom 24. Februar 2014 vorgelegt, in denen die jeweiligen Behörden mitteilen, dass der Verfahrensbevollmächtigte zu 1. der Antragsgegnerin nachrichtendienstlich nicht beobachtet werde.
bb) Unter Bezugnahme auf Ziffer III.3. des Hinweisbeschlusses des Senats vom 19. März 2015 hat der Antragsteller seinen Vortrag zum Verzicht auf eine Ausspähung der Prozessstrategie (1) und zur Sicherstellung der privilegierten Stellung des (damals alBVerfGE 144, 20 (182)BVerfGE 144, 20 (183)lein bestellten) Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin (2) ergänzt und die entsprechenden Weisungen des Bundes und der Länder vorgelegt.
(1) Hinsichtlich des Ausspähens der Prozessstrategie der Antragsgegnerin hat der Antragsteller dargelegt, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder anlässlich des Bundesratsbeschlusses vom 14. Dezember 2012 zur Durchführung des Verbotsverfahrens angewiesen wurden, keine diesbezüglichen Informationen zu beschaffen oder entgegenzunehmen und jeden Versuch einer entsprechenden Erkenntniszuführung zurückzuweisen sowie die Zurückweisung zu dokumentieren. Neben den diesbezüglichen Weisungen hat er ein Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 29. Mai 2013 an alle Länder und alle Sicherheitsbehörden des Bundes zur Präzisierung dieser Vorgaben insbesondere im Zusammenhang mit Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz vorgelegt. Die jeweilige Umsetzung auf Ebene der Länder und des Bundes belegt der Antragsteller durch Vorlage der entsprechenden Weisungen und Erlasse. Außerdem werden Ausführungen zu jeweils einer G 10-Maßnahme des Bundes sowie der Länder Brandenburg und Sachsen gemacht. Sonstige G 10-Maßnahmen, in denen sich Bezüge zum NPD-Verbotsverfahren ergeben hätten, gebe es nicht.
Der Antragsteller legt zudem ein Schreiben des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 10. Dezember 2013 an alle Landesverfassungsschutzämter vor, mit welchem anlässlich der Antragstellung beim Bundesverfassungsgericht "sicherheitshalber" noch einmal auf den "völligen und ausnahmslos zu berücksichtigenden Verzicht" auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse in Bezug auf das Verbotsverfahren hingewiesen wird. Darüber hinaus haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers erklärt, dass ihnen -- abgesehen von allgemein zugänglichen, öffentlichen Äußerungen -- keine Informationen zur Prozessstrategie der Antragsgegnerin vorlägen.
(2) Im Hinblick auf die Sicherstellung der privilegierten Stellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin trägt der Antragsteller vor, dass nach Bekanntwerden seiner BeBVerfGE 144, 20 (183)BVerfGE 144, 20 (184)stellung zusätzliche Maßnahmen ergriffen worden seien, um dessen privilegierte Stellung -- unter ausdrücklichem Hinweis auf § 3b Abs.  1 G 10 und § 160a Abs.  1 StPO und explizit auch darüber hinaus -- zu garantieren. Im Einzelnen verweist er auf die Musterweisung des Bundes und der Länder vom 17. März 2014 sowie die vorgelegte E-Mail des Vorsitzlandes der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 16. Juni 2014 an alle Länder und den Bund betreffend den Verzicht auf die Führung von Personenakten und die rückwirkende Löschung unzulässiger Speicherungen über den Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin sowie die Beschränkung auf Erkenntnisse aus öffentlichen Quellen.
Die Umsetzung der Musterweisung und der per E-Mail eingeforderten Verhaltensweisen auf Ebene des Bundes und der Länder wird durch Vorlage entsprechender Weisungen und Erlasse dokumentiert. Ergänzend erklärt der Antragsteller, dass vier im Einzelnen bezeichnete Dokumente aus dem Jahr 2015, in denen der Verfahrensbevollmächtigte zu 1. der Antragsgegnerin aufgeführt beziehungsweise zu einer Informationsveranstaltung über das Verbotsverfahren eingeladen worden sei, nach Bekanntwerden teilweise vernichtet und im Übrigen mit einer funktionsadäquaten Datenschutzsperre belegt worden seien.
(3) Die vorgelegten Unterlagen reichen aus, die Überzeugung des Senats zu begründen, dass auf eine Entgegennahme nachrichtendienstlicher Erkenntnisse über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin verzichtet wurde. Der Antragsteller hat die entsprechenden Weisungen des Bundes und der Länder lückenlos dokumentiert. Er hat über durchgeführte G 10-Maßnahmen berichtet und dargelegt, dass auch insoweit Informationen über das Verbotsverfahren nicht erlangt wurden beziehungsweise deren Verwertung unterbunden wurde. Umstände, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit dieses Vortrags begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
cc) Hieran vermag der Vortrag der Antragsgegnerin nichts zu ändern. Weder ist sie in der Lage, Umstände darzulegen, die auf einen Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel zur Ausspähung der Prozessstrategie gegenüber ihrem VerfahrensbevollmächtigtenBVerfGE 144, 20 (184) BVerfGE 144, 20 (185)zu 1. schließen lassen (1), noch ist dies gegenüber Angehörigen der Führungsebenen der Antragsgegnerin der Fall (2).
(1) Sowohl die Schilderung des Verkehrsunfallgeschehens vom 30. November 2012 als auch die sonstigen Ausführungen der Antragsgegnerin sind nicht geeignet, die Vermutung einer Ausspähung der Prozessstrategie durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin zu begründen.
(a) Einer näheren Aufklärung des Verkehrsunfallgeschehens vom 30. November 2012 bedarf es nicht, da dieses bereits aufgrund des Zeitpunkts nicht im Zusammenhang mit dem Versuch einer Ausspähung der Prozessstrategie der Antragsgegnerin gestanden haben kann und eine mögliche frühere nachrichtendienstliche Beobachtung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu 1. im vorliegenden Verfahren ohne Belang ist.
(aa) Der Unfall zwischen dem im Eigentum der Mutter des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin stehenden Kraftfahrzeug und einem Dienstfahrzeug des Landesamts für Verfassungsschutz des Saarlandes ereignete sich am 30. November 2012. Zu diesem Zeitpunkt war die Absicht der Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die Antragsgegnerin noch nicht öffentlich bekannt gemacht. Auch war weder der entsprechende Beschluss des Antragstellers gefasst, noch lag der vorbereitende Beschluss der Regierungschefinnen und der Regierungschefs der Länder vom 6. Dezember 2012 vor. Vor allem war zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht absehbar, dass die Antragsgegnerin einen Vertretungsauftrag an ihren nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten zu 1. erteilen würde. Vor diesem Hintergrund ist ausgeschlossen, dass zum Unfallzeitpunkt eine etwaige nachrichtendienstliche Beobachtung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Ausspähung der Prozessstrategie für das vorliegende Verbotsverfahren dienen sollte.
(bb) Dahinstehen kann daher, ob -- wie die Antragsgegnerin behauptet -- das Verkehrsunfallgeschehen vom 30. November 2012 eine Überwachung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu 1. mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu diesem Zeitpunkt belegt.BVerfGE 144, 20 (185) BVerfGE 144, 20 (186)Dem steht entgegen, dass der Antragsteller ein Schreiben des Staatssekretärs des saarländischen Ministeriums des Innern vorgelegt hat, in dem dieser eine Überwachung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin verneint und erklärt, dass die das Unfallfahrzeug benutzenden Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz unterwegs gewesen seien, um eine konspirative Wohnung anzumieten und ein Postfach zu leeren. Der Direktor des Landesamts für Verfassungsschutz im Saarland hat diese Darstellung in der mündlichen Verhandlung detailliert und widerspruchsfrei bestätigt.
Im vorliegenden Zusammenhang ist ungeachtet dessen von entscheidender Bedeutung, dass der Antragsteller umfänglich dargelegt hat, welche spezifischen Maßnahmen er ergriffen hat, um der privilegierten Stellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. und der Möglichkeit vertraulicher Kommunikation Rechnung zu tragen. Diese Darlegungen werden durch ein zeitlich weit davorliegendes Verkehrsunfallereignis unter Beteiligung eines Fahrzeuges des saarländischen Verfassungsschutzes nicht in Frage gestellt.
(b) Welche Bedeutung hinsichtlich einer Ausspähung der Prozessstrategie dem Hinweis der Antragsgegnerin zukommen soll, ein Mitarbeiter des bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz habe am 26. Februar 2014 auf Weisung des Präsidenten der Behörde einen bestehenden Facebook-Kontakt mit dem Verfahrensbevollmächtigten zu 1. abgebrochen, erschließt sich nicht. Weder hat die Antragsgegnerin vorgetragen noch entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Verfahrensbevollmächtigte Prozessstrategien über Facebook verbreiten.
(c) Schließlich wird die Glaubhaftigkeit der Darlegungen des Antragstellers zum Unterbleiben einer Ausspähung der Prozessstrategie auch durch die Behauptung der Antragsgegnerin nicht erschüttert, es sei nach "Abschaltung" der V-Leute grundsätzlich von einer diese "Abschaltung" kompensierenden Überwachung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu 1. und der Mitglieder des Parteivorstands der Antragsgegnerin mit sonstigen nachrichtendienstlichen Mitteln auszugehen, was dadurch bestätigt werde,BVerfGE 144, 20 (186) BVerfGE 144, 20 (187)dass die vorgelegten Weisungen sich ausschließlich auf G 10-Maßnahmen beschränkten.
Insoweit trifft schon nicht zu, dass die vom Antragsteller vorgelegten Weisungen und sonstigen Belege ausschließlich G 10-Maßnahmen zum Gegenstand haben. Vielmehr hat er umfänglich ausgeführt und belegt, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder angewiesen waren, nicht nur bei G 10-Maßnahmen bereits in die Vorauswahl keine Informationen über das Verbotsverfahren aufzunehmen, sondern auch keinerlei nachrichtendienstlich erlangte Informationen zur Prozessstrategie der Antragsgegnerin entgegenzunehmen, jeden Versuch einer entsprechenden Erkenntniszuführung zurückzuweisen und zu dokumentieren sowie keine Akten über den Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin zu führen und unzulässige Speicherungen zu löschen. Vor diesem Hintergrund genügt die bloße Vermutung, bei einer "Abschaltung" der V-Leute auf den Führungsebenen und einem Verzicht auf G 10-Maßnahmen sei davon auszugehen, dass akustische Wohnraumüberwachungen und Online-Durchsuchungen verstärkt eingesetzt würden, nicht, um die Annahme des Einsatzes dieser nachrichtendienstlichen Mittel gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten zu 1. zu begründen.
(2) Auch soweit die Antragsgegnerin die Überwachung von Mitgliedern des Parteivorstands mit nachrichtendienstlichen Mitteln behauptet, zeigt sie keine Umstände auf, die Zweifel daran begründen, dass der besonderen Stellung des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. Rechnung getragen worden und weder die Prozessstrategie der Antragsgegnerin mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht noch zufällig mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangte Erkenntnisse darüber im laufenden Verbotsverfahren zum Nachteil der Antragsgegnerin verwandt wurden.
(a) Soweit die Antragsgegnerin zum Beweis dieser Behauptung die Vernehmung ihres ehemaligen Bundesschatzmeisters begehrt, ist dem im Ergebnis nicht zu folgen. Es kann dahinstehen, ob der benannte Zeuge bei einer polizeilichen Vernehmung im Rahmen eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens mit wörtlichenBVerfGE 144, 20 (187) BVerfGE 144, 20 (188)Aussagen konfrontiert wurde, die er während einer Parteivorstandssitzung getätigt haben soll. Selbst wenn dies der Fall wäre, bedeutet das nicht, dass die Kenntnis von diesen Aussagen auf der nachrichtendienstlichen Überwachung des Bundesvorstands der Antragsgegnerin beruhte. Erst recht ergibt sich hieraus nichts für die Behauptung, dass Gegenstand dieser Überwachung die Ausspähung der Prozessstrategie der Antragsgegnerin im laufenden Verbotsverfahren gewesen sei, oder dafür, dass insoweit relevante Erkenntnisse erlangt worden seien, zumal die Antragsgegnerin jede zeitliche Einordnung der Äußerungen des benannten Zeugen, der nicht mehr Mitglied des Bundesvorstands ist, unterlässt.
(b) Nicht angezeigt ist zudem eine von der Antragsgegnerin angeregte Vernehmung des ehemaligen Mitarbeiters des US-Geheimdienstes Edward Snowden. Der Vortrag der Antragsgegnerin bleibt rein spekulativ. Es erscheint bereits fernliegend, dass der benannte Zeuge bestätigen kann, dass eine nachrichtendienstliche Überwachung der Vorstandsmitglieder oder des Verfahrensbevollmächtigten zu 1. der Antragsgegnerin durch ausländische Geheimdienste stattgefunden hat und die dabei gesammelten Informationen an die nationalen Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland weitergegeben wurden. Noch ferner liegt die Annahme, dass der benannte Zeuge sich darüber hinausgehend auch noch dazu äußern kann, ob dieser Informationsaustausch die Verteidigungsstrategie oder den Kontakt der Antragsgegnerin mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten zu 1. im laufenden Parteiverbotsverfahren betraf.
(c) Schließlich ist auch der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Sachverhalt, dass zwei Landesvorstandsmitglieder des Landesverbands Nordrhein-Westfalen der Antragsgegnerin vom 10. Juli 2015 bis zum 9. August 2015 Gegenstand einer polizeilichen Überwachung und Datenerhebung waren, nicht geeignet, die Richtigkeit des Vortrags des Antragstellers, eine Ausspähung der Prozessstrategie der Antragsgegnerin finde nicht statt, zu erschüttern.
Nach der glaubhaften und von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogenen Auskunft des Landeskriminaldirektors S. inBVerfGE 144, 20 (188) BVerfGE 144, 20 (189)der mündlichen Verhandlung waren nicht die beiden Mitglieder des Landesvorstands Ziel der Überwachungsmaßnahme, sondern ein sogenannter Gefährder aus der rechtsextremen Szene, dessen Haftentlassung bevorstand und dessen Wohnsitznahme festgestellt werden sollte. Die Landesvorstandsmitglieder seien nur deshalb mittelbar von der Maßnahme erfasst worden, weil sie den Betroffenen bei seiner Haftentlassung abgeholt hätten. Nach dessen Wohnsitznahme sei die Maßnahme sofort eingestellt worden. Ziel der Maßnahme war also keineswegs, wie die Antragsgegnerin "ins Blaue" hinein vermutet, die Ausspähung eines weiteren Landesvorstandsmitglieds. Die Maßnahme war auch weder auf die Erlangung von Informationen über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin gerichtet, noch fielen in diesem Rahmen derartige Erkenntnisse an.
dd) Im Ergebnis ist demnach davon auszugehen, dass von staatlichen Stellen keine nachrichtendienstlich erlangten Informationen über die Prozessstrategie der Antragsgegnerin ermittelt oder entgegengenommen wurden und der privilegierten Stellung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu 1. -- insbesondere im Hinblick auf die in § 3b Abs.  1 G 10 und § 160a Abs.  1 StPO normierten Einschränkungen für entsprechende Ermittlungsmaßnahmen im Fall zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgeheimnisträger -- Rechnung getragen wurde. Auch unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens liegt daher ein Verfahrenshindernis nicht vor.
III.
 
Der mit Schriftsatz vom 25. März 2014 (höchst hilfsweise) gestellte Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung des Verbotsverfahrens, bis der vom Deutschen Bundestag am 20. März 2014 eingesetzte Untersuchungsausschuss zur NSA-Abhör-Affäre seinen Abschlussbericht vorgelegt hat, steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren. Selbst wenn die Antragsgegnerin von Abhörmaßnahmen ausländischer Dienste betroffen gewesen wäre, könnte eine Verfahrensrelevanz allenfalls gegeben sein, wenn bei den Maßnahmen Erkenntnisse über die Prozessstrategie angefallen, diese an deutsche Behörden weiBVerfGE 144, 20 (189)BVerfGE 144, 20 (190)tergeleitet und dort -- entgegen den vorliegenden Weisungen -- entgegengenommen und zum Nachteil der Antragsgegnerin verwertet worden wären. Die Antragsgegnerin benennt keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte hierfür. Sie trägt auch insoweit ausschließlich "ins Blaue" hinein vor.
Außerdem ist nicht ersichtlich, warum das hiesige Verfahren bis zur Vorlage des Abschlussberichts des NSA-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages ausgesetzt werden sollte, da weder der Einsatz von V-Leuten noch das Ausspähen der Prozessstrategie der Antragsgegnerin Gegenstand des Bundestagsuntersuchungsausschusses ist. Ein -- wie auch immer gearteter -- Erkenntnisfortschritt für das Vorliegen von Verfahrenshindernissen im hiesigen Parteiverbotsverfahren durch die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestages ist nicht erwartbar.
IV.
 
Der Zulässigkeit des Antrags auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Antragsgegnerin steht weder das Erfordernis ordnungsgemäßer Vertretung des Antragstellers entgegen (1.), noch ergibt sich seine Unzulässigkeit aus einer verfassungswidrigen Ausgestaltung der Antragsbefugnis im Parteiverbotsverfahren gemäß § 43 BVerfGG (2.) oder dem Fehlen einer Rechtsgrundlage für das beantragte Verbot aufgrund der Unanwendbarkeit des Tatbestandsmerkmals "Beeinträchtigen" in Art.  21 Abs.  2 GG (3.).
1. Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers sind wirksam bevollmächtigt.
a) Gemäß § 22 Abs.  2 Satz 1 BVerfGG bedarf die Prozessvollmacht, die durch einen Vertretungsberechtigten erteilt werden muss, zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen einer solchen Vollmacht von Amts wegen zu prüfen (vgl. BVerfGE 1, 115 [116]; 1, 433 [436]; 62, 194 [200]).
b) Die vom Antragsteller vorgelegten Vollmachten genügen diesen Anforderungen, da der Direktor des Bundesrates zu ihrer Unterzeichnung befugt gewesen ist. Dies ergibt sich bereits ausBVerfGE 144, 20 (190) BVerfGE 144, 20 (191)der Aufgabenzuweisung an den Direktor des Bundesrates gemäß § 14 Abs.  2 GOBR (aa). Hinzu kommt, dass der Präsident des Bundesrates den Direktor vorliegend ausdrücklich beauftragt hat, die Prozessvollmachten zu unterzeichnen (bb).
aa) Gemäß § 6 Abs.  1 Satz 1 GOBR vertritt der Präsident des Bundesrates die Bundesrepublik Deutschland in allen Angelegenheiten des Bundesrates. Im Falle seiner Verhinderung oder bei vorzeitiger Beendigung seines Amts vertreten ihn gemäß § 7 Abs.  1 Satz 1 GOBR die Vizepräsidenten nach Maßgabe ihrer Reihenfolge.
Der Direktor des Bundesrates leitet gemäß § 14 Abs.  2 GOBR das Sekretariat des Bundesrates im Auftrag des Präsidenten und unterstützt diesen bei der Führung seiner Amtsgeschäfte. Da der Präsident und die Mitglieder des Bundesrates nicht ständig anwesend sind, kommt dem Sekretariat mit dem Direktor an seiner Spitze wesentliche Bedeutung für die Kontinuität der Arbeit des Bundesrates zu (vgl. Posser, Der Bundesrat und seine Bedeutung, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 24 Rn. 77). Dies zeigt sich in den zahlreichen Aufgaben des Direktors, die über die Leitung der Verwaltung hinausgehen, vor allem in der dem Direktor obliegenden ständigen Kontaktpflege zu den übrigen Verfassungsorganen und den Landesregierungen sowie seinen Pflichten bei der Vorbereitung von Sitzungen und der Zuweisung von Vorlagen an die Ausschüsse (vgl. Hanikel, Die Organisation des Bundesrats, 1991, S. 235 f.; Posser, a.a.O., § 24 Rn. 77).
Teil seiner Leitungsaufgaben, insbesondere bei Abwesenheit des Präsidenten, ist die Außenvertretung des Bundesrates im Auftrag des Präsidenten. Dies schließt die Erteilung von Prozessvollmachten an die durch den Präsidenten des Bundesrates bestimmten Verfahrensbevollmächtigten ein. Dass § 14 Abs.  2 GOBR die Befugnis des Direktors des Bundesrates zur Unterzeichnung der Prozessvollmacht gemäß § 22 BVerfGG beinhaltet, entspricht der bisherigen Staatspraxis, die bei der Auslegung der Geschäftsordnung als Ausfluss des Selbstorganisationsrechts des Bundesrates zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGE 1, 144 [148 f.]).BVerfGE 144, 20 (191)
BVerfGE 144, 20 (192)bb) Darüber hinaus hat der Präsident des Bundesrates den Direktor vorliegend ausdrücklich mit der Erteilung der Vollmachten beauftragt: Der Bundesrat hat durch Plenarbeschluss vom 14. Dezember 2012 (BRDrucks 770/12) beschlossen, den Verbotsantrag zu stellen, und den Präsidenten gebeten, einen Verfahrensbevollmächtigten mit der Antragstellung, der Begründung und der Prozessführung zu betrauen. Der Präsident hat sodann nach der durch die Antragsgegnerin nicht bestrittenen Darstellung des Antragstellers nach Zustimmung des ständigen Beirates des Bundesrates (vgl. § 9 GOBR) den Direktor ersucht, Prof. Dr. Möllers und Prof. Dr. Waldhoff zu Verfahrensbevollmächtigten des Bundesrates zu bestellen. Damit hat er den Direktor jedenfalls ausdrücklich bevollmächtigt, die Prozessvollmacht gemäß § 22 Abs.  2 BVerfGG zu erteilen. Einer Unterzeichnung der Vollmacht durch den Präsidenten des Bundesrates bedurfte es nicht.
2. Eine Unzulässigkeit des Antrags ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht aus dem Numerus clausus der Antragsberechtigten im Verbotsverfahren gemäß § 43 BVerfGG. Soweit die Antragsgegnerin meint, § 43 BVerfGG sei verfassungswidrig, weil er unter Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit gemäß Art.  21 Abs.  1 GG keine Antragsbefugnis für politische Parteien im Parteiverbotsverfahren vorsehe, vermag dies jedenfalls ein Fehlen der Antragsbefugnis des Antragstellers im vorliegenden Verfahren nicht zu begründen.
Es kann dahinstehen, ob eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit der Parteien gemäß Art.  21 Abs.  1 GG überhaupt in Betracht kommt, wenn der Gesetzgeber in Wahrnehmung des ihm nach Art.  21 Abs.  3 GG übertragenen Gestaltungsauftrags sämtliche Parteien gleichermaßen von der Möglichkeit der Beantragung eines Parteiverbots ausschließt. Selbst wenn dies der Fall wäre, ergäbe sich daraus allenfalls ein Erfordernis, den Kreis der Antragsberechtigten gemäß § 43 BVerfGG de lege ferenda zu erweitern. Eine Infragestellung der Antragsberechtigung des Antragstellers ist damit nicht verbunden.
3. Die Unzulässigkeit des Verbotsantrags folgt schließlich nicht aus der Auffassung der Antragsgegnerin, für das beantragte ParBVerfGE 144, 20 (192)BVerfGE 144, 20 (193)teiverbot fehle es an einer Rechtsgrundlage. Ob es sich, wie die Antragsgegnerin meint, bei dem Tatbestandsmerkmal der "Beeinträchtigung" der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Art.  21 Abs.  2 GG um ein Redaktionsversehen handelt, kann mit Blick auf die Zulässigkeit des vorliegenden Antrags dahinstehen. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass -- entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin -- der Antragsteller nicht nur geltend macht, die Antragsgegnerin strebe eine "Beeinträchtigung" der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an, sondern seinen Antrag ausdrücklich auch auf das Ziel einer "Beseitigung" dieser Ordnung durch die Antragsgegnerin stützt. Im Übrigen richtet sich der Einwand der Antragsgegnerin auf eine dem Wortlaut widersprechende Verengung des Geltungsbereichs von Art.  21 Abs.  2 GG, worauf im Rahmen der Begründetheitsprüfung näher einzugehen ist (vgl. Rn. 548 ff.). Die Zulässigkeit des Verbotsantrags berührt dieser Vortrag der Antragsgegnerin nicht. Dies gilt auch, soweit sie geltend macht, Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG erlaube nur die Feststellung der Verfassungswidrigkeit, hingegen nicht das Verbot einer Partei (vgl. Rn. 527).
 
C.
 
Der Maßstab für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei gemäß Art.  21 Abs.  2 GG hat sowohl dem fortbestehenden Geltungsanspruch als auch dem Ausnahmecharakter der Norm Rechnung zu tragen (I.). Eine beidem entsprechende Bestimmung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Parteiverbots (II.) ist mit den Vorgaben der EMRK nach der Parteiverbotsrechtsprechung des EGMR kompatibel (III.). Recht der Europäischen Union ist für die Voraussetzungen, unter denen eine politische Partei durch einen Mitgliedstaat verboten werden kann, nicht maßgeblich (IV.).
I.
 
Das Parteiverbot ist Teil der Konstitutionalisierung der politischen Parteien in Art.  21 GG (1.) und steht mit demokratischen Grundprinzipien nicht in Widerspruch (2.). Art.  21 Abs.  2 GG istBVerfGE 144, 20 (193) BVerfGE 144, 20 (194)nicht im Hinblick auf die Möglichkeit einer originären Verfassungsneuschöpfung im Rahmen von Art.  146 GG unanwendbar (3.). Ebenso wenig hat er unter den Bedingungen gefestigter demokratischer Strukturen seinen Geltungsanspruch verloren (4.). Schließlich ist er auch nicht als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Notstandsrechts zu interpretieren (5.). Allerdings ist der Tatsache, dass ein Parteiverbot einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der politischen Willensbildung in ihrer Ausprägung als Parteienfreiheit des Art.  21 Abs.  1 GG darstellt, bei der Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.  21 Abs.  2 GG Rechnung zu tragen (6.).
1. a) Mit Art.  21 GG wurde den politischen Parteien erstmals ein eigener verfassungsrechtlicher Status zuerkannt. Im Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung, die sich einer verfassungsrechtlichen Qualifizierung der politischen Parteien enthielt, weist das Grundgesetz ihnen eine besondere -- im Vergleich zu Vereinigungen im Sinne von Art.  9 Abs.  1 GG hervorgehobene (vgl. BVerfGE 107, 339 [358]) -- Stellung zu. Sie werden durch Art.  21 GG in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben (vgl. BVerfGE 1, 208 [225]; 2, 1 [73]; 20, 56 [100]; 73, 40 [85]; 107, 339 [358]) und als notwendige "Faktoren des Verfassungslebens" (BVerfGE 1, 208 [227]) anerkannt. Die Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen verfassungsrechtlichen Aufgabe der Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes setzt die in Art.  21 Abs.  1 GG garantierte Freiheit ihrer Gründung und Betätigung voraus.
b) Teil des Prozesses der Konstitutionalisierung der politischen Parteien war die Festschreibung der Möglichkeit des Parteiverbots. So sah bereits Art.  47 Abs.  4 des auf Herrenchiemsee ausgearbeiteten Entwurfs eines Grundgesetzes (HerrenChE) die Möglichkeit eines Verbots politischer Parteien, "die sich nach der Art ihrer Tätigkeit die Beseitigung der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung zum Ziel gesetzt haben", durch das Bundesverfassungsgericht vor (vgl. Verfassungsausschuss der Ministerpräsidenten-Konferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23.BVerfGE 144, 20 (194) BVerfGE 144, 20 (195)August 1948, S. 68). Auch im Parlamentarischen Rat stand die verfassungsrechtliche Verankerung des Parteiverbots dem Grunde nach außer Streit, so dass lediglich Einzelfragen der Ausgestaltung des entsprechenden Tatbestands erörtert wurden (vgl. v. Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR n.F., Bd.1, 1951, S. 208 ff.; Meier, Parteiverbote und demokratische Republik, 1993, S. 151 ff.).
c) Die Etablierung des Parteiverbots in Art.  21 Abs.  2 GG war Ausdruck des Bestrebens des Verfassungsgebers, strukturelle Voraussetzungen zu schaffen, um eine Wiederholung der Katastrophe des Nationalsozialismus und eine Entwicklung des Parteiwesens wie in der Endphase der Weimarer Republik zu verhindern (vgl. BVerfGE 107, 339 [362]). Art.  21 Abs.  2 GG ist darauf gerichtet, Risiken zu begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsfeindlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen (vgl. BVerfGE 25, 44 [56]). Einer solchen Partei soll -- entsprechend der Forderung "keine unbedingte Freiheit für die Feinde der Freiheit" (vgl. BVerfGE 5, 85 [138]) -- nicht die Möglichkeit eröffnet werden, die Parteienfreiheit des Art.  21 Abs.  1 GG zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu missbrauchen.
2. Dieses Konzept des Schutzes der Freiheit durch eine Beschränkung der Freiheit steht zu der Grundentscheidung der Verfassung in Art.  20 Abs.  2 GG für einen Prozess der staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen (vgl. BVerfGE 20, 56 [100]; 107, 339 [361]) nicht in Widerspruch. Um eine freiheitliche demokratische Ordnung dauerhaft zu etablieren, will das Grundgesetz nicht auch die Freiheit gewährleisten, die Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen und die gewährte Freiheit zur Abschaffung dieser Ordnung zu missbrauchen. Art.  21 Abs.  2 GG zielt daher auf den Schutz der grundlegenden Werte, die für ein friedliches und demokratisches Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger unverzichtbar sind.
Das Grundgesetz nimmt vor diesem Hintergrund aus dem Pluralismus von Zielen und Wertungen, die in den politischen ParteiBVerfGE 144, 20 (195)BVerfGE 144, 20 (196)en Gestalt gewonnen haben, gewisse Grundprinzipien der Staatsgestaltung heraus, die, wenn sie einmal auf demokratische Weise gebilligt sind, als absolute Werte anerkannt und deshalb entschlossen gegen alle Angriffe verteidigt werden sollen. Ziel ist eine Synthese zwischen dem Prinzip der Toleranz gegenüber allen politischen Auffassungen und dem Bekenntnis zu gewissen unantastbaren Grundwerten der Staatsordnung. Demgemäß ist Art.  21 Abs.  2 GG Ausdruck des bewussten verfassungspolitischen Willens zur Lösung eines Grenzproblems der freiheitlichen demokratischen Staatsordnung, Niederschlag der Erfahrungen eines Verfassungsgebers, der in einer bestimmten historischen Situation das Prinzip der Neutralität des Staates gegenüber den politischen Parteien nicht mehr rein verwirklichen zu dürfen glaubte, Bekenntnis zu einer -- in diesem Sinne -- streitbaren Demokratie (vgl. zum Ganzen BVerfGE 5, 85 [139]).
Der Einwand der Antragsgegnerin, ein Parteiverbot, das zur Ausschaltung einer kompletten politischen Richtung führe, verstoße gegen das demokratische Prinzip der Volkssouveränität ("Das Volk hat immer Recht"), geht deshalb fehl. Sie lässt außer Betracht, dass Demokratie und Volkssouveränität sich nur in einem freiheitlichen Rahmen entfalten können. Die gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung als Kern demokratischen Handelns setzt den Bestand einer freiheitlichen Ordnung voraus. Strebt eine politische Partei eine Beseitigung dieser Ordnung an, zielt ihr Verbot nicht auf eine Einschränkung, sondern auf die Gewährleistung von Demokratie und Volkssouveränität. Die Unzulässigkeit der Änderung zentraler Bestimmungen der Verfassung und die Begrenzung demokratischer Mitwirkungsrechte, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, sind daher nicht nur als von außen gesetzte Schranken zu verstehen, sondern vielmehr auch als Ausdruck einer dem Demokratieprinzip eigenen Selbstbeschränkung, indem sie eine dauerhafte Demokratie gewährleisten sollen. Herrschaft auf Zeit als Wesensgehalt von Demokratie erfordert, dass die jeweilige Mehrheit in (steter) Konkurrenz zur Minderheit steht und diese die Chance hat, selbst zur Mehrheit zu werden. Die vorüberBVerfGE 144, 20 (196)BVerfGE 144, 20 (197)gehende Mehrheit darf daher nicht die offene Tür, durch die sie eingetreten ist, hinter sich zuschlagen (vgl. Dreier, JZ 1994, S. 741 [751]; Thiel, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 20, 23; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 54). Soweit ein Parteiverbot dazu führt, dass bestimmte politische Auffassungen tatsächlich aus dem Prozess der politischen Willensbildung ausgeschlossen werden, entspricht dies gerade der Grundentscheidung der Verfassung für eine "streitbare Demokratie", die ihre grundlegenden, für ein friedliches und demokratisches Zusammenleben unverzichtbaren Werte nicht zur Disposition stellt. Das Parteiverbot gemäß Art.  21 Abs.  2 GG verstößt daher nicht gegen die Prinzipien der Demokratie und Volkssouveränität im Sinne des Art.  20 Abs.  1 und Abs.  2 GG, sondern gestaltet diese aus (vgl. bereits BVerfGE 5, 85 [139]: "Art.  21 Abs.  2 GG steht somit nicht mit einem Grundprinzip der Verfassung in Widerspruch; ...").
3. Die durch Art.  146 GG eröffnete Möglichkeit einer originären Verfassungsneuschöpfung steht einer Anwendbarkeit von Art.  21 Abs.  2 GG nicht entgegen. Unabhängig von der Frage, ob Art.  146 GG lediglich in Fällen einer Verfassungsnovation unter Beachtung der Grundsätze des Art.  79 Abs.  3 GG oder auch bei einer Totalrevision des Grundgesetzes anwendbar ist (vgl. zum Streitstand: Roellecke, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, 2010, § 13 Rn. 48 ff.; v. Campenhausen/Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.3, 6. Aufl. 2010, Art.  146 Rn. 7 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  146 Rn. 39 ff. [November 2012]; Michael, in: Bonner Kommentar, Bd.19, Art.  146 Rn. 637 ff. [November 2013]; Dreier, Idee und Gestalt des freiheitlichen Verfassungsstaates, 2014, S. 433 ff. [452 f.]), bleibt das Grundgesetz bis zum Inkrafttreten einer in freier Entscheidung des deutschen Volkes beschlossenen neuen Verfassung in vollem Umfang in Kraft (vgl. BVerfGE 5, 85 [128]). Auch wenn Art.  146 GG dem Verfassungsgeber die Möglichkeit einer völligen Neuschöpfung der Verfassung eröffnen sollte, wird dadurch für die Dauer der Geltung des Grundgesetzes ein auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen GrundBVerfGE 144, 20 (197)BVerfGE 144, 20 (198)ordnung gerichtetes aktives Handeln einer politischen Partei nicht legitimiert. Diese kann sich auf die Parteienfreiheit des Art.  21 Abs.  1 GG nur berufen, soweit ihr Handeln nicht gegen den unantastbaren Kernbestand einer freiheitlichen Demokratie gerichtet ist.
4. Eine Unanwendbarkeit von Art.  21 Abs.  2 GG kann auch nicht damit begründet werden, dass der Vorschrift lediglich ein transitorischer Charakter zur Gestaltung des Übergangs vom Nationalsozialismus zur freiheitlichen Demokratie zukomme, so dass die Norm mittlerweile ihren Geltungsanspruch verloren habe (vgl. Hofmann, Recht -- Politik -- Verfassung, 1986, S. 258; Groh, ZRP 2000, S. 500; Kugelmann, EuGRZ 2003, S. 533 [542]; Volkmann, DÖV 2007, S. 577 [584]). Dabei kann dahinstehen, ob die bloße Nichtanwendung einer Norm über einen längeren Zeitraum zu ihrem Geltungsverlust führen kann (bejahend wohl: Bryde, Verfassungsentwicklung -- Stabilität und Dynamik im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 454 f.; Dreier, in: ders., GG, Bd.2, 3. Aufl. 2015, Art.  79 Abs.  1 Rn. 42), denn es ist nicht nur in den Verbotsverfahren gegen die SRP (BVerfGE 2, 1) und die KPD (BVerfGE 5, 85), sondern auch in den Verfahren gegen die "Nationale Liste (NL)" (BVerfGE 91, 262) und die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP)" (BVerfGE 91, 276) sowie im vorausgegangenen Verbotsverfahren gegen die Antragsgegnerin (BVerfGE 107, 339) auf Art.  21 Abs.  2 GG zurückgegriffen worden.
Ein Verlust des Geltungsanspruchs der Norm käme allenfalls bei einer Ausgestaltung als bloßer Übergangsregelung in Betracht. Hierfür ergeben sich bereits aus dem Wortlaut der Norm keinerlei Anhaltspunkte. Außerdem ist der Schutzzweck von Art.  21 Abs.  2 GG, der darauf abzielt, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung aufgrund des Erstarkens antidemokratischer Parteien durch deren Verbot abzuwehren, nicht auf die Phase der Konstituierung der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes beschränkt. Die Sicherung der Stabilität der demokratischen Strukturen im Geltungsbereich des Grundgesetzes bleibt eine Daueraufgabe. Ungeachtet der Frage, ob unter denBVerfGE 144, 20 (198) BVerfGE 144, 20 (199)gegenwärtigen demokratischen Bedingungen der Rückgriff auf das Parteiverbot im Vergleich zu einer Bekämpfung antidemokratischer Positionen im Wege der öffentlichen politischen Auseinandersetzung vorzugswürdig erscheint, führt die Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse seit Inkrafttreten des Grundgesetzes jedenfalls nicht zu einer grundsätzlichen Unanwendbarkeit von Art.  21 Abs.  2 GG.
5. Unzutreffend ist schließlich auch die Auffassung der Antragsgegnerin, Art.  21 Abs.  2 GG sei im Lichte der verfassungsrechtlichen Notstandsregelungen in Art.  91 GG und Art.  87a Abs.  4 GG zu interpretieren mit der Folge, dass Schutzgut der Vorschrift nicht eine abstrakte Ansammlung von Verfassungsprinzipien, sondern das Funktionieren staatlicher Einrichtungen sei und ein Parteiverbot nur als legitim angesehen werden könne, wenn die Partei sich an gewaltsamen Umsturzbewegungen beteilige.
Einem Rückgriff auf die Regelungen des verfassungsrechtlichen Notstandes gemäß Art.  87a Abs.  4, Art.  91 GG zur Auslegung von Art.  21 Abs.  2 GG stehen bereits die unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen entgegen: Während Art.  87a Abs.  4 GG und Art.  91 GG eine "drohende Gefahr" für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes voraussetzen, ist dies bei Art.  21 Abs.  2 GG nicht der Fall. Ausreichend für ein Parteiverbot ist der Umstand, dass eine Partei "darauf ausgeht", die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Entsprechend handelt es sich bei Art.  21 Abs.  2 GG nicht um eine Regelung zur Abwehr konkreter Gefahren. Vielmehr soll im Wege präventiven Verfassungsschutzes (vgl. BVerfGE 5, 85 [142]; 9, 162 [165]; 107, 339 [386]; zu Art.  9 Abs.  2 GG: BVerfGE 80, 244 [253]; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  21 Rn. 515 [Januar 2012]) die Entstehung konkreter Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung bereits weit im Vorfeld verhindert werden. Eine an den verfassungsrechtlichen Notstandsregelungen orientierte Neubestimmung der Parteiverbotskonzeption desBVerfGE 144, 20 (199) BVerfGE 144, 20 (200)Art.  21 Abs.  2 GG scheidet daher aus. Vielmehr ist dessen Regelungsgehalt eigenständig unter Berücksichtigung seines Präventionscharakters zu bestimmen.
6. Bei der Auslegung von Art.  21 Abs.  2 GG ist den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen für die Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung, die Meinungsfreiheit (Art.  5 Abs.  1 GG) und die Parteienfreiheit (Art.  21 Abs.  1 GG) und dem sich daraus ergebenden Ausnahmecharakter der Norm Rechnung zu tragen.
a) Das Grundgesetz geht davon aus, dass nur die ständige geistige Auseinandersetzung zwischen den einander begegnenden sozialen Kräften und Interessen, den politischen Ideen und damit auch den sie vertretenden Parteien der richtige Weg zur Bildung des Staatswillens ist (vgl. BVerfGE 5, 85 [135]). Es vertraut auf die Kraft dieser Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien (vgl. BVerfGE 124, 300 [320]). Dabei erkennt es in Art.  21 Abs.  1 GG den Parteien als notwendigen Instrumenten für die politische Willensbildung des Volkes eine besondere Rolle zu (vgl. BVerfGE 107, 339 [361]). Ein Parteiverbot stellt demgemäß einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der politischen Willensbildung und die Parteienfreiheit des Art.  21 Abs.  1 GG dar, der nur unter besonderen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann. Art.  21 Abs.  2 GG ist als "demokratieverkürzende Ausnahmenorm" zurückhaltend anzuwenden (vgl. Meier, a.a.O., S. 263). Aus diesem Grund bedarf es einer restriktiven Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Norm, die dem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der Parteienfreiheit des Art.  21 Abs.  1 GG und dem Parteiverbot des Art.  21 Abs.  2 GG Rechnung trägt. Zugleich ist für die Annahme von ungeschriebenen, den Anwendungsbereich der Norm erweiternden Tatbestandsmerkmalen kein Raum (vgl. Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 513 [Januar 2012]).
b) Die restriktive Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.  21 Abs.  2 GG trägt des Weiteren dem Umstand Rechnung, dass zwingende Rechtsfolge eines Parteiverbots dieBVerfGE 144, 20 (200) BVerfGE 144, 20 (201)mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit verbundene Auflösung der Partei ist.
Bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht ist ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin ausgeschlossen, mag diese sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch noch so feindlich verhalten (vgl. BVerfGE 40, 287 [291]; 47, 198 [228]; 107, 339 [362]). Die Partei darf zwar politisch bekämpft werden, sie soll aber in ihrer politischen Aktivität von jeder Behinderung frei sein (vgl. BVerfGE 12, 296 [305 ff.]; 39, 334 [357]; 47, 198 [228]; 107, 339 [362]). Das Grundgesetz nimmt in seiner gegenwärtigen Form die Gefahr, die in der Tätigkeit einer Partei bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit liegt, um der politischen Freiheit willen in Kauf (vgl. BVerfGE 12, 296 [306]; 47, 198 [228]; 107, 339 [362]).
Ergibt hingegen die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.  21 Abs.  2 GG, ist die Feststellung der Verfassungswidrigkeit und die Auflösung der Partei zwingend vorgegeben. Die Auffassung der Antragsgegnerin, Art.  21 Abs.  2 GG ermögliche lediglich die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei und überlasse es dem "mündigen Bürger", eine entsprechende verfassungsrechtliche Erkenntnis durch Nichtwahl einer als verfassungswidrig erkannten Partei zu "vollstrecken", so dass die in § 46 Abs.  3 Satz 1 BVerfGG vorgesehene Auflösung einer Partei die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschreite, geht fehl. Sie entspricht nicht dem Regelungskonzept des Art.  21 GG. Die Vorschrift ist darauf gerichtet, die Mitwirkung einer Partei an der politischen Willensbildung des Volkes durch einen staatlichen Eingriff zu unterbinden. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht soll die Teilnahme der Partei an der politischen Willensbildung dauerhaft beenden. Nur so kann sich der angestrebte präventive Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfalten. Findet aber eine Mitwirkung an der politischen Willensbildung nicht (mehr) statt, entfällt ein unverzichtbares Element des Parteibegriffs (vgl. § 2BVerfGE 144, 20 (201) BVerfGE 144, 20 (202)PartG). Die mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit verbundene Beendigung der Beteiligung an der politischen Willensbildung führt notwendig zum Verlust des Status einer politischen Partei. Daher hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 46 Abs.  3 BVerfGG, wonach mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit die Auflösung der Partei zu verbinden ist, den ihm durch Art.  21 Abs.  3 GG verfassungsrechtlich übertragenen Gestaltungsauftrag nicht überschritten (vgl. auch BVerfGE 5, 85 [391]). Gleiches gilt für das Verbot der Schaffung von Ersatzorganisationen und die fakultative Einziehung des Parteivermögens gemäß § 46 Abs.  3 Satz 1 und 2 BVerfGG. Einer Vollziehung der Feststellungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes durch eine Nichtwahl seitens der Bürgerinnen und Bürger scheidet daher aus. Auch für ein Weiterbestehen der Partei als Vereinigung im Sinne des Art.  9 Abs.  1 GG ist kein Raum. Auch scheidet eine lediglich befristete Aberkennung des Parteistatus nach dem derzeitigen Regelungskonzept des Art.  21 Abs.  2 GG in Verbindung mit § 46 Abs.  3 BVerfGG aus. Eine Modifizierung dieses Regelungskonzepts, etwa hinsichtlich der Schaffung von Möglichkeiten gesonderter Sanktionierung im Fall der Erfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale des Art.  21 Abs.  2 GG unterhalb der Schwelle des Parteiverbots, ist dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorbehalten. Umso notwendiger ist es, die Voraussetzungen eines Parteiverbots so eng zu fassen, dass sie dem Gewicht des Eingriffs in die Parteienfreiheit Rechnung tragen.
II.
 
Der Verbotsantrag des Antragstellers betrifft das Schutzgut der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" (1.), auf deren "Beeinträchtigung oder Beseitigung" (2.) eine Partei "nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger" (3.) "ausgehen" muss (4.). Weitere ungeschriebene Tatbestandsmerkmale für ein Parteiverbot bestehen nicht (5.).
1. Der Begriff der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" ist durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung konkretisiert worden (a). Sein Regelungsgehalt kann nicht durch eiBVerfGE 144, 20 (202)BVerfGE 144, 20 (203)nen pauschalen Rückgriff auf Art.  79 Abs.  3 GG bestimmt werden, sondern beschränkt sich auf die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat schlechthin unverzichtbaren Grundsätze (b). Dabei steht das Prinzip der Menschenwürde (Art.  1 Abs.  1 GG) im Vordergrund (c), das durch die Grundsätze der Demokratie (d) und der Rechtsstaatlichkeit (e) näher ausgestaltet wird.
a) aa) Im SRP-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt, dass eine Partei nur aus dem politischen Leben ausgeschaltet werden darf, wenn sie die obersten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie ablehnt (vgl. BVerfGE 2, 1 [14]). Diese obersten Grundsätze bilden die freiheitliche demokratische Grundordnung, der nach der im Grundgesetz getroffenen verfassungspolitischen Entscheidung die Vorstellung zugrunde liegt, dass der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbstständigen Wert besitzt und dass Freiheit und Gleichheit dauernde Grundwerte der staatlichen Einheit sind. Daher ist die freiheitliche demokratische Grundordnung eine wertgebundene Ordnung. Sie ist das Gegenteil des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ablehnt (vgl. BVerfGE 2, 1 [12]).
Freiheitliche demokratische Grundordnung und verfassungsmäßige Ordnung sind mithin zu unterscheiden. Die freiheitliche demokratische Grundordnung beschränkt sich auf diejenigen Prinzipien, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit gewährleisten (vgl. BVerfGE 2, 1 [12 f.]). Davon ausgehend hat das Bundesverfassungsgericht dieser Ordnung aus einer Gesamtinterpretation des Grundgesetzes und seiner Einordnung in die moderne Verfassungsgeschichte (vgl. BVerfGE 5, 85 [112]) zunächst folgende acht Elemente zugeordnet: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die UnabBVerfGE 144, 20 (203)BVerfGE 144, 20 (204)hängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (BVerfGE 2, 1 [13]).
bb) Im KPD-Urteil hat das Gericht ferner als Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die Vereinigungsfreiheit (vgl. BVerfGE 5, 85 [199]) sowie insbesondere den aus dem Mehrparteienprinzip fließenden Parlamentarismus (vgl. BVerfGE 5, 85 [230, 236]) bezeichnet. Daneben wird auf das Erfordernis freier Wahlen mit regelmäßiger Wiederholung in relativ kurzen Zeitabständen und die Anerkennung von Grundrechten (vgl. BVerfGE 5, 85 [199 f.]) verwiesen, wobei das Gericht die Menschenwürde als obersten und unantastbaren Wert in der freiheitlichen Demokratie besonders herausgestellt hat (vgl. BVerfGE 5, 85 [204]; vgl. auch BVerfGE 6, 32 [41]).
cc) In der Folgezeit hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung bestätigt (BVerfGE 44, 125 [145]) und den Katalog der Elemente, die die freiheitliche demokratische Grundordnung bilden, um das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]), den freien und offenen Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes (vgl. BVerfGE 44, 125 [139]; siehe auch BVerfGE 20, 56 [97]; 107, 339 [360]), die Rundfunk-, Presse- und Informationsfreiheit (zusammenfassend BVerfGE 77, 65 [74] m.w.N.), das Bekenntnis zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität (vgl. BVerfGE 27, 195 [201]) und die Religionsfreiheit (vgl. BVerfGE 137, 273 [303 Rn. 83]) ergänzt. Auch in diesem Zusammenhang hat es immer wieder auf die elementare Bedeutung des Art.  1 Abs.  1 GG hingewiesen (vgl. BVerfGE 12, 45 [53]; 27, 1 [6]; 35, 202 [225]; 45, 187 [229]; 49, 286 [298]; 87, 209 [228]).
dd) Die mit der Beschreibung des Begriffs der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verbundene katalogartige Aufzählung einzelner Rechtsinstitute wird im Schrifttum unter den Gesichtspunkten der Unvollständigkeit, Beliebigkeit, Unbestimmtheit, Missbrauchsanfälligkeit und fehlender Systematik teilweise kritisiert (vgl. Ridder, Aktuelle Rechtsfragen desBVerfGE 144, 20 (204) BVerfGE 144, 20 (205)KPD-Verbots, 1966, S. 28; Ruland, Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1971, S. 16; Stollberg, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Parteiverbots, 1976, S. 33; Lameyer, Streitbare Demokratie, 1978, S. 37; Gusy, AöR 105 [1980], S. 279 [285 ff.]; Meier, a.a.O., S. 291 ff.; Schaefer, Grundlegung einer ordoliberalen Verfassungstheorie, 2007, S. 572; Kalla/Zillmann, BRJ 2012, S. 176; Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, 2014, S. 61; differenziert Morlok, NJW 2001, S. 2931 [2940]; ders., Jura 2013, S. 317 [321]; ders., in: Dreier, GG, Bd.2, 3. Aufl. 2015, Art.  21 Rn. 148; zustimmend hingegen Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, 1969, S. 204; Thiel, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 173 [198 f.]; Voscherau, Parteiverbote in der Bundesrepublik Deutschland und im Königreich Spanien, 2009, S. 93; Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  18 Rn. 62 [April 2010]). Dabei wird verkannt, dass zwischen den Kernelementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den sich daraus ergebenden (fallbezogenen) Ableitungen zu unterscheiden ist.
b) aa) Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art.  21 Abs.  2 GG erfordert eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Ein derartiger reduzierter Ansatz erscheint nicht zuletzt durch den Ausnahmecharakter des Parteiverbots geboten. Die Grundentscheidung der Verfassung für einen offenen Prozess der politischen Willensbildung hat zur Folge, dass auch das kritische Hinterfragen einzelner Elemente der Verfassung möglich sein muss, ohne dass dadurch ein Parteiverbot ausgelöst werden kann. Ein Ausschluss aus dem Prozess der politischen Willensbildung kommt erst in Betracht, wenn dasjenige in Frage gestellt und abgelehnt wird, was zur Gewährleistung eines freiheitlichen und demokratischen Zusammenlebens schlechthin unverzichtbar ist und daher außerhalb jedes Streits stehen muss.
bb) Eine solche Fokussierung auf die zentralen, für die Demokratie unentbehrlichen Grundprinzipien kann nicht durch RückBVerfGE 144, 20 (205)BVerfGE 144, 20 (206)griff auf den in Art.  79 Abs.  3 GG bestimmten änderungsfesten Kern der Verfassung erreicht werden. Anders als Art.  108 HerrenChE -- der Vorläufer von Art.  79 Abs.  3 GG -- verbietet Art.  79 Abs.  3 GG in der vom Parlamentarischen Rat beschlossenen Fassung nicht nur Änderungen des Grundgesetzes, durch die die freiheitliche und demokratische Grundordnung beseitigt würde (vgl. Denninger, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, § 16 Rn. 35 f.; Zacharias, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 57 ff.).
Der Regelungsgehalt des Art.  79 Abs.  3 GG geht über den für einen freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbaren Mindestgehalt hinaus. Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen insbesondere nicht die von Art.  79 Abs.  3 GG umfassten Prinzipien der Republik und des Bundesstaats, da auch konstitutionelle Monarchien und Zentralstaaten dem Leitbild einer freiheitlichen Demokratie entsprechen können (vgl. Murswiek, Die verfassunggebende Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1978, S. 180; Meier, a.a.O., S. 317; Papier/Durner, AöR 128 [2003], S. 340 [357]). Eine Partei, die sich für ein derartiges Verfassungsmodell einsetzt, begibt sich nicht in einen Widerspruch zu Grundsätzen der freiheitlichen Demokratie, der einen Ausschluss aus dem Prozess der politischen Willensbildung rechtfertigen könnte. Daher ist der Regelungsgehalt des Schutzguts "freiheitliche demokratische Grundordnung" in Art.  21 Abs.  2 GG -- ungeachtet inhaltlicher Überschneidungen -- eigenständig und unabhängig vom Regelungsgehalt des Art.  79 Abs.  3 GG zu bestimmen.
c) Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen (Art.  1 Abs.  1 GG). Sie ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes als der oberste Wert des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 5, 85 [204]; 12, 45 [53]; 27, 1 [6]; 35, 202 [225]; 45, 187 [227]; 87, 209 [228]; 96, 375 [399]) anerkannt. Die Menschenwürde ist unverfügbar. Die Staatsgewalt hat sie in allen ihren Erscheinungsformen zu achten und zu schützen (vgl. BVerfGE 45, 187 [227]). Damit wirdBVerfGE 144, 20 (206) BVerfGE 144, 20 (207)dem Staat und seiner Rechtsordnung jede Absolutheit und jeder "natürliche" Vorrang genommen.
aa) Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd.1, 3. Aufl. 2013, Art.  1 Abs.  1 Rn. 60 ff.; Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art.  1 Rn. 19). Dem liegt eine Vorstellung vom Menschen zugrunde, die diesen als Person begreift, die in Freiheit über sich selbst bestimmen und ihr Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann (vgl. BVerfGE 45, 187 [227]; 49, 286 [298]). Mit der Subjektqualität des Menschen ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zum "bloßen Objekt" staatlichen Handelns zu degradieren (vgl. BVerfGE 122, 248 [271]).
Auch wenn diese "Objektformel" in ihrer Leistungskraft begrenzt sein mag (vgl. BVerfGE 109, 279 [312]; kritisch Dreier, a.a.O., Art.  1 Abs.  1 Rn. 55; Höfling, a.a.O., Art.  1 Rn. 15 -- jeweils m.w.N.), ist sie zur Identifizierung von Menschenwürdeverletzungen jedenfalls überall dort geeignet, wo die Subjektqualität des Menschen und der daraus folgende Achtungsanspruch grundsätzlich in Frage gestellt werden (so im Ergebnis auch Dreier, a.a.O., Art.  1 Abs.  1 Rn. 60 ff.). Dies ist insbesondere bei jeder Vorstellung eines ursprünglichen und daher unbedingten Vorrangs eines Kollektivs gegenüber dem einzelnen Menschen der Fall. Die Würde des Menschen bleibt nur unangetastet, wenn der Einzelne als grundsätzlich frei, wenngleich stets sozialgebunden, und nicht umgekehrt als grundsätzlich unfrei und einer übergeordneten Instanz unterworfen behandelt wird. Die unbedingte Unterordnung einer Person unter ein Kollektiv, eine Ideologie oder eine Religion stellt eine Missachtung des Wertes dar, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personseins (BVerfGE 115, 118 [153]) zukommt. Sie verletzt seine Subjektqualität und stellt einen Eingriff in die Garantie der Menschenwürde dar, der fundamental gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstößt.
bb) Menschenwürde ist egalitär; sie gründet ausschließlich inBVerfGE 144, 20 (207) BVerfGE 144, 20 (208)der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Rasse, Lebensalter oder Geschlecht (vgl. Isensee, in: Merten/Papier, HGRe, Bd.IV, 2011, § 87 Rn. 168). Dem Achtungsanspruch des Einzelnen als Person ist die Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gemeinschaft immanent (vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  1 Abs.  1 Rn. 120 [Mai 2009]). Mit der Menschenwürde sind daher ein rechtlich abgewerteter Status oder demütigende Ungleichbehandlungen nicht vereinbar (vgl. Höfling, a.a.O., Art.  1 Rn. 35). Dies gilt insbesondere, wenn derartige Ungleichbehandlungen gegen die Diskriminierungsverbote des Art.  3 Abs.  3 GG verstoßen, die sich -- ungeachtet der grundsätzlichen Frage nach dem Menschenwürdegehalt der Grundrechte (vgl. hierzu BVerfGE 107, 275 [284]) -- jedenfalls als Konkretisierung der Menschenwürde darstellen. Antisemitische oder auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar und verstoßen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
d) Das Demokratieprinzip ist konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Demokratie ist die Herrschaftsform der Freien und Gleichen. Sie beruht auf der Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger (vgl. BVerfGE 44, 125 [142]). Das Grundgesetz geht insoweit vom Eigenwert und der Würde des zur Freiheit befähigten Menschen aus und verbürgt im Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, zugleich den menschenrechtlichen Kern des Demokratieprinzips (vgl. BVerfGE 123, 267 [341]; 129, 124 [169]; 135, 317 [386 Rn. 125]; 142, 123 [189 Rn. 124]; Häberle, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 22 Rn. 61 ff.; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 252 ff.).
aa) Unverzichtbar für ein demokratisches System sind die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk (Art.  20 Abs.  1 und 2 GG). Wie diesen Anforderungen entsprochen wird, ist fürBVerfGE 144, 20 (208) BVerfGE 144, 20 (209)die Frage der Vereinbarkeit eines politischen Konzepts mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht entscheidend. So vermag die Ablehnung des Parlamentarismus, wenn sie mit der Forderung nach dessen Ersetzung durch ein plebiszitäres System verbunden ist, den Vorwurf der Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu begründen. Anders verhält es sich jedoch im Fall eines Verächtlichmachens des Parlaments mit dem Ziel, ein Einparteiensystem zu etablieren.
In der Demokratie erfolgt die politische Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt (vgl. BVerfGE 44, 125 [140]; 69, 315 [346]; 107, 339 [361]). Die demokratischen Postulate der Freiheit und Gleichheit erfordern gleichberechtigte Mitwirkungsmöglichkeiten aller Bürger. Nur dann ist dem Erfordernis der Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung genügt. Damit sind Konzepte des dauerhaften oder vorübergehenden willkürlichen Ausschlusses Einzelner aus diesem Prozess nicht vereinbar. Die Instrumente zur Sicherung der Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung (Mehrparteiensystem, Chancengleichheit der Parteien, Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition) sind demgegenüber nachrangig.
bb) Der Grundsatz der Volkssouveränität (Art.  20 Abs.  2 Satz 1 GG) erfordert daneben, dass sich alle Akte der Ausübung der Staatsgewalt auf den Willen des Volkes zurückführen lassen (vgl. BVerfGE 38, 258 [271]; 47, 253 [272]; 77, 1 [40]; 83, 60 [71]; 93, 37 [66]; 107, 59 [87]). Soweit das Volk die Staatsgewalt nicht selbst durch Wahlen oder Abstimmungen ausübt, sondern dies besonderen Organen (Art.  20 Abs.  2 Satz 2 GG) übertragen ist, bedarf es eines hinreichend engen Legitimationszusammenhangs, der sicherstellt, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat (vgl. BVerfGE 83, 60 [71 f.]; 89, 155 [182]; 93, 37 [66]). Erforderlich ist eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern (vgl. BVerfGE 47, 253 [275]; 52, 95 [130]; 77, 1 [40]; 93, 37 [66]; 107, 59 [87]). Auch insoweit kommt es im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG vorrangig nicht auf die einzelnen Instrumente zur SiBVerfGE 144, 20 (209)BVerfGE 144, 20 (210)cherstellung des hinreichenden Legitimationszusammenhangs (Parlamentarismus, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzes- und Weisungsgebundenheit der Verwaltung), sondern auf die grundsätzliche Beachtung des Prinzips der Volkssouveränität an.
cc) Das Grundgesetz hat sich für das Modell der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie entschieden, weshalb der Wahl des Parlaments bei der Herstellung des notwendigen Zurechnungszusammenhangs zwischen Volk und staatlicher Herrschaft besondere Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 83, 60 [72]). Den Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlässt demgemäß, wer den Parlamentarismus verächtlich macht, ohne aufzuzeigen, auf welchem anderen Weg dem Grundsatz der Volkssouveränität Rechnung getragen und die Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses gewährleistet werden kann.
e) Schließlich ist der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbarer Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG. Er zielt auf die Bindung und Begrenzung öffentlicher Gewalt zum Schutz individueller Freiheit (vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd.2, 3. Aufl. 2015, Art.  20 [Rechtsstaat] Rn. 38) und ist durch eine Vielzahl einzelner Elemente geprägt, die in Art.  20 Abs.  2 Satz 2 und Abs.  3 GG nur teilweise normativ verankert sind (vgl. Sachs, in: ders., GG, 7. Aufl. 2014, Art.  20 Rn. 77; Schulze-Fielitz, a.a.O., Art.  20 [Rechtsstaat] Rn. 40). Für den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind dabei die Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art.  20 Abs.  3 GG) und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte bestimmend. Zugleich erfordert der Schutz der Freiheit des Einzelnen, dass die Anwendung physischer Gewalt den gebundenen und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden staatlichen Organen vorbehalten ist. Das Gewaltmonopol des Staates (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 11, 71; Isensee, in: ders./Kirchhof, a.a.O., § 15 Rn. 86 ff.; E. Klein, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, 2010, § 19 Rn. 14) ist deshalb ebenfalls als Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG anzusehen.BVerfGE 144, 20 (210)
BVerfGE 144, 20 (211)2. Zweite Voraussetzung für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei gemäß Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG ist, dass diese eine "Beseitigung" oder "Beeinträchtigung" der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im oben beschriebenen Sinne anstrebt.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat bisher auf eine strikte Unterscheidung der Begriffe des "Beseitigens" und "Beeinträchtigens" verzichtet und als definitorische Annäherungen auf die Schwächung, Untergrabung beziehungsweise Zersetzung sowie die planmäßige Hetze, Verächtlichmachung und Verhöhnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zurückgegriffen (BVerfGE 2, 1 [21]; 5, 85 [insbes. 210 ff., 307 f.]; vgl. auch Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 461).
b) Bei differenzierter Betrachtung bezeichnet der Begriff des "Beseitigens" die Abschaffung zumindest eines der Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder deren Ersetzung durch eine andere Verfassungsordnung oder ein anderes Regierungssystem (vgl. Sichert, DÖV 2001, S. 671 [675]; Gelberg, Das Parteiverbotsverfahren nach Art.  21 Abs.  2 GG am Beispiel des NPD-Verbotsverfahrens, 2009, S. 202; Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 531 [Januar 2012]; Ipsen, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art.  21 Rn. 164; Morlok, in: Dreier, GG, Bd.2, 3. Aufl. 2015, Art.  21 Rn. 153).
c) Dem Begriff des "Beeinträchtigens" kommt im Vergleich zu dem des "Beseitigens" ein eigenständiger, den Anwendungsbereich von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG erweiternder Regelungsgehalt zu.
aa) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist das Tatbestandsmerkmal des "Beeinträchtigens" nicht als ein bloßes Redaktionsversehen des Verfassungsgebers ohne Bedeutung.
(1) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob dies tatsächlich der Fall ist, da aufgrund der vorliegenden Dokumente über die Beratungen des Parlamentarischen Rates nicht zweifelsfrei feststellbar ist, worauf die Einfügung des Merkmals "Beeinträchtigen" in den Tatbestand des Art.  21 Abs.  2 GG zurückzuführen ist. Zwar erBVerfGE 144, 20 (211)BVerfGE 144, 20 (212)setzte der Allgemeine Redaktionsausschuss in seiner Sitzung vom 16. November 1948 die im Entwurf des Organisationsausschusses vorgesehene Anknüpfung des Verbotstatbestands an die verfassungswidrige Zielsetzung einer Partei durch das Tätigkeitsmerkmal "Darauf Ausgehen" und ergänzte den Begriff des "Beseitigens" durch den Begriff des "Beeinträchtigens" (vgl. v. Doemming/Füsslein/Matz, a.a.O., S. 209; Meier, a.a.O., S. 154). Diesen Vorschlag übernahm der Hauptausschuss einen Tag später, am 17. November 1948, in erster Lesung, jedoch mit der Maßgabe, dass die Worte "zu beeinträchtigen" gestrichen werden (vgl. v. Doemming/Füsslein/Matz, a.a.O., S. 209; Meier, a.a.O., S. 155; Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948--1949, Bd.14, Teilbd. 1, Hauptausschuss, 2009, S. 120). Nach nochmaliger Befassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses legte der Hauptausschuss am 15. Dezember 1948 eine Fassung vor, die die Tatmodalität des "Beeinträchtigens" wieder aufwies (vgl. Meier, a.a.O., S. 157). Worauf die Wiederaufnahme dieser Tatmodalität beruhte und ob es sich dabei um ein schlichtes Versehen handelte, ist den verfügbaren Beratungsprotokollen nicht zu entnehmen (vgl. Meier, a.a.O., S. 158). Am 5. Mai 1949 nahm der Hauptausschuss diese Formulierung unter Streichung des Wortes "oder" zwischen den Adjektiven vor "Grundordnung" endgültig an (vgl. v. Doemming/Füsslein/Matz, a.a.O., S. 210). In dieser Fassung wurde die Vorschrift -- nunmehr als Art.  21 Abs.  2 - vom Plenum des Parlamentarischen Rates am 6. und 8. Mai 1949 ohne Diskussion verabschiedet (vgl. v. Doemming/Füsslein/Matz, a.a.O., S. 210; Meier, a.a.O., S. 161; Feldkamp, a.a.O., Bd.14, Teilbd. 2, Hauptausschuss, 2009, S. 1793 f.).
Fest steht daher nur, dass sowohl der Hauptausschuss als auch das Plenum des Parlamentarischen Rates Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG unter Einschluss der Tatbestandsalternative des "Beeinträchtigens" beschlossen haben. Dafür, dass hierbei der Wortlaut der Vorschrift nicht zur Kenntnis genommen und das Tatbestandsmerkmal des Beeinträchtigens nur versehentlich beschlossen wurde, gibt es keine Anhaltspunkte.
(2) Dessen ungeachtet geht das Bundesverfassungsgericht vonBVerfGE 144, 20 (212) BVerfGE 144, 20 (213)jeher davon aus, dass es für die Auslegung einer Norm auf den in dieser zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers ankommt, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder (vgl. BVerfGE 1, 299 [312]; 10, 234 [244]; 35, 263 [278]; 105, 135 [157]; 133, 168 [205 Rn. 66]). Der Entstehungsgeschichte kommt für die Auslegung regelmäßig nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die ansonsten nicht ausgeräumt werden können (vgl. BVerfGE 1, 299 [312]; 11, 126 [130 f.]; 59, 128 [153]; 119, 96 [179]; 122, 248 [283 f., 286 ff.]). Die in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen können nicht mit dem objektiven Gesetzesinhalt gleichgesetzt werden (vgl. BVerfGE 11, 126 [130]; 62, 1 [45]). Für die Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers sind vielmehr alle anerkannten Auslegungsmethoden heranzuziehen, die sich gegenseitig ergänzen (vgl. BVerfGE 11, 126 [130]; 133, 168 [205 Rn. 66]) und nicht in einem Rangverhältnis zueinander stehen (vgl. BVerfGE 105, 135 [157]; 133, 168 [205 Rn. 66]).
bb) Auf dieser Grundlage ist von einem "Beeinträchtigen" auszugehen, wenn eine Partei nach ihrem politischen Konzept mit hinreichender Intensität eine spürbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewirkt. Ein "Beeinträchtigen" liegt daher bereits vor, wenn eine Partei, selbst wenn sie noch nicht erkennen lässt, welche Verfassungsordnung an die Stelle der bestehenden treten soll, qualifiziert die Außerkraftsetzung der bestehenden Verfassungsordnung betreibt. Ausreichend ist, dass sie sich gegen eines der Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaat) wendet, da diese miteinander verschränkt sind und sich gegenseitig bedingen (vgl. Stollberg, a.a.O., S. 51; Sichert, DÖV 2001, S. 671 [675]; Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2, 6. Aufl. 2010, Art.  21 Rn. 228; Georg, PolitikBVerfGE 144, 20 (213) BVerfGE 144, 20 (214)durch Recht -- Recht durch Politik: Das Parteiverbot als Instrument der streitbaren Demokratie in seiner praktischen Bewährung, 2013, S. 91; Ipsen, a.a.O., Art.  21 Rn. 163). Eine politische Partei, die einen der zentralen Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt und bekämpft, kann ein Parteiverbot nicht dadurch vermeiden, dass sie sich zu den jeweils anderen Prinzipien bekennt (vgl. Streinz, a.a.O., Art.  21 Rn. 228; Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 531 [Januar 2012]; Georg, a.a.O., S. 91; Ipsen, a.a.O., Art.  21 Rn. 163). Allerdings ist nicht jede verfassungswidrige Forderung für sich genommen ausreichend, um das Ziel einer Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung annehmen zu können. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Partei sich gezielt gegen diejenigen fundamentalen Prinzipien wendet, die für ein freiheitliches und demokratisches Zusammenleben unverzichtbar sind, da allein so sichergestellt ist, dass ein Parteiverbotsverfahren nur zu Zwecken des präventiven Verfassungsschutzes und nicht auch zur Ausschaltung unliebsamer politischer Konkurrenz eingesetzt werden kann.
3. Dass eine Partei die Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt, muss sich nach dem Wortlaut von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG aus den "Zielen" oder dem "Verhalten ihrer Anhänger" ergeben. Die "Ziele" und das "Verhalten der Anhänger" sind dementsprechend die einzigen Erkenntnisquellen für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei.
a) Die Ziele einer Partei sind der Inbegriff dessen, was eine Partei politisch anstrebt, unabhängig davon, ob es sich um Zwischen- oder Endziele, Nah- oder Fernziele, Haupt- oder Nebenziele handelt (vgl. BVerfGE 5, 85 [143 ff.]; a.A. Meier, a.a.O., S. 275 ff.). Sie ergeben sich in der Regel aus dem Programm und den sonstigen parteiamtlichen Erklärungen, aus den Schriften der von ihr als maßgebend anerkannten Autoren über die politische Ideologie der Partei, aus den Reden der führenden Funktionäre, aus dem in der Partei verwendeten Schulungs- und Propagandamaterial sowie aus den von ihr herausgegebenen oder beeinflussten Zeitungen und Zeitschriften (vgl. BVerfGE 5, 85 [144]).BVerfGE 144, 20 (214)
BVerfGE 144, 20 (215)Entscheidend sind die wirklichen Ziele der Partei, nicht die vorgegebenen. Es ist nicht erforderlich, dass eine Partei sich offen zu ihren verfassungswidrigen Zielsetzungen bekennt (vgl. BVerfGE 2, 1 [20]; 5, 85 [144]; zustimmend Seifert, DÖV 1961, S. 81 [83]; Henke, in: Bonner Kommentar, Bd.6, Art.  21 Rn. 357 [November 1991]; Streinz, a.a.O., Art.  21 Rn. 234; Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 536 [Januar 2012]; Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd.1, 6. Aufl. 2012, Art.  21 Rn. 76; Ipsen, a.a.O., Art.  21 Rn. 156; Shirvani, JZ 2014, S. 1074 [1075]). Eine Beschränkung der Feststellung der von einer Partei verfolgten Ziele auf das Programm oder offizielle Erklärungen der Partei ist daher nicht geboten (kritisch Meier, a.a.O., S. 104 ff., 275 ff.), auch wenn das Programm regelmäßig ein wesentliches Erkenntnismittel zur Feststellung der Zielsetzung einer Partei darstellen wird.
b) Neben ihrer Programmatik können sich die Absichten der Partei im Verhalten ihrer Anhänger spiegeln (vgl. BVerfGE 2, 1 [22]). Anhänger sind dabei alle Personen, die sich für eine Partei einsetzen und sich zu ihr bekennen, auch wenn sie nicht Mitglied der Partei sind (vgl. BVerfGE 2, 1 [22]; siehe auch BVerfGE 47, 130 [139]). Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber meint, der Begriff des "Anhängers" verstoße wegen seiner Uferlosigkeit gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, ist dies nicht nachvollziehbar. Aufgrund der vorstehenden Definition ist eine Unterscheidung zwischen Anhängern und Nichtanhängern einer Partei ohne weiteres möglich.
Allerdings kann nicht jegliches Verhalten von Anhängern einer Partei zugerechnet werden. Eine Zurechnung ist insbesondere problematisch, wenn die Partei keinerlei Möglichkeit hat, das Verhalten zu beeinflussen. Entscheidend ist daher, dass in dem Verhalten des jeweiligen Anhängers der politische Wille der betroffenen Partei erkennbar zum Ausdruck kommt. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn das Verhalten eine in der Partei vorhandene Grundtendenz widerspiegelt oder die Partei sich das Verhalten ausdrücklich zu eigen macht. Folglich ist eine differenzierte Betrachtung geboten.
aa) Zuzurechnen ist einer Partei grundsätzlich die Tätigkeit ihBVerfGE 144, 20 (215)BVerfGE 144, 20 (216)rer Organe, besonders der Parteiführung und leitender Funktionäre (vgl. Streinz, a.a.O., Art.  21 Rn. 237; Morlok, a.a.O., Art.  21 Rn. 152 [Fn. 535]). Auch die Tätigkeit von Publikationsorganen der Partei und das Verhalten führender Funktionäre von Teilorganisationen können ihr ohne weiteres zugerechnet werden.
bb) Bei Äußerungen oder Handlungen einfacher Mitglieder ist eine Zurechnung nur möglich, wenn diese in einem politischen Kontext stehen und die Partei sie gebilligt oder geduldet hat. Steht die Äußerung oder Handlung in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Parteiveranstaltung oder sonstigen Parteiaktivitäten, liegt eine Zurechnung nahe, insbesondere wenn eine Distanzierung durch die Partei unterbleibt. Fehlt ein organisatorischer Zusammenhang mit einer Parteiaktivität, muss es sich um eine politische Äußerung oder Handlung des Parteimitglieds handeln, welche von der Partei trotz Kenntnisnahme geduldet oder gar unterstützt wird, obwohl Gegenmaßnahmen (Parteiausschluss, Ordnungsmaßnahmen) möglich und zumutbar wären (vgl. Streinz, a.a.O., Art.  21 Rn. 237; Kunig, a.a.O., Art.  21 Rn. 77 f.; Morlok, a.a.O., Art.  21 Rn. 152 [Fn. 531]).
cc) Bei Anhängern, die nicht der Partei angehören, ist grundsätzlich eine -- wie auch immer geartete -- Beeinflussung oder Billigung ihres Verhaltens durch die Partei notwendige Bedingung für die Zurechenbarkeit. Regelmäßig sind eigene, das Verhalten der Anhänger beeinflussende oder rechtfertigende Aktivitäten der Partei erforderlich. Ein genereller Ausschluss der Zurechnung des Verhaltens einzelner Anhänger widerspricht dem Wortlaut von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG und kommt auch deshalb nicht in Betracht, da es der Partei die Möglichkeit eröffnen würde, sich vom Verhalten derjenigen, die sie maßgeblich beeinflusst hat, mit dem formalen Hinweis darauf zu entlasten, es handele sich nicht um ihre Mitglieder. Allerdings müssen konkrete Tatsachen vorliegen, die es rechtfertigen, das Anhängerverhalten als Ausdruck des Parteiwillens anzusehen. Eine bloß nachträgliche Gutheißung wird für eine Zurechnung des Anhängerverhaltens nur ausreichen, wenn die Partei sich dieses damit erkennbar als Teil ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu eigen macht.BVerfGE 144, 20 (216)
BVerfGE 144, 20 (217)dd) Begehen Parteianhänger Straftaten, ist dies im Parteiverbotsverfahren nur relevant, soweit diese im Zusammenhang mit den Schutzgütern des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG stehen. Nur eine Straftat, die einen politischen Hintergrund hat, kann die verfassungsfeindlichen Bestrebungen einer Partei belegen. Außerdem können Einzeltaten oder die Taten weniger einer Partei nicht zugerechnet werden, wenn sie nicht als Ausdruck des Parteiwillens angesehen werden können. Straftaten einfacher Mitglieder oder sonstiger Anhänger können der Partei nach diesem Maßstab nur zugerechnet werden, wenn diese erkennbar von der Partei beeinflusst sind und die Partei sich davon trotz Kenntnisnahme nicht distanziert beziehungsweise die Straftaten sogar gutheißt.
ee) Die pauschale Zurechnung von Straf- und Gewalttaten ohne konkreten Zurechnungszusammenhang scheidet aus. Insbesondere erlaubt -- entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung -- die Schaffung oder Unterstützung eines bestimmten politischen Klimas allein nicht die Zurechnung strafbarer Handlungen, die in diesem politischen Klima begangen werden. Es bedarf vielmehr der konkreten Feststellung, ob das strafbare Handeln als Teil der verfassungswidrigen Bestrebungen der Partei anzusehen ist. Eine Zurechnung von Straftaten Dritter im Rahmen von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG kommt zum Beispiel in Betracht, wenn die Partei sachliche oder organisatorische Hilfe geleistet hat, personelle Verknüpfungen zwischen der Partei und der handelnden Gruppierung bestehen oder Parteimitglieder an der jeweiligen Tat beteiligt waren.
ff) Parlamentarische Äußerungen können einer Partei im Verbotsverfahren zugerechnet werden. Der Grundsatz der Indemnität (Art.  46 Abs.  1 Satz 1 GG; zur inhaltsgleichen Regelung auf Landesebene: Art.  24 Abs.  1 Satz 1 LV Mecklenburg-Vorpommern, Art.  55 Abs.  1 Satz 1 LV Sachsen) führt im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin hier zu keiner anderen Beurteilung.
Nach Art.  46 Abs.  1 Satz 1 GG darf ein Abgeordneter wegen einer parlamentarischen Äußerung weder gerichtlich oder dienstlich verfolgt noch sonst zur Verantwortung gezogen werden. DerBVerfGE 144, 20 (217) BVerfGE 144, 20 (218)Indemnitätsschutz verbietet demgemäß jede beeinträchtigende Maßnahme außerhalb des Parlaments als Folge innerparlamentarischen Verhaltens eines Abgeordneten (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  46 Rn. 45 [Mai 2008]; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd.2, 3. Aufl. 2015, Art.  46 Rn. 18). Nach seinem Wortlaut und seinem Sinn und Zweck, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern und den Abgeordneten zu schützen (vgl. BVerfGE 104, 310 [332]), ist Art.  46 Abs.  1 Satz 1 GG weit zu verstehen. Daher kommt es für seine Anwendbarkeit nicht darauf an, ob eine staatliche Sanktion sich als unmittelbare Folge des parlamentarischen Handelns darstellt (vgl. BVerfGE 134, 141 [183 f. Rn. 124]). Aus diesem Grund schließt der Umstand, dass ein Mandatsverlust im Falle eines auf parlamentarische Äußerungen gestützten Parteiverbots eine nur mittelbar eintretende Folge des parlamentarischen Handelns darstellt, die Anwendbarkeit von Art.  46 Abs.  1 Satz 1 GG nicht grundsätzlich aus.
Allerdings stehen sich Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG und Art.  46 Abs.  1 Satz 1 GG gleichrangig gegenüber. Daher ist bei der Auslegung von Art.  46 Abs.  1 Satz 1 GG die Grundentscheidung der Verfassung für die "streitbare Demokratie" in Rechnung zu stellen (vgl. insoweit zu Art.  10 GG: BVerfGE 30, 1 [19]) und zwischen dem Indemnitätsschutz gemäß Art.  46 GG und dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gemäß Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG ein Ausgleich nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz herzustellen. Es bedarf somit bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei gemäß Art.  21 Abs.  2 GG der Außerachtlassung der parlamentarischen Äußerungen ihrer Abgeordneten nicht, zumal diese regelmäßig in besonderer Weise geeignet sind, die von einer Partei verfolgten Ziele und Konzepte nachzuvollziehen. Dem Indemnitätsschutz kann vielmehr bei der Entscheidung über den Mandatsverlust als Folge eines Parteiverbots Rechnung getragen werden. Zwar mag nicht auszuschließen sein, dass bei einem Abgeordneten ein Mandatsverlust ausnahmsweise auch als Folge des Parteiverbots eintreten kann, wenn sich die von der verbotenen Partei verfolgten verfassungswidrigen Ziele allein oder maßgeblich aufgrund seiner parlamentarischenBVerfGE 144, 20 (218) BVerfGE 144, 20 (219)Äußerungen ergeben. Einer Verwertung der Äußerungen im Parteiverbotsverfahren steht dies aber nicht entgegen.
4. Eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung einer Partei reicht für die Anordnung eines Parteiverbots gemäß Art.  21 Abs.  2 GG nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass die Partei auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung "ausgeht". Ein solches "Ausgehen" setzt bereits begrifflich ein aktives Handeln voraus. Das Parteiverbot ist kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot (a). Notwendig ist vielmehr ein Überschreiten der Schwelle zur Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die Partei. Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung (b) setzt dies ein planvolles Handeln voraus, das im Sinne einer qualifizierten Vorbereitungshandlung auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder auf die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist (c). Dass dadurch eine konkrete Gefahr für die durch Art.  21 Abs.  2 GG geschützten Rechtsgüter begründet wird, ist nicht erforderlich (d). Allerdings bedarf es konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die einen Erfolg des gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Handelns zumindest möglich erscheinen lassen (e).
a) Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des "Darauf Ausgehens" ist den Wertentscheidungen der Verfassung für die Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses (Art.  20 Abs.  1 und Abs.  2 Satz 1 GG), die politische Meinungsfreiheit (Art.  5 Abs.  1 GG) und die Parteienfreiheit (Art.  21 Abs.  1 GG) Rechnung zu tragen. Der mit einem Parteiverbot verbundene Eingriff in diese Verfassungsgüter ist nur zulässig, soweit der Schutzzweck des Art.  21 Abs.  2 GG dies gebietet. Daher ist erforderlich, dass eine Partei sich durch aktives Handeln für ihre Ziele einsetzt und damit auf eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland hinwirkt.BVerfGE 144, 20 (219)
BVerfGE 144, 20 (220)Anders als die Antragsgegnerin meint, besteht aber keine verfassungsrechtliche Vermutung, dass sich eine parteipolitische Organisation, die eine demokratische Binnenstruktur aufweist, auch im externen Bereich demokratisch verhält. Auch wenn die innere Ordnung einer Partei der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art.  21 Abs.  1 Satz 3 GG entspricht, ist nicht ausgeschlossen, dass die Partei nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger auf eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgeht.
Art.  21 Abs.  2 GG sanktioniert nicht Ideen oder Überzeugungen. Die Vorschrift beinhaltet kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot, sondern ein Organisationsverbot (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  21 Rn. 488 [Januar 2012]). Erst wenn eine Partei mit ihren verfassungsfeindlichen Zielen nach außen tritt und gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand des Staates agiert, kommt ein Einschreiten nach Art.  21 Abs.  2 GG in Betracht. Die Partei muss also über das "Bekennen" ihrer eigenen (verfassungsfeindlichen) Ziele hinaus die Grenze zum "Bekämpfen" der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes des Staates überschreiten (vgl. Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 526 [Januar 2012]). Nur ein Verständnis des "Darauf Ausgehens", das der Voraussetzung des Überschreitens dieser Grenze Rechnung trägt, entspricht dem Gebot restriktiver Auslegung von Art.  21 Abs.  2 GG.
b) Zur Bestimmung der Grenze zwischen dem bloßen Bekenntnis der eigenen Überzeugung und der Bekämpfung der Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 GG hat das Bundesverfassungsgericht im KPD-Urteil ausgeführt, dass eine Partei nicht schon dann verfassungswidrig sei, wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht anerkenne, sie ablehne oder ihnen andere entgegensetze. Hinzukommen müsse eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung (vgl. BVerfGE 5, 85 [141]). Weiterhin wird im Urteil darauf verwiesen, dass die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung so weit in Handlungen (dies seien unter Umständen auch programmatische Reden verantwortlicher PerBVerfGE 144, 20 (220)BVerfGE 144, 20 (221)sönlichkeiten) zum Ausdruck kommen müsse, dass sie als planvoll verfolgtes politisches Vorgehen der Partei erkennbar werde. Versuchs- oder Vorbereitungshandlungen im strafrechtlichen Sinne seien hierfür nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 5, 85 [142]). Eine Partei könne auch dann verfassungswidrig im Sinne des Art.  21 Abs.  2 GG sein, wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf bestehe, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können.
c) Das Tatbestandsmerkmal des "Darauf Ausgehens" setzt ein planvolles Handeln im Sinne qualifizierter Vorbereitung einer Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder einer Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland voraus.
aa) Für ein planvolles Vorgehen der Partei ist erforderlich, dass kontinuierlich auf die Verwirklichung eines der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechendes politisches Konzept hingearbeitet wird. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn die einzelne Handlung Ausdruck einer der Partei zuzurechnenden Grundtendenz ist (vgl. BVerfGE 5, 85 [143]). Bestrebungen einzelner Parteianhänger bei sonst loyaler Haltung der Partei zu den Schutzgütern des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG können nicht zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit führen (vgl. BVerfGE 5, 85 [143]). Verfassungswidrige Einzelaktionen berechtigen grundsätzlich nur zu polizei- oder strafrechtlichen Reaktionen. Ein Parteiverbot kommt erst in Betracht, wenn das verfassungsfeindliche Agieren von Parteianhängern sich nicht nur in Einzelfällen zeigt, sondern einer zugrunde liegenden Haltung entspricht, die der Partei in ihrer Gesamtheit zugerechnet werden kann.
bb) Das planvolle Handeln der Partei muss sich darüber hinaus als qualifizierte Vorbereitung im Hinblick auf die Erreichung ihrer gegen die Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 GG gerichteten Ziele darstellen. Erforderlich ist insoweit ein zielorientierter Zusammenhang zwischen eigenen Handlungen und der Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
Ein strafrechtlich relevantes Handeln erfordert Art.  21 Abs.  2BVerfGE 144, 20 (221) BVerfGE 144, 20 (222)GG dagegen nicht. Dies wäre mit dem präventiven Charakter der Norm nicht vereinbar. Das Strafrecht knüpft an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten von Einzelpersonen an. Art.  21 Abs.  2 GG dient demgegenüber der Abwehr künftig möglicher Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand des Staates. Dem Verfassungsgeber genügte ein repressiver Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch strafrechtliche Bestimmungen gerade nicht. Vielmehr wollte er dem wehrhaften Verfassungsstaat die Möglichkeit eröffnen, frühzeitig -- und ohne strafbares Handeln abwarten zu müssen -- tätig zu werden. Die Auffassung, dass ein "Darauf Ausgehen" strafrechtlich relevante Vorbereitungshandlungen im Bereich der Staatsschutzdelikte (vgl. Meier, a.a.O., S. 271 ff.; Morlok, a.a.O., Art.  21 Rn. 150) oder den Einsatz physischen oder psychischen Terrors (vgl. Maurer, AöR 96 [1971], S. 203 [216]) erfordere, geht daher zu weit. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass sich das der Partei zurechenbare Handeln -- unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung -- als gesetzeswidrig darstellt. Eine Partei kann auch dann verfassungswidrig sein, wenn sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele ausschließlich mit legalen Mitteln und unter Ausschluss jeglicher Gewaltanwendung verfolgt. Das Parteiverbot stellt gerade auch eine Reaktion auf die von den Nationalsozialisten verfolgte Taktik der "legalen Revolution" dar, die die Machterlangung mit erlaubten Mitteln auf legalem Weg anstrebte. Auch in diesem Fall soll der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch ein Parteiverbot gemäß Art.  21 Abs.  2 GG frühzeitig möglich sein (vgl. Alter, AöR 140 [2015], S. 571 [577 f.]).
Daher kann auch die Inanspruchnahme grundrechtlich geschützter Freiheiten verbotsrelevant sein. Die "streitbare Demokratie" will gerade den Missbrauch grundrechtlich geschützter Freiheiten zur Abschaffung der Freiheit verhindern. Es kommt im Parteiverbotsverfahren also nicht darauf an, ob eine -- unbenommene -- Betätigung grundrechtlicher Freiheiten vorliegt. Entscheidend ist vielmehr, ob diese sich als qualifizierte Vorbereitung einer Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichenBVerfGE 144, 20 (222) BVerfGE 144, 20 (223)demokratischen Grundordnung darstellt. Ist dies feststellbar, ist ein entsprechendes Verhalten im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 GG zu berücksichtigen.
Setzt ein Parteiverbot demgemäß die Anwendung illegaler oder strafrechtlich relevanter Mittel oder Methoden nicht voraus, können sich daraus dennoch gewichtige Anhaltspunkte sowohl für den Verstoß der Ziele dieser Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung als auch dafür ergeben, dass die Partei auf die Verwirklichung dieser Ziele im Sinne von Art.  21 Abs.  2 GG ausgeht. Lässt sich etwa feststellen, dass Anhänger einer Partei in einer ihr zurechenbaren Weise Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele anwenden, spricht dies dafür, dass die Partei das im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennt und insoweit auf eine Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtete Ziele verfolgt. Zugleich wäre eine der Partei zurechenbare Anwendung oder Billigung von Gewalt ausreichend, um davon ausgehen zu können, dass das Handeln der Partei hinreichend qualifiziert eine Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorbereitet (vgl. Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 533 f. [Januar 2012]).
d) Dass das Handeln der Partei bereits zu einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG führt, ist nicht erforderlich. Dagegen sprechen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Vorschrift.
aa) Nach dem Wortlaut der Norm ist das Tatbestandsmerkmal "Gefährden" ausschließlich auf das Schutzgut "Bestand der Bundesrepublik Deutschland" bezogen. Dass es demgegenüber für die erste Tatbestandsalternative der Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Eintritts einer konkreten Gefahr nicht bedarf, bestätigen die ebenfalls dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dienenden Art.  11 Abs.  2, Art.  87a Abs.  4 Satz 1 und Art.  91 GG. Diese haben für die Anordnung der dort im Einzelnen vorgesehenen Maßnahmen ausdrücklich das Vorliegen einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische GrundBVerfGE 144, 20 (223)BVerfGE 144, 20 (224)ordnung des Bundes oder eines Landes zur Voraussetzung. Dies ist bei Art.  21 Abs.  2 GG nicht der Fall.
bb) Der Verzicht auf das Erfordernis einer konkreten Gefahr in Art.  21 Abs.  2 GG ist Konsequenz des Umstands, dass die Vorschrift sich als Reaktion auf den Aufstieg des Nationalsozialismus und die (vermeintliche) Wehrlosigkeit der Weimarer Reichsverfassung gegenüber den Feinden der Demokratie darstellt (vgl. Rn. 548 ff.). Sie beruht auf der historischen Erfahrung, dass radikale Bestrebungen umso schwieriger zu bekämpfen sind, je mehr sie an Boden gewinnen (vgl. Ipsen, a.a.O., Art.  21 Rn. 171). Außerdem lässt sich der Zeitpunkt, ab dem eine konkrete Gefahr vorliegt, das heißt, ab dem bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder einer Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werden muss, regelmäßig nicht genau bestimmen. Müsste der Eintritt einer konkreten Gefahr abgewartet werden, könnte ein Parteiverbot möglicherweise erst zu einem Zeitpunkt in Betracht kommen, zu dem die betroffene Partei bereits eine so starke Stellung erlangt hat, dass das Verbot nicht mehr durchgesetzt werden kann (vgl. Michael, in: Festschrift für Dimitris Th. Tsatsos, 2003, S. 383 [402]).
cc) Daher zielt Art.  21 Abs.  2 GG darauf ab, nach der Maxime "Wehret den Anfängen" frühzeitig die Möglichkeit des Vorgehens gegen verfassungsfeindliche Parteien zu eröffnen (vgl. BVerfGE 5, 85 [142]). Das Parteiverbotsverfahren hat seiner Natur nach den Charakter einer Präventivmaßnahme (vgl. BVerfGE 5, 85 [142]; 9, 162 [165]; 107, 339 [386]; Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 515 [Januar 2012]). Es zielt nicht auf die Abwehr bereits entstandener, sondern auf die Verhinderung des Entstehens künftig möglicherweise eintretender Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung.
e) Entsprechend dem Ausnahmecharakter des Parteiverbots als präventives Organisations- und nicht als bloßes Weltanschauungs- oder Gesinnungsverbot kann ein "Darauf Ausgehen" allerdings nur angenommen werden, wenn konkrete AnhaltspunkteBVerfGE 144, 20 (224) BVerfGE 144, 20 (225)von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das gegen die Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 GG gerichtete Handeln einer Partei erfolgreich sein kann (Potentialität).
Lässt das Handeln einer Partei dagegen noch nicht einmal auf die Möglichkeit eines Erreichens ihrer verfassungsfeindlichen Ziele schließen, bedarf es des präventiven Schutzes der Verfassung durch ein Parteiverbot als schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde (vgl. BVerfGE 107, 339 [369]) nicht. Ein Parteiverbot kommt vielmehr nur in Betracht, wenn eine Partei über hinreichende Wirkungsmöglichkeiten verfügt, die ein Erreichen der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheinen lassen, und wenn sie von diesen Wirkungsmöglichkeiten auch Gebrauch macht. Ist dies nicht der Fall, fehlt es an einem "Darauf Ausgehen" im Sinne von Art.  21 Abs.  2 GG. An der hiervon abweichenden Definition im KPD-Urteil, nach der es einem Parteiverbot nicht entgegenstehe, wenn für die Partei nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können (vgl. BVerfGE 5, 85 [143]), hält der Senat nicht fest.
Ob ein ausreichendes Maß an Potentialität hinsichtlich der Erreichung der von einer Partei verfolgten Ziele besteht, ist im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung festzustellen. Dabei sind die Situation der Partei (Mitgliederbestand und -entwicklung, Organisationsstruktur, Mobilisierungsgrad, Kampagnenfähigkeit, finanzielle Lage), ihre Wirkkraft in die Gesellschaft (Wahlergebnisse, Publikationen, Bündnisse, Unterstützerstrukturen), ihre Vertretung in Ämtern und Mandaten, die von ihr eingesetzten Mittel, Strategien und Maßnahmen sowie alle sonstigen Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss darüber zu geben vermögen, ob eine Umsetzung der von der Partei verfolgten Ziele möglich erscheint. Erforderlich ist, dass sich ein hinreichendes Maß an konkreten und gewichtigen Anhaltspunkten ergibt, die den Rückschluss auf die Möglichkeit erfolgreichen Agierens der Partei gegen die Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG rechtBVerfGE 144, 20 (225)BVerfGE 144, 20 (226)fertigen. Dabei sind sowohl die Erfolgsaussichten einer bloßen Beteiligung der Partei am politischen Meinungskampf als auch die Möglichkeit einer Durchsetzung der politischen Ziele der Partei mit sonstigen Mitteln in Rechnung zu stellen.
Versucht eine Partei ihre verfassungswidrigen Ziele durch den Einsatz von Gewalt oder die Begehung von Straftaten durchzusetzen, ist die Anforderung des "Darauf Ausgehens" regelmäßig erfüllt. Die Anwendung von Gewalt beinhaltet neben der Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols einen schwerwiegenden Eingriff in das Prinzip freier und gleichberechtigter Teilhabe an der politischen Willensbildung. Sie indiziert auch eine gewisse Potentialität hinsichtlich der Erreichung der von der Partei verfolgten Ziele. Die Anwendung von Gewalt ist daher bereits für sich genommen hinreichend gewichtig, um die Annahme der Möglichkeit erfolgreichen Agierens gegen die Schutzgüter des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG zu rechtfertigen. Gleiches gilt, wenn eine Partei unterhalb der Ebene strafrechtlich relevanten Verhaltens in einer die Freiheit des politischen Willensbildungsprozesses einschränkenden Weise handelt. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Partei eine "Atmosphäre der Angst" oder der Bedrohung herbeiführt, die geeignet ist, die freie und gleichberechtigte Beteiligung aller am Prozess der politischen Willensbildung nachhaltig zu beeinträchtigen. Ausreichend ist es dabei, wenn derartige Beeinträchtigungen in regional begrenzten Räumen herbeigeführt werden. Erforderlich ist allerdings, dass das Agieren der Partei objektiv geeignet ist, die Freiheit der politischen Willensbildung zu beschränken. Rein subjektive Bedrohungsempfindungen reichen insoweit nicht.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist für ein "Darauf Ausgehen" nicht ausreichend, dass die Äußerungen einer Partei darauf angelegt sind, politisch verwirklicht zu werden, und ihnen insoweit eine handlungsleitende Qualität zukommt; dies ist bei den Äußerungen einer politischen Partei ausnahmslos der Fall. Erforderlich ist vielmehr, dass konkrete Anhaltspunkte von Gewicht bestehen, die einen Erfolg der mit der Verbreitung des verBVerfGE 144, 20 (226)BVerfGE 144, 20 (227)fassungswidrigen Gedankenguts der Partei verbundenen Handlungsaufforderung möglich erscheinen lassen.
5. Neben den dargestellten Voraussetzungen eines Parteiverbots ist im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 GG für die Annahme weiterer (ungeschriebener) Tatbestandsmerkmale kein Raum. Weder kommt der Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus eine die Tatbestandsmerkmale des Art.  21 Abs.  2 GG ersetzende Funktion zu (a), noch findet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Parteiverbotsverfahren Anwendung (b).
a) Ist die Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus feststellbar (aa), rechtfertigt dies für sich genommen die Anordnung eines Parteiverbots nicht (bb). Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Vereinsverboten (cc) oder der gegenbildlich identitätsprägenden Bedeutung des Nationalsozialismus für das Grundgesetz (dd). Allerdings kommt der Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus erhebliche indizielle Bedeutung hinsichtlich der Verfolgung verfassungsfeindlicher, auf eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichteter Ziele einer Partei zu (ee).
aa) Ob eine Partei eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist, ist unter Rückgriff auf deren politisches Programm, die inneren Organisationsstrukturen und das Auftreten der Partei und ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit zu bestimmen (vgl. BVerfGE 2, 1 [40 ff.]; BVerwGE 134, 275 [292 f.]; BVerwG, Urteil vom 30. August 1995 -- 1 A 14.92 --, NVwZ 1997, S. 66 [67]; Urteil vom 19. Dezember 2012 -- 6 A 6.11 --, NVwZ 2013, S. 870 [871]; Beschluss vom 21. Mai 2014 -- 6 B 24.14 --, juris, Rn. 20). Entscheidend kommt es dabei darauf an, ob eine Partei sich der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus verbunden fühlt. Diese Verbundenheit kann insbesondere in der Verwendung nationalsozialistischer Symbole, der positiven historischen Bewertung des Nationalsozialismus und seiner führenden Repräsentanten oder der Leugnung der von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen Ausdruck finden.
bb) Die bloße Wesensverwandtschaft mit dem NationalsozialisBVerfGE 144, 20 (227)BVerfGE 144, 20 (228)mus vermag jedoch die Anordnung eines Parteiverbots ohne Prüfung des Vorliegens der einzelnen tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG nicht zu rechtfertigen. Der Ausnahmecharakter der Norm und das Gebot restriktiver Auslegung (vgl. Rn. 523 ff.) schließen aus, die Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus als ungeschriebenes, den Anwendungsbereich der Norm erweiterndes Tatbestandsmerkmal anzusehen.
cc) Dem steht auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art.  9 Abs.  2 GG nicht entgegen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob den einschlägigen Entscheidungen entnommen werden kann, dass die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus ausreicht, um eine Vereinigung zu verbieten. Zwar stellt das Bundesverwaltungsgericht einerseits fest, dass es für eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend sei, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung untergraben wolle (vgl. BVerwGE 134, 275 [292 f.]; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2012 -- 6 A 6.11 --, NVwZ 2013, S. 870 [871]). Andererseits führt es im Anschluss daran aber stets eine gesonderte Prüfung des Vorliegens einer "kämpferisch-aggressiven Haltung" der jeweiligen Vereinigung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung durch (vgl. BVerwGE 134, 275 [304 ff.]; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2012 -- 6 A 6.11 --, NVwZ 2013, S. 870 [874]).
Außerdem stehen einer Übertragung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art.  9 Abs.  2 GG auf Parteiverbote gemäß Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG die Unterschiede in der tatbestandlichen Ausgestaltung beider Normen entgegen: Während es nach dem Wortlaut von Art.  9 Abs.  2 GG ausreicht, dass die Vereinigung sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, setzt Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG voraus, dass eine Partei darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Vor allem aber ist Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG lex specialis zu Art.  9 Abs.  2 GG (vgl. BVerfGE 2, 1 [13 f.]; siehe auch BVerfGE 12, 296 [304]; 13, 174 [177]; 17, 155 [166]; Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 511 [Dezember 2014]; Morlok, in: Dreier, GG, Bd.2,BVerfGE 144, 20 (228) BVerfGE 144, 20 (229)3. Aufl. 2015, Art.  21 Rn. 143). Vereinigungen und politische Parteien unterscheiden sich dadurch voneinander, dass Vereinigungen ausschließlich Grundrechtsträger sind, während den Parteien durch Art.  21 Abs.  1 GG zusätzlich ein eigener verfassungsrechtlicher Status zuerkannt und ihnen die Aufgabe der Mitwirkung an der politischen Willensbildung zugewiesen ist. Dies schließt eine Übertragung der für Verbote gemäß Art.  9 Abs.  2 GG entwickelten Maßstäbe auf Parteiverbote gemäß Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG aus.
dd) Etwas anderes folgt auch nicht aus der gegenbildlich identitätsprägenden Bedeutung des Nationalsozialismus für das Grundgesetz (vgl. BVerfGE 124, 300 [327 f.]). Zwar ist davon auszugehen, dass die menschenverachtende Gewalt- und Willkürherrschaft des Nationalsozialismus für die Ausgestaltung der Verfassungsordnung von wesentlicher Bedeutung war, so dass das Grundgesetz geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes angesehen werden kann (vgl. BVerfGE 124, 300 [328]). Allerdings resultiert aus diesem Umstand kein allgemeines antinationalsozialistisches Grundprinzip (vgl. BVerfGE 124, 300 [330]; siehe hierzu: Lepsius, Jura 2010, S. 527 [533]; Degenhart, JZ 2010, S. 306 [310]; Höfling/Augsberg, JZ 2010, S. 1088 [1095]; Masing, JZ 2012, S. 585 [589 f.]). Folglich reicht die Identifikation mit oder die Nähe zum Nationalsozialismus nicht, um ungeachtet des Wortlauts der einzelnen Bestimmungen des Grundgesetzes Grundrechte oder sonstige verfassungsrechtliche Gewährleistungen einzuschränken.
Es kann deshalb dahinstehen, ob der Verfassungsgeber bei der Verabschiedung von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG ausschließlich das Ziel einer Verhinderung des Wiedererstarkens nationalsozialistischer Kräfte vor Augen hatte oder ob vor dem Hintergrund der damaligen politischen Entwicklung eine generell antitotalitäre Motivation handlungsleitend war (vgl. Schaefer, DÖV 2010, S. 379 [386]; Handschell, BayVBl 2011, S. 745 [749]). Auch falls Art.  21 Abs.  2 GG ausschließlich eine verfassungsunmittelbare Antwort auf die historische Erfahrung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes sein sollte, hat der Verfassungsgeber darauf verBVerfGE 144, 20 (229)BVerfGE 144, 20 (230)zichtet, die Norm spezifisch antinationalsozialistisch auszugestalten. Vielmehr beinhaltet sie im Interesse bestmöglichen Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Absage an totalitäre Bestrebungen jeglicher Art (vgl. Höfling/Augsberg, JZ 2010, S. 1088 [1094]). Folglich gelten für alle Parteien die gleichen, in Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG festgeschriebenen Voraussetzungen für die Anordnung eines Verbots. Der Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus kann damit keine tatbestandsersetzende Bedeutung im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 GG zukommen.
ee) Allerdings ist bei der Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG die Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus zu berücksichtigen. So können sich aus der Glorifizierung der NSDAP oder der Verharmlosung der durch die Nationalsozialisten begangenen Verbrechen Rückschlüsse auf die von einer Partei verfolgten -- und aus ihrer Programmatik möglicherweise nur unvollkommen ablesbaren -- wirklichen Ziele ergeben. Auch verstoßen die zentralen Prinzipien des Nationalsozialismus (Führerprinzip, ethnischer Volksbegriff, Rassismus, Antisemitismus) gegen die Menschenwürde und verletzen zugleich das Gebot gleichberechtigter Teilhabe aller Bürger am politischen Willensbildungsprozess sowie -- aufgrund des Führerprinzips -- den Grundsatz der Volkssouveränität. Daher stellt die Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus ein Indiz dafür dar, dass diese Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Ziele verfolgt. Eine vergleichbare Bedeutung kann der Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus hingegen mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal des "Darauf Ausgehens" nicht zuerkannt werden. Dieses ist handlungsbezogen. Hierfür vermag eine Verbundenheit mit nationalsozialistischem Gedankengut grundsätzlich keine Hinweise zu geben.
b) Einer gesonderten Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Parteiverbotsverfahren bedarf es nicht. Zwar schließt der Grundsatz restriktiver Auslegung des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG einen Rückgriff auf den Grundsatz der VerhältnismäBVerfGE 144, 20 (230)BVerfGE 144, 20 (231)ßigkeit nicht aus, da dieser allenfalls zu einer Verengung des Anwendungsbereichs der Vorschrift führen würde. Auch führt der Hinweis des Antragstellers, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz finde im Staatsorganisationsrecht keine Anwendung (vgl. dazu für den Bereich der Kompetenzabgrenzung: BVerfGE 79, 311 [341]; 81, 310 [338]; 84, 25 [31]; siehe auch: Sachs, in: ders., GG, 7. Aufl. 2014, Art.  20 Rn. 147; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd.2, 3. Aufl. 2015, Art.  20 [Rechtsstaat] Rn. 188), im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter, weil die Parteien nicht der Sphäre organisierter Staatlichkeit zuzuordnen sind. Vielmehr handelt es sich dabei um "frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen", die dazu berufen sind, "bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken und in den Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit hineinzuwirken", ohne diesem Bereich jedoch selbst anzugehören (vgl. BVerfGE 20, 56 [100 f.]; 121, 30 [53]).
Der Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Parteiverbotsverfahren steht aber entgegen, dass der Verfassungsgeber in Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG eine abschließende Regelung getroffen hat, die für eine gesonderte Verhältnismäßigkeitsprüfung keinen Raum lässt. Der Rückgriff auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt nur in Betracht, soweit das handelnde Staatsorgan überhaupt über Handlungs- und Entscheidungsspielräume verfügt. Ist hingegen eine zu treffende Maßnahme rechtlich bindend vorgegeben und fehlt es sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch hinsichtlich des "Wie" an alternativen Entscheidungsmöglichkeiten, ist die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgeschlossen (vgl. Sachs, a.a.O., Art.  20 Rn. 148). Der Verfassungsgeber hat in Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG normiert, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend die Verfassungswidrigkeit der Partei festzustellen ist. Entscheidungsspielräume, die die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ermöglichen würden, bestehen nicht (vgl. auch Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 470 f.; Schmidt, Die Freiheit verfassungswidriger Parteien und Vereinigungen, 1983, S. 163 ff.;BVerfGE 144, 20 (231) BVerfGE 144, 20 (232)Koch, DVBl 2002, S. 1388 [1389 f.]; Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 513 f. [Januar 2012], 558 [Dezember 2014]; Kunig, a.a.O., Art.  21 Rn. 72).
aa) Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. Klein, a.a.O., Art.  21 Rn. 558 [Dezember 2014]; a.A. Shirvani, JZ 2014, S. 1074 [1080 ff.]). Bei den Beratungen der Vorschrift im Parlamentarischen Rat war zwar erwogen worden, die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei in das Ermessen des Bundesverfassungsgerichtes zu stellen, da man dem Gericht nicht vorschreiben solle, wie es zu urteilen habe, und es geboten sein könne, auf ein Verbot zu verzichten, da eine nicht verbotene Partei leichter zu kontrollieren sein könnte (vgl. Parlamentarischer Rat, Organisationsausschuss, Wortprotokolle 6. bis 9. Sitzung, Teil 1, Bd.9b, 6. Sitzung, S. 32). Letztlich setzte sich aber die Auffassung durch, dass verfassungswidrige Parteien nicht zu dulden seien (vgl. Parlamentarischer Rat, a.a.O., S. 31, 39) und daher eine Formulierung vorzuziehen sei, die das Bundesverfassungsgericht binde, damit es Verstöße aller Parteien gleichmäßig ahnde (vgl. Parlamentarischer Rat, a.a.O., S. 37).
bb) Dem steht nicht entgegen, dass der Senat bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Norm die Freiheitsgarantien und Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen und mit dem Schutzzweck der Norm "ins Verhältnis zu setzen" hat, um Widersprüche zu vermeiden und die größtmögliche Konkordanz der betroffenen Rechtsgüter herbeizuführen. Dies ist aber Teil der Normauslegung und von einer eigenständigen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu unterscheiden.
cc) Die für eine gesonderte Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Verhängung eines Parteiverbots vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen.
(1) Soweit geltend gemacht wird, die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei auch sonst keine Frage des Vorliegens der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen, vielmehr sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bei GeBVerfGE 144, 20 (232)BVerfGE 144, 20 (233)fahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung die Art und Schwere der Sanktionen nach dem konkreten Gefahrenpotential zu bestimmen (so Schliesky, in: Isensee/Kirchhof, HStR XII, 3. Aufl. 2014, § 277 Rn. 38), ist dem entgegenzuhalten, dass im Fall des Parteiverbots die tatbestandlichen Voraussetzungen für den staatlichen Eingriff nicht einfachgesetzlich, sondern verfassungsrechtlich normiert sind und Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG bei deren Vorliegen die anzuordnende Rechtsfolge verbindlich vorgibt. Dies ist mit der Anwendung einfachen Gesetzesrechts, bei der der Behörde Ermessen auf der Rechtsfolgenseite eröffnet ist (vgl. BVerfGE 113, 63 [80]), nicht vergleichbar.
(2) Soweit die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vertreten wird, um damit die Forderung nach dem Vorliegen einer -- teilweise unter Rückgriff auf polizeirechtliche Kategorien spezifizierten -- Gefahr zu begründen (Groh, ZRP 2000, S. 500 [505]; Emek/Meier, RuP 2013, S. 74 [77 ff.]), steht dem der Präventionscharakter des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG entgegen (vgl. Rn. 581 ff.). Dies gilt auch für die aus dem Umweltrecht entliehene Vorstellung einer "nachhaltigen" Gefahr (Michael, a.a.O., S. 383 [403 ff.]). Die Forderung nach dem Vorliegen einer (konkreten oder nachhaltigen) Gefahr vermag eine verfassungsrechtlich fundierte Begründung für die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Parteiverbotsverfahren entgegen dem Wortlaut von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG nicht zu ersetzen.
(3) Soweit die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes postuliert wird, um daraus die Forderung nach vorrangiger Bekämpfung verfassungswidriger Parteien mit sonstigen politischen oder administrativen Mitteln (Beobachtung, öffentliche Aufklärung, politische Auseinandersetzung, Infragestellung der staatlichen Parteienfinanzierung) abzuleiten (vgl. Pforr, ThürVBl 2002, S. 149 [153]; Kumpf, DVBl 2012, S. 1344 [1346 f.]; Shirvani, JZ 2014, S. 1074 [1082]), handelt es sich um Fragen der politischen Opportunität der Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens. Für die Entscheidung über einen bereits gestellten Parteiverbotsantrag durch das Bundesverfassungsgericht sind diese jedoch ohne Belang.BVerfGE 144, 20 (233)
BVerfGE 144, 20 (234)III.
 
Die aus den dargelegten Maßstäben sich ergebenden Anforderungen an die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei sind mit den Vorgaben, die der EGMR in seiner Rechtsprechung zu Parteiverboten aus der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) abgeleitet hat (1.) und die das Bundesverfassungsgericht als Auslegungshilfe berücksichtigt (vgl. BVerfGE 128, 326 [366 ff.]), ohne weiteres vereinbar (2.).
1. Da es in der EMRK an einer speziellen Regelung der Rechte politischer Parteien fehlt, ist Maßstab für die Konventionskonformität von Parteiverboten vor allem Art.  11 EMRK (vgl. EGMR [GK], United Communist Party of Turkey and Others v. Turkey, Urteil vom 30. Januar 1998, Nr.  133/1996/752/951, §§ 24 ff.; EGMR [GK], Socialist Party and Others v. Turkey, Urteil vom 25. Mai 1998, Nr.  20/1997/804/1007, § 29; EGMR, Yazar and Others v. Turkey, Urteil vom 9. April 2002, Nr.  22723/93 u.a., §§ 30 ff.; EGMR, Parti de la Democratie [DEP] c. Turquie, Urteil vom 10. Dezember 2002, Nr.  25141/94, §§ 28 ff.). In seine Prüfung bezieht der EGMR auf der Rechtfertigungsebene ergänzend die Frage einer Unanwendbarkeit der Konventionsrechte aufgrund Art.  17 EMRK ein (vgl. EGMR [GK], United Communist Party of Turkey and Others v. Turkey, Urteil vom 30. Januar 1998, Nr.  133/1996/752/951, § 60; EGMR [GK], Socialist Party and Others v. Turkey, Urteil vom 25. Mai 1998, Nr.  20/1997/804/1007, §§ 29 und 53; EGMR [GK], Freedom and Democracy Party [ÖZDEP] v. Turkey, Urteil vom 8. Dezember 1999, Nr.  23885/94, § 47).
a) Dabei erkennt der EGMR ausdrücklich die Möglichkeit eines Parteiverbots zum Schutz der Demokratie an. Allerdings müsse dieses den Voraussetzungen des Art.  11 Abs.  2 Satz 1 EMRK genügen, das heißt, gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein (vgl. EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 103; EGMR, Herri Batasuna and Batasuna v. Spain, Urteil vom 30. Juni 2009, Nr.  25803/04 u.a., § 82).
b) Die Notwendigkeit eines Parteiverbots in einer demokratischen Gesellschaft erfordere zunächst, dass dieses einem legitiBVerfGE 144, 20 (234)BVerfGE 144, 20 (235)men Zweck diene. Die insoweit in Betracht kommenden Zwecke seien in Art.  11 Abs.  2 Satz 1 EMRK abschließend aufgeführt (vgl. EGMR [GK], United Communist Party of Turkey and Others v. Turkey, Urteil vom 30. Januar 1998, Nr.  133/1996/752/951, §§ 40 f.; EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 67; EGMR, Herri Batasuna and Batasuna v. Spain, Urteil vom 30. Juni 2009, Nr.  25803/04 u.a., § 64; EGMR, HADEP and Demir v. Turkey, Urteil vom 14. Dezember 2010, Nr.  28003/03, § 44; EGMR, Eusko Abertzale Ekintza -- Acciòn Nacionalista Vasca [EAE-ANV] c. Espagne, Urteil vom 15. Januar 2013, Nr.  40959/09, § 54).
c) Darüber hinaus müsse ein "dringendes soziales Bedürfnis" für ein Parteiverbot bestehen (vgl. EGMR [GK], Socialist Party and Others v. Turkey, Urteil vom 25. Mai 1998, Nr.  20/1997/804/1007, § 49; EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 104).
aa) Ob ein solches vorliege, sei eine Frage des Einzelfalls. Angesichts des tiefgreifenden Eingriffs, der mit einem Verbot für die Partei und die Demokratie als solche verbunden sei, komme ein Verbot aber nur in Betracht, wenn entweder die Partei Ziele verfolge, die mit den fundamentalen Grundsätzen der Demokratie und des Menschenrechtsschutzes nicht vereinbar seien, oder wenn die Mittel, die die Partei einsetze, nicht rechtmäßig und demokratisch seien, insbesondere wenn sie zur Gewalt aufrufe oder deren Einsatz billige (vgl. Theuerkauf, Parteiverbote und die Europäische Menschenrechtskonvention, 2006, S. 260 ff. m.w.N.). Eine Partei dürfe zwar für eine Änderung der gesetzlichen oder sogar der verfassungsrechtlichen Strukturen des Staates eintreten. Sie müsse dabei aber rechtmäßige und demokratische Mittel einsetzen und die vorgeschlagenen Änderungen müssten ihrerseits mit den grundlegenden demokratischen Prinzipien vereinbar sein (vgl. EGMR, Yazar and Others v. Turkey, Urteil vom 9. April 2002, Nr.  22723/93 u.a., § 49; EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 98; EGMR, Parti de la Democratie [DEP] c. Turquie, Urteil vom 10. Dezember 2002, Nr.  25141/94, § 46; EGMR, Parti SocialisteBVerfGE 144, 20 (235) BVerfGE 144, 20 (236)de Turquie [STP] et autres c. Turquie, Urteil vom 12. November 2003, Nr.  26482/95, § 38; EGMR, Herri Batasuna and Batasuna v. Spain, Urteil vom 30. Juni 2009, Nr.  25803/04 u.a., § 79; EGMR, HADEP and Demir v. Turkey, Urteil vom 14. Dezember 2010, Nr.  28003/03, § 61).
bb) Hinsichtlich des Zeitpunkts für die Anordnung eines Parteiverbots erkennt der EGMR die Zulässigkeit eines präventiven Vorgehens ausdrücklich an. Man könne von einem Staat nicht verlangen, erst dann gegen eine politische Partei vorzugehen, wenn sie an die Macht gekommen sei und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung ihrer demokratiewidrigen Politik ergreife, obwohl die Gefahr dieser Politik hinreichend nachgewiesen und unmittelbar sei. Ein Staat müsse vernünftigerweise in der Lage sein, die Verwirklichung eines mit der Konvention unvereinbaren politischen Programms zu verhindern (vgl. EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., §§ 102 f.; EGMR, Herri Batasuna and Batasuna v. Spain, Urteil vom 30. Juni 2009, Nr.  25803/04 u.a., §§ 81 f.). Damit wird den Vertragsstaaten zumindest ein gewisser Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Bestimmung des richtigen Zeitpunkts für ein Parteiverbot eingeräumt (Pabel, ZaöRV 63 [2003], S. 921 [932]).
cc) Ob ein Parteiverbot einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht, stellt der EGMR auf Grundlage einer Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls fest (vgl. EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., §§ 104 f.; EGMR, Herri Batasuna and Batasuna v. Spain, Urteil vom 30. Juni 2009, Nr.  25803/04 u.a., § 83). Zu berücksichtigen seien dabei auch die historischen Erfahrungen und Entwicklungen in dem betreffenden Konventionsstaat (vgl. EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 124; EGMR, Partidul Comunistilor and Ungureanu v. Romania, Urteil vom 3. Februar 2005, Nr.  46626/99, § 58; EGMR, HADEP and Demir v. Turkey, Urteil vom 14. Dezember 2010, Nr.  28003/03, §§ 69 ff.; EGMR, Republican Party of Russia v. Russia, Urteil vom 12. April 2011, Nr.  12976/07, § 127).BVerfGE 144, 20 (236)
BVerfGE 144, 20 (237)d) Schließlich müsse ein Parteiverbot in einem angemessenen Verhältnis zu den mit dem Verbot verfolgten Zielen stehen. Dabei beschränkt der Gerichtshof allerdings die Prüfung der "Angemessenheit" auf die Rechtsfolgenseite und stellt fest, ob die sich aus dem nationalen Recht ergebenden Folgen des Parteiverbots nicht außer Verhältnis zur Schwere der unter dem Punkt dringendes soziales Bedürfnis festgestellten Bedrohung für die Demokratie stehen. In der Regel folgert er aus dem Vorliegen eines dringenden Bedürfnisses auch die Angemessenheit des Verbots (vgl. EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., §§ 133 f.; EGMR, Herri Batasuna and Batasuna v. Spain, Urteil vom 30. Juni 2009, Nr.  25803/04 u.a., § 93; EGMR, Eusko Abertzale Ekintza -- Acciòn Nacionalista Vasca [EAE-ANV] c. Espagne, Urteil vom 15. Januar 2013, Nr.  40959/09, § 81).
Lediglich in zwei Fällen punktueller Befürwortung von Gewalt durch einzelne Parteimitglieder kam der Gerichtshof -- unabhängig vom Vorliegen eines dringenden sozialen Bedürfnisses -- zu dem Ergebnis, dass ein auf dieses Verhalten gegründetes Parteiverbot unangemessen sei (vgl. EGMR, Parti de la Democratie [DEP] c. Turquie, Urteil vom 10. Dezember 2002, Nr.  25141/94, §§ 61 ff. u. 64 ff.; EGMR, Parti pour une société démocratique [DTP] et autres c. Turquie, Urteil vom 12. Januar 2016, Nr.  3840/10 u.a., §§ 101 ff.). Dabei verweist er im Fall der türkischen DTP ausdrücklich darauf, dass im Gegensatz zu den vereinzelten Äußerungen ihrer Mitglieder die Partei als Ganzes sich zu friedlichen und demokratischen Lösungen bekannt habe und dass nicht von einem Einfluss der einzelnen Äußerungen auf die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung ausgegangen werden könne (vgl. EGMR, Parti pour une société démocratique [DTP] et autres c. Turquie, Urteil vom 12. Januar 2016, Nr.  3840/10 u.a., §§ 85 ff., § 98).
2. Hinter diesen durch den EGMR aus Art.  11 Abs.  2 EMRK abgeleiteten Vorgaben für ein Parteiverbot bleibt der dargelegte Maßstab zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei gemäß Art.  21 Abs.  2 GG nicht zurück.BVerfGE 144, 20 (237)
BVerfGE 144, 20 (238)a) Dem Erfordernis einer gesetzlichen Regelung trägt Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG ohne weiteres Rechnung. Auch stellen der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und des Bestandes des Staates legitime Zwecke im Sinne des Art.  11 Abs.  2 EMRK dar. Dabei gehen EGMR und Bundesverfassungsgericht übereinstimmend davon aus, dass eine Partei sich nicht nur gegen einzelne Verfassungsbestimmungen, sondern gegen die fundamentalen Prinzipien des freiheitlichen Verfassungsstaates wenden muss.
b) Bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG ist auch vom Vorliegen eines dringenden sozialen Bedürfnisses für ein Parteiverbot auszugehen. Handelt eine Partei planmäßig im Sinne qualifizierter Vorbereitung einer Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ergibt sich aus konkreten und gewichtigen Anhaltspunkten die Möglichkeit eines Erfolgs dieses Handelns, genügt dies den Anforderungen des EGMR an die Notwendigkeit eines Parteiverbots zum Schutz der demokratischen Gesellschaft gemäß Art.  11 Abs.  2 Satz 1 EMRK. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verweis des EGMR auf das Erfordernis einer hinreichend nachgewiesenen und unmittelbaren Gefahr (vgl. EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 102). Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Meinung (vgl. Emek/Meier, RuP 2013, S. 74 [77]; Morlok, Jura 2013, S. 317 [323 f.]; Bröhmer, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2. Aufl. 2013, Kap. 19 Rn. 103 ff.; wohl auch Grimm, in: Meier, Das Verbot der NPD -- ein deutsches Staatstheater in zwei Akten, 2015, S. 367 [368]) kann dem nicht entnommen werden, dass ein Parteiverbot aus Sicht des EGMR nur konventionskonform ist, wenn bereits eine konkrete Gefahr für die freiheitliche demokratische Ordnung eingetreten ist und ein Erfolg der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei unmittelbar bevorsteht.
Einer solchen Annahme steht bereits entgegen, dass der EGMR in einzelnen Fällen die Billigung terroristischer Akte als ausreichend für ein Parteiverbot angesehen hat, ohne dabei auf die GröBVerfGE 144, 20 (238)BVerfGE 144, 20 (239)ße oder die Bedeutung der verbotenen Regionalparteien und die von diesen ausgehenden Gefahren für die verfassungsmäßige Ordnung abzustellen (vgl. EGMR, Herri Batasuna and Batasuna v. Spain, Urteil vom 30. Juni 2009, Nr.  25803/04 u.a., §§ 85 ff.; EGMR, Eusko Abertzale Ekintza -- Acciòn Nacionalista Vasca [EAE-ANV] c. Espagne, Urteil vom 15. Januar 2013, Nr.  40959/09, §§ 67 ff.). Darüber hinaus bekennt sich der EGMR ausdrücklich zum präventiven Charakter des Parteiverbots und räumt den Staaten hinsichtlich der Bestimmung des Zeitpunkts des Verbots einen Ermessensspielraum ein. Im Zusammenhang mit der Feststellung der Konventionswidrigkeit ausgesprochener Parteiverbote hat er außerdem (ergänzend) darauf hingewiesen, dass die jeweils betroffene Partei keine reale Chance zur Herbeiführung politischer Veränderungen gehabt habe (vgl. EGMR, Yazar and Others v. Turkey, Urteil vom 9. April 2002, Nr.  22723/93 u.a., § 58; EGMR, Parti de la Democratie [DEP] c. Turquie, Urteil vom 10. Dezember 2002, Nr.  25141/94, § 55; EGMR, The United Macedonian Organisation Ilinden-Pirin and Others v. Bulgaria, Urteil vom 20. Oktober 2005, Nr.  59489/00, § 61). Demgemäß ist nicht davon auszugehen, dass aus der Sicht des EGMR das Vorliegen einer konkreten Gefahr für den demokratischen Verfassungsstaat notwendige Voraussetzung für ein Parteiverbot ist (so auch O. Klein, ZRP 2001, S. 397 [401]; Koch, DVBl 2002, S. 1388 [1392 f.]; Pabel, ZaöRV 63 [2003], S. 921 [932]; Sarx, Das Parteiverbotsverfahren der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht im Lichte der Rechtsprechung des EGMR, in: Esser/Harich/Lohse/Sinn, Die Bedeutung der EMRK für die nationale Rechtsordnung, 2004, S. 177 [188 f.]; Kumpf, DVBl 2012, S. 1344 [1345 f.]; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. 2016, § 23 Rn. 95; siehe auch Theuerkauf, a.a.O., S. 257 ff.; Shirvani, JZ 2014, S. 1074 [1082 f.]).
Vielmehr ist -- wie der EGMR ausdrücklich darlegt -- das Vorliegen eines dringenden sozialen Bedürfnisses für ein Parteiverbot auf der Basis einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls und unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Besonderheiten festzustellen (vgl. EGMR [GK], UnitedBVerfGE 144, 20 (239) BVerfGE 144, 20 (240)Communist Party of Turkey and Others v. Turkey, Urteil vom 30. Januar 1998, Nr.  133/1996/752/951, § 59; EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 124; EGMR, Partidul Comunistilor and Ungureanu v. Romania, Urteil vom 3. Februar 2005, Nr.  46626/99, § 58; EGMR, HADEP and Demir v. Turkey, Urteil vom 14. Dezember 2010, Nr.  28003/03, §§ 69 ff.; EGMR, Republican Party of Russia v. Russia, Urteil vom 12. April 2011, Nr.  12976/07, § 127). Daher ist bezogen auf Art.  21 Abs.  2 GG in Rechnung zu stellen, dass der Norm vor allem die historische Erfahrung des Aufstiegs der NSDAP in der Weimarer Republik und das Bemühen zugrunde liegen, eine Wiederholung derartiger Ereignisse durch ein frühzeitiges Einschreiten gegen totalitäre Parteien zu verhindern. Damit ist aber die Vorstellung nicht vereinbar, dass ein Parteiverbot erst in Betracht kommt, wenn eine Partei bereits so weit erstarkt ist, dass bei ungehindertem Geschehensablauf eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht nur möglich erscheint, sondern wahrscheinlich ist. Insoweit ist die Bestimmung eines frühen, den Eintritt konkreter Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht abwartenden Zeitpunkts für ein Parteiverbot in Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG Ausfluss der spezifischen historischen Erfahrung der Etablierung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Vor diesem Hintergrund genügt die Erfüllung der für Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG geltenden Anforderungen -- im Sinne konkreter und gewichtiger Anhaltspunkte, die einen Erfolg des gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Handelns der Partei zumindest möglich erscheinen lassen --, um die Annahme eines dringenden sozialen Bedürfnisses für ein Parteiverbot nach der Rechtsprechung des EGMR zu tragen.
c) Bedenken gegen die Konventionskonformität des für Art.  21 Abs.  2 GG geltenden Maßstabs ergeben sich auch nicht aus den Erwägungen des Gerichtshofs zum Erfordernis der "Angemessenheit" des Verbots einer politischen Partei.
aa) Aus der Sicht des EGMR reicht das Vorliegen eines dringenBVerfGE 144, 20 (240)BVerfGE 144, 20 (241)den sozialen Bedürfnisses grundsätzlich aus, um die Angemessenheit eines Parteiverbots bejahen zu können (vgl. EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 133). Soweit der Gerichtshof ausnahmsweise dennoch das Fehlen der Angemessenheit eines Parteiverbots festgestellt hat, handelt es sich um zwei Fälle punktueller Billigung von Gewaltakten durch einzelne Funktionäre der betroffenen Partei (vgl. EGMR, Parti de la Democratie [DEP] c. Turquie, Urteil vom 10. Dezember 2002, Nr.  25141/94, §§ 61 ff. u. 64 ff.; EGMR, Parti pour une société démocratique [DTP] et autres c. Turquie, Urteil vom 12. Januar 2016, Nr.  3840/10 u.a., §§ 101 ff.). In einer solchen Konstellation wäre auch im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei kein Raum. Es würde bereits an einer der Partei zurechenbaren Grundtendenz der Billigung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung fehlen (vgl. Rn. 576). Im Übrigen dürfte bei bloßen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Äußerungen einzelner Parteimitglieder die im Rahmen des "Darauf Ausgehens" geforderte Potentialität zur Erreichung der angestrebten verfassungswidrigen Ziele nicht gegeben sein. Demgemäß führt der Rückgriff des EGMR auf das Erfordernis der Angemessenheit nicht zu einer Verschärfung im Vergleich zu den im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG zu beachtenden Anforderungen an ein Parteiverbot.
bb) Soweit der EGMR in seiner Entscheidung zum Verbot der DTP unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit auf die nach türkischem Recht gegebene Möglichkeit verweist, statt eines Parteiverbots die Kürzung der staatlichen Zahlungen anzuordnen (vgl. EGMR, Parti pour une société démocratique [DTP] et autres c. Turquie, Urteil vom 12. Januar 2016, Nr.  3840/10 u.a., §§ 101 ff.), stellt dies ebenfalls die Konventionskonformität von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG nicht in Frage. Es ist Sache des jeweiligen nationalen Rechts, unter Berücksichtigung der Anforderungen der EMRK zu regeln, ob und inwieweit gegenüber Parteien, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, Sanktionen ergriffen werden dürfen. Dabei bleibt es dem nationalen Gesetzgeber unbeBVerfGE 144, 20 (241)BVerfGE 144, 20 (242)nommen, völlig auf eine Sanktionierung zu verzichten, gestufte Sanktionsmöglichkeiten zu eröffnen oder sich auf die Sanktion des Parteiverbots zu beschränken.
Konventionskonform ist daher auch das auf differenzierte Sanktionsmöglichkeiten verzichtende Regelungskonzept des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG. Dieser sieht bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm ausschließlich die Feststellung der Verfassungswidrigkeit als Rechtsfolge vor. Unterhalb der Ebene des Parteiverbots liegende Sanktionen -- etwa die Kürzung oder Streichung staatlicher Finanzmittel -- sind nach der geltenden Verfassungslage ausgeschlossen. Daher ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin -- solange der verfassungsändernde Gesetzgeber keine abweichenden Regelungen trifft -- für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des Art.  21 Abs.  2 GG kein Raum (vgl. Rn. 599 ff.). Konventionsrechtlich ist dies unbedenklich, solange die Anordnung eines Parteiverbots den sich aus der Rechtsprechung des EGMR zu Art.  11 Abs.  2 Satz 1 EMRK ergebenden Anforderungen an die Angemessenheit eines Verbots entspricht. Dies ist bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG der Fall.
d) Soweit die Antragsgegnerin aus den "Guidelines on Prohibition and Dissolution of Political Parties and Analogous Measures" der Venedig-Kommission des Europarats vom 10./11. Dezember 1999 (CDL-INF[2000]001; vgl. European Commission for Democracy through Law [Venice Commission], Compilation of Venice Commission Opinions and Reports concerning Political Parties, CDL[2013]045, S. 38) ableitet, dass konventionsrechtliche Voraussetzung für ein Parteiverbot die Verfolgung politischer Ziele mit Gewalt sei und dem im Rahmen von Art.  21 Abs.  2 GG Rechnung getragen werden müsse, verkennt sie, dass es sich bei den Guidelines der Venedig-Kommission um unverbindliche Empfehlungen handelt, die der EGMR sich hinsichtlich der Voraussetzungen eines Parteiverbots nicht zu eigen gemacht hat. Vielmehr beurteilt er das Vorliegen eines dringenden sozialen Bedürfnisses für ein Verbot sowohl anhand der von einer Partei einBVerfGE 144, 20 (242)BVerfGE 144, 20 (243)gesetzten Mittel als auch nach den von ihr verfolgten Zielen (vgl. EGMR, Yazar and Others v. Turkey, Urteil vom 9. April 2002, Nr.  22723/93 u.a., § 51 ff.; EGMR [GK], Refah Partisi and Others v. Turkey, Urteil vom 13. Februar 2003, Nr.  41340/98 u.a., § 98; EGMR, Herri Batasuna and Batasuna v. Spain, Urteil vom 30. Juni 2009, Nr.  25803/04 u.a., § 79; EGMR, HADEP and Demir v. Turkey, Urteil vom 14. Dezember 2010, Nr.  28003/03, § 61). Die Anwendung oder Billigung von Gewalt mag daher eine -- nach den Maßstäben des EGMR -- hinreichende Bedingung für ein Parteiverbot sein. Unverzichtbare Voraussetzung eines den Vorgaben des Art.  11 Abs.  2 Satz 1 EMRK entsprechenden Parteiverbots ist sie hingegen nicht.
IV.
 
Die Anregung der Antragsgegnerin, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art.  267 Abs.  1 Buchstabe a AEUV die von ihr in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, entbehrt einer sachlichen Grundlage.
1. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, Art.  2 EUV, Art.  22 AEUV, Art.  11, 12, 39, 40 GRCh sowie die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr.  2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung seien bei der Durchführung eines Parteiverbotsverfahrens anwendbar. Die genannten Vorschriften führten zur Unzulässigkeit des Verbots einer nationalen Partei, wenn diese mit eigenen Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten sei -- jedenfalls dann, wenn ihr Verbot aufgrund des damit verbundenen Mandatsverlusts dazu führen würde, dass eine politische Partei auf europäischer Ebene wegen Unterschreitens des Mindestquorums des Art.  3 Abs.  1 Buchstabe b Alt. 1 der Verordnung (EG) Nr.  2004/2003 ihre Anerkennung verlöre (vgl. Rn. 283).
2. a) Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes hat indes bereits in seinem Beschluss vom 22. November 2001 (BVerfGE 104, 214) festgestellt, dass der Europäischen Union nach demBVerfGE 144, 20 (243) BVerfGE 144, 20 (244)seinerzeit geltenden Vertragsrecht keine Zuständigkeit zur Regelung des Rechts der politischen Parteien zukommt. Zwar hatte Art.  191 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) die Funktion politischer Parteien auf europäischer Ebene im Prozess der europäischen Integration anerkannt und war insoweit Grundlage für die Bildung gemeinsamer Fraktionen im Europäischen Parlament. Eine Aussage dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine politische Partei durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union verboten werden kann, enthielt das Unionsrecht damit aber nicht. Auch allgemeine Grundsätze des Unionsrechts wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechtsschutz begründen keine vorlagefähige Frage (vgl. BVerfGE 104, 214 [218 f.]).
b) Daran ist auch nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon festzuhalten. Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber darauf verweist, dass diese Erwägungen durch die zwischenzeitlich erfolgte stärkere europäische Integration auch und gerade im Recht der politischen Parteien überholt seien, steht dem entgegen, dass das europäische Primärrecht hinsichtlich des Rechts der politischen Parteien seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 22. November 2001 keine relevanten Änderungen erfahren hat: Zwar ist Art.  10 Abs.  4 EUV an die Stelle von Art.  191 EGV getreten. Er geht in seinem Regelungsgehalt über diesen aber nicht hinaus. Wie dieser beschränkt er sich auf die Feststellung, dass "politische Parteien auf europäischer Ebene [...] zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union" beitragen. Auch die Durchführung der Wahl zum Europäischen Parlament erfolgt unverändert nach nationalem Recht und wirft insoweit keine unionsrechtlichen Fragen auf (vgl. BVerfGE 104, 214 [218]; 129, 300 [317]; 135, 259 [282 f. Rn. 38 ff.]). Die Antragsgegnerin nimmt daher zu Unrecht an, dass wegen der möglichen Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments Art.  11, 12, 39, 40 GRCh auf ein Parteiverbot anzuwenden seien. Eine Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union setzt gemäß Art.  51 Abs.  1 Satz 1 GRChBVerfGE 144, 20 (244) BVerfGE 144, 20 (245)die Durchführung des Rechts der Europäischen Union voraus. Daran fehlt es im Falle eines Verbots politischer Parteien, das ungeachtet reflexhafter Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments ausschließlich nach nationalem Recht erfolgt.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verordnung (EG) Nr.  2004/2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung. Diese wurde aufgrund Art.  191 EGV erlassen und begründet keine über dessen Regelungsgehalt hinausgehenden Zuständigkeiten der Europäischen Union. Ziel der Verordnung ist gemäß Ziffer 2 der Erwägungsgründe die Schaffung eines Regelwerks für politische Parteien auf europäischer Ebene insbesondere hinsichtlich ihrer Finanzierung. Einen Regelungsanspruch mit Blick auf nationale Parteien erhebt die Verordnung nicht; vielmehr geht sie von einer Trennung zwischen nationalen und europäischen politischen Parteien aus. Dies bestätigt insbesondere Art.  7 Abs.  1 der Verordnung, der lautet:
 
BVerfGE 144, 20 (246)D.
 
Nach diesen Maßstäben ist der Verbotsantrag unbegründet. Die Antragsgegnerin strebt zwar nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an (I.). Da aber konkrete Anhaltspunkte von Gewicht fehlen, die ein Erreichen der von der Antragsgegnerin verfolgten Ziele zumindest möglich erscheinen lassen, fehlt es an einem "Darauf Ausgehen" im Sinne von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG (II.).
I.
 
Die Antragsgegnerin missachtet die Grundprinzipien, die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbar sind. Ihre Ziele und das Verhalten ihrer Anhänger verstoßen gegen die Menschenwürde (1.) und den Kern des Demokratieprinzips (2.) und weisen Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus auf (3.). Die Programmatik der Antragsgegnerin ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet (4.).
1. Das politische Konzept der Antragsgegnerin ist mit der Garantie der Menschenwürde im Sinne von Art.  1 Abs.  1 GG nicht vereinbar. Sie akzeptiert die Würde des Menschen als obersten und zentralen Wert der Verfassung nicht, sondern bekennt sich zum Vorrang einer ethnisch definierten "Volksgemeinschaft". Der von ihr vertretene Volksbegriff negiert den sich aus der Menschenwürde ergebenden Achtungsanspruch der Person und führt zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle, die nicht der ethnischen "Volksgemeinschaft" angehören. Ihr Politikkonzept ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, Muslimen, Juden und weiteren gesellschaftlichen Gruppen gerichtet. Dabei mögen einzelne Äußerungen für sich genommen die Grenze der Missachtung der Menschenwürde durch die Antragsgegnerin nicht überschreiten. Die Vielzahl der diffamierenden und die menschliche Würde missachtenden Positionierungen dokumentieren in der Gesamtschau aber, dass es sich nicht um einzelneBVerfGE 144, 20 (246) BVerfGE 144, 20 (247)Entgleisungen, sondern um eine charakteristische Grundtendenz handelt.
Dieses auf eine Missachtung der Menschenwürde zielende politische Konzept der Antragsgegnerin lässt sich bereits ihrem Parteiprogramm entnehmen (a) und wird durch weitere Publikationen und Äußerungen führender Parteifunktionäre bestätigt (b). Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Antragsgegnerin vermögen diesen Befund nicht in Frage zu stellen (c). Folge dieses Konzepts sind menschenverachtende rassistische Positionierungen der Antragsgegnerin gegenüber gesellschaftlichen Gruppen (d).
a) Das Parteiprogramm der Antragsgegnerin ist auf eine Verletzung des Wert- und Achtungsanspruchs angelegt, der sich aus dem Eigenwert und der Würde des zur Freiheit befähigten Menschen ergibt (aa). Dieses Programm muss die Antragsgegnerin sich zurechnen lassen (bb).
aa) Das unter dem Titel "Arbeit. Familie. Vaterland." am 4./5. Juni 2010 in Bamberg verabschiedete Parteiprogramm missachtet die durch die Garantie der Menschenwürde geschützte Subjektqualität des Einzelnen und verletzt den Anspruch auf elementare Rechtsgleichheit.
(1) Die dem Programm vorangestellten "Grundgedanken" lauten zwar: "Gleich sind die Menschen dagegen vor dem Gesetz und in der Unantastbarkeit ihrer Würde". Zugleich wird dieses Bekenntnis zur Menschenwürde aber eingeschränkt, wenn es heißt: "Die Würde des Menschen als soziales Wesen verwirklicht sich vor allem in der Volksgemeinschaft" (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland. -- Das Parteiprogramm der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands [NPD], 2010, S. 5 und 6). Ihrem Verständnis des Vorrangs der "Volksgemeinschaft" entsprechend fordert die Antragsgegnerin als oberstes Ziel deutscher Politik die Erhaltung des durch Abstammung, Sprache, geschichtliche Erfahrungen und Wertvorstellungen geprägten deutschen Volkes. Anzustreben sei die "Einheit von Volk und Staat" und die Verhinderung einer "Überfremdung Deutschlands, ob mit oder ohne Einbürgerung" (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 6). Deutschland müsseBVerfGE 144, 20 (247) BVerfGE 144, 20 (248)das Land der Deutschen bleiben und dort, wo dies nicht mehr der Fall sei, wieder werden. Grundsätzlich dürfe es für Fremde in Deutschland kein Bleiberecht, sondern nur eine Rückkehrpflicht in ihre Heimat geben (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 5).
(2) Auf dieser Grundlage wird von der Antragsgegnerin ein politisches Konzept entwickelt, das vor allem auf die strikte Exklusion und weitgehende Rechtlosstellung aller ethnisch Nichtdeutschen gerichtet ist. Zwar enthält sich das Parteiprogramm einer ausdrücklichen Aussage dazu, inwieweit die den rechtlichen Status abwertenden Forderungen auch auf eingebürgerte Deutsche mit Migrationshintergrund Anwendung finden sollen. Dafür sprechen allerdings die Behauptungen, dass sich in "überfremdeten Wohnvierteln" Deutsche und Angehörige "fremder Völker" zunehmend feindselig gegenüberstünden, Angehörige anderer "Völker" in Deutschland einen Arbeitsplatz nur auf Zeit innehaben könnten, Ziel eines grundlegenden politischen Wandels die Erhaltung der deutschen Volkssubstanz sei und eine "Überfremdung Deutschlands, ob mit oder ohne Einbürgerung" strikt abgelehnt werde (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 6, 12, 13).
(a) Die Geltung der Grundrechte wird ausdrücklich auf alle Deutschen bezogen und die Anwendung des Solidaritätsprinzips auf die Gemeinschaft aller Deutschen beschränkt (Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 10). Demgemäß hätten familienunterstützende Maßnahmen des Staates ausschließlich deutsche Familien zu fördern. Eigentum an deutschem Grund und Boden könne nur von Deutschen erworben werden (Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 7, 9). Im 7. Kapitel "Sozialpolitik als nationale Solidarität" wird gefordert, Ausländer aus dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern und einer gesonderten Ausländersozialgesetzgebung zuzuordnen. Auch an der zu schaffenden einheitlichen Rentenkasse ("Volksrente") sollen Ausländer nicht teilhaben (Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 11 f.).
(b) Im 10. Kapitel ihres Parteiprogramms unter dem Titel "Deutschland den Deutschen" legt die Antragsgegnerin dar, dass durch massenhafte Einbürgerungen das deutsche StaatsbürgerBVerfGE 144, 20 (248)BVerfGE 144, 20 (249)recht aufgeweicht und das Existenzrecht des deutschen Volkes in Frage gestellt würden. Um dem entgegenzuwirken, sei das ursprüngliche, auf dem Abstammungsprinzip fußende Staatsbürgerrecht wieder einzuführen. Die multikulturelle Gesellschaft habe zur Entstehung von Ausländerghettos und oftmals rechtsfreien Räumen geführt, in denen das Leben für viele Deutsche unerträglich sei. Die Antragsgegnerin fordert daher eine gesetzliche Regelung zur Rückführung der hier lebenden Ausländer ("Rückkehrpflicht statt Bleiberecht"). Integration sei Völkermord. Fremdreligiöse Bauten seien zu stoppen; das Grundrecht auf Asyl aus Art.  16a GG sei ersatzlos zu streichen (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 12 f.).
(c) Im 16. Kapitel "Bildung und Kultur" spricht die Antragsgegnerin sich gegen die gemeinsame Unterrichtung deutscher und ausländischer Schüler aus, weil Ausländerkinder mit ihren meist nur mangelhaften Deutschkenntnissen das Unterrichtsniveau absenkten und die Sprach- und Lesefähigkeit auch der deutschen Schüler beeinträchtigten. Die Abgrenzung der Schüler verläuft dabei nicht entlang der Sprachkompetenz, sondern entlang der Volkszugehörigkeit. Ziel ist nach der Formulierung des Programms die Trennung deutscher und ausländischer Kinder und nicht eine bildungspolitisch motivierte Einteilung nach Leistungsstufen (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 16 f.).
(d) Im 17. Kapitel "Reform des Rechtssystems" fordert die Antragsgegnerin einen Volksentscheid über die Wiedereinführung der Todesstrafe und den vollständigen Vollzug lebenslanger Freiheitsstrafen. Der Abschiebung krimineller Ausländer dürften strengere Strafen im Heimatland nicht entgegenstehen. Außerdem sei -- so die Forderung im 18. Kapitel "Innere Sicherheit" -- die Polizeiliche Kriminalstatistik um eine weitere Rubrik für "eingebürgerte Ausländer" neben der bisherigen Ausländer-Kriminalstatistik zu ergänzen (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 18 f.). Auch befürwortet die Antragsgegnerin die Einführung einer deutschlandweiten, öffentlich einsehbaren Sexualstraftäter-Datei sowie die gesetzliche Möglichkeit der Kastration von Pädophilen (Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 19).BVerfGE 144, 20 (249)
BVerfGE 144, 20 (250)(3) Bereits diese im Parteiprogramm der Antragsgegnerin festgeschriebenen Ziele sind mit der Garantie der Menschenwürde nicht vereinbar. Forderungen nach "Kastration von Pädophilen" oder der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen ohne die Möglichkeit, die Freiheit wiederzuerlangen, verkennen den sozialen Wert- und Achtungsanspruch des Einzelnen (vgl. dazu BVerfGE 45, 187 [245]; 64, 261 [272]).
Vor allem aber zielt das Parteiprogramm auf einen rechtlich abgewerteten, nahezu rechtlosen Status aller, die der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" im Sinne der Antragsgegnerin nicht angehören. Grundlage ist der Ausschluss der Nichtdeutschen aus dem Geltungsbereich der Grundrechte (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 18). Soweit die Antragsgegnerin dies mit dem Hinweis bestreitet, die fragliche Textstelle des Programms setze sich lediglich kritisch mit der Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Deutschland auseinander, steht dem bereits entgegen, dass, obwohl es sich nicht um ein Deutschengrundrecht handelt, die Meinungsfreiheit dennoch auf Deutsche begrenzt wird und für eine abweichende Behandlung anderer Grundrechte nichts ersichtlich ist. Außerdem steht im Zentrum des politischen Konzepts die Versagung jeglichen dauerhaften Aufenthaltsrechts für alle Personen, die nicht der "deutschen Volksgemeinschaft" angehören. Auch dadurch werden grundrechtliche Gewährleistungen für die von der Rückkehrpflicht Betroffenen faktisch gegenstandslos. Verbunden mit den -- das Verbot der Ungleichbehandlung wegen der Abstammung oder der Rasse im Sinne von Art.  3 Abs.  3 GG berührenden -- dargelegten Einzelforderungen ergibt sich eine demütigende Ungleichbehandlung von Nichtdeutschen, die diese zum bloßen Objekt staatlichen Handelns macht und ihnen die Anerkennung als grundsätzlich gleichberechtigte Mitglieder der rechtlich verfassten Gemeinschaft verweigert.
bb) Dieses Programm muss die Antragsgegnerin gegen sich gelten lassen. Soweit sie behauptet, einer Verwertung des Programms stehe dessen mangelnde Quellenfreiheit aufgrund der -- vom Antragsteller zugestandenen -- Anwesenheit von neun V-Leuten aufBVerfGE 144, 20 (250) BVerfGE 144, 20 (251)dem Programmparteitag am 4./5. Juni 2010 entgegen, ist dem nicht zu folgen.
(1) Zwar trifft die Auffassung des Antragstellers, das Parteiprogramm entziehe sich einer Kategorisierung im Sinne der Antragsschrift, da es sich bei der Antragsgegnerin um eine juristische Person handele, der nicht wie einer natürlichen Person bestimmte Quellen zugerechnet werden könnten, nicht zu. Dies steht bereits im Widerspruch zu dem übrigen Vortrag des Antragstellers, in dem Beweismittel nicht nur natürlichen Personen, sondern auch Landesverbänden, Kreisverbänden oder sonstigen Teilorganisationen der Antragsgegnerin zugerechnet werden. Ebenso wenig kann der Antragsteller darauf verweisen, dass Parteitagsdelegierte nicht den Führungsebenen der Antragsgegnerin zuzurechnen seien, da es im vorliegenden Zusammenhang nicht auf die Frage der Staatsfreiheit (der Führungsebenen), sondern auf die Quellenfreiheit und damit Verwertbarkeit eines Beweismittels ankommt.
(2) Entscheidend ist vielmehr, dass das Parteiprogramm als Ausdruck eigenständiger unbeeinflusster Willensbildung der Antragsgegnerin anzusehen ist. Dem steht die vom Antragsteller zugestandene Anwesenheit von neun V-Leuten auf dem Programmparteitag der Antragsgegnerin am 4./5. Juni 2010 im Ergebnis nicht entgegen.
(a) Dafür spricht bereits, dass nach dem glaubhaften, durch Testate belegten Vortrag des Antragstellers der vorbereitenden Programmkommission und den Vorständen der das Programm besonders prägenden Landesverbände Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern im entscheidungserheblichen Zeitraum keine V-Leute angehört haben und ein prägender Einfluss einzelner Parteitagsdelegierter auf den Programminhalt weder ersichtlich noch von der Antragsgegnerin vorgetragen ist.
(b) Die Zurechenbarkeit und Verwertbarkeit des Parteiprogramms ergibt sich aber jedenfalls aus dessen inhaltlicher Bestätigung durch die maßgeblichen Führungspersonen der Antragsgegnerin. Das Parteiprogramm sowie dessen Änderungen sind gemäß § 6 Abs.  3 Satz 1 Nr.  1, Satz 2 PartG dem Bundeswahlleiter mitzuteilen. Dieser weist auf seiner Homepage das von der AntragsgegBVerfGE 144, 20 (251)BVerfGE 144, 20 (252)nerin am 4./5. Juni 2010 in Bamberg beschlossene Programm als derzeit gültiges Parteiprogramm der Antragsgegnerin aus (Stand: 17. Juni 2016). Dieses Programm war demgemäß Grundlage der Arbeit der Antragsgegnerin in den vergangenen Jahren. Auch im vorliegenden Verfahren hat sie sich in ihrem schriftsätzlichen Vortrag immer wieder auf dieses Programm berufen und an keiner Stelle davon distanziert. In der mündlichen Verhandlung hat der Parteivorsitzende Franz die Gültigkeit des Programms und seine Übereinstimmung mit den Überzeugungen der Antragsgegnerin ausdrücklich bestätigt. Die Frage, ob es Bestrebungen gebe, das Programm zu ändern, hat er verneint.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin sich das auf dem Programmparteitag in Bamberg beschlossene Parteiprogramm jedenfalls in der Folgezeit zu eigen gemacht hat und dieses Ausdruck ihrer selbstbestimmten Willensbildung und tatsächlichen Überzeugung ist.
b) Die Unvereinbarkeit der von der Antragsgegnerin verfolgten Ziele mit der Menschenwürdegarantie des Art.  1 Abs.  1 GG wird auch durch ihr zurechenbare Publikationen und Äußerungen führender Funktionäre bestätigt. Dabei wird deutlich, dass die Formulierungen des Parteiprogramms die von der Antragsgegnerin verfolgten Ziele nur zurückhaltend beschreiben beziehungsweise kaschieren. Das von ihr vertretene Konzept ethnischer Definition der "Volksgemeinschaft" (aa) hat das Bekenntnis zum Vorrang dieser Gemeinschaft als obersten Wert und die rassistische Ausgrenzung aller ethnisch Nichtdeutschen zur Folge (bb). Gleichzeitig beinhaltet die Programmatik der Antragsgegnerin auch das Ziel einer Rückführung eingebürgerter Deutscher mit Migrationshintergrund in ihre Herkunftsländer (cc).
aa) (1) Der von der Antragsgegnerin vertretene ethnische Volksbegriff wird in der vom Parteivorstand im April 2012 in 2. Auflage herausgegebenen Broschüre "Wortgewandt -- Argumente für Mandats- und Funktionsträger" in den Kapiteln 1.10 und 1.11 ("Wer ist für die NPD ein Deutscher? Was versteht die NPD unter Volk?" und "Für welches Staatsbürgerschaftsrecht tritt die NPD ein?") wie folgt beschrieben:BVerfGE 144, 20 (252)
    BVerfGE 144, 20 (253)"Deutscher ist, wer deutscher Herkunft ist und damit in die ethnisch-kulturelle Gemeinschaft des deutschen Volkes hineingeboren wurde. [...] Ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung bedruckten Papiers (des BRD-Passes) ja nicht die biologischen Erbanlagen verändert, die für die Ausprägung körperlicher, geistiger und seelischer Merkmale von Einzelmenschen und Völkern verantwortlich sind. [...] Angehörige anderer Rassen bleiben deshalb körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, egal, wie lange sie in Deutschland leben. Sie mutieren durch die Verleihung eines Passes ja nicht zu Deutschen. [...]
    Deutscher ist, wer deutsche Eltern hat, also wer deutscher Abstammung ist. Deutsch ist eine ethnische Herkunftsbezeichnung und keine Bezeichnung des zufälligen Geburtsortes, momentanen Wohnortes oder des Passes. [...] Deutscher ist man von Geburt -- oder eben nicht; aber man wird es nicht durch Annahme der Staatsbürgerschaft. [...] [D]ie Staatsbürgerschaft muß an die Volkszugehörigkeit gebunden sein. Wie sagt auch der Volksmund: Blut ist dicker als Tinte. [...]
    Heute haben fast neun Millionen Nichtdeutsche die deutsche Staatsbürgerschaft und können so wirkungsvoll ihre Interessen gegen die Deutschen durchsetzen. [...] "Deutsche afrikanischer Herkunft" oder "Afro-Deutsche" kann es sowenig geben wie schwangere Jungfrauen. Staatsangehörigkeit muß an Volkszugehörigkeit gebunden sein -- für Europäer kann es Ausnahmen geben." (S. 18 ff.)
(2) Die Antragsgegnerin muss sich diese Publikation des Parteivorstands zurechnen lassen. Sie ist von dem ehemaligen Parteivorstandsmitglied und sächsischen Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel verfasst und mit einem Vorwort des damaligen Bundesvorsitzenden der Antragsgegnerin versehen. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 11. April 2016 einen Parteivorstandsbeschluss mit Datum vom 5./6. April 2014 vorgelegt hat, wonach die Verbreitung der Broschüre geBVerfGE 144, 20 (253)BVerfGE 144, 20 (254)stoppt und deren inhaltliche Prüfung angeordnet worden sein soll. Bereits das Datum der angeblichen Beschlussfassung des Parteivorstands vier Monate nach Eingang des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht deutet darauf hin, dass es sich bei dem angeblichen Beschluss um eine prozesstaktisch motivierte Reaktion auf den Verbotsantrag des Antragstellers handelt. Auch erschließt sich nicht, warum die Antragsgegnerin diesen Vorstandsbeschluss erst zwei Jahre nach seiner Fassung und nach Ende der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat. Außerdem hat sie weder die Umsetzung des Beschlusses belegt noch erläutert, aus welchen Gründen die Verbreitung der Broschüre gestoppt wurde beziehungsweise welche Aussagen als fragwürdig oder mit der Haltung des jetzigen Parteivorstands möglicherweise unvereinbar angesehen wurden. Sie hat jedenfalls die vorstehend zitierte Passage auch nach dem angeblichen Vorstandsbeschluss auf ihrer Homepage weiter verbreitet. In der mündlichen Verhandlung hat der Parteivorsitzende der Antragsgegnerin weder die Richtigkeit des Zitats bestritten, noch eine inhaltliche Distanzierung durch Verweis auf den vorgenannten Vorstandsbeschluss oder in sonstiger Weise erkennen lassen.
(3) Dass die ethnische Definition der "deutschen Volksgemeinschaft" und der damit verbundene dauerhafte Ausschluss "ethnisch Nichtdeutscher" aus dieser Gemeinschaft eine Grundüberzeugung der Antragsgegnerin darstellt, wird durch weitere, ihr zurechenbare Aussagen bestätigt.
(a) So formuliert der Landesverband Berlin der Antragsgegnerin:
    BVerfGE 144, 20 (255)"Deutsch sein heißt zum deutschen Volk zu gehören und zwar nicht durch Einbürgerungsurkunde, sondern durch Geburt und Abstammung. Deutscher ist man durch sein Blut und durch nichts anderes! Seid also dankbar und stolz, deutsche Frauen und deutsche Männer, daß ihr die Gnade der deutschen Geburt in die Wiege gelegt bekamt. Diese "Neudeutschen" können sich noch so anstrengen, niemals werden Deutsche aus ihnen werden können! Und das sieht man auch ganz deutlich!"
(1) (a) So formuliert der Bundesschulungsleiter der JN D. in einem Artikel auf der Homepage der JN (www.aktion-widerstand. de) am 13. Januar 2011:
(c) In einem "Leitfaden -- Politische Grundbegriffe", der in zweiBVerfGE 144, 20 (255) BVerfGE 144, 20 (256)Teilen von der Bundesführung der JN im Januar 2013 herausgegeben wurde, wird dargelegt:
Die Vermischung von Völkern führe zum Verlust der "bestenBVerfGE 144, 20 (256) BVerfGE 144, 20 (257)und edelsten Tugenden" und zum Untergang des jeweiligen Volkes:
Demgegenüber kann die Antragsgegnerin sich weder darauf berufen, dass in dem mit Schriftsatz vom 11. April 2016 vorgelegten Beschluss des Parteivorstands vom 5./6. April 2014 angeordnet worden sei, den vorstehend zitierten Leitfaden der JN zu vernichten, noch, dass es sich bei den Aussagen des D. um Äußerungen eines für die Antragsgegnerin nicht repräsentativen "Hardliners" handele.
(aa) Hinsichtlich des angeblichen Beschlusses des Bundesvorstands der Antragsgegnerin vom 5./6. April 2014 sprechen gegen die Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens -- wie bereits hinsichtlich der Broschüre "Wortgewandt" dargelegt (vgl. Rn. 656) -- das Datum der Beschlussfassung vier Monate nach Eingang des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht sowie seine Vorlage erst nach Ende der mündlichen Verhandlung. Auch hat die Antragsgegnerin weder Belege für die Umsetzung ihres Vorstandsbeschlusses vorgelegt noch näher erläutert, aus welchen Gründen der Parteivorstand erst mehr als ein Jahr nach Veröffentlichung des Leitfadens die behauptete Maßnahme eingeleitet haben will. Es fehlt darüber hinaus eine Darlegung der Gründe oder eine Bezeichnung und inhaltliche Auseinandersetzung mit den fragwürdigen Passagen des Leitfadens, die den Parteivorstand zu dessen angeblicher Rückziehung veranlasst haben sollen. Schließlich hat D. in einem Interview mit dem Nachrichtenportal FSN-TV am 27. April 2014 -- also nach dem behaupteten Vorstandsbeschluss -- die fortwährende Gültigkeit des Leitfadens ausdrücklich bestätigt.
(bb) Auch für eine die Zurechnung ausschließende DistanzieBVerfGE 144, 20 (258)BVerfGE 144, 20 (259)rung der Antragsgegnerin von den Aussagen des D. fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten. Die bloße Qualifizierung des D. als "Hardliner" genügt wegen dessen langandauernder und führender Tätigkeit innerhalb der JN und seines Aufstiegs zu deren stellvertretendem Bundesvorsitzenden nicht. Solange die Antragsgegnerin sich von Äußerungen ihrer Funktionäre oder der Führungskräfte ihrer Teilorganisationen nicht in einem zeitlich engen Zusammenhang ausdrücklich distanziert oder Ordnungsmaßnahmen ergriffen hat, wofür nichts vorgetragen ist, muss sie sich diese zurechnen lassen.
(2) Darüber hinaus belegen weitere Dokumente die Vorstellung der Antragsgegnerin von einer abstammungsbezogenen Begrenzung der "deutschen Volksgemeinschaft" und der Notwendigkeit, diese vor einer Vermischung mit anderen Rassen zu schützen.
(a) Karl Richter (Stadtverordneter der Antragsgegnerin, ehemals stellvertretender Bundesvorsitzender, Landesvorsitzender in Bayern und Chefredakteur der "Deutschen Stimme") und Eckart Bräuniger (ehemaliger Landesvorsitzender und Bezirksverordneter, ehemaliges Bundesvorstandsmitglied und Stadtverordneter der Antragsgegnerin) greifen 2011 in der Deutschen Stimme (Ausgabe 2/2011, S. 22) zur Beschreibung der Idee der "Volksgemeinschaft" auf den Nationalsozialismus zurück:
(d) In einer Rede des Kreisrats P. am 15. März 2015 in Tröglitz, die wegen eines Redeverbots aufgrund dessen früherer Verurteilung wegen Volksverhetzung verlesen wurde, heißt es:
(e) Weiterhin erklärte der damalige Vorsitzende der Fraktion der Antragsgegnerin im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und spätere Bundesvorsitzende Pastörs auf dem NPD-Schwabentag 2011 in Günzburg:BVerfGE 144, 20 (260)
    BVerfGE 144, 20 (261)"Das Menschenrecht besteht aber auch aus dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und wenn wir selbstbestimmt sagen, Europa ist das Land der weißen Rasse und es soll es auch bleiben, dann haben wir auch ein Recht darauf, das notfalls mit militärischer Gewalt sicherzustellen. Das ist meine Überzeugung."
cc) Konsequenz der ethnischen Definition und des exkludierenden Charakters der "deutschen Volksgemeinschaft" ist die Abwertung des rechtlichen Status aller, die dieser Gemeinschaft nicht angehören. Dass dies auch für Eingebürgerte mit Migrationshintergrund gilt und diesen insbesondere kein dauerhaftes Bleiberecht zugestanden wird, belegen weitere der Antragsgegnerin zurechenbare Äußerungen und Aktivitäten.
(1) Der Landesverband Berlin der Antragsgegnerin verschickte im Bundestagswahlkampf 2009 ein als "nichtamtliche Bekanntmachung" deklariertes Schreiben an 22 Politiker mit Migrationshintergrund. Unter der Überschrift "Ihr Ausländerrückführungsbeauftragter informiert" wurden die Adressaten unter Hinweis auf "den Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung" der Antragsgegnerin angehalten, Vorkehrungen für ihre jeweilige "Heimreise" zu treffen:
    "Liebe ausländische Mitbürger,
    gemäß dem Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung bin ich alsBVerfGE 144, 20 (261)
    BVerfGE 144, 20 (262)Ausländerrückführungsbeauftragter der NPD angehalten, Sie mit den Einzelheiten Ihrer Heimreise vertraut zu machen.
    1. Personen mit Migrationshintergrund, die straffällig geworden sind, kehren fristlos in ihre Heimat zurück.
    2. Personen ohne Sonderaufenthaltserlaubnis und Personen ohne Arbeitserlaubnis oder den Nachweis eines Arbeitsplatzes verlassen Deutschland nach längstens drei Monaten.
    3. Die übrigen Ausländer werden schrittweise in ihre Heimatländer zurückgeführt.
    4. Ausländer werden aus dem deutschen Sozialversicherungssystem ausgegliedert [...].
    Bitte kümmern Sie sich schon jetzt um Unterkunftsmöglichkeiten und Arbeit in Ihren Heimatländern. [...] Wir danken Ihnen für Ihre geleistete Arbeit und die kulturelle Bereicherung und wünschen Ihnen eine gute Heimreise. Ihr Ausländerrückführungsbeauftragter."
(2) Dies bestätigt auch ein Fernsehinterview einer deutschen Journalistin mit Migrationshintergrund mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Antragsgegnerin Ronny Zasowk. Auf die Frage, was er mit Menschen wie ihr, die eine andere Hautfarbe hätten, tun würde, antwortete er, dass sie einen Ausweisungsbescheid bekämen und Deutschland verlassen müssten. Mobile Güter könnten sie mitnehmen, der Rest würde ihnen ausbezahlt.
Die Antragsgegnerin verweist insoweit darauf, dass ZasowkBVerfGE 144, 20 (262) BVerfGE 144, 20 (263)sachlich argumentiert habe und nicht etwa aggressiv aufgetreten sei. Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass ihr stellvertretender Bundesvorsitzender die Ausbürgerung eingebürgerter Deutscher mit Migrationshintergrund propagiert. Hierauf angesprochen, hat der Parteivorsitzende Franz in der mündlichen Verhandlung eine Distanzierung von dieser Aussage vermieden und lediglich auf die Möglichkeit direkter Befragung Zasowks verwiesen.
(3) Im thüringischen Landtagswahlkampf 2009 erklärte der damalige Landesgeschäftsführer der Antragsgegnerin W. zur Kandidatur des farbigen Kommunalpolitikers S.:
c) Die Antragsgegnerin vertritt also das Konzept einer ethnisch definierten Volksgemeinschaft und eines rechtlich abgewerteten und mit der Menschenwürdegarantie unvereinbaren Status aller, die dieser Gemeinschaft abstammungsmäßig nicht angehören. Dem steht auch nicht der Einwand der Antragsgegnerin entgegen, dass sie mit ihrem Volksbegriff auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und lediglich die Rückkehr zu dem bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz propagiere.
aa) Das Konzept weitgehender Rechtlosstellung und entwürdigender Ungleichbehandlung dieser Personengruppe wird durch die Einlassungen der Antragsgegnerin zum Volksbegriff und zum Staatsangehörigkeitsrecht nicht tangiert. Die Antragsgegnerin macht zwar geltend, sie unterscheide lediglich konsequent zwischen Staatsangehörigen und Nichtstaatsangehörigen. Dem steht jedoch bereits entgegen, dass die von ihr vertretenen AusgrenBVerfGE 144, 20 (263)BVerfGE 144, 20 (264)zungen und Rechtsverweigerungen, etwa bezogen auf die Rückführung ohne Rücksicht auf die Situation im Heimatland, das Recht auf Eigentumserwerb oder die Trennung von Ausländern und Deutschen im Schulunterricht, über die durch die Staatsangehörigkeit veranlassten Differenzierungen hinausgehen und keineswegs nur Bürgerrechte betreffen.
bb) (1) Der von der Antragsgegnerin vertretene Volksbegriff ist verfassungsrechtlich unhaltbar. Das Grundgesetz kennt einen ausschließlich an ethnischen Kategorien orientierten Begriff des Volkes nicht. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass gemäß Art.  20 Abs.  2 Satz 1 GG das Volk, von dem die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, "von den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art.  116 Abs.  1 gleichgestellten Personen" (BVerfGE 83, 37 [51]) gebildet wird. Für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk und den daraus sich ergebenden staatsbürgerlichen Status ist demgemäß die Staatsangehörigkeit von entscheidender Bedeutung. Dabei überlässt das Grundgesetz dem Gesetzgeber, wie sich aus Art.  73 Abs.  1 Nr.  2 und Art.  116 Abs.  1 GG ergibt, die Regelung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit. Er kann insbesondere bei einer erheblichen Zunahme des Anteils der Ausländer an der Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes dem Ziel einer Kongruenz zwischen den Inhabern demokratischer politischer Rechte und den dauerhaft staatlicher Herrschaft Unterworfenen durch eine Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit für Ausländer, die sich rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 83, 37 [51 f.]). Die Auffassung der Antragsgegnerin, der Gesetzgeber sei bei der Konzeption des Staatsangehörigkeitsrechts streng an den Abstammungsgrundsatz gebunden, findet demgegenüber im Grundgesetz keine Stütze.
Demgemäß kommt bei der Bestimmung des "Volkes" im Sinne des Grundgesetzes ethnischen Zuordnungen keine exkludierende Bedeutung zu. Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, ist aus Sicht der Verfassung unabhängig von seiner ethnischen Herkunft Teil des Volkes. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe stehtBVerfGE 144, 20 (264) BVerfGE 144, 20 (265)in deutlichem Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin, nach deren Überzeugung der Erwerb der Staatsangehörigkeit nicht dazu führt, dass der Eingebürgerte Teil des deutschen Volkes wird.
Soweit der Parteivorsitzende der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung, zum Volksbegriff befragt, sich eingelassen hat, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, gehöre auch dem deutschen Volk an, gibt dies das Konzept der Antragsgegnerin erkennbar nicht zutreffend wieder. Die Aussage steht im Widerspruch zu allen diesbezüglichen schriftlichen Publikationen und Äußerungen führender Vertreter der Antragsgegnerin einschließlich der Einlassungen Jürgen Gansels in der mündlichen Verhandlung.
(2) Die Antragsgegnerin kann sich zur Begründung der Behauptung, einen verfassungsgemäßen Volksbegriff zu vertreten, auch nicht auf Art.  116 GG und den dazu ergangenen "Teso"-Beschluss des Zweiten Senats (BVerfGE 77, 137) berufen. Zwar erweitert Art.  116 GG als Ausdruck der Pflicht, die Einheit des deutschen Volkes als Träger des Selbstbestimmungsrechts nach Möglichkeit zu bewahren (vgl. BVerfGE 77, 137 [151]), die Eigenschaft als Deutscher auf die sogenannten "Statusdeutschen" (vgl. BVerfGE 83, 37 [51]). Dies führt aber nicht dazu, dass der Volksbegriff des Grundgesetzes sich vor allem oder auch nur überwiegend nach ethnischen Zuordnungen bestimmt. Vielmehr erhält Art.  116 GG als Kriegsfolgenrecht erst dadurch Sinn, dass der Träger der deutschen Staatsgewalt im Ausgangspunkt durch die Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen zu definieren ist (vgl. BVerfGE 83, 37 [51]). Im "Teso"-Beschluss hatte das Bundesverfassungsgericht darüber zu befinden, ob der Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik durch eine Person, die von einem italienischen Vater abstammte, zugleich den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes zur Folge hatte. Dass das Bundesverfassungsgericht dies -- unabhängig von der ethnischen Zuordnung -- bejahte (vgl. BVerfGE 77, 137 [150 ff.]), dokumentiert die fehlende AusBVerfGE 144, 20 (265)BVerfGE 144, 20 (266)schließlichkeit der ethnischen Herkunft für die Bestimmung der Zugehörigkeit zum deutschen Volk.
cc) Schließlich widerspricht die Behauptung der Antragsgegnerin, sie strebe lediglich eine Rückkehr zu dem bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Reichs- und Staatsangehörigkeitsrecht einschließlich der Eröffnung der Möglichkeit zur Ermessenseinbürgerung und der dauerhaften rechtlichen Gleichstellung von "Passdeutschen" und "Biodeutschen" an, den von ihr tatsächlich verfolgten Zielen. Zwar sieht das Parteiprogramm vor, dass das "ursprüngliche, auf dem Abstammungsprinzip fußende Staatsbürgerschaftsrecht wieder eingeführt" wird (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 12). Das politische Konzept der Antragsgegnerin geht aber weit über eine Rückkehr zum Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung hinaus.
(1) Die Berufung auf die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung lässt bereits außer Acht, dass für derartige Einbürgerungen, wie sie in § 8 RuStAG vorgesehen waren, nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin regelmäßig kein Raum sein soll. Ziel der Antragsgegnerin ist die "Einheit von Volk und Staat". Eine "Überfremdung Deutschlands, ob mit oder ohne Einbürgerung" lehnt sie strikt ab (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 6). Um eine Vermischung des deutschen Volkes mit andersrassigen Völkern zu vermeiden, gilt für die Antragsgegnerin: "Staatsangehörigkeit muß an Volkszugehörigkeit gebunden sein -- für Europäer kann es Ausnahmen geben." (vgl. Wortgewandt -- Argumente für Mandats- und Funktionsträger, S. 20).
(2) Außerdem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin Ausbürgerungen ausschließt. Zwar ist eine derartige Forderung im Parteiprogramm nicht enthalten und ausdrücklich, soweit ersichtlich, bisher von Vertretern der Antragsgegnerin nicht erhoben worden. Sie liegt aber in der Konsequenz der strikten Ablehnung einer "Überfremdung" Deutschlands "mit oder ohne Einbürgerung". Können "Afrikaner, Asiate[n] oder Orientale[n]" auch durch Einbürgerung nicht zu Deutschen werden und sind aus Sicht der Antragsgegnerin fast neun MillioBVerfGE 144, 20 (266)BVerfGE 144, 20 (267)nen Eingebürgerte als "Nichtdeutsche" anzusehen (vgl. Wortgewandt -- Argumente für Mandats- und Funktionsträger, S. 19 f.), ist das Ziel einer Einheit von Volk und Staat ohne aufenthaltsbeendende Maßnahmen auch gegenüber eingebürgerten Menschen mit Migrationshintergrund nicht erreichbar. Dem entspricht es, dass die Forderung einer Rückkehrpflicht in die Heimatländer von der Antragsgegnerin nicht nur auf Ausländer, sondern auf alle "Fremde[n]" bezogen wird (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 5). Die hierzu bereits dargestellten Äußerungen und Aktivitäten der Antragsgegnerin (vgl. Rn. 681 ff.) belegen, dass sie auch Eingebürgerten mit Migrationshintergrund eine umfassende rechtliche Gleichstellung und vor allem ein dauerhaftes Bleiberecht nicht zugesteht.
(3) Vor diesem Hintergrund ist die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Schlussfolgerung des Sachverständigen Prof. Kailitz, die Antragsgegnerin trete auf der Basis ihres Weltbildes für eine millionenfache Vertreibung von Menschen aus Deutschland ein, nachvollziehbar. Jedenfalls spricht sie den -- in ihrem Sinne -- "Nichtdeutschen" das Bleiberecht in Deutschland ab und betont deren Rückkehrpflicht. Entsprechend hat der Landesverband Berlin der Antragsgegnerin im Bundestagswahlkampf 2009 dem an deutsche Politiker mit Migrationshintergrund versandten Schreiben einen "Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung" beigefügt, in dem gefordert wird, "die menschenfeindliche Integrationspolitik [zu] beenden", und gesetzliche Lösungen zur Rückführung der "Ausländer" in ihre Heimatländer angekündigt worden sind.
d) Die aus der Vorstellung einer ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" sich ableitende Missachtung der Menschenwürde wird durch zahlreiche, der Antragsgegnerin zurechenbare Positionierungen gegenüber Ausländern (aa), Migranten (bb) und Minderheiten (cc) belegt.
aa) Neben der in dem Leitfaden "Politische Grundbegriffe" der JN enthaltenen Feststellung, dass sich jeder dritte Amerikaner durch Dekadenz und Fettleibigkeit auszeichne (Teil 2, S. 14; vgl. auch Rn. 665), belegen weitere Einlassungen die rassistische,BVerfGE 144, 20 (267) BVerfGE 144, 20 (268)durch völkisches Denken geprägte Grundhaltung der Antragsgegnerin.
(1) So erklärte der damalige Fraktionsvorsitzende der Antragsgegnerin im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und spätere Bundesvorsitzende Udo Pastörs auf dem NPD-Schwabentag am 19. März 2011:
(4) Des Weiteren verwendete die Antragsgegnerin bei der Bundestagswahl 2009 ein Plakat, auf dem im oberen Drittel auf rotem Hintergrund und weiß unterlegt drei schwarze Vögel mit weit geöffneten Augen zu sehen waren. Zwei der Vögel ragten mit ihren Schnäbeln über ein Bündel Euro-Geldscheine. Einer von ihnen pickte mit seinem Schnabel nach dem Geldbündel, der andere hielt seinen geöffneten Schnabel, dessen oberer Teil überdimensioniert und leicht gekrümmt war, über das Geldbündel. Aufgedruckt sind die Worte: "Polen -- Invasion stoppen!".
Die zuständige Behörde ließ die Plakate abnehmen und untersagte der Antragsgegnerin die weitere Verwendung. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bestätigte die Entscheidung der Behörde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes letztinstanzlich mit der Begründung, dass das Plakat die Menschenwürde der in Deutschland lebenden polnischen Staatsangehörigen verletze, weil diese mit schwarzen Vögeln gleichgesetzt würden, die sich in der Art von Krähen oder vergleichbaren Vögeln über Geld hermachten. Der betroffene Personenkreis werde dadurch als raffgierig und sich ohne eigene Leistung bereichernd dargestellt. Insbesondere die auf einen objektiven Betrachter abstoßend wirkende Darstellung der Vögel habe zum Ziel, diese Bevölkerungsgruppe als minderwertig und verachtenswert zu charakterisieren. Ihnen werde das Menschsein abgesprochen und sie würden als unterwertig dargestellt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. September 2009 -- 3 M 155/09 --, juris, Rn. 19, 24).
(5) Im thüringischen Landtagswahlkampf 2009 versah die Antragsgegnerin ein Wahlplakat mit einem Foto des CDU-Politikers S. mit dem Untertitel "falscher Thüringer" und stellte dieses Foto einem mit "echte Thüringer" untertitelten Bild einer Bratwurst gegenüber. Für das Wahlplakat wurde der damalige Landesvorsitzende Schwerdt wegen Beleidigung rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.BVerfGE 144, 20 (269)
BVerfGE 144, 20 (270)bb) Insbesondere Asylbewerber und Migranten stehen im Zentrum menschenverachtender Äußerungen, die der Antragsgegnerin zuzurechnen sind. Sie sind vielfach durch pauschale Verdächtigungen und Herabwürdigungen geprägt.
(1) Belege hierfür ergeben sich bereits aus den parlamentarischen Aktivitäten der Antragsgegnerin.
(a) (aa) Im Sächsischen Landtag stellte die damalige Fraktion der Antragsgegnerin am 6. Dezember 2010 den Antrag "Strategiewechsel in der sächsischen Flüchtlings- und Asylpolitik -- Rückkehrpflicht statt Aufenthaltsrecht", der auf eine Abschaffung des Asylrechts abzielt (LTDrucks 5/4279). Hierzu erklärte der ehemalige Fraktionsvorsitzende Apfel in der Debatte im Sächsischen Landtag:
(cc) Im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern verwendete Udo Pastörs in Bezug auf Asylbewerber den Begriff "entartete Menschen" (Plenarprotokoll 6/84 vom 11. Dezember 2014, S. 98 f.). Zuvor hatte der Abgeordnete Tino Müller in derselben Debatte von einer "neunköpfigen Negerbande" (Plenarprotokoll 6/84 vom 11. Dezember 2014, S. 97) gesprochen.
(b) Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, der ehemalige Fraktionsvorsitzende Pastörs habe seine Äußerung "entartete Menschen" nicht auf Asylbewerber bezogen, sondern nur auf Menschen, die Polizisten anspuckten, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr äußerte Pastörs in der Landtagsdebatte wörtlich: "Das ist für uns so anachronistisch, so etwas von krank, dass dieBVerfGE 144, 20 (270) BVerfGE 144, 20 (271)Polizei genötigt wird, in die Unterkünfte zu gehen, um da eventuell interkulturell beglückt zu werden, dadurch dass die Fremden, dass die, ja, entarteten Menschen [...] die entarteten Menschen [...]". Nachdem er an dieser Stelle von der Landtagsvizepräsidentin unterbrochen worden war, äußerte er anschließend zwar: "Wenn ich Polizisten bespucke, ist das eine Entartung, ganz klar." Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die ursprüngliche Äußerung auf die in den "Unterkünften" befindlichen "Fremden" und nicht auf Menschen, die Polizisten anspucken, bezogen war.
(2) Auch außerhalb des parlamentarischen Handelns werden Asylbewerber und Migranten von der Antragsgegnerin regelmäßig diffamiert, pauschal als Kriminelle verdächtigt und zum Objekt von die Menschenwürde missachtenden Vorschlägen gemacht.
(a) (aa) So warb Jürgen Gansel auf seiner Facebook-Seite am 21. April 2015 für die schnelle Ausweisung von "Asylbetrügern, Moslem-Extremisten und kriminellen Ausländern" und sprach ganz allgemein von einer "Flut an Scheinasylanten". In einem weiteren Facebook-Eintrag vom 21. Mai 2015 äußerte er sich wie folgt:
(dd) Die Landesvorsitzende des RNF Berlin, Maria Frank, bezeichnete als Rednerin bei einer Demonstration der Antragsgegnerin im Juli 2013 Muslime und Schwarzafrikaner generell als Vergewaltiger, Drogenhändler und dreckig:
(ff) Der Kreisrat (Bautzen) der Antragsgegnerin K. wurde im August 2015 von Journalisten der Frankfurter Allgemeinen ZeiBVerfGE 144, 20 (272)BVerfGE 144, 20 (273)tung befragt, wie mit straffälligen Asylbewerbern umzugehen sei. Darauf antwortete er: "Nee, Gleis 17, Waggon 1, rein und ab." Auf Gleis 17 im Bahnhof Berlin-Grunewald befindet sich ein Mahnmal, das an die Deportation von Juden in Konzentrationslager erinnert. Zudem sprach er sich gegen eine "Umvolkung" aus und äußerte sich wie folgt: "Ich sage jetzt bewusst: Die deutsche Rasse soll durch solche Dinge aufgemischt werden."
(b) (aa) Sämtliche Äußerungen sind darauf gerichtet, Asylbewerbern und Migranten ihre Menschenwürde abzusprechen. Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber geltend macht, da es Asyl-Betrüger, Moslem-Extremisten und kriminelle Ausländer gebe, sei es legitim, dies auch zu kritisieren, ignoriert sie die Pauschalität der Äußerungen, die sich gegen Asylbewerber und Migranten in ihrer Gesamtheit richten. Die Äußerungen überschreiten entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch die Grenze einer grundsätzlichen Kritik an der Einwanderungspolitik, da sie unmittelbar an die Migranten adressiert sind und diese verächtlich machen. Die Behauptung, es solle lediglich auf den täglich stattfindenden Asylbetrug hingewiesen werden, geht angesichts des eindeutigen Wortlauts der vorstehenden Erklärungen ins Leere.
(bb) Jede dieser Äußerungen ist der Antragsgegnerin zurechenbar und inhaltlich unmissverständlich.
(aaa) An der Tatsache, dass der Facebook-Eintrag des bayerischen Landesverbands der Antragsgegnerin von Flüchtlingen ausgehende Gesundheitsgefahren suggeriert, wobei Krätze noch das Harmloseste sei, ändert der Vortrag der Antragsgegnerin, man habe lediglich auf einen Zeitungsartikel verweisen wollen, nichts. Der Vortrag steht im Widerspruch zum Wortlaut des Eintrags. Soweit der Parteivorsitzende der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, man sei gegen diesen Beitrag nicht vorgegangen, weil er nicht bekannt gewesen sei, steht dies einer Zurechnung nicht entgegen, da diese Kenntnis spätestens mit Zugang des Schriftsatzes vom 27. August 2015 bestand.
(bbb) Soweit die Antragsgegnerin sich von dem Facebook-EintragBVerfGE 144, 20 (273) BVerfGE 144, 20 (274)des Kreisverbands Unna mit Schriftsatz vom 2. März 2016 distanziert hat, bleibt sie eine Erklärung für die Tatsache schuldig, dass diese Einträge über einen Zeitraum von zwei Jahren unbeanstandet geblieben sind.
(ccc) Nicht gefolgt werden kann der Behauptung der Antragsgegnerin, der Hinweis von K., straffällige Asylbewerber über "Gleis 17" auf die Heimreise zu schicken, enthalte lediglich die Aufforderung, geltendes Recht umzusetzen und kriminelle Asylbewerber ohne Bleiberecht abzuschieben. Eine Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen im Sinne einer Deportation lasse sich auch nicht aus dem Hinweis auf "Gleis 17" und "dort stehende Denkmäler" konstruieren. Es ist abwegig, dass der in der Region agierende Funktionär rein zufällig als Abschiebeort von Asylbewerbern das Gleis nennt, an dem ein Mahnmal an die Deportation von Juden in Konzentrationslager erinnert.
cc) Neben Asylbewerbern und Migranten richtet die Antragsgegnerin sich in vergleichbarer Weise gegen religiöse und gesellschaftliche Minderheiten und wendet sich dadurch gegen die Menschenwürde.
(1) Besondere Bedeutung misst sie dem Kampf gegen den Islam zu. Die Antragsgegnerin geht davon aus, die Auseinandersetzung mit dem Islam zu einer Popularisierung ihrer Forderung nach Ausländerrückführung instrumentalisieren zu können. Muslime werden dabei verächtlich gemacht; zugleich wird ihnen das Recht auf Religionsausübung und Aufenthalt abgesprochen.
(a) (aa) Jürgen Gansel formulierte 2009 in dem auf der Homepage der Antragsgegnerin abrufbaren "NPD -- Dossier Minarettverbot" die Haltung der Partei zum Islam wie folgt:
(cc) Der NPD-Landesverband Berlin forderte in seinem 2011 von seiner Homepage abgerufenen Landesaktionsprogramm den uneingeschränkten "Abriß aller Minarette".
(dd) Holger Apfel erklärte in einem Interview mit "ZUERST Deutsches Nachrichtenmagazin" im Oktober 2011:
(b) Die damit zum Ausdruck kommende Missachtung der Menschen islamischen Glaubens entfällt nicht durch den Hinweis der Antragsgegnerin, dass das Existenzrecht des Islam nicht generell bestritten, sondern dort, wo der Islam beheimatet sei, ausdrücklich bejaht werde. Dies rechtfertigt die gegen Art.  3 Abs.  3 GG verstoßende Diskriminierung ebenso wenig wie die Instrumentalisierung der Muslime als Projektionsfläche für die gegen alle Ausländer gerichteten Rückführungsvorstellungen der AntragsBVerfGE 144, 20 (276)BVerfGE 144, 20 (277)gegnerin oder deren Verächtlichmachung als "Bombenleger" oder "Samenkanonen".
(2) Weiterhin belegen Publikationen und Äußerungen führender Funktionäre eine antisemitische Grundhaltung der Antragsgegnerin.
(a) (aa) Im Jahr 2008 wurde der Versandkatalog der "Deutsche Stimme Verlags GmbH" wegen Verherrlichung des Nationalsozialismus und des Krieges durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert. Diese Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht Köln (VG Köln, Urteil vom 12. Januar 2011 -- 22 K 3151/08 --) bestätigt. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde zurückgewiesen (OVG Münster, Beschluss vom 28. September 2012 -- 19 A 359/11 --).
In dem Katalog wurde unter der Rubrik "Gesinnungsknöpfe" ein Button "Keine Macht den Nasen" angeboten, auf dem eine Comic-Figur mit großer Nase abgebildet ist. Die Abbildung spielt auf die Darstellung jüdischer Mitmenschen im Nationalsozialismus an, die durch Hässlichkeit und als besonderes körperliches Merkmal durch eine große Nase geprägt war. Dies gilt in gleichem Maße für den angebotenen Aufnäher "Vorsicht bei Gesprächen! Feind hört mit!" mit dem Kopfbild eines hässlichen, geifernden, dunkelhaarigen Mannes mit großer Nase, welches das im Nationalsozialismus propagierte Feindbild des "Juden" schürt. Die Ausgrenzung und Missachtung jüdischer Mitbürger tritt auch in dem T-Shirt-Aufdruck "100% unkosher" zutage.
(bb) Auch hochrangige Funktionäre der Antragsgegnerin haben sich in öffentlichen Äußerungen antisemitisch positioniert.
(aaa) So formuliert etwa Jürgen Gansel:
(bbb) Karl Richter erklärte am 8. Januar 2015:
(eee) Der ehemalige Pressesprecher des Landesverbands Sachsen-Anhalt der Antragsgegnerin, G., äußerte sich am 30. Januar 2013 auf der Homepage des Landesverbands zur Forderung des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, ein neues Verbotsverfahren anzustrengen, wie folgt:BVerfGE 144, 20 (279)
    BVerfGE 144, 20 (280)"Einmal mehr erweist sich Dieter Graumann, seines Zeichens Vorsitzender des ...Zentralrats der Juden in Deutschland, als ein echter Vertreter seiner Art: ...Steuergelder dürfen nicht mehr missbraucht werden, um braunes Gift zu finanzieren. Genug ist genug, fordert der freche Chefhebräer am 30. Januar 2013 in der Zeitung ...Die Welt und ist sich dabei nicht zu schade zu verheimlichen, wofür er denn die -- wohl mehrheitlich von Deutschen ohne jüdischen Glauben -- erbrachten Beiträge zum deutschen Staatshaushalt stattdessen viel lieber verwenden möchte. Vielleicht für die weitere Finanzierung (s)eines nahöstlichen Schurkenstaates, so wie in den vergangenen 65 Jahren und -- wenn möglich -- bis zum Sankt Nimmerleinstag? Oder für die Alimentierung raffgieriger Religionskörperschaften, wie beispielsweise der Magdeburger Synagogengemeinde?"
Die Antragsgegnerin muss sich auch das Verhalten des Vorsitzenden des Landesverbands Berlin zurechnen lassen. Auch wennBVerfGE 144, 20 (280) BVerfGE 144, 20 (281)er zum Zeitpunkt der zur Verurteilung wegen Beleidigung führenden Tat noch nicht Mitglied der Antragsgegnerin gewesen war, handelt es sich doch um einen Anhänger, der zwischenzeitlich mit einer Spitzenfunktion betraut wurde und dessen Verhalten gemeinsam mit den übrigen Äußerungen das Vorliegen einer antisemitischen Grundhaltung bei der Antragsgegnerin bestätigt. Dem widerspricht auch nicht, dass die Antragsgegnerin anhand weniger Beispiele einen differenzierten Umgang mit dem Judentum und der deutsch-jüdischen Geschichte darzulegen versucht. Dies vermag die aus den dargelegten Äußerungen sich ergebende antisemitische Grundtendenz bei der Antragsgegnerin nicht zu relativieren.
(3) Die Missachtung der Menschenwürde durch die Antragsgegnerin ist nicht auf die bereits benannten Gruppen beschränkt. Stellungnahmen gegenüber weiteren Gruppierungen lassen erkennen, dass sie den aus der Menschenwürde folgenden Achtungsanspruch der Person auch insoweit nicht respektiert.
(a) (aa) So erklärte Jürgen Gansel im Sächsischen Landtag:
Der Bundesschatzmeister der Antragsgegnerin Andreas Storr erklärte im Sächsischen Landtag:
2. Die Antragsgegnerin missachtet die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip. Zwar kann diese Haltung dem Parteiprogramm nicht in der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden (a). Die Ablehnung der grundgesetzlichen Ausgestaltung freiheitlicher Demokratie ergibt sich aber unter Berücksichtigung sonstiger derBVerfGE 144, 20 (282) BVerfGE 144, 20 (283)Antragsgegnerin zurechenbarer Publikationen und Äußerungen führender Funktionäre (b). Aus ihnen ergibt sich, dass das politische Konzept der Antragsgegnerin dem aus Art.  20 Abs.  1 und 2 GG folgenden Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung widerspricht. Außerdem missachtet die Antragsgegnerin den Grundsatz der Volkssouveränität, da sie die Abschaffung des bestehenden parlamentarisch-repräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am Prinzip der "Volksgemeinschaft" orientierten Nationalstaat fordert, ohne darzulegen, wie in diesem der notwendige Legitimationszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft gewährleistet werden soll.
a) In ihrem Parteiprogramm bezeichnet die Antragsgegnerin sich einerseits als (national-) "demokratische" Partei und beruft sich auf die Prinzipien der "Volksherrschaft" und der "Ablösung der Regierung durch demokratische Entscheidungen" (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 7). Außerdem spricht sie sich für die Direktwahl des Bundespräsidenten und die Stärkung plebiszitärer Elemente aus (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 8). Andererseits lässt sich dem Programm ein Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie, zum Grundsatz der Opposition oder zum Mehrparteiensystem nicht entnehmen. Stattdessen wird die Legitimität des Grundgesetzes bezweifelt und der nicht näher beschriebene "Nationalstaat" als notwendiger politischer Rahmen der Volksherrschaft bezeichnet (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 5). Erforderlich sei die "Einheit von Volk und Staat" (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 6). "Volksherrschaft" setze "Volksgemeinschaft" voraus (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 7).
Demgemäß kann dem Parteiprogramm eine klare Positionierung zu den durch die freiheitliche demokratische Grundordnung geschützten Kernbestandteilen des grundgesetzlichen Demokratieprinzips nicht entnommen werden. Inwieweit das Konzept des "Nationalstaates" dem Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe aller Staatsbürger an der politischen Willensbildung Rechnung trägt, ist aus den Formulierungen des Parteiprogramms nicht erBVerfGE 144, 20 (283)BVerfGE 144, 20 (284)kennbar. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Programm, inwieweit die Forderung nach der Einheit von Volk und Staat zu einer Beschränkung politischer Partizipationsmöglichkeiten von Eingebürgerten führen kann. Außerdem erschließt sich aus dem Parteiprogramm nicht, wie die demokratisch notwendige durchgängige Rückbindung der Staatsgewalt an das Volk stattfinden und welche Bedeutung dabei der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie zukommen soll.
b) Demgegenüber ergeben sich unter Berücksichtigung der sonstigen, insbesondere aus dem Konzept der "Volksgemeinschaft" folgenden Positionen der Antragsgegnerin eindeutige Befunde für deren Missachtung des Demokratieprinzips. Weder respektiert sie den Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung (aa), noch bekennt sie sich zum Prinzip der parlamentarischen Demokratie. Vielmehr tritt sie für dessen Abschaffung und Ersetzung durch einen Deutsches Reich genannten autoritären Nationalstaat ein (bb).
aa) Das politische Konzept der Antragsgegnerin ist mit dem Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe aller Staatsangehörigen an der politischen Willensbildung unvereinbar.
(1) (a) Wenn "Volksherrschaft" die "Volksgemeinschaft" voraussetzt, wie die Antragsgegnerin dies in ihrem Parteiprogramm ausdrücklich vertritt (vgl. Arbeit. Familie. Vaterland., a.a.O., S. 7), und die "Volksgemeinschaft" ethnisch definiert ist, hat dies zwingend den Ausschluss derjenigen, die der "Volksgemeinschaft" aus ethnischen Gründen nicht angehören, aus dem demokratischen Prozess zur Folge. In einem durch die "Einheit von Volk und Staat" geprägten Nationalstaat im Sinne der Antragsgegnerin ist für eine Beteiligung ethnischer Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung -- unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit -- grundsätzlich kein Raum. Vielmehr führt der exkludierende Charakter der "Volksgemeinschaft" zu einer mit Art.  20 Abs.  2 Satz 1 GG unvereinbaren ethnischen Verengung des Anspruchs auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung.
(b) Dieses Ergebnis hat der hierzu befragte Jürgen Gansel inBVerfGE 144, 20 (284) BVerfGE 144, 20 (285)der mündlichen Verhandlung bestätigt. Er hat ausdrücklich zwischen Volksherrschaft und Bevölkerungsherrschaft unterschieden und ausgeführt, dass die Volksherrschaft an das ethnische Staatsvolk gebunden sei und daher in der Bundesrepublik Deutschland nur eingeschränkt bestehe. Auch wenn er die anschließende Frage, wie echte Volksherrschaft in Deutschland hergestellt werden könne, unbeantwortet ließ, dokumentiert dies, dass nach Auffassung der Antragsgegnerin der Anspruch auf demokratische Partizipation auf die Angehörigen der ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" beschränkt ist.
Einen eingeschränkten Demokratiebegriff propagiert auch Udo Pastörs, der ausweislich der Homepage des Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern am 13. März 2010 auf der Veranstaltung "Freiheit statt BRD" erklärte:
(b) Demgegenüber kann die Antragsgegnerin sich auch im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf berufen, dass sie die Möglichkeit der Ermessenseinbürgerung akzeptiere und Eingebürgerten die staatsbürgerlichen Rechte uneingeschränkt zuerkenne. Insoweit handelt es sich um eine reine Schutzbehauptung. Ermessenseinbürgerungen sollen nach dem Konzept der AntragsgegneBVerfGE 144, 20 (285)BVerfGE 144, 20 (286)rin allenfalls bei Europäern in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. Rn. 694 f.). Vor allem aber ist nicht davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin bereit ist, bereits Eingebürgerten sämtliche mit der Staatsangehörigkeit verbundenen Rechte dauerhaft zuzuerkennen. Da es sich aus ihrer Sicht um grundsätzlich Rückkehrpflichtige handelt, die weder zur "Volksgemeinschaft" gehören, noch zur Volksherrschaft berufen sind, ist für die beständige Einräumung des Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung kein Raum.
bb) Daneben ergibt sich die Demokratiefeindlichkeit der Antragsgegnerin aus ihrer Negation des Prinzips der parlamentarischen Demokratie. Die Antragsgegnerin lehnt das bestehende parlamentarisch-repräsentative System ab und macht dieses verächtlich (1). Sie geht davon aus, dass die parlamentarische Demokratie der Verfolgung der Interessen der "Volksgemeinschaft" nachgeordnet ist (2). Vor diesem Hintergrund fordert sie die Ersetzung des bestehenden Systems durch einen an das Deutsche Reich anknüpfenden Nationalstaat (3). Damit will sie in den durch die freiheitliche demokratische Grundordnung geschützten Kernbestand der grundgesetzlichen Demokratie eingreifen (4).
(1) (a) Die grundsätzliche Ablehnung des bestehenden parlamentarisch-repräsentativen Systems durch die Antragsgegnerin wird in einem Interview Holger Apfels mit der Deutschen Stimme deutlich (Ausgabe 12/2008, S. 3):
(a) Deutlich wird dies, wenn der ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Bayern, W., schreibt:
    "Die Demokratie scheint zu einer Art Religion für die derzeitig Herrschenden geworden zu sein. So wie man noch in vorkopernikanischenBVerfGE 144, 20 (288) BVerfGE 144, 20 (289)Zeiten für die richtige Behauptung, die Erde sei rund, auf dem Scheiterhaufen endete, landet man heute im Kerker des Systems, wenn man sich gegen die "beste Herrschaftsform aller Zeiten" ausspricht. Alleine die stetige, gebetsmühlenartig sich wiederholende Behauptung, es handle sich hierbei tatsächlich um die ...beste Gesellschaftsform, ist einfach nicht haltbar. Gerade wir als Nationalisten wissen, dass die Menschen unterschiedlich sind. Einem System, das sich auf Mehrheitsentscheidungen stützt, kann demnach auch keine Ewigkeitsgarantie ausgesprochen werden. [...] Es gibt keine Formel für das perfekte Staatswesen, es gibt nur den inneren Einklang eines Volkes mit diesem."
(a) (aa) Die Antragsgegnerin hat ein sozialrevolutionäres Selbstverständnis. Sie beschränkt sich nicht auf die Kritik aus ihrer Sicht bestehender Missstände des parlamentarischen Systems, sondern fordert dessen Überwindung.
In einem Flugblatt des Landesverbands Sachsen aus dem Jahr 2009 dringt der damalige Spitzenkandidat Holger Apfel auf die Abschaffung des geltenden Systems und erklärt:
(aaa) Entsprechend erklärte der ehemalige Landesvorsitzende Sachsen-Anhalts, Matthias Heyder, auf dem Bamberger Programmparteitag 2010:
(aa) (aaa) Unmissverständlich erklärte der Vorsitzende des Landesverbands Hessen der Antragsgegnerin, Daniel Knebel, bei der Maikundgebung 2010:
(aaa) So schreibt Udo Voigt in einem Beitrag mit dem Titel "DieBVerfGE 144, 20 (291) BVerfGE 144, 20 (292)Etablierten: Ein Leben mit der Angst im Nacken" auf der Homepage der Antragsgegnerin am 17. Juli 2008:
    BVerfGE 144, 20 (293)"Wer mit der Fremdherrschaft ins Bett stieg, gehört weg, ohne viel Federlesens, Kroppzeug, das man ausmisten muß, will man verhindern, daß es wieder hoch kommt -- weiß der Mythos."
(aa) Anknüpfend an Udo Voigt formuliert Claus Cremer in einem Internetbeitrag auf der Homepage des Landesverbands Nordrhein-Westfalen im Juni 2011:
(4) In der Gesamtschau wird durch die vorstehenden Aussagen eine bei der Antragsgegnerin vorhandene Grundtendenz hinreichend belegt, die bestehende parlamentarische Demokratie abzuschaffen und durch einen am Primat der ethnisch homogenen "Volksgemeinschaft" orientierten "Nationalstaat" zu ersetzen. Insoweit kann dahinstehen, ob sich die Negation des Parlamentarismus auch -- wie vom Antragsteller vorgetragen -- in Zahl und Gegenstand der gegen die Mitglieder der Antragsgegnerin ergangenen parlamentarischen Ordnungsrufe dokumentiert.
Jedenfalls reicht die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie durch die Antragsgegnerin entgegen ihrer Auffassung über eine bloße Kritik an der "herrschenden politischen Klasse" hinaus. Die Antragsgegnerin richtet sich gegen das parlamentarische System als solches und macht dieses verächtlich. Sie zielt nicht nur auf den Austausch handelnder Personen, sondern stellt die Systemfrage, ohne zugleich offenzulegen, auf welchem Weg der notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft in dem von ihr angestrebten "Nationalstaat" sichergestellt werden soll. Der bloße Hinweis auf den Ausbau der Volksgesetzgebung und die Direktwahl des Staatsoberhaupts genügt nicht, um das durch eine Abschaffung des parlamentarisch-repräsentativen Systems entstehende DemokraBVerfGE 144, 20 (294)BVerfGE 144, 20 (295)tiedefizit zu kompensieren. Hinzu kommt, dass der Geltungsanspruch des Demokratieprinzips grundsätzlich relativiert wird und diesem die (vorrangigen) Interessen der "Volksgemeinschaft" gegenübergestellt werden. Demgegenüber kann die Antragsgegnerin sich auch nicht auf die von ihr geschilderten parlamentarischen Initiativen ihrer ehemaligen Landtagsfraktionen berufen, da diese -- wie dargelegt -- instrumentell angelegt sind (vgl. Rn. 784 ff.) und dem Anspruch auf Überwindung der parlamentarischen Demokratie nicht entgegenstehen.
3. Bei der Antragsgegnerin liegt eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus vor. Das Konzept der "Volksgemeinschaft", die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen (a). Hinzu kommen das Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP, der punktuelle Rückgriff auf Vokabular, Texte, Liedgut und Symbolik des Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistische Äußerungen, die eine Verbundenheit zumindest relevanter Teile der Antragsgegnerin mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentieren (b). Ungeachtet struktureller Unterschiede zwischen der Antragsgegnerin und der NSDAP ergibt sich hieraus eine Bestätigung der Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die Antragsgegnerin (c).
a) aa) Der Begriff und das Verständnis der "Volksgemeinschaft" stellen eine zentrale Gemeinsamkeit der politischen Konzepte der Antragsgegnerin und der NSDAP dar. Auch für den Nationalsozialismus stand die ethnisch homogene "Volksgemeinschaft" im Zentrum der Politik. Das "Volk" war Ausgangspunkt aller Argumentationslinien (vgl. Weckenbrock, in: Pfahl-Traughber, Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2011/2012, Bd.I, 2012, S. 180 [197]). Punkt 4 des 25-Punkte-Programms der NSDAP lautete: "Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein". Abgesehen von der besonderen Hervorhebung der Exklusion jüdischer Menschen entspricht diese Definition derBVerfGE 144, 20 (295) BVerfGE 144, 20 (296)"Volksgemeinschaft" genau den Vorstellungen der Antragsgegnein.
Die Parallelität der Konzepte der "Volksgemeinschaft" einschließlich signifikanter sprachlicher Übereinstimmungen spiegelt sich im Vergleich von Äußerungen Adolf Hitlers mit solchen der Antragsgegnerin (vgl. Rn. 654, 662, 666) wider:
cc) Schließlich stellt die Ablehnung und Verächtlichmachung der parlamentarischen Demokratie eine weitere GemeinsamkeitBVerfGE 144, 20 (296) BVerfGE 144, 20 (297)zwischen der Antragsgegnerin und dem Nationalsozialismus dar. Dabei findet sich das instrumentelle Verhältnis zum Parlamentarismus bereits bei der NSDAP wieder:
aa) Dazu zählen zunächst glorifizierende Bezugnahmen auf Protagonisten des NS-Regimes durch führende Vertreter der Antragsgegnerin:
(1) So formulierte der damalige stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Hamburg Thomas Wulff in einer Stellungnahme auf der Internetseite www.altermedia-deutschland.info am 20. April 2013, dem Geburtstag Hitlers:
    "Es ragt dein Werk, so wie die Dome ragen!BVerfGE 144, 20 (297)
    BVerfGE 144, 20 (298)Gebaut für eine deutsche Ewigkeit.
    Wird es die Kunde dieser hohen Zeit
    bis zu den Enkeln unsrer Enkel tragen.

    In Qual Geknechtete hast du befreit;
    Aus starrem Fels den klaren Quell geschlagen.
    Schon raunt es über Grenzen wie von Sagen,
    Und wie Legende, die dich benedeit.

    Uns aber, die du aus der Dumpfheit pochtest,
    Bis Herz um Herz nach deinem Willen schwang --
    Uns scheint als schönster Kranz, den du dir flochtest,
    Dass dir des freien Reiches Bau gelang."
(2) Der damalige Landtagsabgeordnete Tino Müller kommentierte einen Fackelmarsch in der Nacht zum 17. August 2008, dem 21. Todestag von Rudolf Heß, auf der Homepage des Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern der Antragsgegnerin wie folgt:
(1) Exemplarisch hierfür steht der Artikel "Brandenburg -- eine heroische Geschichte" von D. in der JN-Publikation "Der Aktivist" (Ausgabe 3/2012, S. 4 [5]), in dem der Autor auf den Fackelmarsch der Nationalsozialisten durch das Brandenburger Tor am 30. Januar 1933 Bezug nimmt:
(2) Jürgen Gansel betitelte seinen Facebook-Eintrag vom 12. Januar 2015 mit "Volk steh auf", eine Formulierung, die Goebbels in seiner sogenannten Sportpalastrede am 18. Februar 1943 verBVerfGE 144, 20 (299)BVerfGE 144, 20 (300)wendet hatte. Auch die JN Brandenburg bedienten sich in ihrem Facebook-Eintrag vom 28. November 2014 der sich ursprünglich in dem Gedicht von Theodor Körner "Männer und Buben" findenden Formulierung "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los".
(3) In einem Beitrag auf der Internetseite des Kreisverbands Weimar/Weimarer Land der Antragsgegnerin gab der Kreisvorsitzende M. am 31. Dezember 2012 folgendes Zitat des früheren NSDAP-Funktionärs und Reichsjugendführers Baldur von Schirach unter entsprechender Kenntlichmachung wieder:
(4) Ebenso hat Udo Pastörs am 11. Dezember 2014 im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern mit der Verwendung des Begriffs "entartete Menschen" auf nationalsozialistisches Vokabular zurückgegriffen (vgl. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Plenarprotokoll 6/84 vom 11. Dezember 2014, S. 98 f.).
(5) Zu den wichtigsten nationalsozialistischen "Kernliedern", denen die Funktion eines politischen Führungsmittels zugewiesen wurde, gehörte "Ein junges Volk steht auf", das 1935 von dem Hitlerjugend (HJ)-Funktionär Werner Altendorf verfasst worden war. Dessen Verwendung stand im Mittelpunkt eines vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht bestätigten Verbots einer Versammlung der JN (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. April 2012 -- 11 ME 113/12 --, juris).
(6) Den Kreisvorsitzenden Erlangen-Höchstadt P. verurteilte das Amtsgericht Forchheim mit Urteil vom 31. Oktober 2007 aufgrund des Tragens eines T-Shirts unter anderem mit der Aufschrift "die Fahnen hoch" wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe (vgl. BVerfG, BVerfGE 144, 20 (300)BVerfGE 144, 20 (301)Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Mai 2009 -- 2 BvR 2202/08 --, juris, Rn. 5). Hintergrund war die Ähnlichkeit der Aufschrift mit dem Beginn des gleichnamigen von Horst Wessel verfassten Liedes, das nach seinem Tod zur offiziellen Parteihymne der NSDAP wurde.
(7) Auch der am 23. April 2013 anlässlich der Neuwahl des Parteivorstands auf Facebook veröffentlichte Text der nordrhein-westfälischen JN bedient sich einer von den Nationalsozialisten geprägten Formulierung. Der Eintrag lautet:
(8) Der JN-Stützpunkt Muldental (Sachsen) stellte am 9. Dezember 2012 auf seiner Facebook-Seite ein von der NSDAP herausgegebenes Gedicht mit dem Titel "Weihnachten in der Familie" ein. Am 12. Mai 2013 wurde auf dessen Facebook-Profil das Bild einer Frau mit zwei Kindern veröffentlicht, das im Original aus dem Buch "Ewiges Deutschland. Ein deutsches Hausbuch", herausgegeben vom Winterhilfswerk des Deutschen Volkes im Jahr 1939, stammt und überschrieben ist mit einem Zitat von Adolf Hitler: "Die Arbeit ehrt die Frau wie den Mann / das Kind aber adelt die Mutter". Die Argumentation der Antragsgegnerin, dies sei im Verbotsverfahren solange irrelevant, wie die geposteten Inhalte nicht ihrerseits spezifisch nationalsozialistisches Gedankengut wiedergäben, verkennt, dass der Rückgriff auf von den Nationalsozialisten benutzte Texte und Symbole die Identifikation mit deren Ideologie indiziert.
(9) Bei H., Kreisvorsitzender und Vorstandsmitglied im Landesverband Baden-Württemberg der Antragsgegnerin, wurden im Oktober 2012 -- von der Antragsgegnerin unbestritten -- neben diversen Waffen verschiedene NS-Devotionalien, wie die Reichskriegsflagge, Bildnisse von Adolf Hitler, Rudolf Heß und Horst Wessel sowie zahlreiche Symbole und Embleme (unter anderemBVerfGE 144, 20 (301) BVerfGE 144, 20 (302)Hakenkreuze und SS-Runen), sichergestellt. Dass es sich -- wie die Antragsgegnerin behauptet -- bei den vorgefundenen Waffen um Deko-Waffen beziehungsweise eine nicht mehr funktionsfähige Mauser 1918 gehandelt haben soll, ändert nichts an der Tatsache, dass eine glorifizierende Bezugnahme auf den Nationalsozialismus vorliegt.
(10) Karl Richter wurde durch rechtskräftiges (Berufungs-)Urteil des Landgerichts München I vom 2. Juli 2009 (18 Ns 112 Js 10817/08) wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Dem lag zugrunde, dass der Vorgenannte am 2. Mai 2008 bei der konstituierenden Sitzung des Münchener Stadtrates bei seiner Vereidigung die Erinnerung an den "Hitler-Gruß" wachrief. Der Vortrag der Antragsgegnerin, Richter habe den "Hitler-Gruß" nicht gezeigt, es habe sich vielmehr um eine Falschwahrnehmung des Belastungszeugen gehandelt, vermag die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts München I sowie des Amtsgerichts München (Urteil vom 21. August 2008 -- 844 Ds 112 Js 10817/08 --) als Vorinstanz, die sich entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidungsfindung nicht nur auf einen, sondern auf drei Zeugen stützen konnten, nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen.
cc) Außerdem ist das Bestreben führender Vertreter der Antragsgegnerin feststellbar, den Nationalsozialismus zu verklären und seine Verbrechen zu relativieren.
(1) Entsprechend formulierte P. in seinem unter dem 26. September 2012 auf der Seite www.xxx.de veröffentlichten Artikel "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden ...":
c) Die vorstehenden Belege sind der Antragsgegnerin zurechenbar. Es handelt sich überwiegend um Erklärungen und Handlungen von Teilorganisationen oder führenden Parteifunktionären der Antragsgegnerin. Sie dokumentieren -- ohne dass es des Rückgriffs auf das vom Antragsteller vorgelegte Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte bedarf -- in ausreichendem Maß dieBVerfGE 144, 20 (304) BVerfGE 144, 20 (305)inhaltliche Verbundenheit relevanter Teile der Antragsgegnerin mit dem historischen Nationalsozialismus.
Auch der ehemalige Bundesvorsitzende der Antragsgegnerin Holger Apfel hat dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt und darauf verwiesen, dass "zumindest Teile der Partei sich noch in vielen Punkten in der politischen Gedankenwelt des Dritten Reiches befinden". Der ehemalige Hamburger Landesvorsitzende Wulff bekenne sich öffentlich dazu, Nationalsozialist zu sein. Ein gegen ihn vor diesem Hintergrund eingeleitetes Parteiausschlussverfahren sei gescheitert.
Nach alledem ist vom Bestehen einer Wesensverwandtschaft der Antragsgegnerin mit dem Nationalsozialismus auszugehen. Dem steht auch der Hinweis der Antragsgegnerin nicht entgegen, sie sei nicht nach dem Führerprinzip aufgebaut und lehne einzelne von den Nationalsozialisten vertretene Prinzipien ab. Die Ablehnung einzelner inhaltlicher Grundsätze oder die fehlende Übernahme wesentlicher Organisationsprinzipien schließt die positive Anknüpfung an das Wirken einer Partei und die von ihr vertretene Ideologie in ihrer Gesamtheit nicht aus. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus bei der Antragsgegnerin einhellig geteilt wird. Entscheidend ist vielmehr das Vorliegen einer entsprechenden Grundtendenz bei der Antragsgegnerin, so dass die positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus nicht als "Entgleisung" Einzelner angesehen werden kann.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Antragsgegnerin auf sechs Fälle angestrebter Ordnungsmaßnahmen gegen einfache Parteimitglieder, die angeblich wegen befürwortender Stellungnahmen zum Nationalsozialismus ergriffen werden sollten. Abgesehen davon, dass einer dieser Fälle keinen Bezug zum Nationalsozialismus hat, ein weiterer Fall den Ausschluss von Parteimitgliedern wegen ihrer Kritik an der Arbeit und einzelnen Personen des Landesvorstands Nordrhein-Westfalen betraf und in den vier übrigen Fällen keine Ordnungsmaßnahmen angeordnet wurden, weil die Betroffenen aus der Antragsgegnerin ausgetreten sind, ändern die geschilderten Fälle nichts daran,BVerfGE 144, 20 (305) BVerfGE 144, 20 (306)dass die vorstehend dargestellten Beispiele positiver Bezugnahme auf den Nationalsozialismus durch Führungskräfte oder Teilorganisationen der Antragsgegnerin zuzurechnen sind und nicht als Entgleisungen einzelner Mitglieder angesehen werden können. Demgemäß belegen die inhaltlichen Übereinstimmungen, die Glorifizierung einzelner Repräsentanten, die Relativierung der Verbrechen sowie der Rückgriff auf Texte und Symbole des Nationalsozialismus die Wesensverwandtschaft der Antragsgegnerin mit diesem.
Damit bestätigt sich zugleich die Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die Antragsgegnerin. Das nationalsozialistische Gewalt- und Terrorregime war geprägt durch Menschenverachtung und totalitäre Demokratiefeindlichkeit. Demgemäß zieht die bei der Antragsgegnerin feststellbare Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus deren Anerkennung der Menschenwürde und des Demokratieprinzips in Zweifel. Auch wenn dies für die Annahme, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Ziele verfolgt, allein nicht ausreicht, führt die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus zumindest zu einer Bestätigung des aus dem "Volksgemeinschafts- und Nationalstaatskonzept" der Antragsgegnerin folgenden Befundes, dass sie politische Ziele verfolgt, die mit der Menschenwürdegarantie und dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes nicht vereinbar sind.
4. Nach alledem zielt die Antragsgegnerin auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen "Volksgemeinschaft" ausgerichteten autoritären "Nationalstaat". Dieses politische Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die der ethnischen "Volksgemeinschaft" nicht angehören, und ist mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar. Damit strebt die Antragsgegnerin nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger nicht nur eine Beeinträchtigung, sondern eine Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung an.BVerfGE 144, 20 (306)
BVerfGE 144, 20 (307)II.
 
Einem Verbot der Antragsgegnerin steht aber entgegen, dass das Tatbestandsmerkmal des "Darauf Ausgehens" im Sinne von Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG nicht erfüllt ist. Die Antragsgegnerin bekennt sich zwar zu ihren gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Zielen und arbeitet planvoll und mit hinreichender Intensität auf deren Erreichung hin, so dass sich ihr Handeln als qualifizierte Vorbereitung der von ihr angestrebten Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstellt (1.). Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln der Antragsgegnerin zum Erfolg führt (2.).
1. Die Antragsgegnerin arbeitet im Rahmen ihrer organisatorischen Möglichkeiten (a) und auf der Grundlage eines strategischen Konzepts (b) planmäßig auf die Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele hin (c).
a) aa) Die Antragsgegnerin ist bundesweit organisiert. Sie verfügt neben regionalen Untergliederungen mit den JN über eine eigene Jugendorganisation (ca. 350 Mitglieder). Hinzu kommen als weitere Teilorganisationen seit 2003 die KPV und seit 2006 der RNF (ca. 100 Mitglieder).
Ausweislich des Rechenschaftsberichts für das Jahr 2013 hatte die Antragsgegnerin am 31. Dezember 2013 5.048 Mitglieder, am 31. Dezember 2014 waren es ausweislich des Rechenschaftsberichts für jenes Jahr 5.066 Mitglieder (vgl. BTDrucks 18/4301 und BTDrucks 18/8475, jeweils S. 120). In der mündlichen Verhandlung hat der Parteivorsitzende Franz erklärt, dass im Jahr 2015 vor dem Hintergrund der Asylpolitik der Bundesregierung erstmals seit Jahren ein Mitgliederzuwachs zu verzeichnen gewesen sei. Die Steigerungsrate habe etwa 8% betragen. Hinsichtlich der regionalen Verteilung der Mitgliedschaft besteht eine überproportionale Konzentration in den neuen Bundesländern, in denen rund jedes dritte Mitglied der Antragsgegnerin wohnhaft ist.
Durch Schulungen und vergleichbare Maßnahmen versucht die Antragsgegnerin, ihre Anhänger für die politische Auseinandersetzung vorzubereiten. Der Antragsteller hat eine Reihe vonBVerfGE 144, 20 (307) BVerfGE 144, 20 (308)Schulungsaktivitäten für Parteimitglieder dokumentiert, die teilweise weltanschaulich-inhaltlich ausgerichtet sind und teilweise Selbstverteidigungs- und Kampfsporttechniken zum Gegenstand haben. Dabei kommt dem 2005 gegründeten "Bildungswerk für Heimat und nationale Identität e.V." besondere Bedeutung zu, dessen Vorsitzender der ehemalige Pressesprecher der Fraktion der Antragsgegnerin im Sächsischen Landtag, T., ist. Dieser beschreibt im Gespräch mit der Deutschen Stimme (Ausgabe 7/2012, S. 3) das Bildungswerk als eine den Nationaldemokraten nahestehende politische Bildungsvereinigung.
bb) Die Antragsgegnerin ist im Europäischen Parlament mit einem Abgeordneten vertreten. Über Mandate auf Bundes- oder Landesebene verfügt sie nicht. Auf kommunaler Ebene gehören rund 350 Mandatsträger in 14 Ländern der Antragsgegnerin an. Der weit überwiegende Teil dieser Mandate entfällt dabei auf die neuen Länder.
cc) Die Öffentlichkeitsarbeit der Antragsgegnerin nutzt das gesamte Spektrum medialer Möglichkeiten. Zentrales Instrument ihrer Pressearbeit ist die "Deutsche Stimme Verlags GmbH", die die Parteizeitung "Deutsche Stimme" mit einer Auflagenhöhe von circa 25.000 Exemplaren herausgibt. Darüber hinaus verantwortet die Antragsgegnerin zahlreiche regionale Publikationen. Insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern werden von ihr die ursprünglich aus dem neonazistischen Kameradschaftsspektrum stammenden "Boten" verteilt. Herausgegeben werden "De Meckelbörger Bote" von T. (vgl. Ausgabe 1/2013, S. 2), "Der Anklamer Bote" von Michael Andrejewski (vgl. Ausgabe 1/2013, S. 4) und W. (vgl. Ausgabe 1/2014, S. 4), "Der Insel Bote" von H. (vgl. Ausgabe 1/2012, S. 4) und "Der Uecker-Randow-Bote" von Tino Müller (vgl. Ausgabe 1/2013, S. 6).
Neben konventionellen Druckerzeugnissen nutzt die Antragsgegnerin intensiv das von ihr als "Weltnetz" bezeichnete Internet. Zur Bedeutung des Internets für die Arbeit der Antragsgegnerin schrieb A. 2011 in der Deutschen Stimme (Ausgabe 10--11/2011, S. 17), dass der Weltnetz-Aktivismus nicht hoch genug eingeschätzt werden könne. Die Information des Bürgers werde ebensoBVerfGE 144, 20 (308) BVerfGE 144, 20 (309)wie die Vernetzung von politisch Gleichdenkenden erleichtert. Gerade Jugendliche könnten auf diese Weise besser erreicht werden. Auch sei es im Weltnetz möglich, Anonymität zu wahren.
Mit "DS-TV" betreibt die Antragsgegnerin -- auch unter dem Namen "offensiv.TV" -- seit März 2009 einen professionellen Videokanal auf YouTube, der bisher rund 1.280.000 Mal aufgerufen wurde und 4.758 Abonnenten aufweist (Stand Oktober 2016). Die NPD Mecklenburg-Vorpommern ist seit Oktober 2010 mit "weiterdenken.tv" auf YouTube präsent. Dieser Kanal wurde bislang rund 779.000 Mal aufgerufen und hat 1.312 Abonnenten (Stand Oktober 2016).
dd) Die Antragsgegnerin behauptet, dass ihre politische Kampagnenfähigkeit durch erhebliche finanzielle Probleme eingeschränkt sei. Belege hierzu hat sie allerdings nicht vorgelegt. Der Rechenschaftsbericht für das Jahr 2013 weist 488.859,96 Euro (2014: 459.157,77 Euro) Mitgliedsbeiträge und knapp 804.000,-- Euro (2014: 866.000,-- Euro) Spenden aus, die zusammen rund 43,5% (2014: 43,6%) der Einnahmen der Gesamtpartei ausmachten (vgl. BTDrucks 18/4301, S. 109, BTDrucks 18/8475, S. 109).
b) Grundlage der politischen Arbeit der Antragsgegnerin ist ein geschlossenes strategisches Konzept, das sie als "Vier-Säulen-Strategie" bezeichnet und das der damalige Bundesvorsitzende Voigt auf dem Bundesparteitag der Antragsgegnerin am 30./31. Oktober 2004 in Leinefelde in seiner auf der Parteihomepage eingestellten Ansprache wie folgt beschrieb:
    "Der Kampf um die Köpfe
    Der gerade erläuterte "Kampf um die Köpfe" wirkt sich in letzter Konsequenz auf jeder Ebene aus. Er führt beispielsweise dazu, daß Personen, denen die NPD bisher egal ist, eine gewisse Sympathie für die Ziele der NPD empfinden, wenn sie erst mit diesen vertraut gemacht werden. Wir haben in den letzten beiden Jahren bewußt verstärkt eine Personalisierung der Partei betrieben. Die Erkenntnis, daß Bürger keine drei Buchstaben oder bloße Programme wählen, sondern wissen wollen, wer dahinter steht, hat uns verstärkt mit eigenen ...Köpfen auf Plakaten werben lassen. Dies versetzt Personen, welche die NPD wählen und unterstützen in die Lage, in ihrem Umfeld mit "Köpfen",BVerfGE 144, 20 (309)
    BVerfGE 144, 20 (310)d.h. Repräsentanten besser Werbung für die Ziele der NPD zu machen. Daß dieser Weg richtig ist, beweisen die Diffamierungskampagnen der Medien nach den jüngsten Wahlerfolgen, die darauf abzielen, die von uns präsentierten "Köpfe" negativ darzustellen. [...]

    Der Kampf um die Straße
    Der Kampf um die Straße führt u.a. gerade bei Jugendlichen dazu, sich wegen ihrer öffentlichen Aktivitäten an die NPD zu binden, sorgt aber auch im Rahmen des Kampfes um die Köpfe dafür, unsere Positionen zu verbreiten und vielfach die ...Schweigespirale zu durchbrechen! Er wird sicher auch weiterhin richtig und notwendig sein. Allerdings sollten wir hierbei auf Minidemonstrationen weitestgehend verzichten, bei denen der Gegner seine Überzahl allzu deutlich demonstrieren kann. Es ist sicherlich gut in einer kleinen Gemeinde oder Kleinstadt zu einem aktuellen Thema (Montagsdemo, Betriebsschließung, Kindermord usw.) eine Demonstration mit 100--250 Teilnehmern durchzuführen, doch wirkt diese Teilnehmerzahl in einer deutschen Großstadt eher lächerlich. [...]

    Der Kampf um die Parlamente
    Im Kampf um die Parlamente geht es schließlich darum, so viele Menschen wie möglich zu bewegen, die NPD zu wählen, wobei mit entsprechender Wahlkampfführung wiederum alle Ebenen einbezogen werden. Unsere bisherigen Möglichkeiten erlaubten jedoch nur einen Erfolg bei Konzentration der Kräfte auf kommunaler Ebene, welche zudem durch bekannte Personen vor Ort verstärkt werden. Das Wahlergebnis zur Europawahl versetzte uns erstmalig in die Lage, die notwendigen finanziellen Mittel zu beschaffen, um unsere Wahlkampferfahrungen und Erkenntnisse auf Landesebene wirksam einsetzen zu können. Jetzt werden wir gemeinsam mit dem Bündnispartner DVU die Landtage erobern um dann 2006 gemeinsam in den Reichstag einzuziehen. Der erfolgreich eingeschlagene Weg wird unter meiner Führung fortgesetzt werden.

    Der Kampf um den organisierten Willen
    Der "Kampf um den organisierten Willen" gipfelt in der Erkenntnis, daß organisierter Wille Macht bedeutet. Mit dem "Leipziger Appell" begannen wir bereits kurz nach dem Ende des Verbotsverfahrens den Versuch der Konzentration möglichst aller nationalen Kräfte. Das gute Abschneiden zur Europawahl ermöglichte, daß die Kontakte mit dem Vorsitzenden der Deutschen Volksunion, Dr. Gerhard Frey, intensiviert wurden. Das Ergebnis war dann die Wahlabsprache der NPD mit der DVU zugunsten der DVU in Brandenburg und zugunsten der NPD in Sachsen. Eine zwölfköpfige NPD-Fraktion in Sachsen undBVerfGE 144, 20 (310) BVerfGE 144, 20 (311)eine sechsköpfige DVU-Fraktion in Brandenburg sind hoffentlich nur der Anfang! Erfreulicherweise erfährt der ...Kampf um den organisierten Willen bereits nachhaltige Unterstützung aus den Reihen der Deutschen Partei, der Freien und ehemaliger Mitglieder der Republikaner. Wir hoffen, daß die Republikaner nach ihrem Bundesparteitag im November unsere ausgestreckte Hand nicht länger zurückschlagen werden. Schließlich geht es um mehr als Geld und Posten. Es geht um Volk und Vaterland."
aa) (1) Im Rahmen der ersten Säule dieser Strategie ("Kampf um die Köpfe") strebt sie an, durch "nationalrevolutionäre Graswurzelarbeit" und ein "Kümmerer-Image" ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu steigern. Dabei steht zunächst nicht die politische Botschaft im Vordergrund. Vielmehr soll Zustimmung zur Antragsgegnerin dadurch geschaffen werden, dass sie vor Ort als "Helfer" und "Kümmerer" auftritt und dabei vor allem die Interessen derjenigen vertritt, die (angeblich) vom Staat und den "etablierten Parteien" vergessen werden. Dies belegt ein mit Holger Apfel zu dessen Amtsantritt in der Deutschen Stimme (Ausgabe 1/2012, S. 3 f.) geführtes Interview, in dem er erklärte:
(2) Nach Darstellung des Antragstellers verfolgt die Antragsgegnerin auf der Grundlage ihrer "Graswurzelpolitik" das Ziel der Herstellung kultureller Hegemonie in abgegrenzten Sozialräumen bis hin zur Schaffung sogenannter "national befreiter Zonen". Dazu erklärt das Mitglied des Landesvorstands Mecklenburg-Vorpommern H. in einem Interview mit der Deutschen Stimme (Ausgabe 1/2008):
BVerfGE 144, 20 (313)(1) Die Antragsgegnerin ist bestrebt, durch den Einsatz spezifisch jugend-orientierten Materials potentielle Wähler und Sympathisanten frühzeitig anzusprechen und mit ihren verfassungsfeindlichen Positionen vertraut zu machen.
Beispielsweise verteilte der Landesverband Berlin im Wahlkampf zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses 2011 auf Schulhöfen eine bewusst dafür gestaltete CD mit rechtsextremer Musik. Im Booklet der Schulhof-CD Berlin heißt es, dass sie vornehmlich an "Schülerinnen, Schüler und Erstwähler" gerichtet sei. Die CD wurde von der BPjM mit Beschluss vom 1. März 2012 (Entscheidung Nr.  5889, Bundesanzeiger Nr.  52) indiziert. Grund waren Textpassagen wie die Folgenden:
Ähnliche Texte finden sich auf der ebenfalls von der BPjM indiBVerfGE 144, 20 (313)BVerfGE 144, 20 (314)zierten Sampler-CD "Freiheit statt BRD" (Entscheidung Nr.  VA 2/10 vom 8. September 2010, Bundesanzeiger Nr.  138), die seit dem 4. September 2010 vom Landesverband der Antragsgegnerin Mecklenburg-Vorpommern über das Internet und nach Angaben der Antragsgegnerin in einer ersten Auflage von 25.000 Stück kostenlos vor Schulhöfen verteilt worden ist.
Auch der Landesverband der JN Thüringen verteilte entsprechende Schulhof-CDs, wozu er am 18. August 2009 auf seiner Homepage mitteilte:
(2) Schwerpunkt der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten der Antragsgegnerin ist die Asylthematik. Vertreter der Antragsgegnerin treten als Anmelder oder Organisatoren von Protestkundgebungen auf, die sich vor allem gegen Standortentscheidungen für Flüchtlingsunterkünfte richten (a). Hinzu kommen sonstige Aktionen, mit denen die Antragsgegnerin auf ihre Forderungen nach ersatzloser Streichung des Asylrechts, den Verzicht auf InteBVerfGE 144, 20 (314)BVerfGE 144, 20 (315)gration und die Rückführung aller ethnisch Nichtdeutschen hinzuweisen sucht (b).
(a) (aa) Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers wurden von der Antragsgegnerin im Jahr 2015 insgesamt 192 ihr unmittelbar zuzurechnende Veranstaltungen mit mehr als 20 Teilnehmern pro Veranstaltung und einer Gesamtzahl von 23.000 Teilnehmern durchgeführt. Hinzuzurechnen sind aus Sicht des Antragstellers weitere 95 Veranstaltungen mit einer Gesamtteilnehmerzahl von 20.000 Personen, da insbesondere Kundgebungen der MVGIDA und der THÜGIDA stark durch die Antragsgegnerin beeinflusst seien.
(bb) Die Aktivitäten der Antragsgegnerin sind vor allem auf Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern konzentriert. Beispielhaft für die gezielte Organisation von Protesten gegen die Standorte von Asylbewerberunterkünften in Sachsen stehen die durch das Kreistags- und Stadtratsmitglied der Antragsgegnerin T. angemeldeten "Abendspaziergänge" in Tröglitz, die durch den örtlichen Kreisvorsitzenden H. von Oktober 2013 bis Januar 2014 organisierten "Schneeberger Lichtelläufe" und die am 24. Juli 2015 in Dresden unter dem Motto "Asylflut stoppen -- Nein zur Zeltstadt auf der Bremer Straße" durchgeführte Kundgebung, in deren Nachgang es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Des Weiteren organisierte der Heidenauer Stadtrat R. die "Initiative Nein zum Heim", die an unterschiedlichen Orten in Sachsen Protestkundgebungen durchführte. Dazu zählte auch eine Demonstration am 21. August 2015 in Heidenau, bei der es anschließend zur Blockade einer Bundesstraße und gewalttätigen Auseinandersetzungen kam, in deren Verlauf 31 Polizeibeamte verletzt wurden. Bei Demonstrationen in Rötha und Borna traten die Funktionsträger der Antragsgegnerin S., R. und T. als Redner auf. In Bautzen wandte die Antragsgegnerin sich mit Mahnwachen und Aufmärschen gegen die Nutzung eines Hotels als Flüchtlingsheim. Auch in Mecklenburg-Vorpommern wurden von ihr mehrere Anti-Asyl-Veranstaltungen durchgeführt. Dazu zählen Demonstrationen, Fackelmärsche und Mahnwachen in Güstrow, dieBVerfGE 144, 20 (315) BVerfGE 144, 20 (316)von den Funktionsträgern der Antragsgegnerin M. und K. gesteuert wurden.
(b) Neben Protestkundgebungen gehören Besuche von Asyleinrichtungen durch Landtagsabgeordnete und Stadträte der Antragsgegnerin sowie die in Mecklenburg-Vorpommern in der Zeit von 2013 bis 2015 jährlich durch die ehemalige Landtagsfraktion der Antragsgegnerin veranstalteten Kundgebungstouren zur Asylpolitik zu denjenigen Maßnahmen, mit denen die Antragsgegnerin versucht, das Thema Asyl für ihre Zwecke zu nutzen.
(3) Ergänzt wird die asylfeindliche Agitation der Antragsgegnerin durch weitere gegen Migranten und Minderheiten gerichtete Aktivitäten. Hierzu gehören die bereits geschilderten Rückkehraufforderungen an Politiker mit Migrationshintergrund in den Bundestagswahlkämpfen 2009 und 2013 sowie im thüringischen Landtagswahlkampf 2009 (vgl. Rn. 682 ff.), die Plakatkampagne "Geld für die Oma statt für Sinti & Roma", das Aufstellen eines -- Udo Voigt auf einem Motorrad abbildenden -- Wahlplakats mit dem Slogan "Gas geben" unter anderem vor dem jüdischen Museum in Berlin und der Protest gegen die Errichtung einer Moschee in Leipzig-Gohlis unter dem Motto "Maria statt Scharia -- Islamisierung und Überfremdung stoppen".
(4) Der Versuch der Verbreitung der politischen Ideologie der Antragsgegnerin findet auf der Basis der sogenannten "Wortergreifungsstrategie" (vgl. Rn. 62 und 320) auch in der direkten Konfrontation mit politischen Wettbewerbern statt. So entrollten bei einer DGB-Kundgebung am 1. Mai 2015 in Weimar Angehörige der JN trotz eines Platzverweises Transparente, verteilten Flugblätter und bemächtigten sich des Mikrofons, was zu tätlichen Auseinandersetzungen führte. Letzteres war auch der Fall am 6. Juli 2015, als unter der Führung des Kreisverbandsvorsitzenden Aschaffenburg S. bei einer Informationsveranstaltung über die anstehende Unterbringung von Asylbewerbern in Goldbach dazwischen gerufen, ein Banner mit der Aufschrift "Schluss mit der Flüchtlingslüge" entrollt und versucht wurde, Flyer mit der Aufschrift "Asylbetrug macht uns arm" zu verteilen. Weiterhin verteilten bei dem von einer Bürgerinitiative gegen RechtsexBVerfGE 144, 20 (316)BVerfGE 144, 20 (317)tremismus am 18. September 2010 in Lübtheen veranstalteten "Lindenfest" die Funktionäre Pastörs, T. (Stadtratsmitglied und früherer stellvertretender Leiter des Bundesordnungsdienstes der Antragsgegnerin) und K. (Landesgeschäftsführer der Antragsgegnerin in Mecklenburg-Vorpommern) Flugblätter und ließen NPD-Ballons aufsteigen. In Berlin-Schöneiche traten Anhänger der Antragsgegnerin in den Jahren 2007 bis 2009 bei dort stattfindenden jüdischen Festen auf. Zum "Besuch" des Laubhüttenfests am 5. Oktober 2007 erklärte die NPD Barnim auf ihrer Homepage:
Soweit es der Antragsgegnerin gelingt, parlamentarische Mandate zu erringen, nutzt sie diese (vgl. bereits Rn. 773), um ihren verfassungswidrigen Vorstellungen Ausdruck zu verleihen. Dabei greift sie auch auf symbolische Handlungen zurück. So blieben die Mitglieder der ehemaligen NPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern einer Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus am 30. Januar 2013 im Landtag fern und verließen den Plenarsaal, als der Landtag im Dezember 2012 der Mordopfer der NSU-Terrorzelle gedenken wollte. Dass die AntragsgegnerinBVerfGE 144, 20 (317) BVerfGE 144, 20 (318)die Teilnahme an Gedenkveranstaltungen als rechtlich bedeutungslos qualifiziert, ändert nichts daran, dass dieses Verhalten ihre Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus und ihre Missachtung der Opfer rechtsterroristischer Gewaltakte zutage treten lässt. Auch die vorgelegte Auflistung verfassungskonformer Beschlussanträge steht der Nutzung parlamentarischer Handlungsmöglichkeiten zur Verbreitung des politischen Konzepts der Antragsgegnerin nicht entgegen, da sie ein Abrücken von deren verfassungsfeindlichen Zielen nicht erkennen lässt.
Vertreter der Antragsgegnerin waren häufig von parlamentarischen Ordnungsmaßnahmen betroffen. Im 4. Sächsischen Landtag wurden gegen die Fraktion der Antragsgegnerin 58 der insgesamt 64 sitzungsleitenden Maßnahmen verhängt. Nach unbestrittener Auskunft der Landtagspräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern in der mündlichen Verhandlung betrafen in der 5. Wahlperiode (2006 bis 2011) 708 von 849 Ordnungsmaßnahmen Mitglieder der Fraktion der Antragsgegnerin. In der 6. Wahlperiode seien bis zum Termin der mündlichen Verhandlung 432 Ordnungsmaßnahmen verhängt worden, 382 davon hätten Mitglieder der Fraktion der Antragsgegnerin betroffen. Abgeordnete der Antragsgegnerin hätten insgesamt in 50 Fällen Einspruch erhoben. Alle Einsprüche seien vom Plenum abgewiesen worden. Nur in elf Fällen habe die Fraktion der Antragsgegnerin ein Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht angestrengt. Lediglich in vier Fällen sei die Ordnungsmaßnahme als Verstoß gegen das Rederecht des Abgeordneten gewertet worden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin übersteigt daher die Anzahl der gegen ihre Abgeordneten ergangenen Ordnungsmaßnahmen das ansonsten übliche parlamentarische Maß und belegt jedenfalls die Bereitschaft, die parlamentarische Auseinandersetzung in aggressiver Weise zu führen.
Schließlich nutzt die Antragsgegnerin die mit der parlamentarischen Präsenz verbundenen finanziellen Ressourcen zur Intensivierung ihrer Verbindungen in das nicht parteigebundene rechtsextreme Spektrum. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers wurden seit 2004 zumindest 87 Personen als MitBVerfGE 144, 20 (318)BVerfGE 144, 20 (319)arbeiter beziehungsweise Praktikanten der ehemaligen Landtagsfraktionen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, der einzelnen ehemaligen Landtagsabgeordneten der Partei sowie des Europaabgeordneten Udo Voigt beschäftigt. Bei insgesamt 37 dieser Personen liegt eine vorherige oder gleichzeitige Verbindung zu neonazistischen Organisationen vor.
dd) Im Rahmen des "Kampfes um den organisierten Willen" strebt die Antragsgegnerin ausgehend von bereits bestehenden personellen Verflechtungen (1) die Bildung einer "umfassenden nationalen Oppositionsbewegung" unter ihrer Führung an (2). Dem dienen regional unterschiedlich ausgeprägte Kooperationen mit der parteiungebundenen rechtsextremen Szene und die Bereitschaft zur Integration eintrittswilliger Mitglieder dieser Szene in die Antragsgegnerin (3). Zugleich bemüht sie sich um Kooperation und Einflussnahme auf die gegen eine angebliche "Islamisierung des Abendlandes" gerichteten Bewegungen (4).
(1) Auf den Führungsebenen der Antragsgegnerin sind in erheblichem Umfang Personen vertreten, die verbotenen rechtsextremen Organisationen angehörten. Dies gilt bereits für vier Angehörige des siebenköpfigen Parteipräsidiums, denen eine frühere Mitgliedschaft in neonazistischen Vereinigungen nachgewiesen werden kann: der am 22. Oktober 2016 verstorbene Frank Schwerdt ("Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." [HNG]), Stefan Köster ("Heimattreue deutsche Jugend e.V." [HDJ] und HNG), Klaus Beier ("Deutsche Alternative" [DA]) und Sebastian Schmidtke (HNG). Frank Schwerdt und Andreas Storr waren außerdem führende Mitglieder des Vereins "Die Nationalen e.V.". Von den weiteren zehn gewählten Parteivorstandsmitgliedern war jedenfalls Jens Pühse ("Nationalistische Front" [NF]) Mitglied in einer neonazistischen Vereinigung. Im 2010 gewählten Bundesvorstand galt dies für fünf Personen: Klaus Beier (DA), Jens Pühse (NF), Manfred Börm in der "Wiking-Jugend", Thomas Wulff (FAP, NL, HNG) und Thorsten Heise (FAP).
Der 1995 verbotenen FAP gehörten neben den bereits Genannten die Funktionäre der Antragsgegnerin B. und B. an. MitgliedBVerfGE 144, 20 (319) BVerfGE 144, 20 (320)der 2009 verbotenen HDJ waren außer Stefan Köster und Manfred Börm auch die Funktionsträger H., B., F., B., G., K., P., T. und P. Der 2011 verbotenen HNG gehörten außer den bereits Genannten H., David Petereit, S., R., D., J., Uwe Meenen, Safet Babic, H., L., P., S., C., D., K., W., W., B., M. und W. an.
Auch die früheren Landtagsabgeordneten der Antragsgegnerin in Mecklenburg-Vorpommern sind eng mit der neonazistischen Szene verbunden. Der ehemalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Tino Müller war Mitglied der verbotenen HDJ und hat Führungsfunktionen im rechtsextremistischen "Kulturkreis Pommern" sowie im Kameradschaftsnetzwerk "Soziales und Nationales Bündnis Pommern" übernommen. Das ehemalige Fraktionsmitglied David Petereit gehörte nicht nur der HDJ und der HNG an, sondern betreibt den Szene-Versandhandel "Levensboom" und verantwortete -- bis zu dessen Einstellung -- den rechtsextremistischen Internetauftritt www.mupinfo.de.
(2) Hiervon ausgehend verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel einer "Konzentration möglichst aller nationalen Kräfte".
Zu diesem "Volksfrontkonzept" der Antragsgegnerin äußerte sich der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Claus Cremer im Dezember 2010 auf der Homepage seines Landesverbands:
(a) In Sachsen kommt dabei den JN besondere Bedeutung zu. Diese haben im Landkreis Nordsachsen und im Landkreis Leipzig im Jahr 2009 gezielt vier Stützpunkte errichtet, die nach einer Mitteilung auf der Internetseite der NPD-Nordsachsen (Abruf am 24. November 2009) eine Bindegliedfunktion zur Neonazi-Szene einnehmen sollen:
Die Vernetzung der JN Sachsen mit der neonazistischen Szene manifestierte sich in dem Parteieintritt der Führungskraft der "Freien Kräfte Dresden" M. und seiner Anhänger in den JN-Landesverband. Element der Zusammenarbeit sind gemeinsame KonBVerfGE 144, 20 (321)BVerfGE 144, 20 (322)zertveranstaltungen, wie zum Beispiel beim "JN-Sachsentag" im Juni 2010. Auf dieser JN-Veranstaltung mit etwa 400 Teilnehmern traten -- wie sich aus einem Bericht auf der Homepage des JN-Bundesvorstands ergibt -- zum einen Redner der Antragsgegnerin, der JN sowie der "Freien Kräfte" auf, zum anderen spielten rechtsextreme Musikgruppen wie "Last Pride", "Barbaren", "Conflict", "Brutal Attack" und "Frontalkraft". Weiteres Beispiel ist die Demonstration von "freien Kräften" mit dem Thema "Recht auf Zukunft" am 17. Oktober 2009 in Leipzig, deren "Demoaufruf" vom Landesverband Sachsen auf seiner Homepage am 6. Oktober 2009 mit dem Kommentar abgedruckt wurde, dass er diese Demonstration unterstütze. In dem Aufruf wird "völkisches Leben" und ein "Volksrecht" gefordert sowie zum Kampf für die neue Ordnung aufgerufen. Der Aufruf endet mit den Worten "Nationaler Sozialismus jetzt!". Auch der Bundesvorstand der JN unterstützte die Kampagne und schrieb anschließend auf seiner Homepage (Abruf am 21. Oktober 2009):
(b) (aa) Insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern beurteilt die Antragsgegnerin ihre Zusammenarbeit mit parteiungebundeBVerfGE 144, 20 (322)BVerfGE 144, 20 (323)nen Kräften der rechtsextremen Szene als erfolgreich. So erklärte Udo Pastörs auf der Homepage des Landesverbands (eingestellt am 14. November 2014):
(cc) Zu einem "Fackelmarsch gegen Asylmissbrauch" im November 2012 in Wolgast riefen die Antragsgegnerin, die JN und die "Nationalen Sozialisten Mecklenburg und Pommern" gemeinsam auf, wie ein Plakat auf www.mupinfo.de (Abruf am 1. November 2012) belegt. Die "Nationalen Sozialisten Rostock" äußerten sich mit Blick auf Demonstrationen im Jahr 2011 auf www. info-rostock.org am 6. Oktober 2011 wie folgt:
Entsprechend hat die Antragsgegnerin regelmäßig zur Teilnahme an Kundgebungen der sogenannten "GIDA-Bewegung" aufgeBVerfGE 144, 20 (324)BVerfGE 144, 20 (325)rufen, ihre Unterstützung der Proteste angeboten und Präsenz zu zeigen versucht. In Dresden unterstützte sie darüber hinaus die Kandidatur der PEGIDA-Kandidatin bei der Oberbürgermeisterwahl am 7. Juni 2015. Die in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführten Demonstrationen der MVGIDA waren stark durch den Landesverband der Antragsgegnerin beeinflusst. Ebenso kam dem Mitglied des Landesvorstands des Landesverbands Thüringen der Antragsgegnerin K. bei den Veranstaltungen der THÜGIDA eine maßgebliche Rolle zu.
2. Auch wenn die Antragsgegnerin sich nach alledem zu ihren verfassungsfeindlichen Zielen bekennt und planmäßig auf deren Verwirklichung hinarbeitet, erreicht ihr Handeln nicht die Qualität einer Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des "Darauf Ausgehens" (Art.  21 Abs.  2 Satz 1 GG). Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen. Weder steht eine erfolgreiche Durchsetzung dieser Ziele im Rahmen der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht (a), noch ist der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine der Antragsgegnerin zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar (b).
a) Eine Durchsetzung des verfassungsfeindlichen politischen Konzepts der Antragsgegnerin mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheint ausgeschlossen. Im parlamentarischen Bereich verfügt die Antragsgegnerin weder über die Aussicht, bei Wahlen eigene Mehrheiten zu gewinnen, noch über die Option, sich durch die Beteiligung an Koalitionen eigene Gestaltungsspielräume zu verschaffen (aa). Auch durch die Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung mit demokratischen Mitteln außerhalb des parlamentarischen Handelns besteht in absehbarer Zeit für die Antragsgegnerin keine Möglichkeit erfolgreicher Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele (bb).
aa) Parlamentarische Mehrheiten zur Durchsetzung ihres politischen Konzepts sind für die Antragsgegnerin gegenwärtig weBVerfGE 144, 20 (325)BVerfGE 144, 20 (326)der durch Wahlen noch im Wege der Koalitionsbildung erreichbar.
(1) Auf überregionaler Ebene ist sie gegenwärtig lediglich mit einem Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten. Soweit sie in der Vergangenheit in den Landesparlamenten mehrerer alter Länder, Sachsens und Mecklenburg-Vorpommerns vertreten war, ist ihr eine Verstetigung ihrer parlamentarischen Präsenz nicht gelungen (vgl. bereits Rn. 2 ff.).
Die Wahlergebnisse bei Europa- und Bundestagswahlen stagnieren auf sehr niedrigem Niveau. Bei der letzten Bundestagswahl 2013 erzielte die Antragsgegnerin nach 1,6% bei der Bundestagswahl 2005 und 1,5% bei der Bundestagswahl 2009 ein Ergebnis von 1,3% der abgegebenen gültigen Zweitstimmen. Die Antragsgegnerin war nie im Bundestag vertreten, vor den drei genannten Bundestagswahlen lag ihr Zweitstimmenanteil mehr als 30 Jahre lang bei deutlich unter 1%. Bei der Europawahl 2014 erreichte sie ein Wahlergebnis von 1% der abgegebenen gültigen Stimmen und ist damit erstmals mit einem Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten.
In den alten Ländern schwankten die Wahlergebnisse der Antragsgegnerin bei der jeweils letzten Landtagswahl zwischen 1,2% (Saarland) und 0,2% (Bremen) der abgegebenen gültigen Stimmen. Trotz des bereits niedrigen Niveaus musste sie bei den Landtagswahlen des Jahres 2016 weitere Stimmenverluste hinnehmen, die in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg durch Verluste von jeweils 0,6 Prozentpunkten zu einer Reduzierung ihres Stimmenanteils um mehr als die Hälfte führten. Auch bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin erzielte die Antragsgegnerin 2016 nur noch 0,6% der abgegebenen gültigen Stimmen und verlor damit im Vergleich zur Wahl von 2011 (2,1% der abgegebenen gültigen Stimmen) 1,5 Prozentpunkte.
In den neuen Ländern ist ebenfalls -- ausgehend von einem höheren Niveau -- ein Rückgang der Ergebnisse der Antragsgegnerin bei Landtagswahlen festzustellen. In Sachsen reduzierte sich das Wahlergebnis der Antragsgegnerin von 9,2% bei der Landtagswahl 2004 über 5,6% bei der Landtagswahl 2009 auf 4,9% beiBVerfGE 144, 20 (326) BVerfGE 144, 20 (327)der Landtagswahl 2014. In Sachsen-Anhalt verlor die Antragsgegnerin mit einem Wahlergebnis von 1,9% der abgegebenen gültigen Stimmen bei der Landtagswahl 2016 im Vergleich zur Landtagswahl 2011 (4,6% der abgegebenen gültigen Stimmen) mehr als die Hälfte ihrer Wähler. In Mecklenburg-Vorpommern erzielte die Antragsgegnerin bei der Landtagswahl 2006 ein Ergebnis von 7,3%, bei der Landtagswahl 2011 von 6,0% und bei der Landtagswahl 2016 von nur noch 3,0% der abgegebenen gültigen Stimmen.
Die Antragsgegnerin hat es in den mehr als fünf Jahrzehnten ihres Bestehens nicht vermocht, dauerhaft in einem Landesparlament vertreten zu sein. Anhaltspunkte für eine künftige Veränderung dieser Entwicklung liegen nicht vor. Hinzu kommt, dass die sonstigen in den Parlamenten auf Bundes- und Landesebene vertretenen Parteien zu Koalitionen oder auch nur punktuellen Kooperationen mit der Antragsgegnerin bisher nicht bereit sind. Parlamentarische Mehrheiten für die Antragsgegnerin sind daher auf der Ebene des Europäischen Parlaments, des Bundestages und der Landtage auf absehbare Zeit ausgeschlossen.
(2) Etwas anderes ergibt sich im Ergebnis auch nicht für die kommunale Ebene. Selbst wenn die Antragsgegnerin bundesweit über etwa 350 kommunale Mandate verfügt und die Schwankungsbreite ihrer Kommunalwahlergebnisse im Vergleich zu überregionalen Wahlen deutlich höher ausfällt, ist sie von relevanten politischen Gestaltungsmöglichkeiten sehr weit entfernt. Dafür spricht bereits der Umstand, dass sich angesichts einer geschätzten Gesamtzahl von mehr als 200.000 Kommunalmandaten der Anteil der Antragsgegnerin bundesweit lediglich im Promillebereich bewegt.
Auch eine einzelfallbezogene Betrachtung führt nicht zu einer abweichenden Bewertung: Besonders schwach stellt sich die Vertretung der Antragsgegnerin auf kommunaler Ebene in den alten Ländern dar, auf die lediglich rund ein Fünftel der von ihr gehaltenen Kommunalmandate entfällt. Die geringe Präsenz der Antragsgegnerin wurde in der mündlichen Verhandlung durch den Hinweis des bayerischen Staatsministers des Innern bestätigt,BVerfGE 144, 20 (327) BVerfGE 144, 20 (328)dass die Antragsgegnerin bei den letzten bayerischen Kommunalwahlen lediglich in zwei bayerischen Städten mit jeweils einer Tarnliste angetreten sei. Anhaltspunkte für eine Veränderung dieser Situation sind nicht erkennbar. Zwar erzielte die Antragsgegnerin bei der hessischen Kommunalwahl am 6. März 2016 in einzelnen hessischen Gemeinden (möglicherweise begünstigt durch das jeweilige Nichtantreten der Partei "Alternative für Deutschland" [AfD]) zweistellige Wahlergebnisse (Leun 11,2%, Büdingen 10,2%, Altenstadt 10,0%). Insgesamt ging der Stimmenanteil der Antragsgegnerin aber im Vergleich zur hessischen Kommunalwahl 2011 von 0,4% auf 0,3% der abgegebenen gültigen Stimmen zurück. Bei der Kommunalwahl 2016 in Niedersachsen lag der Stimmenanteil bei 0,1%. Soweit die Antragsgegnerin überhaupt in Kommunalparlamenten vertreten ist, stellt sie regelmäßig lediglich einen oder zwei Abgeordnete. Eigenständige Gestaltungsmöglichkeiten sind insoweit nicht gegeben. Auch über Kooperations- oder Koalitionsoptionen verfügt sie in den Kommunalparlamenten der alten Länder nicht.
In den neuen Ländern ist ein bestimmender Einfluss der Antragsgegnerin auf die politische Willensbildung in den kommunalen Vertretungskörperschaften ebenfalls weder gegeben noch zukünftig zu erwarten. Dies gilt selbst mit Blick auf die vom Antragsteller besonders hervorgehobenen Kommunen, in denen die Antragsgegnerin bei den Kommunalwahlen 2014 in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern deutlich überproportionale Wahlergebnisse bis hin zu 27,2% der abgegebenen gültigen Stimmen in Blesewitz, 21% in Neuenkirchen, 17,6% in Groß Krams und 20,5% in Reinhardtsdorf-Schöna erzielt hat.
Die ganz überwiegende Zahl der zitierten Gemeinden hat eine geringe vierstellige, zum Teil sogar nur dreistellige Einwohnerzahl (Blesewitz: 235 Einwohner, Neuenkirchen bei Anklam: 228 Einwohner, Groß Krams: 164 Einwohner [Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern, Stand: 1. Januar 2015], Reinhardtsdorf-Schöna: 1.358 Einwohner [Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Stand: 31. Dezember 2014]), weshalb die hohen Ergebnisse im Einzelfall noch nicht einmal für einen SitzBVerfGE 144, 20 (328) BVerfGE 144, 20 (329)der Antragsgegnerin in der betreffenden Gemeindevertretung ausgereicht haben. Anders als vom Antragsteller behauptet, kann auch in der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna angesichts der zwei Mandate der Antragsgegnerin im zwölf Sitze umfassenden Gemeinderat zumindest im Kommunalparlament nicht von einer "rechten Vorherrschaft" gesprochen werden. Auf der jeweiligen Kreisebene hat die Antragsgegnerin 2014 nirgendwo mehr als 7% der Stimmen erzielt. Im Kreis Vorpommern-Greifswald, in dem die Mehrzahl der seitens des Antragstellers exemplarisch aufgeführten Gemeinden liegt, hat die Antragsgegnerin deutliche Verluste hinnehmen müssen und lediglich ein Ergebnis von 6,6% der abgegebenen gültigen Stimmen erreicht (vgl. Eckert/Müller, in: Nestler/Scheele [Hrsg.], Die Kommunalwahlen 2014 in Mecklenburg-Vorpommern, S. 78 f.).
Insgesamt kann im Vergleich der letzten beiden Kommunalwahlen auch in den neuen Ländern ein positiver Trend zugunsten der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden. Lediglich in Brandenburg ist es ihr bei den Kommunalwahlen 2014 auf Kreisebene gelungen, die Zahl ihrer Mandate von 16 auf 20 zu steigern. In den übrigen Bundesländern hat sie Mandate verloren. Dies gilt auch für Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, wo sie auf Kreisebene bei den Kommunalwahlen 2014 jeweils neun Sitze abgegeben hat.
Über eigene Gestaltungsmehrheiten verfügt die Antragsgegnerin in den Kommunalparlamenten der neuen Länder mithin nicht. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Prognose sind nicht erkennbar. Ferner stehen ihr Koalitionsoptionen ebenso wenig wie in den alten Ländern zur Verfügung. Diese Einschätzung wird auch nicht erschüttert durch den Hinweis des Antragstellers auf die Wahl der Gemeindevertreterin der Antragsgegnerin Z. zur stellvertretenden Stadtpräsidentin mit drei Ja-Stimmen und drei Enthaltungen sowie die in dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten beschriebenen drei Fälle der Wahl von Kommunalvertretern der Antragsgegnerin in Ausschüsse der jeweiligen Kommunalparlamente (vgl. Borstel, Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung der NPD,BVerfGE 144, 20 (329) BVerfGE 144, 20 (330)S. 24) nicht entgegen. Es handelt sich insoweit um sehr vereinzelte Personalentscheidungen, die den Rückschluss auf weitere Zusammenarbeitsmöglichkeiten und eine Unterstützung der von der Antragsgegnerin verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht erlauben. Die von dem Sachverständigen Prof. Borstel in diesem Zusammenhang beschriebenen "Normalisierungserfolge" der Antragsgegnerin betreffen im Übrigen lediglich den persönlichen Umgang der Kommunalvertreter untereinander (vgl. Borstel, Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung der NPD, S. 24) und vermögen daher die Annahme inhaltlicher Kooperationsbereitschaft ebenfalls nicht zu begründen.
bb) Konkrete Anhaltspunkte von Gewicht, die eine Durchsetzung des auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichteten Konzepts der Antragsgegnerin mit demokratischen Mitteln jenseits der parlamentarischen Ebene möglich erscheinen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Vielmehr stehen einer nachhaltigen Beeinflussung der außerparlamentarischen politischen Willensbildung durch die Antragsgegnerin deren niedriger und tendenziell rückläufiger Organisationsgrad (1) sowie ihre eingeschränkte Kampagnenfähigkeit und geringe Wirkkraft in die Gesellschaft (2) entgegen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin in der Lage ist, diese Defizite durch die Bildung rechtsextremer Netzwerke oder auf anderem Wege zu kompensieren (3).
(1) Der Mitgliederbestand der Antragsgegnerin hat sich im Vergleich zu seinem Höchststand im Jahr 1969 mit 28.000 Mitgliedern deutlich reduziert. Zeitlich begrenzte Erholungsphasen ändern an der Grundtendenz rückläufiger Mitgliederzahlen nichts. Weder die Fusion der Antragsgegnerin mit der Deutschen Volksunion (DVU) noch die Öffnung zur Kameradschaftsszene und die Gründung eigener Landesverbände in den neuen Ländern vermochten den Mitgliederrückgang dauerhaft zu stoppen. Ende 2013 verfügte die Antragsgegnerin ausweislich ihres Rechenschaftsberichts nur noch über 5.048 Mitglieder, Ende 2014 über 5.066 Mitglieder. Soweit ihr Vorsitzender in der mündlichen VerBVerfGE 144, 20 (330)BVerfGE 144, 20 (331)handlung auf einen einmaligen Mitgliederzuwachs in einer Größenordnung von 8% in der jüngeren Vergangenheit hinwies, sah er die Ursache dafür in der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Eine Gesamtzahl von weniger als 6.000 Mitgliedern führt zu einer erheblichen Beschränkung der Aktionsmöglichkeiten der Antragsgegnerin.
(2) Einer erfolgreichen Beteiligung der Antragsgegnerin an der politischen Willensbildung stehen deren eingeschränkter Mobilisierungsgrad (a) und ihre geringe Wirkkraft in die Gesellschaft (b) entgegen.
(a) Der Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 2014 stellt eine anhaltende Krise der Antragsgegnerin fest. Obwohl sie weiterhin die wirkmächtigste rechtsextreme Partei sei, leide sie unter innerparteilichen Querelen, sinkenden Mitgliederzahlen, ungelösten strategischen Fragen, finanziellen Problemen und dem anhängigen Verbotsverfahren (vgl. Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 40 ff.).
Insbesondere in den alten Ländern erscheint die politische Aktionsfähigkeit der Antragsgegnerin erheblich eingeschränkt. So wird beispielsweise den Landesverbänden Bremen und Hessen eine zunehmende Handlungsunfähigkeit attestiert (vgl. Senator für Inneres und Sport Bremen, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 26; Hessisches Ministerium des Innern und für Sport, Verfassungsschutz in Hessen 2014, S. 33). Auch der niedersächsische Landesverband wird als kaum noch aktions- und kampagnenfähig angesehen (vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2014, S. 42). In Schleswig-Holstein wird der Zustand der Antragsgegnerin als desolat beschrieben (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 30).
Aber auch in den neuen Ländern sehen die Verfassungsschutzbehörden jedenfalls in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Kampagnenfähigkeit der Antragsgegnerin als stark eingeschränkt an. In Brandenburg unterhalte die Antragsgegnerin nur noch acht Kreisverbände. Die Aktivitäten und damit die öffentliche Wahrnehmbarkeit hänge an wenigen Protagonisten (vgl.BVerfGE 144, 20 (331) BVerfGE 144, 20 (332)Land Brandenburg, Ministerium des Innern und für Kommunales, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 29). Im Jahr 2013 seien alle Kampagnenversuche ins Leere gelaufen (vgl. Land Brandenburg, Ministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 149). In Sachsen-Anhalt wird dem Landesverband der Antragsgegnerin weitgehende Inaktivität bescheinigt. Auch von den Kreisverbänden seien lediglich vereinzelt regionale Aktionen durchgeführt worden (vgl. Sachsen-Anhalt, Ministerium für Inneres und Sport, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 78). Der Verfassungsschutzbericht 2013 des Freistaats Thüringen konstatiert eine erhebliche Beeinträchtigung der Aktions- und Mobilisierungsfähigkeit der Antragsgegnerin. Die Mehrzahl der Mitglieder vermittele den Eindruck, weder willens noch in der Lage zu sein, kontinuierliche Parteiarbeit zu leisten (vgl. Freistaat Thüringen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 22 f.).
(b) Nicht zuletzt aufgrund dieser strukturellen Defizite verfügt die Antragsgegnerin nur über eine geringe Wirkkraft in die Gesellschaft, die eine prägende Einflussnahme auf den Prozess der politischen Willensbildung mit demokratischen Mitteln weitgehend ausschließt.
(aa) Der Sachverständige Prof. Jesse hat in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, bei der Antragsgegnerin handele es sich um eine isolierte, geächtete Partei, deren Kampagnenfähigkeit -- soweit man überhaupt davon reden könne -- in den letzten Jahren abgenommen habe. Auch der Sachverständige Prof. Kailitz hat in der mündlichen Verhandlung geäußert, die Antragsgegnerin sei gegenwärtig nicht in der Lage, die bürgerliche Mitte anzusprechen. Selbst in dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten zum Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern wird darauf verwiesen, dass angesichts großer Mobilisierungsprobleme für die Antragsgegnerin die Kooperation mit dem bewegungsförmigen Rechtsextremismus existentiell sei (vgl. Borstel, Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung der NPD, S. 22). In der mündlichen Verhandlung erklärte der ehemalige Parteivorsitzende der Antragsgegnerin Holger Apfel, in derBVerfGE 144, 20 (332) BVerfGE 144, 20 (333)öffentlichen Wahrnehmung sei der Antragsgegnerin immer eine Bedeutung zugemessen worden, die der Wirklichkeit nicht entsprochen habe. Man habe in den Parlamenten bewusst Tabubrüche inszeniert, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erlangen und den Eindruck einer schlagkräftigen, professionellen Organisation zu erwecken.
(bb) Der Befund geringer Wirkkraft in die Gesellschaft der Antragsgegnerin wird durch die Berichte der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bestätigt. Durchgängig weisen die Verfassungsschutzberichte der alten Länder für Veranstaltungen der Antragsgegnerin tendenziell rückläufige, unterhalb des dreistelligen Bereichs liegende Teilnehmerzahlen aus, während nicht selten die Zahl der Gegendemonstranten um ein Vielfaches höher gelegen habe (vgl. u.a. Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 40; siehe auch: Verfassungsschutzbericht 2013, S. 86 f.; Innenministerium Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 201; Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 99 f.; Senator für Inneres und Sport Bremen, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 26; Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2014, S. 93; Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2014, S. 45 f.; Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 35; Schleswig-Holsteinischer Landtag, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 39). Es gelinge der Antragsgegnerin nicht, Personen außerhalb des eigenen Mitgliederpotentials zu erreichen (vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2014, S. 45; Schleswig-Holsteinischer Landtag, Verfassungsschutzbericht 2014, S. 31). In den neuen Ländern wird -- abgesehen von den Anti-Asyl-Kampagnen der Antragsgegnerin (vgl. Rn. 924 ff.) -- ebenfalls festgestellt, dass die Mitglieder der Antragsgegnerin bei Veranstaltungen häufig unter sich blieben (vgl. Land Brandenburg, Ministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2013,BVerfGE 144, 20 (333) BVerfGE 144, 20 (334)S. 36) und das bürgerliche Spektrum nicht erreicht werde (vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 65).
Auf die Feststellungen der Verfassungsschutzbehörden in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte der bayerische Staatsminister des Innern, die Antragsgegnerin versuche dem anhaltenden Mitgliederschwund in Bayern durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremen Gruppierungen und eine erhöhte Präsenz im Internet zu begegnen. Der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern verwies darauf, dass die Antragsgegnerin dort, wo sie staatlich alimentiert werde, bestrebt sei, ihre Position in der Fläche auszubauen. Dies steht der Feststellung nicht entgegen, dass es der Antragsgegnerin an Handlungsfähigkeit und Reichweite fehlt, um ihre verfassungsfeindlichen Ziele im Wege der Beteiligung an der politischen Willensbildung durchzusetzen.
(3) Die Antragsgegnerin ist auch nicht in der Lage, ihre strukturellen Defizite und ihre geringe Wirkkraft in die Gesellschaft anderweitig zu kompensieren. Dass ihr dies durch ihre Öffentlichkeitsarbeit (a), die Umsetzung der "Kümmerer-Strategie" (b), die Konzentration auf den Protest gegen die Asyl- und Ausländerpolitik (c) oder das Bemühen um eine Bündelung aller "national gesinnten Kräfte" unter ihrer Führung (d) gelingen könnte, ist nicht ersichtlich. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände besteht für die Antragsgegnerin keine realistische Möglichkeit einer Durchsetzung ihrer verfassungswidrigen Ziele im Prozess freier und selbstbestimmter politischer Willensbildung.
(a) Die Antragsgegnerin betreibt insbesondere unter Rückgriff auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Sie verfügt über eine beachtliche Präsenz im Bereich der sozialen Medien. Es ist jedoch nicht feststellbar, dass es ihr damit gelingt, zusätzliche Unterstützung für die von ihr verfolgten Ziele zu gewinnen und ihre Wirkkraft in die Gesellschaft relevant zu erhöhen. Dies gilt auch hinsichtlich der von der Antragsgegnerin verantworteten Presseerzeugnisse und des Versuchs, durch die Verteilung von Schulhof-CDs mit rechtsBVerfGE 144, 20 (334)BVerfGE 144, 20 (335)radikalen Inhalten und vergleichbaren Kampagnen insbesondere Jugendliche an sich zu binden. Die niedrige Zahl von etwa 350 Mitgliedern der JN spricht dagegen, dass die jugendbezogenen Bemühungen der Antragsgegnerin zu einer Erhöhung ihrer Attraktivität und Durchschlagskraft bei dieser Bevölkerungsgruppe geführt haben. Auch der Antragsteller hat hierzu nichts vorgetragen. Anhaltspunkte für eine Erhöhung der Wirkkraft in die Gesellschaft der Antragsgegnerin aufgrund ihrer Öffentlichkeitsarbeit bestehen nicht.
(b) Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass es der Antragsgegnerin gelingt, im Wege "nationalrevolutionärer Graswurzelarbeit" die Akzeptanz für die Durchsetzung ihres verfassungswidrigen Konzepts zu verbessern. Die im Rahmen des "Kampfes um die Köpfe" zum Aufbau eines "Kümmerer"-Images von der Antragsgegnerin vorgesehenen Maßnahmen sind für sich genommen nicht auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet. Die bloße Beteiligung am örtlichen Gemeinschaftsleben oder die Gewährung persönlicher Hilfestellung stellt keine Bekämpfung der Verfassungsordnung dar. Relevanz im Parteiverbotsverfahren kann diese Arbeit daher nur erlangen, wenn es der Antragsgegnerin gelänge, auf diesem Weg die Zustimmung zu den von ihr vertretenen verfassungswidrigen Zielen zu erhöhen.
Dass die Antragsgegnerin derartige "Hebelwirkungen" in relevantem Umfang herbeizuführen vermag, ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller schildert lediglich wenige Einzelfälle eines dem "Kümmerer"-Ansatz entsprechenden Engagements der Antragsgegnerin. Dazu zählen der Hinweis auf die Durchführung von Kinderfesten, die Teilnahme an einem Festumzug und einem Bootskorso, Bewerbungen um ein Amt als Schöffe oder eine Tätigkeit als Volkszähler, das Angebot von Hartz-IV-Beratungen und die Beteiligung an der Gründung des Sportvereins "Griese Gegend e.V." in Lübtheen. Es erscheint vor diesem Hintergrund bereits zweifelhaft, ob das "Kümmerer"-Engagement überhaupt in einem solchen Umfang stattfindet, dass das damit angestrebte Maß an persönlicher Zustimmung zu den Vertretern der AntragsBVerfGE 144, 20 (335)BVerfGE 144, 20 (336)gegnerin erreichbar ist. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass aufgrund dieses Engagements die vom Antragsteller behauptete "Infiltration" der Gesellschaft mit dem Gedankengut der Antragsgegnerin gelingt. Hinweise auf eine nachhaltige Verbesserung der gesellschaftlichen Verankerung der Antragsgegnerin fehlen. Die Behauptung des Antragstellers, seit Jahren erreiche die Antragsgegnerin in Mecklenburg-Vorpommern eine bürgerliche Verankerung in weiten Teilen des Landes, wird durch das von ihm selbst vorgelegte Gutachten in dieser Allgemeinheit nicht gestützt. Die Darstellung ist vielmehr an der Beschreibung von Einzelfällen orientiert. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige Prof. Borstel den Fokus seiner Ausführungen ausdrücklich auf die Gemeinde Anklam und die umliegenden Dörfer beschränkt (vgl. Rn. 942 ff.). Selbst wenn im Einzelfall von einer erhöhten Zustimmung zu Vertretern der Antragsgegnerin auszugehen sein sollte, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass damit die Akzeptanz ihres politischen Konzepts relevant erhöht wurde.
(c) Dies gilt im Ergebnis auch, soweit die Antragsgegnerin sich im Rahmen des "Kampfes um die Straße" auf gegen Asylbewerber und Minderheiten gerichtete Aktivitäten konzentriert. Dabei ist davon auszugehen, dass an den Protestkundgebungen der Antragsgegnerin auch Personen jenseits des Kreises ihrer Mitglieder und Anhänger in erheblicher Zahl teilgenommen haben. Dennoch kann auch unter Zugrundelegung des vom Antragsteller dargelegten Umfangs und der Teilnehmerzahl der Anti-Asyl-Veranstaltungen der Antragsgegnerin nicht ohne weiteres von einer Erhöhung der Zustimmung zu den von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Zielen und einer damit verbundenen Steigerung ihrer Wirkkraft in die Gesellschaft ausgegangen werden.
Vielmehr ist zwischen dem -- im demokratischen Diskurs hinzunehmenden -- (friedlichen) Protest gegen asylpolitische Entscheidungen oder gegen die Festlegung von Standorten für Flüchtlingsunterkünfte einerseits und der Unterstützung des von der Antragsgegnerin verfolgten Konzepts willkürlicher Diskriminierung aller ethnisch Nichtdeutschen andererseits zu unterscheiden. Zwar versucht die Antragsgegnerin, die Flüchtlings- und AsylproBVerfGE 144, 20 (336)BVerfGE 144, 20 (337)blematik für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Allerdings agiert sie dabei häufig nicht im eigenen Namen, sondern unter dem Dach neutral erscheinender Organisationen wie der Bürgerinitiative "Nein zum Heim" in Sachsen. Tritt hingegen ihre Verantwortlichkeit für eine Veranstaltung offen zu Tage, sinken die Teilnehmerzahlen erheblich. So hat der Antragsteller selbst vorgetragen, dass, nachdem bei Veranstaltungen der MVGIDA die Dominanz der Antragsgegnerin nach außen erkennbar geworden sei, die Teilnehmerzahlen von circa 600 auf 120 (vgl. auch Rn. 931) gesunken seien. Ähnlich verhielt es sich bei den gegen ein örtliches Asylbewerberheim gerichteten "Schneeberger Lichtelläufen". Während an den ersten Veranstaltungen im Oktober/November 2013 jeweils mehr als 1.500 Menschen teilnahmen, konnten für den vierten "Lichtellauf" am 25. Januar 2014, bei dem sich die Antragsgegnerin offensiver als Organisatorin in den Vordergrund stellte, nur noch rund 250 Teilnehmer mobilisiert werden, die zudem weitestgehend der Antragsgegnerin und ihrem Umfeld zuzuordnen waren (vgl. Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 97). Dies dokumentiert, dass die Anti-Asyl-Initiativen der Antragsgegnerin zwar im Einzelfall zu nicht unerheblichen Mobilisierungserfolgen führen können. Es ist nicht erkennbar, dass damit ihre gesellschaftliche Akzeptanz steigt und die Möglichkeit eröffnet wird, ihre verfassungsfeindlichen Ziele im politischen Willensbildungsprozess mit demokratischen Mitteln durchzusetzen. Auch der Antragsteller hat keine Belege dafür angeboten, dass es der Antragsgegnerin gelingt, mit ihren asyl- und ausländerpolitischen Aktivitäten zusätzliche Unterstützung oder Zustimmung zu ihren verfassungsfeindlichen Absichten in relevantem Umfang zu gewinnen.
(d) Schließlich ist eine ausreichende Stärkung der Schlagkraft der Antragsgegnerin im politischen Willensbildungsprozess durch eine Zusammenarbeit mit parteiungebundenen Kräften nicht zu erwarten. Dies gilt sowohl mit Blick auf den bewegungsförmigen Rechtsextremismus (aa) als auch hinsichtlich der Bewegungen gegen die vermeintliche "Islamisierung des Abendlandes" (bb).
(aa) Die Antragsgegnerin arbeitet auf der Grundlage bereits beBVerfGE 144, 20 (337)BVerfGE 144, 20 (338)stehender personeller Verflechtungen (vgl. Rn. 877 ff.) in regional unterschiedlicher Intensität mit den Organisationen des parteiungebundenen Rechtsextremismus zusammen. Besonders intensiv stellt sich diese Zusammenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern und -- vor allem vermittelt über die JN -- in Sachsen dar (vgl. Rn. 886 ff.).
Dies allein rechtfertigt die Annahme eines erfolgreichen Bestehens des "Kampfes um den organisierten Willen" durch die Antragsgegnerin jedoch nicht. Vielmehr ist es der Antragsgegnerin nicht gelungen, eine "Bündelung aller national gesinnten Kräfte" unter ihrer Führung zu erreichen. Die Zusammenarbeit mit den freien Kräften erfolgt einzelfallbezogen und ist nicht organisatorisch verfestigt. Eine Führungsrolle gegenüber den rechten Kameradschaften und sonstigen Kräften der ungebundenen rechten Szene kommt der Antragsgegnerin nicht zu. Dies gilt auch für Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. In dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten wird sogar behauptet, die Antragsgegnerin werde in Mecklenburg-Vorpommern in weiten Teilen von Mitgliedern freier Netze und Kameradschaften dominiert und im Sinne der Systemüberwindung benutzt (vgl. Borstel, Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung der NPD, S. 44). Auch die Einbindung von Vertretern rechtsextremer Organisationen durch die Beschäftigung als Mitarbeiter von Abgeordneten oder Parlamentsfraktionen der Antragsgegnerin hat nicht zur Folge, dass diese als deren Vorfeldorganisationen angesehen werden können.
Der Sachverständige Prof. Jesse hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass aus seiner Sicht die freien Kameradschaften nicht auf die Antragsgegnerin angewiesen seien, wohl aber diese auf die freien Kameradschaften. Auch in dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten von Prof. Borstel werden für die Antragsgegnerin Kooperationen mit dem bewegungsförmigen Rechtsextremismus als existentiell bewertet. Diese Kooperationen seien aber temporär und regional. Einer dauerhaften Einbindung der Kameradschaften und freien Netzwerke stünde deren Selbstverständnis als Gruppen des außerparlamentarischen WiderstandsBVerfGE 144, 20 (338) BVerfGE 144, 20 (339)entgegen (vgl. Borstel, Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung der NPD, S. 22).
Unter ergänzender Berücksichtigung des Umstands, dass selbst im Bereich des parteigebundenen Rechtsextremismus der Antragsgegnerin mit der Etablierung von Organisationen wie "DIE RECHTE" und "Der III. Weg" Wettbewerber entstanden sind, die insbesondere radikalere Kräfte ansprechen (vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2014, S. 69), ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin in der Lage ist, durch die Bildung rechtsextremer Netzwerke unter ihrer Führung ihre politische Reichweite in einem Umfang zu erhöhen, der eine Durchsetzung ihrer Ziele mit demokratischen Mitteln ermöglicht (zur Zurechnung strafbaren Handelns der freien Szene zur Antragsgegnerin vgl. Rn. 979).
(bb) Auch das Bestreben der Antragsgegnerin, als relevanter Teil des Protests gegen die angebliche "Islamisierung des Abendlandes" wahrgenommen zu werden, eröffnet die Perspektive einer Umsetzung ihres verfassungsfeindlichen Konzepts mit demokratischen Mitteln nicht. Der Antragsteller selbst verweist darauf, dass es der Antragsgegnerin als Partei verwehrt sei, an den Veranstaltungen der PEGIDA in Dresden teilzunehmen, und dass im Übrigen ihre Partizipationsmöglichkeiten unterschiedlich ausfielen. Dass es der Antragsgegnerin durchgängig gelungen wäre, die Potentiale der GIDA-Bewegungen für sich zu nutzen, ist nicht ersichtlich. Dabei mag dahinstehen, ob ihr -- wie vom Antragsteller behauptet -- zumindest bei Veranstaltungen der THÜGIDA und der MVGIDA eine wesentliche Rolle zukommt. Daraus allein lässt sich eine hinreichende Erweiterung ihrer Wirkkraft in die Gesellschaft nicht ableiten, zumal der Antragsteller selbst darauf hingewiesen hat, dass, nachdem bei den Veranstaltungen der MVGIDA die Dominanz der Antragsgegnerin offenbar geworden sei, die Teilnehmerzahlen von circa 600 auf 120 gesunken seien (vgl. Rn. 925).
Insgesamt ist festzustellen, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist, den von ihr proklamierten "Kampf um den organiBVerfGE 144, 20 (339)BVerfGE 144, 20 (340)sierten Willen" erfolgreich zu gestalten. Ihr kommt keine Führungsrolle gegenüber dem bewegungsförmigen Rechtsextremismus zu. Einer Bündelung der "national gesinnten Kräfte" unter ihrer Führung steht bereits das Selbstverständnis der parteiungebundenen Gruppierungen entgegen. Zusätzliche Mobilisierungsmöglichkeiten ergeben sich für die Antragsgegnerin daher nur in sehr begrenztem Umfang. Die Chance auf eine erfolgreiche Gestaltung des Prozesses demokratischer Willensbildung im Sinne der Antragsgegnerin wird auf diese Weise nicht eröffnet.
b) Konkrete Anhaltspunkte von Gewicht, die darauf hindeuten, dass die Antragsgegnerin in einer das Tatbestandsmerkmal des "Darauf Ausgehens" erfüllenden Weise die Grenzen des zulässigen politischen Meinungskampfes überschreitet (vgl. Rn. 588), liegen ebenfalls nicht vor. Die Antragsgegnerin vermag Dominanzansprüche in abgegrenzten Sozialräumen nicht in relevantem Umfang zu verwirklichen (aa). Auch ist die Annahme einer ihr zurechenbaren Grundtendenz zur Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Absichten mit Gewalt oder durch die Begehung von Straftaten nicht belegbar (bb). Schließlich fehlen hinreichende Anhaltspunkte für die Schaffung einer Atmosphäre der Angst durch die Antragsgegnerin, die zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Freiheit des Prozesses der politischen Willensbildung führt oder führen könnte (cc). Der Umstand, dass die Antragsgegnerin durch einschüchterndes oder kriminelles Verhalten von Mitgliedern und Anhängern punktuell eine nachvollziehbare Besorgnis um die Freiheit des politischen Prozesses oder gar Angst vor gewalttätigen Übergriffen auszulösen vermag, ist nicht zu verkennen, erreicht aber die durch Art.  21 Abs.  2 GG markierte Schwelle nicht (dd).
aa) Dass die Antragsgegnerin in relevantem Umfang räumliche Dominanzansprüche in einer die gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung ausschließenden Weise durchzusetzen vermag, ist nicht erkennbar. "National befreite Zonen" existieren nicht (1). Der Kleinstort Jamel stellt einen nicht übertragbaren Sonderfall dar (2). Ansonsten fehlt es an der FähigkeitBVerfGE 144, 20 (340) BVerfGE 144, 20 (341)der Antragsgegnerin, ihr räumliches Dominanzstreben in einer demokratische Rechte verletzenden Weise umzusetzen (3).
(1) Entgegen seiner ursprünglichen Behauptung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. August 2015 eingeräumt, dass es "vollständig national befreite Zonen" im Sinne der rechtsextremistischen Raumordnungstheorie in Deutschland nicht gebe. Stattdessen erfolge die Verwirklichung des räumlichen Dominanzanspruchs der Antragsgegnerin graduell unterschiedlich.
(2) Der Kleinstort Jamel stellt in diesem Zusammenhang einen Sonderfall dar, der nicht verallgemeinerungsfähig ist. Dabei ist es der Antragsgegnerin selbst in diesem Fall nicht gelungen, ihren Dominanzanspruch uneingeschränkt durchzusetzen.
Das bei Wismar am Ende einer Sackgasse gelegene Dorf Jamel hat nach Auskunft des Innenministers von Mecklenburg-Vorpommern in der mündlichen Verhandlung 47 Einwohner, davon 17 Kinder. Die Mehrheit der erwachsenen Einwohner sei dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Zentrale Figur des Ortes ist der Abbruchunternehmer und ehemalige Beisitzer des Landesvorstands Mecklenburg-Vorpommern der Antragsgegnerin K. Dieser ist Eigentümer des "Thinghauses" in Grevesmühlen, in dem sich unter anderem ein "Bürgerbüro" der ehemaligen Landtagsabgeordneten Pastörs und Köster befand, und auf dessen Gelände 2011 ein Holzkohlegrill mit der Aufschrift "Happy Holocaust" gesichtet wurde. Seine Frau K. ist ehemalige Landesvorsitzende des RNF. Ebenfalls in Jamel ansässig ist die Familie des ehemaligen Kreisvorsitzenden der Antragsgegnerin S. Insgesamt sollen unter sechs der zehn Anschriften rechtsextremistische Personen gemeldet sein.
Die Majorisierung des Ortes durch Rechtsextremisten findet Ausdruck im Dorfbild. Markant sind vor allem ein hölzerner Wegweiser, der unter anderem Richtung und Entfernung nach Braunau am Inn, dem Geburtsort Adolf Hitlers, und nach der mit dem Zusatz "Ostmark" versehenen Stadt Wien aufweist, sowie das Wandgemälde einer traditionell gekleideten Familie mit dem in Frakturschrift ausgeführten Schriftzug "Dorfgemeinschaft Jamel -- frei-sozial-national". In Jamel werden rechtsextremistiBVerfGE 144, 20 (341)BVerfGE 144, 20 (342)sche Veranstaltungen und Konzerte mit überregionaler Beteiligung durchgeführt. So fand am 20. Juni 2015 das "11. nationale Kinderfest" mit anschließender Sonnwendfeier statt, an der circa 150 Rechtsextremisten, darunter die ehemaligen Landtagsabgeordneten Pastörs und Petereit, der Landesvorsitzende Köster sowie die RNF-Landesvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern Antje Mentzel teilnahmen.
Auch in Jamel ansässig ist ein Ehepaar, das sich gegen neonazistisches Denken wendet und jährlich ein Musikfestival gegen rechts ("Jamel rockt den Förster") durchführt. Im Jahr 2010 kam es ausweislich des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Grevesmühlen vom 31. August 2011 (6 Ds 205/11) bei diesem Festival zu einem tätlichen Angriff, als der im Unternehmen des K. beschäftigte M. mit den Worten "Ich bin ein Nazi" einem Festivalteilnehmer mehrere Faustschläge versetzte. Darüber hinaus wurde in der Nacht vom 12. auf den 13. August 2015 die neben dem Wohnhaus des Ehepaars befindliche Scheune durch Brandstiftung zerstört (zur Zurechenbarkeit dieses Vorfalls zur Antragsgegnerin vgl. Rn. 960). Bereits 2011 soll der Vater des damaligen Kreisvorsitzenden der Antragsgegnerin S. das Ehepaar mit den Worten bedroht haben: "Sie sollten an mich verkaufen, so lange Sie noch können". Nach der Darstellung des Antragstellers ist das Ehepaar regelmäßigen anonymen Bedrohungs- und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt.
Insgesamt besteht kein Zweifel, dass es sich bei Jamel um einen durch rechtsextremes Denken geprägten Ort handelt. Allerdings liegt insoweit ein auf wenige Personen begrenzter, singulärer Sonderfall vor. Eine Übertragbarkeit der Verhältnisse in Jamel auf andere, insbesondere größere Ortschaften ist -- wie auch der Sachverständige Prof. Jesse in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat -- nicht möglich. Daher ergibt sich -- ungeachtet der Frage, inwieweit die Verhältnisse in Jamel der Antragsgegnerin zugerechnet werden können -- hieraus kein ausreichender Beleg für die Möglichkeit der Antragsgegnerin, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durch die Errichtung von Dominanzzonen in abgegrenzten Sozialräumen durchzusetzen.BVerfGE 144, 20 (342)
BVerfGE 144, 20 (343)(3) Weitere Beispiele erfolgreicher Umsetzung räumlicher Dominanzansprüche der Antragsgegnerin sind nicht bekannt.
(a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Hansestadt Anklam in Mecklenburg-Vorpommern um eine Zone kultureller Hegemonie der Antragsgegnerin handelt. Zwar bezeichnet der rechtsextreme Internetauftritt "Freies Pommern" Anklam in einem Beitrag vom 14. Juli 2010 sogar als "national befreite Zone". Tatsächlich fehlt es aber an belastbaren Anhaltspunkten, für die Annahme, dass in Anklam eine Dominanz der Antragsgegnerin vorliegt, die die Freiheit der politischen Willensbildung in einem relevanten Maß zu beeinträchtigen geeignet ist.
(aa) Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auf eine im Eigentum der Mitglieder des Landesvorstands Mecklenburg-Vorpommern H. und W. stehende Immobilie verweist, die als "nationales Begegnungszentrum" Sitz des Landesverbands der Antragsgegnerin sowie überregionaler Anlaufpunkt für Rechtsextremisten sei und in welcher der Verfahrensbevollmächtigte zu 2. der Antragsgegnerin ein Bürgerbüro als ehemaliger Landtagsabgeordneter betreibe, kann daraus nicht auf die Durchsetzung von Dominanzansprüchen geschlossen werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Veranstaltungen in diesem Begegnungszentrum angeboten werden, da für eine hiervon ausgehende, das gesellschaftliche oder politische Leben in Anklam beeinträchtigende Außenwirkung nichts ersichtlich ist.
(bb) Auch die Durchführung einer Demonstration am 31. Juli 2010 unter dem Motto "Gegen kinderfeindliche Bonzen -- für eine lebenswerte Zukunft in unserer Heimat -- Freiheit statt BRD", zu der die Antragsgegnerin gemeinsam mit den Organisationen "Nationale Sozialisten Mecklenburg" und "Freies Pommern" aufgerufen hat, belegt eine Dominanz der Antragsgegnerin in Anklam nicht. Der Antragsteller verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in der vorhergehenden Nacht von der Stadt aufgestellte Schilder mit dem Text "Kein Ort für Neonazis" entfernt, rund zweihundert Plakate abgehängt, sechs Großaufsteller an den Zufahrtsstraßen zerstört und ein Transparent am Stadttor mit FarbBVerfGE 144, 20 (343)BVerfGE 144, 20 (344)beuteln beworfen worden seien. In der Stadt habe sich niemand gefunden, der Anzeige erstattet hätte. Viele Geschäftsleute hätten zuvor Angst gehabt, Plakate gegen Rechtsextremisten in ihre Schaufenster zu hängen.
Diesem auf ein punktuelles Ereignis beschränkten Vortrag lässt sich eine Dominanz der Antragsgegnerin gleichwohl nicht entnehmen. Die nächtliche Beschädigung der von der Stadtverwaltung angebrachten Plakate rechtfertigt eine solche Annahme nicht, zumal nicht feststellbar ist, wer hierfür die Verantwortung trägt.
(cc) Einer dominierenden Stellung der Antragsgegnerin widerspricht im Übrigen, dass sie bei den Wahlen zur Stadtvertreterversammlung 2014 lediglich ein Ergebnis von 9,3% der abgegebenen gültigen Stimmen erzielte und dementsprechend nur zwei von 25 Stadtverordneten stellt. Außerdem sind in Anklam mehrere gegen den Rechtsextremismus gerichtete Initiativen tätig. Dazu zählt etwa ein Büro des "Regionalzentrums für demokratische Kultur". Ergänzend hat die Antragsgegnerin auf einen durch die Zentrale für politische Bildung geförderten "Demokratieladen" und den vom Stadtjugendring Greifswald betriebenen "Demokratiebahnhof" verwiesen. Schließlich vermag auch der Hinweis des Sachverständigen Prof. Borstel in der mündlichen Verhandlung, dass die Normalisierung und Erfahrbarkeit des Rechtsextremismus im unmittelbaren Nahfeld zur Entstehung von subjektiven Angstphänomenen führen und Distanzierungen erschweren könnten, die Einschätzung nicht zu rechtfertigen, dass die Antragsgegnerin in Anklam über eine Position verfügt, die die gleichberechtigte Teilhabe am Prozess der politischen Willensbildung nicht mehr gewährleistet.
(b) Nichts anderes gilt für das vom Antragsteller als weiteres Beispiel einer Dominanzzone der Antragsgegnerin angeführte Lübtheen. Die Tatsache, dass aufgrund möglicherweise gezielter Zuzüge in Lübtheen mehrere führende Funktionäre der Antragsgegnerin -- einschließlich der ehemaligen Landtagsabgeordneten Pastörs und Köster sowie des ehemaligen Geschäftsführers der Landtagsfraktion G. -- wohnen und aktiv sind, genügt für die AnBVerfGE 144, 20 (344)BVerfGE 144, 20 (345)nahme einer Dominanzsituation nicht. Gleiches gilt, soweit die Antragsgegnerin eine prominent im Ortszentrum gelegene Immobilie nutzt und ihre Vertreter bei Veranstaltungen auch dann Präsenz zeigen, wenn diese gegen den Rechtsextremismus gerichtet sind.
Der Antragsteller verweist insoweit auf ein Gebäude am Ernst-Thälmann-Platz, in dem sich die Bundesgeschäftsstelle der JN und ein Bürgerbüro befänden, sowie auf Vorträge zu Themen wie "Brauchtumspflege als Bestandteil des Volkstums!" am 28. September 2012 und "Europa am Abgrund!" am 30. Mai 2012. Weiterhin führt er aus, dass -- ähnlich wie schon zur 650-Jahrfeier in Lübtheen -- beim "Lindenfest" 2010 die Funktionäre der Antragsgegnerin Pastörs, T. und K. erschienen seien, Flugblätter verteilt hätten und NPD-Ballons hätten aufsteigen lassen. In einem Kommentar vom 18. September 2010 auf www.mupinfo.de habe es dazu geheißen:
(c) Hinsichtlich der Auflistung mehrerer Initiativen der JN, die sich gegen Kriminalität und Überfremdung richten und in Aufklebern und Demonstrationsaufrufen formulieren "Hol Dir Deine Stadt zurück!" beziehungsweise "Unser Kiez, unsere Stadt und unsere Regeln" kann dahinstehen, ob es sich dabei -- wie der Antragsteller meint -- um ein die Grenzen des politischen Meinungskampfes überschreitendes provokatives Auftreten handelt. Ein Eingriff in die Möglichkeit freier und selbstbestimmter Willensbildung ist damit jedenfalls nicht verbunden.
bb) Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei der Antragsgegnerin eine Grundtendenz besteht, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durch Gewalt oder die Begehung von Straftaten durchzusetzen. Weder kann der Antragsgegnerin die Gesamtentwicklung im Bereich ausländerfeindlicher Straftaten zur Last gelegt werden (1), noch ist aufgrund einer Gesamtschau des strafrechtlich relevanten Verhaltens ihrer Mitglieder die Bereitschaft der Antragsgegnerin hinreichend belegt, ihre verfassungsfeindlichen Ziele mit Gewalt oder durch die Begehung von Straftaten zu verfolgen (2). Soweit einzelne Gewalttätigkeiten oder sonstige Straftaten von Mitgliedern der Antragsgegnerin belegbar sind, genügen diese nicht, um bei ihr eine Grundtendenz feststellen zu können, ihre verfassungsfeindlichen Absichten gezielt im Wege des Rechtsbruchs durchzusetzen (3).
(1) Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass die Antragsgegnerin sich in einem Gesamtmilieu bewege, das überdurchschnittliche Kriminalitätswerte aufweise, und dass mit 1.031 Straftaten (davon 177 Gewaltdelikte) im Jahr 2015 die Zahl der Übergriffe auf Asylunterkünfte einen Höchststand erreicht habe, kann dies der Antragsgegnerin nicht zugerechnet werden. Erforderlich für eine derartige Zurechnung wäre, dass sich das rechtswidrige Handeln als Teil der verfassungswidrigen Bemühungen der Antragsgegnerin darstellt (vgl. Rn. 565 f.). Dies setzt voraus,