Die den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen verfassungsrechtlich eingeräumte Befugnis, die erforderlichen Beweise in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß zu erheben, berechtigt sie auch, gegen den Zeugen, der grundlos das Zeugnis verweigert, Ordnungsgeld festzusetzen und zur Erzwingung des Zeugnisses die Anordnung der Haft beim zuständigen Gericht zu beantragen. Hierbei sind die Grundrechte des Betroffenen und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
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Beschluß | |
des Zweiten Senats vom 1. Oktober 1987
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- 2 BvR 1165/86 - | |
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Adolf Lappas, Petunienweg 13, Friedrichsdorf//s., - Bevollmächtigte: a) Prof. Dr. Hans Meyer, Georg-Speyer-Straße 28, Frankfurt a.M. 90, b) Rechtsanwälte Prof. Dr. Rüdiger Zuck, Dr. Michael Quaas, Robert-Koch-Straße 2, Stuttgart 80. c) Rechtsanwälte Christian Raabe, Helmut Mittelacher, Dr. Peter Müssig, Melemstraße 16, Frankfurt a.M. 1 - gegen a) den Beschluß des Landgerichts Bonn vom 27. Oktober 1986 - 31 Qs 203/86 -, b) den Beschluß des Amtsbgerichts Bonn vom 19. Oktober 1986 - 50 Gs 1150/86 -.
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Entscheidungsformel:
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Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. | |
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Anordnung der Beugehaft gegen den Beschwerdeführer zur Erzwingung seines Zeugnisses vor dem 3. Untersuchungsausschuß "NEUE HEIMAT" des 10. Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 44 Abs. 1 und 2 GG und mit den Grundrechten des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 GG vereinbar war.
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Der 10. Deutsche Bundestag setzte auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BTDrucks. 10/5575) am 5. Juni 1986 mit großer Mehrheit bei einer Enthaltung gemäß Art. 44 GG den 3. Untersuchungsausschuß "NEUE HEIMAT" ein (Plenarprotokoll 10/ 219, S. 16964 D). Dieser hatte nach dem Untersuchungsauftrag u. a. zu klären, ob und inwieweit die Neue Heimat, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, Hamburg (Neue Heimat), und die Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft Aktiengesellschaft, Frankfurt a.M. (BGAG), die Beschwerdeführerin zu 1) im Verfahren 2 BvR 1178/86, gegen Bundesrecht verstoßen haben, welche Schäden daraus entstanden sind und ob die "Eigentümer" der Neuen Heimat und der BGAG sowie deren Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder auf die Bundesregierung oder den Bundestag Einfluß genommen haben mit dem Ziel, daß Bundesrecht in einer die Neue Heimat oder die BGAG begünstigenden Weise geschaffen oder geändert wird. Wesentliche Teile des Untersuchungsauftrags zielten ferner auf Feststellungen darüber, welche Maßnahmen die "Eigentümer" der Neuen Heimat zur Wiedergutmachung eingetretener Schäden ergriffen haben, sowie auf die Erarbeitung einer Empfehlung an die Bundesregierung, ob und gegebenenfalls welche Schritte unternommen werden sollen, um schädliche Folgen des Verhaltens der Neuen Heimat für alle Betroffenen, insbesondere die Mieter und Arbeitnehmer der Neuen Heimat sowie die öffentlichen Haushalte, möglichst gering zu halten. Außerdem sollte geprüft werden, ob und welche Folgerungen sich für die Bundesgesetzgebung ergeben. Der Untersuchungsauftrag ist im Wortlaut wiedergegeben im Beschluß des Senats vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178/86 u. a. - unter A I.
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II.
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1. Am 26. Juni 1986 beschloß der Untersuchungsausschuß, Beweis zu erheben durch Beiziehung u. a. der Geschäftsberichte, Prüfungsberichte, Sitzungsprotokolle und Wirtschaftsgutachten, die im Rahmen der Tätigkeit der Neuen Heimat und ihrer Organe erstellt worden waren. Der Beweisbeschluß bezog sich auf die Neue Heimat selbst und die mit ihr verflochtenen Gesellschaften einschließlich der BGAG, deren Vorstandsvorsitzender der Beschwerdeführer war. Die BGAG weigerte sich, die von ihr verlangten Unterlagen an den Ausschuß herauszugeben. Dieser erwirkte daraufhin am 29. September 1986 beim Amtsgericht Frankfurt a.M. einen Beschlagnahmebeschluß, gegen den die BGAG nach Erschöpfung des Rechtswegs das Bundesverfassungsgericht anrief. Die Beschlagnahmeentscheidungen waren Gegenstand des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens 2 BvR 1178/86 u. a., das mit dem o. a. Beschluß des Senats vom 1. Oktober 1987 abgeschlossen wurde.
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2. Am 17. September 1986 faßte der Untersuchungsausschuß den Beweisbeschluß 10-60 (abgedruckt in BTDrucks. 10/6779, S. 360 Nr. 60):
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Es wird Beweis erhoben zum Untersuchungsauftrag, insbesondere zu der Frage, ob die mittelbaren und unmittelbaren Eigentümer der Neuen Heimat, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, Hamburg (NEUE HEIMAT), und ihren unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen in der Lage und bereit sind, die bei der NEUEN HEIMAT einschließlich ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen entstandenen Probleme auf ihre - der Eigentümer - Kosten und ohne öffentliche Unterstützung zu lösen bzw. weshalb dies nicht möglich ist oder weshalb die Bereitschaft dazu fehlt (Ziff. V. des Untersuchungsauftrags),durch Vernehmung der 1. Alfons Lappas, Mitglied des Vorstandes der BGAG Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft AG, Frankfurt am Main, 2. Dr. Ralf-J. Freyberg, Mitglied des Vorstandes der BGAG Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft AG, Frankfurt am Main, 3. Manfred Wiesmeier, Mitglied des Vorstandes der BGAG Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft AG, Frankfurt am Main als Zeugen.
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3. a) Der Beschwerdeführer wurde unter Beifügung dieses Beweisbeschlusses auf den 16. Oktober 1986 zur Vernehmung geladen und darauf hingewiesen, daß er auch zum Verkauf von Gesellschaftsanteilen der Neuen Heimat GmbH durch die BGAG und zu den sich daraus ergebenden Zukunftsperspektiven vernommen werden solle.
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Bei der Vernehmung machte er zunächst Angaben zur Person: Er sei Vorstandsvorsitzender der BGAG. Vom 13. Juni 1969 bis 3. März 1978 und vom 28. Februar 1984 bis 31. März 1985 sei er Mitglied des Aufsichtsrats der Neuen Heimat und zugleich Mitglied des Vorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes gewesen. Vom 13. Juni 1969 bis 31. März 1985 habe er dem Aufsichtsrat der Neuen Heimat Städtebau angehört und von 1971 bis Anfang 1978 habe er den Vorsitz der Arbeitsausschüsse der Aufsichtsräte der Neuen Heimat und der Neuen Heimat Städtebau geführt. Weiter sei er Mitglied der Aufsichtsräte der Neuen Heimat International (24. November 1969 bis 18. Mai 1972), der Neuen Heimat Kommunal (11. Mai 1970 bis 24. Mai 1972) und der Neuen Heimat Wohnspar (10. Januar 1972 bis 9. August 1978) gewesen. Darüber hinaus habe er eine Vielzahl von Funktionen in Aufsichtsorganen im Bereich gewerkschaftlicher und anderer Unternehmen inne und innegehabt.
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Als der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses dem Beschwerdeführer gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO Gelegenheit gab, das, was ihm vom Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben, verlas dieser eine vorbereitete Erklärung, in der er die Zuständigkeit des Ausschusses und die Zulässigkeit, Geschäftsinterna der BGAG zu untersuchen, verneinte. Nach mehrmaliger erfolgloser Ermahnung durch den Vorsitzenden, der Beschwerdeführer möge sich zusammenfassend zum Vernehmungsgegenstand äußern und nicht ein Statement verlesen, faßte der Ausschuß in nichtöffentlicher Sitzung folgenden Beschluß:
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Es wird festgestellt, daß Inhalt und Form des Statements des Zeugen nicht einer zusammenhängenden Darstellung im Sinne des § 69 StPO entsprechen und daß dem Zeugen nicht erlaubt werden soll, in dieser Weise weiter zu verfahren. Der Zeuge soll erklären, ob er beabsichtige, die Aussage zu verweigern, danach soll in die Befragung eingetreten werden.
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Der Beschluß wurde dem Beschwerdeführer eröffnet. Dieser erklärte, daß er nicht bereit sei auszusagen; er berief sich auf die §§ 93, 404 AktG und § 85 GmbHG, die das unbefugte Offenbaren von Geschäftsgeheimnissen einer Gesellschaft durch eines ihrer Organmitglieder unter Strafe stellten und damit für ihn ein Zeugnisverweigerungsrecht begründeten. Er beharrte auf seiner Verweigerung, obwohl ihn der Vorsitzende darauf aufmerksam machte, daß aus den angeführten gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen kein Zeugnisverweigerungsrecht folge, weil nicht dargelegt sei, daß "Geheimnisse" zur Sprache kämen, und die Offenbarung vor dem Untersuchungsausschuß auch nicht "unbefugt" im Sinne dieser Vorschriften sei. An seiner Haltung änderte auch der Hinweis auf die möglichen Folgen seiner generellen und pauschalen Aussageverweigerung nichts. Die Frage, ob er generell auch die Aussage zu folgenden drei Sachverhaltskomplexen verweigere:
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- zu seinen persönlichen und geschäftlichen Beziehungen zur Neuen Heimat Hamburg, - zur Geschäftstätigkeit der Neuen Heimat Hamburg und - zum Verkauf von Geschäftsanteilen an der Neuen Heimat Hamburg an "Die Neue Gesellschaft" mbH für Vermögensbildung zum 1. Oktober 1986,
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bejahte er (vgl. stenografisches Protokoll der 39. Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 16. Oktober 1986, S. 23 ff.).
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Nach einer Sitzungsunterbrechung wies der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses "nachdrücklich" auf folgendes hin:
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- Es gebe Fragebedarf zu den persönlichen Beziehungen des Beschwerdeführers zur Neuen Heimat, Fragen, die die Geschäftsbeziehungen und die möglicherweise vom Beschwerdeführer gezogenen Vorteile aus dieser Geschäftsbeziehung beträfen. Hier bestehe kein generelles Aussageverweigerungsrecht. Allenfalls könne sich ein Auskunftsverweigerungsrecht im Sinn des § 55 StPO für einzelne Fragen ergeben. Dies werde im Einzelfall konkret zu prüfen sein. - Es gebe kein allgemeines Aussageverweigerungsrecht zu denjenigen Fragen, die sich auf das Geschäftsgebaren der Neuen Heimat bezögen, deren Aufsichtsrat der Beschwerdeführer vom 13. Juni 1969 bis 3. März 1978 und vom 28. Februar 1984 bis 31. März 1985 angehört habe und dessen Arbeitsausschußvorsitzender er nach seinem eigenen Bekunden gewesen sei. - Darüber hinaus bestehe kein Aussageverweigerungsrecht hinsichtlich solcher Fragen, die sich auf das Beziehungsgeflecht zwischen der Konzernspitze BGAG und der Neuen Heimat bezögen, soweit damit die Steuerungsfunktionen der Konzernspitze BGAG angesprochen würden. Insbesondere ergebe sich kein Zeugnisverweigerungsrecht aus den Vorschriften der §§ 93, 404 AktG und § 85 GmbHG. - Der Beschwerdeführer sei verpflichtet, gemäß dem Beweisbeschluß 10-60 auszusagen und Fragen zum Verkauf der Gesellschaftsanteile zu beantworten, da der Untersuchungsauftrag unter Nr. V eine Untersuchung dieser Vorgänge verlange.
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Der Beschwerdeführer blieb dennoch bei seiner Weigerung. Er erklärte wiederum, daß er keine Aussage machen und keine Fragen beantworten werde, auch nicht in nichtöffentlicher Sitzung. Nach einer letzten fruchtlosen Aufforderung zur Aussage zu:
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- den persönlichen Beziehungen (Geschäftsbeziehungen) zur Neuen Heimat Unternehmensgruppe; - den Beziehungen Neue Heimat Unternehmensgruppe/BGAG; - der Abtretung der Geschäftsanteile an der Neuen Heimat,
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faßte der Ausschluß folgenden Beschluß:
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Die Verweigerung jeglicher Einlassung zur Sache und damit jeglicher Aussage zu den in sein Wissen gestellten Tatsachen durch den Zeugen Lappas ist rechtlich nicht begründet. Der Ausschuß beschließt deshalb: 1. Dem Zeugen Lappas werden die Kosten seiner unberechtigten Zeugnisverweigerung auferlegt. 2. Gegen den Zeugen Lappas wird ein Ordnungsgeld von 1000 DM gemäß § 70 Abs. 1 StPO festgesetzt. 3. Beim zuständigen Amtsrichter des Amtsgerichts Bonn wird beantragt, zur Erzwingung einer Aussage des Zeugen gemäß Einsetzungsbeschluß des Deutschen Bundestages für den Untersuchungsausschuß und gemäß dessen Beweisbeschluß 10-60 die Haft anzuordnen. 4. Der Vorsitzende wird ermächtigt, die notwendigen Maßnahmen einschließlich der Vollstreckung eines ergehenden Beschlusses zu veranlassen. 5. Die Durchführung des Beschlusses Ziffer 3 - Antrag auf Erzwingungshaft - wird ausgesetzt, sobald der Zeuge Lappas Bereitschaft zur Aussage gegenüber dem Ausschuß zu Händen des Vorsitzenden erklärt. 6. Der Vorsitzende wird für den Fall der Bereitschaft des Zeugen zur Aussage beauftragt, einen Vernehmungstermin kurzfristig anzuberaumen und den Zeugen zu laden.
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In der (schriftlichen) Ausfertigung des Beschlusses vom 16. Oktober 1986 heißt es weiter:
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Nicht beschlossen, aber als Begründung für den Beschluß wurde folgendes festgehalten: Die Aussage des Zeugen ist wegen seiner Funktion bei der Neuen Heimat Gemeinnützigkeit und innerhalb der Eigentümerin der Neuen Heimat, der BGAG, von großer Bedeutung für die Untersuchungen, insbesondere, nachdem sich andere Zeugen, unter anderem Herr Breit und Herr Dr. Hoffmann, hinsichtlich des Beweisthemas - unter anderem Veräußerung an die Schiesser- Gruppe - auf das Wissen des Zeugen berufen haben. In Anbetracht der dem Untersuchungsausschuß nur noch zur Verfügung stehenden geringen Zeit und angesichts der strikten Weigerung des Zeugen zu jeglicher Einlassung und zu jeglicher Aussage ist die Verhängung eines Ordnungsgeldes allein - auch bei Berücksichtigung der bekannten Einkommensverhältnisse des Zeugen - nicht ausreichend.
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Dem Beschwerdeführer wurde eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt: Er könne hinsichtlich des gegen ihn ergangenen Beschlusses, soweit er durch diesen betroffen werde, Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln erheben. Die Klage sei innerhalb eines Monats nach der Verkündung der Entscheidung einzureichen (Sten. Prot. der 39. Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 16. Oktober 1986, S. 40).
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b) Der Beschwerdeführer erhob am 20. Oktober 1986, gestützt auf diese Rechtsmittelbelehrung, vor dem Verwaltungsgericht Köln Anfechtungsklage mit dem Begehren, den Beschluß des Ausschusses aufzuheben, soweit ein Ordnungsgeld von 1000 DM festgesetzt und beschlossen worden ist, beim zuständigen Amtsgericht die Anordnung der Beugehaft zur Erzwingung der Zeugenaussage zu beantragen (4 K 5352/86). Über die Klage ist noch nicht entschieden.
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c) Am 17. Oktober 1986 beantragte der Untersuchungsausschuß beim Amtsgericht Bonn die Anordnung und Vollstreckung der Haft gemäß § 70 Abs. 2 StPO gegen den Beschwerdeführer. Dem Antrag waren u.a. der Einsetzungsbeschluß, der Beweisbeschluß 10-60, der Ordnungsmaßnahmenbeschluß und das Kurzprotokoll der Vernehmung des Beschwerdeführers vom 16. Oktober 1986 beigefügt. In seiner Begründung nahm der Ausschuß darauf Bezug.
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4. a) Das Amtsgericht Bonn wandte sich am 18. Oktober 1986 telefonisch an den Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers, um einen Termin zur persönlichen Anhörung zu vereinbaren. Der vom Richter unter Hinweis auf die Dringlichkeit der Entscheidung unterbreitete Vorschlag (spätestens 24. Oktober) wurde jedoch vom Bevollmächtigten unter Hinweis auf berufliche Verhinderungen des Beschwerdeführers (u.a. Reise in die USA vom 22. Oktober bis 2. November 1986) abgelehnt; ein Zeitpunkt vor dem 4. oder 5. November 1986 scheide aus. Auf Fragen des Gerichts, das seine Bemühungen um einen rechtzeitigen Termin gescheitert sah, erläuterte der Verfahrensbevollmächtigte die Gründe der pauschalen Zeugnisverweigerung; der Beschwerdeführer, der sich vorerst nicht auf § 55 StPO berufe, könne nicht gezwungen werden, in strafbarer Weise Geschäftsgeheimnisse preiszugeben. Grundsätzlich werde auch das Recht des Ausschusses zur Untersuchung des Falles "Neue Heimat" bestritten.
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b) Das Amtsgericht Bonn ordnete am 19. Oktober 1986 "gemäß § 70 StPO in Verbindung mit Art. 44 GG" gegen den Beschwerdeführer zur Erzwingung des Zeugnisses vor dem Untersuchungsausschuß die Haft für die Dauer der Tätigkeit des Ausschusses an, jedoch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus. Einer Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidung durch ein auswärtiges Gericht wurde ausdrücklich widersprochen.
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Der Beschluß des Ausschusses, den Beschwerdeführer als Zeugen zu vernehmen, liege im Rahmen des gemäß Art. 44 GG ergangenen Untersuchungsauftrags, der nach Art. 44 Abs. 4 GG der gerichtlichen Nachprüfung entzogen sei. Der Beschwerdeführer mache sich durch eine Aussage nicht nach gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen strafbar. Auf ein allenfalls für bestimmte Fragen in Betracht kommendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufe er sich nicht. Da er die Aussage somit pauschal ohne gesetzlichen Grund verweigere, sei Beugehaft anzuordnen. Diese sei im Blick auf die Bedeutung des zu klärenden Skandals um die Neue Heimat verhältnismäßig. Ein Aufschub der Entscheidung komme nicht in Betracht. Es bestehe die Gefahr, daß der Beschwerdeführer von der beabsichtigten USA-Reise vor Beendigung der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses nicht nach Deutschland zurückkehren werde.
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c) Die Polizei nahm den Beschwerdeführer am selben Tag in Hamburg fest. Nach Verkündung des Haftbefehls und Belehrung durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Hamburg über sein Recht, "im Hinblick auf diesen Beschluß Angaben zu machen oder zu unterlassen", lehnte der Beschwerdeführer eine Äußerung hierzu ab.
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5. Der Beschwerdeführer legte gegen den Beschluß des Amtsgerichts am 20. Oktober 1986 Beschwerde beim Landgericht Bonn ein und beantragte, gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Vollziehung des Beschlusses auszusetzen. Mit seiner Beschwerde legte er Rechtsgutachten von Prof. Dr. Meyer vor. Er bestritt die Kompetenz des Untersuchungsausschusses, machte geltend, daß für den angeordneten Eingriff die gesetzliche Grundlage fehle und rügte, daß die angefochtene Entscheidung unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ergangen sei und zudem gegen das Übermaßverbot verstoße.
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In seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 1986 umriß der Ausschußvorsitzende nochmals die drei Fragenkomplexe, die er schon bei der Vernehmung des Beschwerdeführers vor dem Ausschuß genannt hatte, und stellte klar, daß er Fragen, die auf eine Ausforschung des Gewerkschaftsvermögens hinausliefen, nicht vorsehe und - sollten sie gestellt werden - als unzulässig zurückweisen werde. Im übrigen habe der Beschwerdeführer gegebenenfalls ein Auskunftsverweigerungsrecht zu konkreten Fragen.
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Das Landgericht Bonn setzte am 21. Oktober 1986 nach persönlicher Anhörung des Beschwerdeführers in Gegenwart seiner Verfahrensbevollmächtigten die Vollziehung des Beugehaftbeschlusses unter Auflagen aus; der Beschwerdeführer wurde aus der Haft entlassen. Am 27. Oktober 1986 verwarf das Landgericht die Beschwerde als unbegründet. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus:
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Die Voraussetzungen für die Anordnung der Beugehaft lägen vor. Der Untersuchungsausschuß sei ordnungsgemäß konstituiert worden. Gegenstand und Umfang seiner Tätigkeit hielten sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Kompetenz des Bundestages. Innerhalb der sich aus dem Bundesstaatsprinzip, dem Grundsatz der Gewaltenteilung und der Beschränkung auf Angelegenheiten des öffentlichen Interesses ergebenden Grenzen, die hier beachtet seien, dürfe das Parlament nicht nur Angelegenheiten untersuchen, die im Zusammenhang mit seinen Gesetzgebungsaufgaben oder mit den Kontrollfunktionen gegenüber Regierung und Verwaltung stehen, sondern jeden Gegenstand von besonderem öffentlichem Interesse, den es beraten und diskutieren kann. In das Blickfeld des öffentlichen Interesses könnten auch Angelegenheiten gerückt werden, die prima facie als Privatsache des betroffenen Bürgers erscheinen.
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Bei Nr. II des Einsetzungsbeschlusses handele es sich um eine Gesetzgebungs- und Mißstandsenquete, bei Nr. IV um eine Kontroll- und Mißstandsenquete, die insgesamt zulässig seien. Dabei gehe es nicht ausschließlich um Belange Privater, für die dem Bundestag keine Kontrollrechte zustünden, sondern um eventuelle Unregelmäßigkeiten gemeinnütziger Unternehmen, deren Tätigkeit steuerlich begünstigt sei und von staatlichen Stellen überprüft werde. In die Kompetenz der Länder werde nicht eingegriffen, da der Untersuchungsauftrag jedenfalls auch Bundesrecht berühre. Nr. V des Untersuchungsauftrags sehe nicht eine unzulässige Empfehlungsenquete vor. Wegen des engen thematischen Zusammenhangs liege auch hier eine - zulässige - Mißstandsenquete vor. Im übrigen sei es nicht unüblich, daß der Bundestag gerade auch im Zusammenhang mit gesetzgeberischen Maßnahmen Empfehlungen ausspreche. Dazu dürfe er sich auch eines bereits im Rahmen einer Gesetzgebungs-, Kontroll- und Mißstandsenquete tätigen Untersuchungsausschusses bedienen. Der Beweisbeschluß 10-60 des Untersuchungsausschusses halte sich ersichtlich in dem durch den Einsetzungsbeschluß gesteckten Rahmen.
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Dem Untersuchungsausschuß stehe aufgrund Art. 44 Abs. 2 GG grundsätzlich das Recht des Zeugniszwangs zu, weil sein Recht auf Zeugeneinvernahme anders nicht durchsetzbar sei. Dazu gehöre auch das Recht, Ordnungsgeld festzusetzen und beim zuständigen Gericht Beugehaft gemäß § 70 Abs. 2 StPO, einem förmlichen Gesetz im Sinne des Art. 104 Abs. 1 GG, zu beantragen. Dem Beweiserzwingungsrecht stünden die Grundrechte des Betroffenen (allgemeines Persönlichkeitsrecht, Freiheit der Person, Eigentumsschutz) gegenüber. Beide Rechtspositionen seien so gegeneinander abzuwägen, daß sie soweit als möglich ihre Wirkung entfalten können. Zeugniszwang sei danach unzulässig, soweit dem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO oder ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zusteht. Die Zeugenaussage müsse darüber hinaus geeignet und erforderlich sein, zu der erstrebten Aufklärung beizutragen. Das sei hier aufgrund der vielfältigen früheren und gegenwärtigen herausgehobenen Funktionen des Beschwerdeführers in der BGAG, der Neuen Heimat und der Neuen Heimat Städtebau sowie in mit diesen verflochtenen Unternehmen der Fall, wie sich aus der Anführung dieser Firmen in Nr. II des Einsetzungsbeschlusses ergebe. Die bisher erhobenen Beweise hätten die beabsichtigte Aufklärung nicht erbracht; früher vernommene Zeugen hätten auf den Beschwerdeführer als weiteres taugliches Beweismittel verwiesen. Im übrigen entscheide der Untersuchungsausschuß in den Grenzen des seiner Tätigkeit zugrundeliegenden Parlamentsbeschlusses in eigener Verantwortung über die Erforderlichkeit bestimmter Beweiserhebungen.
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Die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Zeuge und die angeordnete Beugehaft seien auch verhältnismäßig. Es gehe um die Aufklärung von Mißständen und deren Verhütung in der Zukunft durch geeignete legislative Maßnahmen von großer volkswirtschaftlicher und haushaltsmäßiger Bedeutung. Da wirksame Vorkehrungen für einen eventuell notwendigen Geheimschutz möglich seien (Ausschluß der Öffentlichkeit, Verschwiegenheitspflicht der Ausschußmitglieder), müsse hier der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, des Freiheitsgrundrechts und des Eigentums gegenüber dem Verfassungsrecht des Untersuchungsausschusses auf Beweiserhebung zurücktreten. Anordnung und Vollzug der Beugehaft würden erst mit vollständiger Erfüllung der Zeugnispflicht entbehrlich.
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Der Beschwerdeführer sei - vorbehaltlich der Regelungen der §§ 53, 55 StPO - nicht berechtigt, die Aussage vor dem Untersuchungsausschuß pauschal sowohl in öffentlicher als auch in nichtöffentlicher Sitzung zu verweigern. Aus den Vorschriften der § 404 AktG, § 85 GmbHG lasse sich ein solches Recht nicht herleiten. Der Verstoß gegen die Zeugenpflicht sei schuldhaft, weil sich der Beschwerdeführer trotz richterlichen Hinweises beharrlich weigere auszusagen.
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Die weiteren, in § 70 Abs. 1 und 2 StPO geregelten Voraussetzungen für die Anordnung der Beugehaft seien ebenfalls erfüllt.
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Der Untersuchungsausschuß habe gegen den Beschwerdeführer berechtigterweise Ordnungsgeld festgesetzt und ihm die Kosten seiner Weigerung auferlegt. Dieses Vorgehen sei zulässig; einer richterlichen Entscheidung habe es insoweit nicht bedurft. Der vom Beschwerdeführer angeführte § 19 Abs. 3 der gemäß Nr. VI des Einsetzungsbeschlusses anzuwendenden IPA-Regeln betreffe den völlig anderen Fall der Ungebühr im Sinne der §§ 177, 178 GVG. Im übrigen könnten die IPA-Regeln, wie der Plenarbeschluß des Bundestages bestätige, gegenüber dem nach Art. 44 GG hier sinngemäß anzuwendenden § 161 a Abs. 2 Satz 1 StPO ohnehin keine Anwendung finden.
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Die gegen den Ordnungsbeschluß des Ausschusses gerichtete Klage zum Verwaltungsgericht sei für die Anordnung der Beugehaft rechtlich unerheblich. Sie habe hinsichtlich des Antrags, Beugehaft festzusetzen, der dem Beschluß des Ausschusses entspreche, keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag sei kein Verwaltungsakt, da es an der dafür begriffsnotwendigen unmittelbaren Rechtswirkung nach außen fehle. Die danach allenfalls in Betracht kommende verwaltungsgerichtliche Leistungsklage habe anders als die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung; ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (nach § 123 VwGO) sei nicht gestellt worden.
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Die nach § 70 StPO für die Anordnung der Beugehaft erforderliche vorherige oder gleichzeitige Festsetzung von Ordnungsgeld werde durch die Klage nicht berührt. Es könne offenbleiben, ob der Ordnungsgeldbeschluß des Ausschusses insoweit ein mit der Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt sei. Selbst wenn dies zuträfe, hemmte die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO allein seine Vollziehung, nicht aber seine Wirksamkeit. Der Ordnungsgeldbeschluß sei nicht Grundlage, sondern lediglich Voraussetzung der Beugehaftanordnung. Liege er einmal vor, könnten Ordnungsgeldfestsetzung und Beugehaft ein rechtlich selbständiges Schicksal haben. Die vorgängige Vollstreckung der Ordnungsgeldfestsetzung sei nicht Voraussetzung für den Vollzug der Beugehaft.
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Eine mögliche Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Gehör sei zwischenzeitlich durch ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme geheilt.
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III.
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Der Beschwerdeführer hat gegen den Beschwerdebeschluß des Landgerichts Bonn vom 27. Oktober 1986 sowie gegen den Beugehaftbeschluß des Amtsgerichts Bonn vom 19. Oktober 1986 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Gleichzeitig mit seiner Verfassungsbeschwerde stellte er den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung die Beugehaft auszusetzen. In der mündlichen Verhandlung hierüber nahm er diesen Antrag zurück und erklärte sich grundsätzlich bereit, vor dem Ausschuß auszusagen. Mit Beschluß vom 14. November 1986 hat das Amtsgericht Bonn auf Antrag des Untersuchungsausschusses die Anordnung der Beugehaft aufgehoben.
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1. Die Verfassungsbeschwerde sei auch nach der Aufhebung des Haftbeschlusses und der Auflösung des Untersuchungsausschusses zulässig. Das Rechtsschutzinteresse bestehe wegen des Gewichts des Grundrechts auf persönliche Freiheit, der grundsätzlichen Bedeutung der verfassungsrechtlichen Fragestellung sowie der fortwirkenden Beeinträchtigung des Beschwerdeführers durch die angegriffene Maßnahme nach wie vor.
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2. Die Anordnung der Beugehaft habe den Beschwerdeführer in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt.
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a) Das Amtsgericht und der Untersuchungsausschuß hätten ihm das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt. Er habe nicht die Möglichkeit erhalten, sich zur Frage seiner Aussagepflicht und zur Problematik der Beugehaft zu äußern.
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b) Dem Untersuchungsausschuß habe die notwendige demokratische Legitimation sowie die Kompetenz zu Untersuchungen im Bereich Privater gefehlt; jedenfalls seien hierfür Zwangseingriffe unzulässig gewesen. Dies habe die BGAG im Verfahren 2 BvR 1178/86 zutreffend dargelegt (vgl. hierzu Beschluß vom 1. Oktober 1987 unter A IV 1).
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c) Art. 104 Abs. 1 GG sei verletzt. Die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 GG, auf Beweiserhebungen eines Untersuchungsausschusses fänden die Vorschriften über den Strafprozeß "sinngemäß Anwendung", könne unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit nicht als Verweis auf ein förmliches Gesetz angesehen werden. Die pauschale Bezugnahme auf das gesamte Regelungswerk des Strafprozeßrechts gebe zu erheblichen Zweifeln und Unsicherheiten Anlaß. Das gelte vor allem hinsichtlich der Anordnung von Freiheitsbeschränkungen, die besonders strengen Maßstäben unterlägen. Hier sei auch nicht hinreichend klar, ob der Untersuchungsausschuß selbst oder der Richter die Vollstreckung eines Beugehaftbeschlusses zu veranlassen habe. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 34 WRV, des Vorläufers des Art. 44 GG, ergebe sich, daß mit der Einfügung der entsprechenden Verweisungspassage der Untersuchungsausschuß lediglich in den Stand habe gesetzt werden sollen, einen Zeugen zum Erscheinen vor dem Ausschuß zu verpflichten und ihn zu vereidigen. Die der Regelung zugrunde liegende Absicht sei damals also beschränkt gewesen.
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d) Die Anordnung der Beugehaft sei im Licht des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG unverhältnismäßig gewesen. Der Wert der Aussage, die habe erzwungen werden sollen, habe die Anordnung der Beugehaft nicht gerechtfertigt. Es liege im Blick auf die hier nur "sinngemäße Anwendung" des § 70 Abs. 2 StPO auch nicht fern, daß das Gewicht einer Aussage, das im parlamentarischen Untersuchungsverfahren die Erzwingung durch Beugehaft zuzulassen vermöge, erheblich größer sein müsse als im Strafprozeß. Der Untersuchungsausschuß habe bereits über eine Fülle von Unterlagen verfügt, insbesondere den Untersuchungsbericht des Untersuchungsausschusses der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg zum Komplex Neue Heimat (Drucks. 11/5900), die der Auswertung geharrt hätten. Er, der Beschwerdeführer, habe zu diesen schon vorliegenden Ergebnissen allenfalls Details ergänzen können. Der Verkauf der Geschäftsanteile an der Neuen Heimat durch die BGAG sei demgegenüber zwar ein neuer Vorgang. Der vorher erteilte Untersuchungsauftrag des Deutschen Bundestages könne sich jedoch nicht auf diesen - späteren - Sachverhalt beziehen. Der Untersuchungsausschuß sei auch aus dieser Sicht nicht befugt gewesen, seine Untersuchung hierauf zu erstrecken.
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IV.
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Gelegenheit zur Äußerung wurde dem Deutschen Bundestag, dem Untersuchungsausschuß, der Bundesregierung, dem Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, allen Landtagen und Bürgerschaften der Bundesländer, dem Abgeordnetenhaus von Berlin und dem Bayerischen Senat gegeben. Stellung genommen haben der Untersuchungsausschuß, der Niedersächsische Landtag und der Landtag Rheinland-Pfalz.
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1. Der Untersuchungsausschuß hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
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a) Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers an der Verfassungsbeschwerde sei durch die Aufhebung der Beugehaftanordnung am 14. November 1986 und die am 3. Februar 1987 erfolgte Erklärung, daß die Vernehmung des Beschwerdeführers abgeschlossen sei, entfallen. Die gegenstandslos gewordene Maßnahme beeinträchtige den Beschwerdeführer nicht weiterhin, Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Die dem Beschwerdeführer entstandenen Gerichtskosten und notwendigen Auslagen reichten zur Begründung eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht aus. Dem Beschwerdeführer stünden darüber hinaus auch keine Ansprüche auf Entschädigung für die erlittene Beugehaft zu, wenn diese für verfassungswidrig erklärt werden würde. Eine verfassungsrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung sei nicht zu entscheiden; denn die Verhängung von Beugehaft zur Erzwingung eines Zeugnisses vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß stelle eine bisher singuläre Ausnahme dar. Der gerügte Eingriff habe auch nicht ein besonders bedeutsames Grundrecht in erheblichem Maße betroffen, da die Freiheitsentziehung lediglich etwa 48 Stunden gedauert habe.
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b) Die angegriffenen Entscheidungen hätten den Beschwerdeführer nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt.
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aa) Der Untersuchungsausschuß habe die notwendige demokratische Legitimation besessen und sei befugt gewesen, die im Einsetzungsbeschluß des Deutschen Bundestages vorgesehenen Untersuchungen durchzuführen, wie er in den Verfahren 2 BvR 1178/86 u. a. eingehend dargelegt habe (vgl. hierzu Beschluß des Senats vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178/86 u. a. - unter A V 2).
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bb) Die Verhängung der Beugehaft gegen den Beschwerdeführer sei gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit § 70 Abs. 2 StPO, einer hinreichenden Rechtsgrundlage für die Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG, zulässig gewesen. Der Untersuchungsausschuß habe die Vernehmung des Beschwerdeführers korrekt durchgeführt. Dieser habe vor dem Untersuchungsausschuß uneingeschränkt sämtliche Rechte gehabt, die auch dem Zeugen vor einem Strafgericht zustehen. Insbesondere sei er über sein Auskunftsverweigerungsrecht entsprechend § 55 StPO belehrt und auf die Möglichkeit einer Aussage in nichtöffentlicher Sitzung hingewiesen worden. Zudem sei einem Rechtsanwalt die Anwesenheit und Beratung des Beschwerdeführers bei der Zeugenvernehmung gestattet gewesen.
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Es sei für die Funktionsfähigkeit eines Untersuchungsausschusses unerläßlich, ihm die Möglichkeit der Anwendung der Beugehaft zu eröffnen, wie sie in allen Verfahrensordnungen vorgesehen sei und in verschiedenen Fällen die Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht gefunden habe. Den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 GG sei durch die Anordnung der Beugehaft durch ein Gericht, das die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Freiheitsbeschränkung in vollem Umfang zu prüfen gehabt habe, Rechnung getragen worden.
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Die Anordnung und Vollstreckung der Beugehaft gegen den Beschwerdeführer sei zur Bedeutung seiner Zeugenaussage für die Erfüllung des Auftrags des Untersuchungsausschusses in angemessenem, jedenfalls vertretbarem Verhältnis gestanden. Die BGAG, deren Vorstandsvorsitzender der Beschwerdeführer war, sei die eigentliche Schalt- und Entscheidungsstelle auch für die Neue Heimat gewesen. Verschiedene Zeugen, wie der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Breit und der Vorsitzende der Geschäftsführung der Neuen Heimat Dr. Hoffmann, hätten bei ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuß auf eine Reihe von Fragen erwidert, zu deren Beantwortung sei allein der Beschwerdeführer in der Lage und kompetent.
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cc) Nicht klar sei, ob der Beschwerdeführer nach der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts noch die Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG aufrechterhalte. Dazu sei jedoch anzumerken, daß das Amtsgericht dem Beschwerdeführer oder seinem Verfahrensbevollmächtigten hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben habe. Im übrigen sei die behauptete Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG spätestens im Beschwerdeverfahren geheilt worden.
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2. Der Niedersächsische Landtag hält die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für unbegründet. Der Besetzungsmodus für den Untersuchungsausschuß entspreche der Verfassung (vgl. im einzelnen Beschluß des Senats vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178/86 u. a. - unter A V 5). Die Beugehaft könne aufgrund der Regelung in Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit § 70 Abs. 2 StPO auch ohne Vorliegen eines Untersuchungsausschußgesetzes angeordnet werden. Die generelle Aussageverweigerung des Beschwerdeführers sei unberechtigt gewesen, weil er auch im Hinblick auf die durch den Untersuchungsauftrag begrenzte Ermittlungskompetenz des Ausschusses jedenfalls nicht nur unzulässige Fragen zu erwarten gehabt habe. Die Zulässigkeit der Anordnung von Beugehaft könne nicht je nach dem Ziel der Enquete unterschiedlich gesehen werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt worden. Für die Anordnung von Beugehaft zur Erzwingung einer Aussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß gälten keine strengeren Anforderungen als in sonstigen Verfahren.
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3. Der Landtag Rheinland-Pfalz hält die demokratische Legitimation des Untersuchungsausschusses sowie die parlamentarische Untersuchungsbefugnis im privaten Bereich zur Vorbereitung von Gesetzgebung einschließlich der Verfassungsänderung und zur Vorbereitung parlamentarischer Kontrolle für gegeben, bejaht die Möglichkeit von Zwangseingriffen im Rahmen der Beweiserhebung durch Untersuchungsausschüsse und verweist auf die Möglichkeit der Geheimhaltung, soweit sie durch den gebotenen Grundrechtsschutz erforderlich werden kann (vgl. im einzelnen Beschluß des Senats vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178/86 u. a. - unter A V 6).
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers ist nicht durch die Aufhebung des Beugehaftbeschlusses am 14. November 1986 und die Beendigung der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG) entfallen. Es würde der Bedeutung des Schutzes der Freiheit durch das Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht entsprechen, wenn das Recht auf verfassungsgerichtliche Klärung einer behaupteten Freiheitsverletzung nach deren faktischer Beendigung ohne weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 10, 302 [308]; 74, 102 [115]).
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Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
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Die angegriffenen Entscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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I.
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Der Senat hat in den zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerde-Verfahren 2 BvR 1178/86, 1179/86 und 1191/86 durch Beschluß vom 1. Oktober 1987 - auf den im übrigen verwiesen wird - entschieden, daß Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, deren Mitglieder von den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke benannt werden, die erforderliche demokratische Legitimation für eine hoheitliche Tätigkeit nach außen besitzen. Der Bundestag kann innerhalb seines Aufgabenbereichs Untersuchungsaufträge zur Aufklärung von Mißständen jedenfalls auch im Bereich solcher privater Unternehmen - einschließlich der mit ihnen eng, insbesondere konzernmäßig verbundenen - erteilen, die aufgrund "gemeinwirtschaftlicher" Zielsetzung ihrer Tätigkeit in erheblichem Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert oder steuerlich begünstigt werden und besonderen rechtlichen Bindungen unterliegen; dies gilt jedenfalls insoweit, als hieran ein öffentliches Untersuchungsinteresse von hinreichendem Gewicht besteht.
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Das Untersuchungsverfahren hat für die parlamentarische Demokratie große Bedeutung. Die Regelung des Untersuchungsverfahrens im Grundgesetz soll gewährleisten, daß die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse ihre Aufgaben wirksam erfüllen können. Das ihnen durch Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG eingeräumte Recht, die erforderlichen Beweise in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß zu erheben, umfaßt daher auch die Befugnis, die im Strafverfahrensrecht vorgesehenen Möglichkeiten zur zwangsweisen Beschaffung von Beweismitteln zu nutzen, also etwa Beschlagnahmen durch den zuständigen Richter zu beantragen. Dies wird durch den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift der Verfassung bestätigt. Bei der Beweiserhebung zu beachten sind allerdings die Grundrechte, die ihren Trägern insbesondere auch einen Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten verbürgen, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hiernach kann der Umfang der zulässigen Beschlagnahme beschränkt sein; ferner können parlamentarische Geheimhaltungsmaßnahmen erforderlich werden.
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Die gerichtlich angeordnete Beschlagnahme von Aufsichtsratsprotokollen der BGAG zur Aufklärung von Mißständen, deren Grund Verstöße des gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens Neue Heimat gegen bundesgesetzliche Regelungen sein sollten (Nr. II 1, 2 und III des Untersuchungsauftrags), und zur Überprüfung des Verhaltens der Bundesregierung und des Bundestages selbst (Nr. IV des Untersuchungsauftrags) war hiernach grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar. Eine etwa notwendige parlamentarische Geheimhaltung hatte der Untersuchungsausschuß beschlossen. Die im Verfahren 2 BvR 1178/86, 1179/86 und 1191/86 angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen waren verfassungsrechtlich allerdings insoweit zu beanstanden, als die unmittelbare Herausgabe aller beschlagnahmten Unterlagen an den Ausschuß vorgesehen war. Die Gerichte waren im Blick auf die Grundrechte der Beschwerdeführer und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, die für die Untersuchung im Rahmen von Nr. II 1, 2, III und IV des Einsetzungsbeschlusses nicht potentiell beweiserheblichen Teile der Aufsichtsratsprotokolle auszusondern und der BGAG zurückzugeben.
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II.
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Die den Untersuchungsausschüssen zur effektiven Erfüllung ihres Auftrags verfassungsrechtlich eingeräumte Befugnis, die erforderlichen Beweise in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß zu erheben (Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG), berechtigt sie auch, gegen den Zeugen, der grundlos das Zeugnis verweigert, Ordnungsgeld festzusetzen (§ 70 Abs. 1 StPO) und zur Erzwingung des Zeugnisses die Anordnung der Haft beim zuständigen Gericht zu beantragen (§ 70 Abs. 2 StPO). Hierbei sind die Grundrechte des Betroffenen und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
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1. a) Die Zeugenpflicht ist nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht (BVerfGE 49, 280 [284]). Mit Freiheitsentzug verbundene Beugemaßnahmen zur Durchsetzung gesetzlich begründeter Pflichten gehören zum überlieferten Normenbestand (BVerfGE 43, 101 [106]). Die Verfahrensordnungen aller Gerichtszweige sehen sie gegenüber Personen vor, die grundlos das Zeugnis oder die Eidesleistung verweigern (§ 70 Abs. 2 StPO, § 390 Abs. 2 ZPO, § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 98 VwGO, § 82 FGO, § 118 SGG, § 46 Abs. 2 Satz 1, § 80 Abs. 2 ArbGG, § 48 Abs. 2 OWiG). Die Anordnung von Haft zur Erzwingung der Auskunftspflichten des Gemeinschuldners (§ 101 Abs. 2 KO) und zur Erzwingung der Zahlung selbst geringer Geldbußen (§ 96 OWiG) ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfGE 56, 37; 43, 101). Die Beugehaft stellt demnach keine spezifisch strafprozessuale Maßnahme dar, die auf andere Verfahrensarten nicht angewandt werden könnte.
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b) Die Möglichkeit der Erzwingung des Zeugnisses vor dem Untersuchungsausschuß durch Haft ist für eine effektive Untersuchungstätigkeit unentbehrlich. Die Sachaufklärung muß sich auch und gerade im Untersuchungsverfahren auf die Bekundungen von Zeugen stützen können, die Auskunft über aktenmäßig nicht festgehaltene Sachverhalte erteilen oder Aufschluß über das Zustandekommen schriftlicher Unterlagen und über ihre Auslegung geben können. Der Neigung zur Aussageverweigerung, die insbesondere bei Skandalenqueten als ein gewisser Ausweg erscheinen mag, kann auf Dauer nur dann wirksam begegnet werden, wenn die Möglichkeit der Verhängung von Beugehaft besteht. Die anderen in § 70 Abs. 1 StPO vorgesehenen Reaktionen auf eine unberechtigte Zeugnisverweigerung - die Auferlegung der hierdurch verursachten Kosten und die Festsetzung von Ordnungsgeld in Höhe von 5 bis 1000 DM (Art. 6 Abs. 1 EGStGB) und für den Fall von dessen Nichtbeitreibbarkeit Festsetzung von Ordnungshaft von einem Tag bis sechs Wochen (Art. 6 Abs. 2 EGStGB) - werden als Druckmittel zur Erwirkung einer Aussage im Blick auf die wirtschaftliche Lage der im Untersuchungsverfahren in Betracht kommenden Zeugen oft nicht ausreichen.
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c) Die Entstehungsgeschichte zu Art. 44 GG bestätigt die Statthaftigkeit der Beugehaft im parlamentarischen Untersuchungsverfahren. Die Verfassungsbestimmung lehnt sich nach ihrem Wortlaut eng an Art. 34 WRV an, der die Bezugnahme auf die Vorschriften der Strafprozeßordnung mit dem Ziel aufgenommen hatte, den Untersuchungsausschüssen Zwangsbefugnisse gegenüber Zeugen zu verleihen, um eine wirksame Erfüllung des parlamentarischen Untersuchungsauftrags zu ermöglichen (Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Aktenstück Nr. 391, Bd. 336, zu Art. 55, S. 264 bis 266; vgl. BVerfGE 67, 100 [131]). Dementsprechend vertrat die ganz herrschende Meinung zu Art. 34 WRV die Ansicht, daß die Beugehaft ein zulässiges Zwangsmittel zur Erzwingung des Zeugnisses vor Untersuchungsausschüssen sei, das vom zuständigen Gericht auf Antrag angeordnet werden könne (vgl. etwa Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., 1933, Art. 34 Anm. 8 b; Hatschek/Kurtzig, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., 1930, S. 698; Lammers in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, 1932, S. 471; Heck, Das parlamentarische Untersuchungsrecht, 1925, S. 62 f.). Durch die Übernahme der Verweisung auf die Strafprozeßordnung und die augenfällige Anlehnung der Fassung des Art. 44 GG an Art. 34 WRV sollte ersichtlich zum Ausdruck gebracht werden, daß eine Änderung dieser Rechtslage nicht beabsichtigt war.
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d) Für die Festsetzung des Ordnungsgeldes, das als Sanktion für die grundlose Aussageverweigerung zu verstehen ist, gilt nichts anderes. Auch im parlamentarischen Untersuchungsverfahren muß die Möglichkeit gegeben sein, auf diese Sanktion und die mit ihr zusammenhängenden Maßnahmen (ersatzweise Ordnungshaft, Kostenüberbürdung) zurückzugreifen. Die Regelungen des § 70 StPO ergänzen sich gegenseitig. Sie sollen ermöglichen, dem Einzelfall Rechnung zu tragen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Entscheidung zu treffen, die geeignet erscheint, den Fortgang des Verfahrens zu fördern.
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Der Untersuchungsausschuß als die die Ermittlungen führende Stelle ist in sinngemäßer Anwendung von §§ 70 Abs. 1, 161 a Abs. 2 StPO selbst berechtigt, dem Zeugen, der das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert, die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn Ordnungsgeld festzusetzen. Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG bezieht auch die Vorschrift des § 161 a StPO in seine Verweisung ein, obwohl sie erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3393, 3533) geschaffen wurde. Dies ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut der Verfassungsvorschrift. Deren Sinn und Zweck schließen jedoch eine Auslegung als bloße statische Verweisung aus (vgl. BVerfGE 60, 135 [155]). Es wäre kaum nachvollziehbar anzunehmen, daß die zu erwartende Anpassung des Strafverfahrensrechts an die vom Grundgesetz geschaffene neue Ordnung, in deren Mittelpunkt der Schutz der Grundrechte gegenüber jeglicher öffentlicher Gewalt steht und die - nicht zuletzt auch im Blick auf das Rechtsstaatsprinzip - besonders auf das gerichtliche Verfahren einwirken mußte, im Untersuchungsverfahren unberücksichtigt bleiben sollte. Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG will sicherstellen, daß der Untersuchungsausschuß seine Untersuchung in sinngemäßer Anwendung des jeweils geltenden Verfahrensrechts führt. Deshalb sind auch die neuen, der Effektivität und Beschleunigung des Verfahrens dienenden Vorschriften der Strafprozeßordnung heranzuziehen, soweit dies durch die entsprechende Interessenlage als geboten erscheint. Das aber ist im hier angesprochenen Bereich zu bejahen. Die Stellung des Untersuchungsausschusses und die Erfordernisse der parlamentarischen Untersuchung, die angesichts der zu bewältigenden Materie besonderer Stütze bedarf, fordern in diesem zentralen Punkt des Beweisverfahrens (Zeugenbeweis) die Gleichstellung mit dem Strafprozeß.
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Den sog. IPA-Regeln (BTDrucks. V/4209), auf die in den Untersuchungsaufträgen des Deutschen Bundestages - vorbehaltlich anderweitiger Gesetzeslage - regelmäßig Bezug genommen wird, ist nichts zu entnehmen, was das dargelegte Ergebnis der Auslegung des Art. 44 Abs. 2 GG und die daraus folgende Kompetenz des Untersuchungsausschusses, Ordnungsgeld selbst festzusetzen, in Frage stellen könnte. Der vom Beschwerdeführer angeführte § 19 Abs. 3 betrifft den hier nicht einschlägigen Fall der Ungebühr (vgl. § 178 GVG). § 13 Abs. 2, wonach u. a. gegen einen Zeugen, der ohne gesetzlichen Grund das Zeugnis verweigert, auf Antrag des Untersuchungsausschusses Ordnungsstrafe gemäß § 70 StPO verhängt wird, wird zwar so zu verstehen sein, daß ein solcher Antrag beim zuständigen Gericht zu stellen ist (vgl. auch § 20 Abs. 1 der IPA-Regeln). Als bloßem Geschäftsordnungsrecht geht dem aber Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit §§ 70 Abs. 1, 161 a Abs. 2 StPO vor (vgl. auch Nr. VI des Einsetzungsbeschlusses, der diesen Vorrang ausdrücklich anerkennt). Im übrigen wurden die IPA-Regeln als Gesetzentwurf bereits im Jahre 1969, also lange vor dem Erlaß des § 161 a StPO, eingebracht; sie konnten also die Neuregelung, die der Staatsanwaltschaft erstmals die Befugnis zur Festsetzung von Ordnungsgeld verliehen hat, noch nicht berücksichtigen.
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e) Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit § 70 Abs. 2 StPO stellt eine hinreichende Rechtsgrundlage für die durch Vollzug der Anordnung der Beugehaft bewirkte Freiheitsentziehung dar. Es handelt sich um förmliche Gesetze, die die Voraussetzungen und die Natur des Eingriffs selbst bestimmen (vgl. BVerfGE 14, 174 [186 f.]). Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ist damit genügt. Weitergehende Bestimmtheitsanforderungen ergeben sich auch nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), das für den Bereich der Freiheitsentziehung durch Art. 104 Abs. 1 GG konkretisiert wird.
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2. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse üben öffentliche Gewalt aus. Über die in Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG bezeichneten Schranken hinaus haben sie gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht einschränken (BVerfGE 67, 100 [142]).
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a) Die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG bezieht sich nicht nur auf befugnisbegründende, sondern auch auf befugnisbegrenzende Regelungen der Strafprozeßordnung (vgl. BVerfGE 67, 100 [133]). Sinngemäß anwendbar sind daher neben den Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen (§ 52 StPO), der Berufsgeheimnisträger und der Berufshelfer (§§ 53, 53 a StPO; vgl. hierzu BVerfGE 20, 162 [187 ff.]; 25, 296 [305]; 33, 367 [374 ff.]; 36, 193 [210 ff.]; 36, 314 [320]; 38, 312 [318 ff.]; 56, 247; 64, 108 [114 ff.]) insbesondere die Regelung des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO sowie die Bestimmung des § 68 a StPO über die Zulässigkeit bloßstellender Fragen (vgl. BVerfGE 38, 105 [117]).
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Kein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht ergibt sich demgegenüber aus gesellschaftsrechtlichen Geheimhaltungsbestimmungen wie §§ 93, 404 AktG und § 85 GmbHG. Die Pflicht des Zeugen zur Aussage geht aufgrund des öffentlichen Interesses an der Tatsachenermittlung solchen privaten Geheimhaltungsinteressen vor, soweit nicht das Prozeßrecht selbst diese als schützenswert anerkennt (vgl. Dahs in: Löwe/Rosenberg, Strafprozeßordnung, 24. Aufl., § 53 Rdnr. 3 bis 7; Pelchen in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 1982, § 53 Rdnr. 2 bis 4; Kleinknecht/Meyer, Strafprozeßordnung, 38. Aufl., § 53 Rdnr. 2 bis 4; Lenckner in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 22. Aufl., § 203 Rdnr. 29; Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch, 43. Aufl., § 203 Rdnr. 29; Lackner, Strafgesetzbuch, 16. Aufl., § 203 Anm. 6 a ff.; Tiedemann in: Scholz, GmbH-Gesetz, 6. Aufl., § 85 Rdnr. 20; Kohlmann in: Hachenburg, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., § 85 Rdnr. 52; Fuhrmann in: Rowedder, GmbH-Gesetz, 1985, § 85 Rdnr. 9; Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 85 Rdnr. 21; Geilen in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 1985, § 404 Rdnr. 79).
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b) Unabhängig von den strafprozessualen Vorschriften über Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte hat der Untersuchungsausschuß die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG zu beachten, die ihren Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten gewähren (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]; 67, 100 [142 f.]). Dieses Schutzinteresse ist, wie der Senat im Beschluß vom 1. Oktober 1987 - 2 BvR 1178/86 u. a. - näher dargelegt hat (unter C I 3 b), mit dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen. Auf Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist, erstreckt sich das Beweiserhebungsrecht nicht (vgl. BVerfGE 65, 1 [46]; 67, 100 [144]). Immer wird auch zu prüfen sein, ob nach den gegebenen Umständen eine öffentliche Beweisaufnahme und Erörterung gerechtfertigt ist oder ob die Grundrechte des Betroffenen bestimmte Vorkehrungen parlamentarischer Geheimhaltung erfordern (vgl. BVerfGE 67, 100 [144]).
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III.
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Die Auffassung der Gerichte des Ausgangsverfahrens, die Voraussetzungen der Anordnung von Beugehaft gegen den Beschwerdeführer hätten vorgelegen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Anordnung der Beugehaft verletzte den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten; sie war insbesondere verhältnismäßig.
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1. a) Dem Beschwerdeführer stand kein Recht zu, von vornherein die Aussage zu allen nach dem Beweisbeschluß 10-60 möglichen Fragen zu verweigern. Dieser Beschluß bezog sich auf den gesamten Untersuchungsauftrag, umfaßte also auch die Abschnitte Nr. II 1, 2, III und IV, die nach dem Beschluß des Senats vom 1. Oktober 1987 als Grundlage von Zwangsmaßnahmen herangezogen werden konnten. Aufklärungsbedürftig waren danach, wie dem Beschwerdeführer dargelegt und auseinandergesetzt worden war, unterschiedlichste Sachpunkte. Ein Recht, auf alle sich daraus ergebenden Fragen die Auskunft zu verweigern, konnte der Beschwerdeführer weder aus gesellschaftsrechtlichen Geheimhaltungsbestimmungen noch aus Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG herleiten. Zu gegebenenfalls erforderlich werdenden Geheimschutzmaßnahmen (wie etwa einer Aussage in nichtöffentlicher Sitzung) hatte sich der Ausschuß von vornherein bereiterklärt. Die Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO hatte der Beschwerdeführer ausdrücklich von sich gewiesen.
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b) Die Anordnung der Haft zur Erzwingung des Zeugnisses genügte dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Landgericht hat die für die Maßnahme sprechenden Gründe mit den Rechten des Beschwerdeführers abgewogen und hierbei ersichtlich der Verfassung entsprechende Bewertungsmaßstäbe zugrunde gelegt. Eine weitergehende, alle Einzelheiten umfassende Prüfung obliegt dem Bundesverfassungsgericht nicht (vgl. BVerfGE 27, 211 [219]). Die Verhängung der Beugehaft sah das Gericht gerechtfertigt durch das Gewicht des Untersuchungsauftrags und des Beweisthemas sowie durch die Bedeutung, die der Ausschuß in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gerade der Aussage des Beschwerdeführers zumaß.
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aa) Wie im Verfahren zu 2 BvR 1178/86 u. a. kann offenbleiben, ob auch auf Nr. II 3 und V des Untersuchungsauftrags Zwangsmaßnahmen gegen Dritte hätten gestützt werden können. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, würden sich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anordnung der Beugehaft ergeben. Die in Nr. II 1, 2, III und IV des Einsetzungsbeschlusses umschriebenen Untersuchungsgegenstände und Aufklärungsziele umfaßten den wesentlichen Inhalt des Untersuchungsauftrags. Aufgrund des Beweisbeschlusses 10-60, der sich auf den gesamten Untersuchungsauftrag bezog, konnte eine Vielzahl zulässiger Fragen, vor allem zu dem im Mittelpunkt des Untersuchungsverfahrens stehenden Geschäftsgebaren der Unternehmensgruppe Neue Heimat und der BGAG, an den Beschwerdeführer gerichtet werden. Ob sich alle im Termin vom 16. Oktober 1986 angesprochenen Vernehmungsthemen im Rahmen des für den Ausschuß maßgeblichen Untersuchungsauftrages hielten, ob insbesondere der Ausschuß auch berechtigt war, die Vorgänge um den Verkauf der Neuen Heimat durch die BGAG, der erst nach der Einsetzung des Ausschusses erfolgte, aufzuklären, bedarf hier keiner Entscheidung.
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bb) Die Fachgerichte maßen in Übereinstimmung mit dem Untersuchungsausschuß der Aussage des Beschwerdeführers eine hohe, die Anordnung von Beugehaft rechtfertigende Bedeutung zu. Diese Einschätzung liegt im Rahmen tatrichterlicher Beurteilung, die den Gerichten bei der Anordnung des Zeugniszwangs eingeräumt ist (vgl. RGSt 57, 29 ff., BGH, NJW 1966, S. 211; GA 1968, S. 305 [307]; BGH, Urteil vom 11. Mai 1976 - 1 StR 168/76 -, S. 12]; sie ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Es lag nahe, den Beschwerdeführer aufgrund seiner Stellung als damaliger Vorstandsvorsitzender der BGAG und seiner vielfältigen früheren und gegenwärtigen Tätigkeiten in Organen der Unternehmensgruppe Neue Heimat als besonders kompetente Aussageperson anzusehen. Die Gerichte waren nicht gehalten, den Untersuchungsausschuß darauf zu verweisen, zunächst durch andere Beweismittel, etwa durch Vernehmung weiterer Zeugen, die keine derartig umfassenden Erkenntnismöglichkeiten hatten und keine vergleichbaren Führungspositionen bekleideten, die erstrebte Aufklärung zu suchen. Es ist im übrigen naheliegend, daß zu bestimmten Beweisthemen, insbesondere zu solchen komplexer Art, mehrere Zeugen vernommen werden müssen, um ein möglichst zutreffendes und vollständiges Bild von den erheblichen Tatsachen zu erlangen. Hier war zudem nicht zu erwarten, daß die Aussage des Beschwerdeführers durch Heranziehung anderer Beweismittel hinreichend ersetzt werden könnte. Die BGAG selbst widersetzte sich der Herausgabe undBeschlagnahme ihrer vom Ausschuß angeforderten Aufsichtsratsprotokolle. Früher vernommene Zeugen hatten nach den Feststellungen des Landgerichts ausdrücklich auf den Beschwerdeführer als weiteres, besonders taugliches Beweismittel verwiesen (vgl. auch die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses vom 16. Oktober 1986, oben A II 3 a).
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Ein zur Herbeiführung der Aussagebereitschaft des Beschwerdeführers geeignetes, diesen weniger belastendes Mittel bot sich nicht an. Das vom Ausschuß festgesetzte Ordnungsgeld bezahlte der Beschwerdeführer nicht. Es gab ihm auch nicht Anlaß, seine Haltung zu überdenken und sich zur Aussage bereitzuerklären. Eine Wiederholung dieser Maßnahme war ausgeschlossen (§ 70 Abs. 4 StPO entsprechend). Nach dem gesamten Verhalten des Beschwerdeführers vor dem Ausschuß und im gerichtlichen Verfahren war auch nicht anzunehmen, daß die Beitreibung des Ordnungsgeldes eine Änderung seines Standpunktes hätte herbeiführen können. Aufgrund der verwaltungsgerichtlichen Klage gegen den Ordnungsgeldbeschluß war zudem zweifelhaft, ob sich eine solche Beitreibung noch während der Amtszeit des Untersuchungsausschusses, die mit der Wahlperiode endete, verwirklichen ließe (§ 80 Abs. 1 VwGO, vgl. unten c).
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c) Die Auffassung des Landgerichts, auch im übrigen lägen die Voraussetzungen für die Anordnung von Beugehaft vor, ist vertretbar, keinesfalls willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG) und verstößt auch sonst nicht gegen spezifisches Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f.]).
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aa) Das Landgericht ist mit der wohl herrschenden Meinung in der strafprozessualen Literatur davon ausgegangen, die Anordnung von Beugehaft setze zwar die vorherige oder gleichzeitige Verhängung von Ordnungsgeld, nicht aber dessen Beitreibung oder den Vollzug von Ordnungshaft voraus (vgl. Dahs in: Löwe/Rosenberg, a.a.O., § 70 Rdnr. 17; Pelchen in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, § 70 Rdnr. 6; Kleinknecht/Meyer, a.a.O., § 70 Rdnr. 12; einschränkend Paulus in: KMR, 7. Aufl., § 70 Rdnr. 15 und 17: zwar seien Maßnahmen nach § 70 Abs. 1 und 2 StPO gleichzeitig zulässig, jedoch der Vollzug der Beugehaft erst nach Beitreibung des Ordnungsgeldes oder nach Vollzug der Ordnungshaft; Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung, Teil II, 1957, § 70 Rdnr. 17: sofortige Anordnung der Beugehaft sei zulässig). Diese Ansicht ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; das Landgericht konnte sie auch seiner Entscheidung im vorliegenden Fall zugrunde legen. Aufgrund seiner herausgehobenen und zentralen Stellung innerhalb der BGAG und des Neue Heimat-Konzerns konnten von ihm Auskünfte von entscheidender Bedeutung für die weitere Untersuchung erwartet werden.
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bb) Mit nachvollziehbaren Erwägungen hat es das Gericht abgelehnt, der verwaltungsgerichtlichen Anfechtung des Beschlusses des Untersuchungsausschusses vom 16. Oktober 1986 (vgl. oben A II 3 b) Auswirkungen auf Anordnung und Vollzug der Beugehaft beizumessen.
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Jedenfalls naheliegend ist die Meinung des Gerichts, daß der Antrag des Ausschusses auf Anordnung von Beugehaft an das Gericht schon deshalb kein Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) sei, weil er nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sei; es handele sich hierbei um eine Prozeßhandlung, die ohne unmittelbare Auswirkung auf den Beschwerdeführer sei, vielmehr nur die Grundlage eines gerichtlichen Verfahrens bilde, an dessen Ende der Rechtseingriff stehen solle (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl., § 35 Rdnr. 32; Meyer in: Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., § 35 Rdnr. 59). Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 VwGO) konnte daher den Antrag nicht erfassen; diese Klage ist nur gegen Verwaltungsakte statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO).
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Das Landgericht hat die Frage offengelassen, ob der Ordnungsgeldbeschluß ein Verwaltungsakt ist (so OVG Berlin, DVBl. 1970, S. 293 [294]; a. A. OVG Lüneburg, NVwZ 1986, S. 845 [846]). Es vertrat in Übereinstimmung mit einer in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Meinung die Auffassung, die möglicherweise durch die Klageerhebung eingetretene aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) habe nur die Vollziehbarkeit, nicht aber die Wirksamkeit des Ordnungsgeldbeschlusses gehemmt (vgl. hierzu im einzelnen Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., § 80 Rdnr. 15; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl., § 80 Rdnr. 1). In der verwaltungsprozessualen Rechtsprechung und Literatur besteht zwar Einigkeit darüber, daß die aufschiebende Wirkung nicht nur Vollstreckungsmaßnahmen im engeren Sinn ausschließt, sondern außerdem alle sonstigen Folgerungen tatsächlicher und rechtlicher Art verbietet, welche die Behörden oder Gerichte sonst aus dem Inhalt des betroffenen Verwaltungsakts ziehen könnten oder müßten (BVerwGE 13, 1 [8 f.]; Kopp, a.a.O., Rdnr. 14 bis 17; Redeker/von Oertzen, a.a.O., Rdnr. 1 a; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl., § 80 Rdnr. 4). Dennoch mußte das Gericht nicht zu dem Ergebnis kommen, die aufschiebende Wirkung schließe Verhängung und Vollzug der Beugehaft aus. Es konnte § 70 Abs. 2 StPO dahin auslegen, daß für die Beugehaftanordnung allein die Tatsache ausreicht, daß der Ordnungsgeldbeschluß ergangen ist (vgl. Kopp, a.a.O., Rdnr. 20) und daß er (äußere) Wirksamkeit mit der Bekanntgabe an den Beschwerdeführer erlangt hat (§ 43 Abs. 1 VwVfG). Dafür spricht, daß Anordnung und Vollzug von Beugehaft nach herrschender Ansicht nicht die vorherige Beitreibung des Ordnungsgeldes bzw. Vollstreckung der Ordnungshaft voraussetzen und daß die Festsetzung des Ordnungsgeldes die ihr zukommende Mahn- und Warnfunktion auch dann entfaltet, wenn sie angefochten wird. Aus dem Erfordernis der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ergibt sich nichts, was dieser Auffassung des Landgerichts entgegenstünde. Die Einschaltung des Gerichts für die Entscheidung über die Beugehaft verbürgte dem Beschwerdeführer einen eigenständigen und vollwertigen Rechtsschutz. Das Landgericht zog den Ordnungsgeldbeschluß ausdrücklich nicht als Grundlage der Beugehaftanordnung heran, sondern prüfte selbst die Voraussetzungen für deren Zulässigkeit im einzelnen. Die Frage des Verhältnisses zu etwaigen verwaltungsgerichtlichen Erkenntnissen im einstweiligen Rechtsschutz- oder im Hauptsacheverfahren stellte sich nach der Verfahrenslage nicht.
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d) Offenbleiben kann, ob, wie das Landgericht annahm, die Anordnung der Beugehaft erst mit vollständiger Erfüllung der Zeugnispflicht entbehrlich geworden wäre. Diese Frage ist für die Zulässigkeit der Beugehaftanordnung ohne Bedeutung. An ihrer Klärung besteht nach der Aufhebung des Zwangsmittels und nach der Auflösung des Untersuchungsausschusses kein Rechtsschutzinteresse mehr.
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2. Das Amtsgericht hat durch die am 18. Oktober 1986 fernmündlich erfolgte Kontaktaufnahme mit dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers und das Ersuchen um Vereinbarung eines Termins zur Anhörung des Beschwerdeführers den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Entscheidung brauchte der Richter dem Terminwunsch des Beschwerdeführers nicht zu entsprechen (vgl. BVerfGE 14, 195 f.). Im übrigen wäre ein etwaiger Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG durch die Äußerungsmöglichkeit nach der Festnahme vor dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Hamburg geheilt (vgl. BVerfGE 5, 22 [24]; 62, 392 [397).
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D. | |
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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