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Zitiert durch:
BVerfGE 137, 273 - Katholischer Chefarzt
BVerfGE 128, 326 - EGMR Sicherungsverwahrung
BVerfGE 128, 282 - Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug
BVerfGE 122, 89 - Wissenschaftsfreiheit in der Theologie
BVerfGE 118, 212 - Revisionsgrenzen bei Rechtsfolgenzumessung
BVerfGE 118, 168 - Kontostammdaten
BVerfGE 116, 135 - Gleichheit im Vergaberecht
BVerfGE 105, 61 - Wehrpflicht I
BVerfGE 103, 142 - Wohnungsdurchsuchung
BVerfGE 100, 313 - Telekommunikationsüberwachung I
BVerfGE 95, 64 - Mietpreisbindung
BVerfGE 94, 166 - Flughafenverfahren
BVerfGE 93, 37 - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein
BVerfGE 88, 203 - Schwangerschaftsabbruch II
BVerfGE 86, 288 - Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe
BVerfGE 83, 201 - Bundesberggesetz
BVerfGE 80, 354 - Totalverweigerung II
BVerfGE 78, 364 - Wehrdienstanrechnung


Zitiert selbst:
BVerfGE 61, 82 - Sasbach
BVerfGE 60, 253 - Anwaltsverschulden
BVerfGE 55, 159 - Falknerjagdschein
BVerfGE 49, 148 - Ermessen bei Revisionsannahme
BVerfGE 48, 127 - Wehrpflichtnovelle
BVerfGE 38, 154 - Wehrdienstopfer
BVerfGE 35, 65 - VwGO-Ausführungsgesetz II
BVerfGE 32, 373 - Ärztliche Schweigepflicht
BVerfGE 32, 98 - Gesundbeter
BVerfGE 30, 250 - Absicherungsgesetz
BVerfGE 28, 243 - Dienstpflichtverweigerung
BVerfGE 27, 1 - Mikrozensus
BVerfGE 23, 191 - Dienstflucht
BVerfGE 22, 49 - Verwaltungsstrafverfahren
BVerfGE 19, 342 - Wencker
BVerfGE 19, 119 - Couponsteuer
BVerfGE 19, 1 - Neuapostolische Kirche
BVerfGE 17, 306 - Mitfahrzentrale
BVerfGE 16, 147 - Werkfernverkehr
BVerfGE 15, 275 - Rechtsweg
BVerfGE 12, 45 - Kriegsdienstverweigerung I
BVerfGE 9, 137 - Einfuhrgenehmigung
BVerfGE 8, 274 - Preisgesetz


A. - I.
1. Mit Urteil vom 13. April 1978 (BVerfGE 48, 127) hat das Bundes ...
2. a) Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverwei ...
II.
1. § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG sei mit Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG  ...
2. Die Antragsteller halten es für unverhältnismä& ...
3. Die Antragsteller zu 5) sehen die Regelungen für vorbenac ...
4. Die Antragsteller zu 1) bis 4) vertreten die Ansicht, insbeson ...
5. Die Antragsteller zu 5) tragen weiterhin vor, es sei aus den z ...
6. Die Antragsteller halten § 8 Satz 1 KDVG für verfass ...
7. Die Antragsteller vertreten die Ansicht, § 8 Satz 2 KDVG  ...
III.
1. Durch das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz habe der ...
2. § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG sei mit Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG  ...
3. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß zu ...
4. Daß der Gesetzgeber zwei unterschiedliche Prüfungsv ...
5. Daß vorbenachrichtigte Wehrpflichtige nach § 3 Abs. ...
6. Das Verfahren vor dem Bundesamt sei verfassungsgemäß ...
7. Die Regelung in § 8 Satz 1 KDVG verletze den allgemeinen  ...
8. § 8 Satz 2 KDVG könne verfassungskonform dahingehend ...
IV.
B.
I.
1. Mit den nachträglich in das Grundgesetz eingefügten  ...
2. Art. 4 Abs. 3 GG gewährleistet als Grundrecht unmittelbar ...
3. In diesem Rahmen kann der Gesetzgeber frei darüber bestim ...
4. Mit den angegriffenen Regelungen im Kriegsdienstverweigerungs- ...
II.
III.
1. Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG ist nicht dadurch verletzt, daß ...
2. Es verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 1 GG, daß ...
3. Art. 1 Abs. 1 GG ist weder durch die Ausgestaltung des Zivildi ...
4. Daß das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz nebe ...
5. Die Unterschiedlichkeit der in den §§ 4 ff. KDVG ein ...
6. a) Die in § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 und § 9 Abs. 1 Sat ...
7. Die für das Verfahren vor dem Bundesamt geltenden Vorschr ...
8. Die §§ 9 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG sind mit dem  ...
9. Die Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweiger ...
10. § 8 Satz 1 KDVG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. ...
11. In der verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung ist § 8  ...
C.
I.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung des Ers ...
2. Unser Bedenken gegen diesen verfassungstheoretisch-dogmatische ...
3. Der vom Senat aufgenommene und bestätigte verfassungstheo ...
II.
1. a) Dem Wortlaut des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG nach geht es um  ...
2. Die Materialien zur Entstehung der Bestimmung des Art. 12a Abs ...
3. Die Entwicklung des Wehrrechts seit der Einfügung des jet ...
4. Die Interpretation von Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG anhand von Wo ...
5. Das hier gefundene Ergebnis der Verfassungswidrigkeit mü& ...
III.
1. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG lautet: Niemand darf gegen sein Gewiss ...
2. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung BVerfG ...
3. Die Entscheidung BVerfGE 12, 45 hat nicht nur - verfassungsrec ...
4. Indem der Senat auf dem Boden der Entscheidung BVerfGE 12, 45  ...
1. Die Frage nach der richtigen ressortmäßigen Zuordnu ...
2. Dieser Befund, wäre er nicht gesetzmäßig veror ...
3. Dies erfordert die Änderung des § 9 Abs. 2 Satz 1 un ...
Bearbeitung, zuletzt am 02.08.2022, durch: A. Tschentscher, Rainer M. Christmann
BVerfGE 69, 1 (1)1. Die gesetzliche Regelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung hat das in Art. 4 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht zu beachten und zugleich der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung Rechnung zu tragen.
 
2. Der in Art. 12a Abs. 2 GG vorgesehene Ersatzdienst ist denjenigen Wehrpflichtigen vorbehalten, die den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigern. Daraus folgt die Pflicht des Gesetzgebers sicherzustellen, daß nur solche Wehrpflichtige als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, bei denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß in ihrer Person die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt sind (Bestätigung BVerfGE 48, 127). Das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz genügt diesen Anforderungen.
 
3. Nach Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG bildet die rechtlich zulässige Dauer des Wehrdienstes die zeitliche Obergrenze für die Dauer des Ersatzdienstes. Das normative Ziel des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG ist es, ein Gleichgewicht der Belastung von Wehrdienstleistenden und Ersatzdienstleistenden sicherzustellen. Der Gesetzgeber kann daher bei der Bemessung der Dauer des Ersatzdienstes innerhalb des durch Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG gezogenen Rahmens die vorgegebenen Unterschiede zwischen Wehrdienst und Ersatzdienst berücksichtigen.
 
4. Kriegsdienstverweigerer, die zu einer Glaubensgemeinschaft gehören, deren Glaubensgrundsätze die Verweigerung mit der Waffe mitumfassen und deren Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe daher offenkundig erscheint, haben wie alle anderen, die sich auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG berufen, die Last der Darlegung der von ihnen getroffenen Gewissensentscheidung. Das Grundrecht der Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) stellt sie von dieser Last nicht frei.BVerfGE 69, 1 (1)
 
BVerfGE 69, 1 (2)5. Der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) werden nicht dadurch verletzt, daß der Kriegsdienstverweigerer unbeschadet seiner Verpflichtung, Ersatzdienst zu leisten, der Anerkennung in einem Verwaltungsverfahren bedarf. Beide Elemente, die Verpflichtung zur Leistung des Ersatzdienstes und das Anerkennungsverfahren, gewährleisten nach der verfassungsrechtlich unbedenklich Auffassung des Gesetzgebers nur in ihrem Zusammenwirken mit hinreichender Sicherheit, daß lediglich diejenigen Wehrpflichtigen vom Wehrdienst freigestellt werden, deren Kriegsdienstverweigerung auf einer Gewissensentscheidung beruht.
 
6. Der Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer darf nach Art. 1 § 6 Abs. 1 Satz 1 des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes vom Bundesamt nur abgelehnt werden, wenn es auf der Grundlage eines vollständigen Antrags zu dem sicheren Schluß gelangt, daß die Beweggründe des Antragstellers nicht geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen.
 
7. Das Anerkennungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer ist kein Widerlegungsverfahren in dem Sinne, daß die Anerkennungsbehörde die Behauptung des Antragstellers, er verweigere den Kriegsdienst aus Gewissensgründen, im Zweifel hinzunehmen hätte.
 
8. Das Grundgesetz gebietet eine Auslegung des Art. 1 § 8 Satz 2 des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes (Einberufungen im Spannungsfall und Verteidigungsfall) dahin, daß der Wehrpflichtige bis zum rechtskräftigen Abschluß des Anerkennungsverfahrens nur zum waffenlosen Dienst herangezogen werden kann. In dieser Auslegung berührt die Vorschrift den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht. Es schützt nur vor solchen Tätigkeiten, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen.
 
 
Urteil
 
des Zweiten Senats vom 24. April 1985 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 1985
 
- 2 BvF 2, 3, 4/83 und 2/84 -  
in den Verfahren über die Anträge 1. des Senats der Freien Hansestadt Bremen, vertreten durch den Präsidenten des Senats, Rathaus, Bremen, - 2 BvF 2/83 -, 2. des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Präses der Justizbehörde, Hamburg, - 2 BvF BVerfGE 69, 1 (2)BVerfGE 69, 1 (3)2/83 -, 3. der Regierung des Landes Hessen, vertreten durch den Hessischen Ministerpräsidenten, Bierstadter Straße 2, Wiesbaden, - 2 BvF 3/83 -, 4. der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Mannesmannufer 1 A, Düsseldorf 1, - 2 BvF 4/83 - Antragsteller zu 1) bis 4) - Bevollmächtigter zu 1., 2. und 4.: Professor Dr. Erhard Denninger, Am Wiesenhof 1, Königstein 3 - a) Artikel 2 Nr. 5b des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz - KDVNG) vom 28 Februar 1983 (BGBl. I S. 203), soweit dadurch § 24 Abs. 2 Satz 1 in das Zivildienstgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 1973 (BGBl. I S. 1015) eingefügt wurde, wegen Unvereinbarkeit mit Art. 12a Abs. 2 Satz 2 und Art. 4 Abs. 1 GG, b) Artikel 1 §§ 2, 4 bis 7, 9 bis 15 KDVNG in ihrer Verbindung mit Art. 2 Nrn. 1, 4, 5b und 6 KDVNG wegen Unvereinbarkeit mit Art. 12a Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 GG und mit dem Rechtsstaatsprinzip (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit), c) Artikel 1 § 2 Abs. 2 Satz 3 KDVNG in Verbindung mit Art. 1 § 5 Abs. 1 Nr. 2 KDVNG wegen Unvereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip (Bestimmtheitsgrundsatz), d) Artikel 1 § 8 KDVNG wegen Unvereinbarkeit mit Art. 4 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 2 GG für verfassungswidrig und nichtig zu erklären, und den Antrag des Dr. Hans-Jochen Vogel, MdB, und 195 weiterer Mitglieder des Deutschen Bundestages - 2 BvF 2/84 - Antragsteller zu 5) - Bevollmächtigte: a) Professor Dr. Alfred Rinken, Universität Bremen, b) Dr. Alfred Emmerlich, MdB, Bundeshaus, Bonn, c) Frau Anke Fuchs, MdB, Bundeshaus, Bonn - a) Artikel 1 §§ 6 Abs. 1, 7 Satz 3, 17, 18 Abs. 1 Satz 3 KDVNG in ihrer Verbindung mit Art. 1 §§ 2 Abs. 2 Satz 3 und 19 Abs. 2 KDVNG insoweit, als sie sich auf die Ablehnung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beziehen, wegen Unvereinbarkeit mit Art. 4 Abs. 3 GG, dem Rechtsstaatsprinzip (Gesetzmäßigkeits-, Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Recht auf ein faires Verfahren), dem Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) und dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), b) Artikel 1 § 8 KDVNG wegen Unvereinbarkeit mit Art. 4 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 2 GG, c) Artikel 1 §§ 3 Abs. 2 Satz 2, 9 Abs. 1 Satz 1 KDVNG wegen Unvereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip (Gesetzmäßigkeitsgrundsatz) und dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), d) Artikel 1 § 14 Abs. 1 Satz 2 KDVNG wegen Unvereinbarkeit mit Art. 4 Abs. 3 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Übermaßverbot), e) Artikel 2 Nr. 5b KDVNG wegen Unvereinbarkeit mit Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG und BVerfGE 69, 1 (3)BVerfGE 69, 1 (4)dem verfassungsrechtlichen Instrumentalisierungsverbot (Art. 1 Abs. 1 GG), f) Artikel 1 §§ 9 bis 15, 4 Abs. 2, 7 Sätze 1 und 2, 8 KDVNG in ihrer Verbindung mit Art. 2 Nrn. 1, 4, 5b und 6 KDVNG wegen Unvereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) und dem verfassungsrechtlichen Instrumentalisierungsverbot (Art. 1 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig und nichtig zu erklären.
 
Entscheidungsformel:
 
1. Artikel 1 §§ 2 bis 7, 8 Satz 1, 9 bis 15 und 17 bis 19 sowie Artikel 2 Nummern 1, 4, 5b und 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz - KDVNG) vom 28. Februar 1983 (Bundesgesetzbl. I S. 203) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
 
2. Artikel 1 § 8 Satz 2 des Gesetzes ist mit Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes vereinbar, jedoch mit der Maßgabe, daß im Spannungs- und im Verteidigungsfall die in Artikel 1 § 4 Absatz 1 KDVNG genannten Wehrpflichtigen zwar zum Wehrdienst einberufen, aber nur zu einem waffenlosen Dienst herangezogen werden dürfen.
 
 
Gründe:
 
 
A. - I.
 
1. Mit Urteil vom 13. April 1978 (BVerfGE 48, 127) hat das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes vom 13. Juli 1977 (BGBl. I S. 1229) für nichtig erklärt. Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag erstrebten in der Folgezeit eine Neuregelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung. Nachdem die Reformbemühungen in der 8. Wahlperiode zu keinem Ergebnis geführt hatten, legte der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung am 1. Juli 1981 einen Referentenentwurf vor; dieser sprach sich für einen auf 20 Monate verlängerten und strukturell belastender ausgestalteten Zivildienst sowie den weitgehenden Wegfall BVerfGE 69, 1 (4)BVerfGE 69, 1 (5)des Prüfungsverfahrens aus. Nach dem Regierungswechsel im Herbst 1982 brachten die SPD-Fraktion am 28. Oktober 1982 (BTDrucks. 9/2064) sowie die Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. am 24. November 1982 (BTDrucks. 9/2124) jeweils einen "Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes" beim Bundestag ein.
Beide Vorlagen sahen übereinstimmend vor: Der Zivildienst wird verlängert; ungediente Wehrpflichtige können ohne persönliche Anhörung im schriftlichen Verfahren vor dem Bundesamt für den Zivildienst (Bundesamt) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden; über die Anträge von gedienten, einberufenen oder vorbenachrichtigten Wehrpflichtigen und von Soldaten entscheiden Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung; im Ausschuß- und Kammerverfahren kommt eine Anerkennung ohne persönliche Anhörung des Antragstellers in Betracht, wenn nach dem Inhalt der Akten hinreichend sicher angenommen werden kann, daß die Verweigerung des Kriegsdienstes auf einer durch Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Gewissensentscheidung beruht; ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wird der Antragsteller persönlich angehört; einberufene oder vorbenachrichtigte Wehrpflichtige, die ihre Anerkennung beantragen, können zum Wehrdienst herangezogen werden.
Der SPD-Entwurf wich insbesondere in folgenden Punkten vom Koalitionsentwurf ab: Der Zivildienst dauert vier Monate länger als der Grundwehrdienst; das Bundesamt erkennt den Antragsteller an, wenn seinem Antrag eine Erklärung beigefügt ist, mit der er seine Gewissensentscheidung nach seinem persönlichen Ausdrucksvermögen darlegt; es leitet seinen Antrag an den Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung weiter, wenn er die Erklärung trotz Aufforderung durch das Bundesamt nicht nachreicht; liegen konkrete Anhaltspunkte weder für noch gegen die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung vor oder kann ein Übergewicht konkreter Anhaltspunkte in der einen oder anderen Richtung nicht festgestellt werden, so erkennen die Ausschüsse BVerfGE 69, 1 (5)BVerfGE 69, 1 (6)und Kammern für Kriegsdienstverweigerung den Antragsteller an, wenn er glaubwürdig ist.
Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. wurde vom Deutschen Bundestag am 16. Dezember 1982 in einer geringfügig geänderten Fassung verabschiedet (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 9. Wp., Sten. Ber., S. 8921). Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 4. Februar 1983 mehrheitlich zu (Verhandlungen des Bundesrates, 519. Sitzung, Sten.- Ber., S. 17).
2. a) Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz - KDVNG) vom 28. Februar 1983 (BGBl. I S. 203) enthält in seinem Art. 1 das Gesetz über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG). Nach dessen § 1 hat derjenige, der sich aus Gewissensgründen der Beteiligung an jeder Waffenanwendung zwischen den Staaten widersetzt und deshalb unter Berufung auf Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst gemäß Art. 12a Abs. 2 GG zu leisten. Über seine Berechtigung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, wird auf Antrag entschieden (§ 2 Abs. 1 KDVG). Dem Antrag sind ein ausführlicher Lebenslauf und eine persönliche, ausführliche Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung sowie ein Führungszeugnis (§ 28 des Bundeszentralregistergesetzes) beizufügen (§ 2 Abs. 2 Satz 3 KDVG). Während des Anerkennungsverfahrens kann der Antragsteller grundsätzlich nicht zum Wehrdienst einberufen werden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 KDVG). Seine Heranziehung bleibt ausnahmsweise u. a. dann zulässig, wenn er vor der Antragstellung einberufen oder schriftlich benachrichtigt worden ist, daß er als Ersatz für Ausfälle kurzfristig einberufen werden kann (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 KDVG). Nach § 8 Satz 2 KDVG gilt § 3 Abs. 2 KDVG im Spannungs- und Verteidigungsfall nicht.
Das Bundesamt entscheidet in Friedenszeiten über die Anträge BVerfGE 69, 1 (6)BVerfGE 69, 1 (7)ungedienter Wehrpflichtiger, die weder einberufen noch schriftlich benachrichtigt sind, daß sie als Ersatz für Ausfälle kurzfristig einberufen werden können (§ 4 Abs. 1 KDVG). Es erkennt den Antragsteller ohne persönliche Anhörung an, wenn der Antrag (im Sinne des § 2 Abs. 2 KDVG) vollständig ist, die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind und das tatsächliche Gesamtvorbringen des Antragstellers sowie die dem Bundesamt bekannten sonstigen äußeren Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen. Zweifelt des Bundesamt an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers über äußere Tatsachen, so gibt es dem Antragsteller Gelegenheit, sich zu diesen ergänzend zu äußern und sie zu belegen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 KDVG). Eine darüber hinausgehende Tatsachenaufklärung nimmt das Bundesamt nicht vor (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KDVG). Es lehnt den Antrag ab, wenn die dargelegten Beweggründe nicht geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen, oder wenn der Antrag nicht (im Sinne des § 2 Abs. 2 KDVG) vollständig ist und der Antragsteller ihn nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Aufforderung durch das Bundesamt vervollständigt (§ 6 Abs. 1 KDVG). Gegen ablehnende Entscheidungen des Bundesamts findet ein Widerspruch nicht statt (§ 17 KDVG).
Das Bundesamt leitet den Antrag dem Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung zu, wenn das Gesamtvorbringen des Antragstellers und die dem Bundesamt bekannten äußeren Tatsachen Zweifel an der Wahrheit seiner Angaben begründen (§ 7 Sätze 1 und 2 KDVG). Der Ausschuß entscheidet nach Lage der Akten gemäß den Grundsätzen des § 5 Abs. 1 KDVG, wenn nach seiner Auffassung die Zweifel unbegründet sind (§ 7 Satz 3 KDVG). Anderenfalls behandelt er den Antrag im Verfahren nach den §§ 9 bis 15 KDVG (§ 7 Satz 1 KDVG). Dieses Verfahren kommt in Friedenszeiten ferner zur Anwendung bei Anträgen von Soldaten, gedienten Wehrpflichtigen und ungedienten Wehrpflichtigen, die zum Wehrdienst einberufen oder schriftlich benachrichBVerfGE 69, 1 (7)BVerfGE 69, 1 (8)tigt sind, daß sie als Ersatz für Ausfälle kurzfristig einberufen werden können, oder die bereits zuvor einen Antrag nach § 4 Abs. 1 KDVG gestellt haben, der unanfechtbar oder rechtskräftig abgelehnt oder zurückgenommen worden ist (§§ 9 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 2 KDVG). Im Spannungs- und Verteidigungsfall findet es nicht nur bei diesen Personengruppen sondern auch bei Anträgen der in § 4 Abs. 1 KDVG genannten Wehrpflichtigen statt (§ 8 Satz 1 KDVG).
Für Entscheidungen im Verfahren nach den §§ 9 bis 15 KDVG sind die Ausschüsse für Kriegsdienstverweigerung zuständig (§ 9 Abs. 1 KDVG). Die Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung werden nach §§ 9 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG mit einem vom Bundesminister der Verteidigung bestimmten Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Beisitzern besetzt; der Vorsitzende muß zum Richteramt befähigt sein und das 28. Lebensjahr vollendet haben. Der Ausschuß erkennt den Antragsteller als Kriegsdienstverweigerer an, wenn zu seiner Überzeugung hinreichend sicher angenommen werden kann, daß die Verweigerung auf einer durch Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Gewissensentscheidung beruht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KDVG). Kann der Ausschuß diese Überzeugung nicht gewinnen, so entscheidet er, daß der Antragsteller nicht berechtigt ist, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KDVG). Der Ausschuß trifft seine Entscheidung nach einer persönlichen Anhörung des Antragstellers (§ 14 Abs. 2 Satz 1 KDVG); er kann den Antragsteller ohne persönliche Anhörung anerkennen, wenn er die nach § 14 Abs. 1 KDVG erforderliche Überzeugung aus dem Inhalt der ihm vorliegenden Akten zu gewinnen vermag (§ 14 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 KDVG).
Gegen Entscheidungen der Ausschüsse kann innerhalb von zwei Wochen Widerspruch eingelegt werden (§ 18 Abs. 1 Satz 1 KDVG). Über ihn entscheiden Kammern für Kriegsdienstverweigerung in entsprechender Anwendung der §§ 10 bis 15 KDVG (§ 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG). In den Fällen des § 7 Satz 3 BVerfGE 69, 1 (8)BVerfGE 69, 1 (9)KDVG gilt § 17 KDVG entsprechend (§ 18 Abs. 1 Satz 3 KDVG).
b) Art. 2 KDVNG enthält zahlreiche Änderungen des Gesetzes über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) vom 9. August 1973 (BGBl. I S. 1015). Die Dauer des Zivildienstes, die Art der im Zivildienst zu erbringenden Tätigkeiten und die Ausgestaltung des Zivildienstverhältnisses werden neu geregelt:
Der Zivildienst dauert nunmehr um ein Drittel länger als der Grundwehrdienst (Art. 2 Nr. 5b KDVNG = § 24 Abs. 2 Satz 1 des Zivildienstgesetzes - ZDG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1983 [BGBl. I S. 1221]). Da Wehrpflichtige nach § 5 Satz 2 des Wehrpflichtgesetzes - WPflG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Mai 1983 (BGBl. I S. 529) einen 15monatigen Grundwehrdienst zu leisten haben, beträgt die Dauer des Zivildienstes für alle, die den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach dem 30. Juni 1983 gestellt haben und nach dem 31. Dezember 1983 anerkannt worden sind (vgl. Art. 4 KDVNG), zur Zeit 20 Monate.
Der Zivildienst soll vornehmlich im sozialen Bereich, aber auch in Beschäftigungsstellen geleistet werden, die Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege durchführen; die Beschäftigung darf nicht dazu führen, daß der Zivildienstleistende wegen der Belastung, die sie für ihn mit sich bringt, gegenüber anderen Zivildienstleistenden oder den Wehrdienstleistenden offensichtlich ungleich behandelt wird; die Beschäftigungsstelle muß sich - abgesehen von eng begrenzten Ausnahmen - bereit erklären, Zivildienstpflichtige, die die geforderten Eignungsvoraussetzungen erfüllen, ohne besondere Zustimmung zu deren Person zu beschäftigen (Art. 2 Nr. 1 KDVNG = § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 ZDG). Der Zivildienstpflichtige kann nicht mehr verlangen, zum Dienst an einem bestimmten Ort herangezogen zu werden; er darf nicht zu einer Beschäftigungsstelle einberufen werden, bei der er vor seiner Einberufung tätig war (Art. 2 Nr. 4 KDVNG = § 19 Abs. 2 ZDG). BVerfGE 69, 1 (9)BVerfGE 69, 1 (10)Während des Einführungsdienstes ist der Zivildienstleistende in einer dienstlichen Unterkunft, die er nicht auswählen kann, unterzubringen (Art. 2 Nr. 6 KDVNG = § 25a - hier Abs. 4 - ZDG).
II.
 
Die Senate der Freien Hansestadt Bremen sowie der Freien und Hansestadt Hamburg, die Regierung des Landes Hessen, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen - Antragsteller zu 1) bis 4) - und 196 Mitglieder des Deutschen Bundestages - Antragsteller zu 5) - haben Normenkontrollanträge gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 Nr. 1 BVerfGG gestellt. Die Antragsteller halten zahlreiche Vorschriften des KDVNG für unvereinbar mit dem Grundgesetz und begehren, diese für verfassungswidrig und nichtig zu erklären. Zur Begründung tragen sie im wesentlichen vor:
1. § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG sei mit Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG unvereinbar. Bei der Festlegung der Dauer des Zivildienstes habe der Gesetzgeber nicht auf die rechtlich zulässige Höchstdauer des Wehrdienstes abstellen dürfen; dies ergebe sich aus dem Erfordernis der Wehrgerechtigkeit, dem Grundsatz der staatsbürgerlichen Lastengleichheit und dem absoluten Diskriminierungsverbot des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber hätte eine konkrete Betrachtung anstellen und eine Regelung treffen müssen, die die jeweilige Dauer des Zivildienstes davon abhängig mache, wie lange der Wehrdienst jeweils im Durchschnitt tatsächlich dauere. Falls die Wehrdienstleistenden - wie dies teilweise zu Unrecht behauptet werde - im Hinblick auf die wöchentliche Dienstzeit und die strukturelle Ausgestaltung des Wehrdienstes stärker beansprucht sein sollten als Zivildienstleistende, so dürfe diese Mehrbelastung nicht durch eine Verlängerung des Zivildienstes ausgeglichen werden. Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG verbiete jede Regelung, die dazu führe, daß die Kriegsdienstverweigerer, die in einem bestimmten Jahr zum Zivildienst einberufen worden seien, nach Monaten oder Wochen BVerfGE 69, 1 (10)BVerfGE 69, 1 (11)bemessen länger dienen müßten als die Wehrpflichtigen des gleichen Einberufungsjahrganges. Da in den notwendigen Zeitvergleich nur diejenigen Zeiten einbezogen werden dürften, die der Wehrpflichtige tatsächlich für Wehrübungen aufgewendet habe, sei der Gesetzgeber bei der Festlegung der Zivildienstdauer verpflichtet gewesen, anhand der vorhandenen und erhebbaren Planungsdaten für die Bundeswehr eine Prognose darüber anzustellen, wie hoch die tatsächliche Gesamtdauer der Wehrübungen im Durchschnitt wahrscheinlich sein werde; dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen. Mit seiner - aus wehrstrukturellen, wehrtechnischen und finanziellen Gründen nicht realisierbaren - Annahme, daß der Wehrpflichtige des Einberufungsjahrganges 1984 insgesamt fünf Monate oder länger Wehrübungen tatsächlich leisten werde, verletze der Gesetzgeber die ihm bei Prognoseentscheidungen im Grundrechtsbereich obliegenden Begründungspflichten. Da die Wehrpflichtigen auch in Zukunft im Durchschnitt bei weitem nicht fünf Monate zu Wehrübungen herangezogen würden, führe § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG dazu, daß der Zivildienst entgegen Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG wesentlich länger dauere als der durchschnittlich tatsächlich abzuleistende Wehrdienst.
Die Verfassungswidrigkeit des § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG ergebe sich auch daraus, daß die Dauer des Zivildienstes nicht nach Monaten fest bestimmt, sondern von der Länge des Grundwehrdienstes abhängig sei: Eine solche Regelung sei schlechthin ungeeignet, die - bei Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG gebotene - realistische Aussage über die wahrscheinliche tatsächliche Dauer der Wehrübungen zu treffen; sie lasse eine mißbräuchliche Handhabung zu, da der Gesetzgeber über die Möglichkeit verfüge, sei es durch eine Herabsetzung der zulässigen Höchstdauer der Wehrübungen, sei es durch eine Erhöhung der Dauer des Grundwehrdienstes zu bewirken, daß der Zivildienst länger dauere als der Wehrdienst.
Die Antragsteller zu 1) bis 4) meinen, § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG verstoße bei den Kriegsdienstverweigerern, deren GewissensentBVerfGE 69, 1 (11)BVerfGE 69, 1 (12)scheidung auf ihrer Glaubensüberzeugung beruhe, gegen Art. 4 Abs. 1 GG. Mit dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit sei es nicht vereinbar, den Zivildienst als lästige Alternative auszugestalten. Der Staat dürfe vom Bürger nicht verlangen, seine Glaubensüberzeugung daraufhin zu überprüfen, ob sie einer Abwägung mit staatlichen Interessen standhalte.
Nach Ansicht der Antragsteller zu 5) verletzt § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG auch das Instrumentalisierungsverbot des Art. 1 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber benutze den Kriegsdienstverweigerer und die Wahrnehmung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG als Instrument, indem er dem echten Kriegsdienstverweigerer eine verlängerte Dienstpflicht auferlege, um die unechten Kriegsdienstverweigerer abzuschrecken.
2. Die Antragsteller halten es für unverhältnismäßig, daß zum - als lästige Alternative ausgestalteten - Zivildienst noch ein Anerkennungsverfahren hinzutrete. Während die Antragsteller zu 1) bis 4) darin ferner eine Verletzung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG sehen, meinen die Antragsteller zu 5), daß die Kumulation auch mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sei. Die Antragsteller begründen ihre Ansichten übereinstimmend damit, daß der verlängerte Zivildienst, das Anerkennungsverfahren nach den §§9 ff. KDVG und auch das schriftliche Verfahren vor dem Bundesamt jeweils schon für sich genommen ausreichten, um das Vorliegen einer Gewissensentscheidung hinreichend zuverlässig festzustellen; durch die Kumulation werde ein Maximum an Gewissenserforschung betrieben.
3. Die Antragsteller zu 5) sehen die Regelungen für vorbenachrichtigte Wehrpflichtige in den §§ 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 KDVG als verfassungswidrig an. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sei verletzt, da die Voraussetzungen für eine Vorbenachrichtigung weder im Wehrpflichtgesetz noch in der Musterungsverordnung (MustV) - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1457) - hinreichend genau festgelegt seien. Die Regelungen verstießen BVerfGE 69, 1 (12)BVerfGE 69, 1 (13)gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie die Vorbenachrichtigten gegenüber den Wehrpflichtigen, die nach § 13 Abs. 3 MustV angehört worden seien, ohne rechtfertigenden Grund schlechter stellten.
4. Die Antragsteller zu 1) bis 4) vertreten die Ansicht, insbesondere die in den §§ 2 Abs. 2 Satz 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 KDVG verwendeten Begriffe "persönlich" und "ausführlich" seien wegen ihrer Unbestimmtheit unvereinbar mit Art. 19 Abs. 4 GG, dem Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG. Die Antragsteller zu 5) sind der Auffassung, die in § 2 Abs. 2 Satz 3 KDVG aufgestellten Erfordernisse verstießen sowohl gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot als auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot des fairen Verfahrens. Sie meinen, die - zur Ablehnung des Anerkennungsantrags führenden - Regelungen in den §§ 6 Abs. 1, 17 und 19 Abs. 2 KDVG verletzten Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG, das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) und das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Der abwehrrechtliche Anspruch, den Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG gewähre, mache es erforderlich, das Anerkennungsverfahren als Widerlegungsverfahren auszugestalten. Das Verfahren vor dem Bundesamt sei sachwidrig, ungeeignet und unzumutbar. Eine anonyme, monokratische und weisungsgebundene Behörde entscheide - unter Verzicht auf alle organisatorischen und verfahrensmäßigen Absicherungen - in einem rein bürokratischen Verfahren, das nicht die größtmögliche Gewähr für die Richtigkeit und Gerechtigkeit des Verwaltungshandelns biete. § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG könne dazu führen, daß einem Antragsteller das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG wegen unvollständiger Sachverhaltsermittlung zu Unrecht abgesprochen werde; die Vorschrift hindere das Bundesamt, die tatbestandlichen Voraussetzungen seines Handelns umfassend und einwandfrei festzustellen; sie bilde im Bereich des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung eine materiell- und formellrechtlich unzureichende gesetzliche Grundlage; deshalb seien die BVerfGE 69, 1 (13)BVerfGE 69, 1 (14)sich aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG ergebenden elementaren, rechtsstaatlich unverzichtbaren Verfahrensanforderungen verletzt und sei das Verwaltungsverfahren geeignet, den gerichtlichen Rechtsschutz zu vereiteln bzw. unzumutbar zu erschweren. Es sei mit Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG unvereinbar, daß die Rechtsstaatlichkeit behördlichen Handelns nur durch die Anrufung des Verwaltungsgerichts erreicht werden könne. Die Verlagerung von Verwaltungsaufgaben auf die zur Verwaltungskontrolle berufenen Gerichte widerspreche der in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG zum Ausdruck kommenden Funktionenordnung des Grundgesetzes. Die Prüfungsmaßstäbe, die das Verwaltungsgericht bei Klagen gegen ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes anwenden könne, seien allesamt verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil der Gesetzgeber ohne sachlichen Grund zwar in § 7 Sätze 1 und 2 KDVG, nicht aber in den Fällen des § 6 Abs. 1 KDVG eine Überleitung in das Ausschußverfahren vorgesehen habe.
5. Die Antragsteller zu 5) tragen weiterhin vor, es sei aus den zum Bundesamtsverfahren genannten Gründen verfassungswidrig, daß der Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung nach § 7 Satz 3 KDVG Anträge auch ablehnen könne und in diesen Fällen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 KDVG in Verbindung mit § 17 KDVG ein Widerspruch nicht stattfinde. Ferner sehen sie in § 14 Abs. 1 Satz 2 KDVG eine unzulässige Regelung der materiellen Beweislast; daß diese dem Kriegsdienstverweigerer auferlegt werde, verletze das Übermaßverbot; im Widerlegungsverfahren nach den §§ 9 ff. KDVG dürfe eine non liquet-Situation nicht zu Lasten des Kriegsdienstverweigerers gelöst werden.
6. Die Antragsteller halten § 8 Satz 1 KDVG für verfassungswidrig. Die Regelung sei unzweckmäßig und nicht praktikabel. Ihr liege eine bedenkliche Mißbrauchsvermutung zugrunde. Sie verfolge den Zweck, im Spannungs- und Verteidigungsfall die Prüfungsmaßstäbe erheblich zu verschärfen und den Schutzumfang des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG zugunsten staatlichen Sicherheitsstrebens zu verringern. Damit werde der BVerfGE 69, 1 (14)BVerfGE 69, 1 (15)Kerngehalt des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung verletzt. Die Verfassung gestatte es nicht, die aus dem Gewissen heraus getroffene Entscheidung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, einem politischen und militärischen Zweck zu opfern.
7. Die Antragsteller vertreten die Ansicht, § 8 Satz 2 KDVG sei verfassungswidrig. Die Regelung taste das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung in seinem Wesensgehalt an. Sie setze den Kriegsdienstverweigerer im Spannungs- und Verteidigungsfall dem Zwang aus, vor dem Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG ihn gerade schützen wolle. Zum Kriegsdienstverweigerer werde der Wehrpflichtige nicht mit seiner Anerkennung, sondern aufgrund der von ihm zuvor getroffenen Gewissensentscheidung.
§ 8 Satz 2 KDVG könne nicht verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, daß Antragsteller im Spannungs- und Verteidigungsfall zum waffenlosen Dienst in der Bundeswehr heranzuziehen seien. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut sowie dem Zweck des Gesetzes und daraus, daß die Möglichkeit, in der Bundeswehr einen waffenlosen Dienst zu leisten, durch Art. 3 Nr. 4 KDVNG entfallen sei. Dem Kriegsdienstverweigerer dürfe keine ungesetzliche Dienstpflicht auferlegt werden. Im übrigen sei Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG auch bei einer Heranziehung zum waffenlosen Dienst verletzt, da dieser im engen Zusammenhang mit dem sonstigen Dienst in der Bundeswehr stehe.
III.
 
Von den Verfassungsorganen, denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 77 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, hat nur die Bundesregierung, unter anderem durch die Vorlage eines Gutachtens von Prof. Dr. Ossenbühl, Stellung genommen. Sie hält die Normenkontrollanträge für unbegründet:
1. Durch das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz habe der Gesetzgeber in einer Weise, die den Kriegsdienstverweigerer möglichst schonend behandele, Vorsorge dagegen getroffen, daß mit dem Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung MißBVerfGE 69, 1 (15)BVerfGE 69, 1 (16)brauch getrieben werde. Er sei aus mehreren Gründen verpflichtet gewesen, durch die angegriffenen Regelungen zu gewährleisten, daß echte und unechte Gewissensentscheidungen hinreichend sicher festgestellt werden könnten: Die Verfassung gehe dadurch, daß sie das Gewissen schütze und dem Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung selbst im Krieg den Vorrang einräume gegenüber der Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr, bis zur Selbstaufgabe; der Staat habe nicht nur das Gewissen des Einzelnen, sondern auch das Leben, die Gesundheit und die Freiheit aller seiner Bürger zu schützen; die Wehrgerechtigkeit, die das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung nicht einschränke, fordere in Verbindung mit dem Gleichheitssatz, daß ein Äquivalent für die in Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgte Lastenbefreiung geschaffen werde.
2. § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG sei mit Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG vereinbar. Der Gesetzgeber habe den Zivildienst in zeitlicher Hinsicht nicht als belastendere, sondern als gleichwertige Alternative zum Wehrdienst ausgestaltet. Im Rahmen des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG dürfe nicht darauf abgestellt werden, wie hoch die zeitliche Inanspruchnahme der Wehrdienstleistenden - nach Monaten oder Wochen bemessen - tatsächlich sei. Die von den Antragstellern geforderte konkrete Betrachtungsweise sei realitätsfremd. Sie laufe darauf hinaus, zwischen Wehrdienst und Zivildienst rechnerisch statistische Vergleiche zu ziehen, die nicht möglich seien und den im Bereich der Landesverteidigung bestehenden Notwendigkeiten widersprächen. Wenn man dennoch auf die konkrete Betrachtungsweise zurückgreife, so sei zu berücksichtigen, daß die Wehrdienstleistenden - bei einer vergleichsweisen Zugrundelegung der wöchentlichen Dienstzeiten - letztlich insgesamt mehr als 20 Monate dienen müßten, weil sich die durchschnittliche wöchentliche Dienstzeitbelastung bei ihnen auf 57 Stunden und bei den Zivildienstleistenden auf 41,1 Stunden belaufe. Soweit eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit, inwieweit Wehrpflichtige - etwa des Einberufungsjahrganges 1984 - zu Wehrübungen herangezogen würden, für erforderlich geBVerfGE 69, 1 (16)BVerfGE 69, 1 (17)halten werde, bleibe unberücksichtigt, daß eine Aussage darüber nicht heute, sondern erst bei Beendigung ihrer Wehrpflicht getroffen werden könne. Zu Unrecht gingen die Antragsteller davon aus, daß sich das Prognoseproblem anhand einer rationalen, weithin berechenbaren und abschätzbaren Bundeswehrplanung lösen lasse, im übrigen ließen sie außer Betracht, daß sich die Zahl der Reservisten, die zu Wehrübungen eingezogen würden, in erheblichem Maße erhöhen werde, nämlich von 200 000 im Jahre 1985 auf 400 000 in der Mitte der neunziger Jahre. Letztlich könne offenbleiben, wie viele Wehrpflichtige in Zukunft Wehrübungen abzuleisten hätten. Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG erfordere nämlich eine normative Betrachtungsweise. Wehr- und Zivildienst könnten nur kraft gesetzlicher Anordnung, also normativ, miteinander verglichen werden. Das spezielle Diskriminierungsverbot des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG verbiete dem Gesetzgeber nicht, wegen der vorgegebenen strukturellen Unterschiede zwischen Zivil- und Wehrdienst eine differenzierte Regelung zu treffen. Bei der Berechnung der zulässigen Dauer des Zivildienstes müsse insbesondere berücksichtigt werden, daß der Zivildienstleistende seinen Dienst zusammenhängend erbringen könne, während der Wehrpflichtige über den Grundwehrdienst hinaus bis zur Beendigung seiner Wehrpflicht jederzeit verfügbar bleiben müsse. Ferner sei in Erwägung zu ziehen, daß die Dauer der Wehrübungen unberechenbar sei; sie könne sich vor allem in etwaigen Krisensituationen, die heute für niemanden vorhersehbar seien, stark erhöhen. Die Ungewißheit über die künftige Entwicklung dürfe der Gesetzgeber bei der Berechnung der Dauer des Zivildienstes in Ansatz bringen.
§ 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG verletze Art. 4 Abs. 1 GG nicht. Art. 4 Abs. 3 GG regele auch die religiös motivierte Gewissensentscheidung abschließend. Im übrigen werde ein Zivildienstleistender nicht dadurch in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit beeinträchtigt, daß er einen Zivildienst ableisten müsse, der um ein Drittel länger dauere als der Grundwehrdienst.
Daß § 24 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gegen das aus Art. 1 Abs. 1 BVerfGE 69, 1 (17)BVerfGE 69, 1 (18)GG folgende Instrumentalisierungsverbot verstoße, sei offensichtlich.
3. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß zum - als lästige Alternative ausgestalteten - Zivildienst noch ein Prüfungsverfahren hinzutrete.
Die Verbindung verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht. Der Gesetzgeber könne innerhalb gewisser Grenzen frei beurteilen, welches Mittel geeignet sei, die erforderliche Sicherheit über die Echtheit einer Gewissensentscheidung zu gewinnen. Er habe dem verlängerten Zivildienst noch keinen hinreichenden Erkenntniswert beigemessen. Seine Einschätzung sei weder willkürlich noch offensichtlich unvertretbar und damit verfassungsgemäß. Der verlängerte Zivildienst habe im übrigen nicht nur eine Erkenntnisfunktion, sondern solle auch die Lastengleichheit zwischen Wehr- und Zivildienstleistenden herstellen; das Prüfungsverfahren könne die letztgenannte Aufgabe nicht übernehmen. Schließlich werde dadurch, daß ein Prüfungsverfahren vorgesehen sei, überhaupt nicht in den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen.
Die Verbindung von verlängertem Zivildienst und Prüfungsverfahren beeinträchtige die Freiheit der Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG schon deshalb nicht, weil die Gewissensentscheidung bereits vor Beginn des Prüfungsverfahrens getroffen worden sei und es im Verfahren nur noch um ihre Feststellung gehe.
4. Daß der Gesetzgeber zwei unterschiedliche Prüfungsverfahren vorgesehen habe, verletze Art. 3 Abs. 1 GG nicht. Für die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KDVG bestünden sachlich einleuchtende Gründe: Sie sei erforderlich, um die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu sichern. Ferner begründe die Dauer des Zivildienstes bei den von § 9 Abs. 1 Satz 1 KDVG erfaßten Personengruppen keine hinreichend tragfähige Vermutung für die Annahme, daß tatsächlich eine echte Gewissensentscheidung vorliege; durch ihren Anerkennungsantrag vollzögen die Antragsteller nämlich eine Abkehr von ihrem früheren Verhalten.BVerfGE 69, 1 (18)
BVerfGE 69, 1 (19)Es sei sachlich gerechtfertigt, daß die nach § 13 Abs. 3 MustV angehörten Wehrpflichtigen nicht unter § 9 Abs. 1 KDVG fielen. Sie seien - anders als die Vorbenachrichtigten - noch nicht in die Planungen der Bundeswehr einbezogen.
5. Daß vorbenachrichtigte Wehrpflichtige nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 KDVG ohne Aufschub zum Wehrdienst herangezogen werden könnten, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen für ihre Einberufung und der Zweck der Vorbenachrichtigung seien in der Musterungsverordnung hinreichend genau bestimmt. Die - durch § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 KDVG bewirkte - Ungleichbehandlung zwischen vorbenachrichtigten und angehörten Wehrpflichtigen sei im Interesse der Personalplanung der Bundeswehr erforderlich.
6. Das Verfahren vor dem Bundesamt sei verfassungsgemäß. Sein Erkenntniswert dürfe nicht isoliert, sondern müsse anhand der Konzeption des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes betrachtet werden. Die begrenzte Aufgabe, die das Bundesamt zu erfüllen habe, könne in der gewählten Verfahrensart sachgerecht wahrgenommen werden. Das Verfahren verletze das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot insbesondere deshalb nicht, weil die Entscheidungen des Bundesamtes der umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterlägen. Die in § 2 Abs. 2 Satz 3 KDVG aufgestellten Erfordernisse seien verhältnismäßig; sie dienten dazu, das Bundesamt in die Lage zu versetzen, die ihm zugewiesene Aufgabe sachgerecht zu erfüllen. Die Regelungen in den §§ 7 Sätze 1 und 2, 17, 19 Abs. 2 Satz 1 KDVG seien nicht willkürlich.
Zu Unrecht gingen die Antragsteller davon aus, daß es sich beim Anerkennungsverfahren um ein Widerlegungsverfahren handele. Sie übersähen, daß der Kriegsdienstverweigerer den zuständigen Behörden die hinreichend sichere Überzeugung vom Vorliegen einer echten Gewissensentscheidung verschaffen müsse. Dies setze eine Regelung der in § 14 Abs. 1 Satz 2 KDVG getroffenen Art voraus. Die von den Antragstellern an § 7 Satz 3 BVerfGE 69, 1 (19)BVerfGE 69, 1 (20)KDVG geübte Kritik beruhe darauf, daß sie das Verfahren vor dem Bundesamt unzutreffend bewerteten.
7. Die Regelung in § 8 Satz 1 KDVG verletze den allgemeinen Gleichheitssatz nicht, weil sie zu keiner Ungleichbehandlung führe, sondern die Gleichheit aller Wehrpflichtigen im Spannungs- und Verteidigungsfall herstelle. Sie sei auch nicht unverhältnismäßig: Im Spannungs- und Verteidigungsfall müßten die Anforderungen an die Feststellung der Gewissensentscheidung verschärft werden; die Dauer des Zivildienstes stelle in der dann gegebenen Lage keine Probe auf das Gewissen mehr dar.
8. § 8 Satz 2 KDVG könne verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, daß eine Heranziehung nur zum waffenlosen Dienst erfolgen dürfe. Auch § 79 Nr. 3 ZDG eröffne einen verfassungsrechtlich gangbaren Weg. Wenn derjenige, der seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt habe und einberufen werde, vor dem Verwaltungsgericht gegen den Einberufungsbescheid klage und vorläufigen Rechtsschutz beantrage, so könne oder müsse das Gericht die aufschiebende Wirkung seiner Klage aufgrund des § 79 Nr. 3 ZDG mit der Maßgabe anordnen, daß er zum Zivildienst einzuberufen sei.
IV.
 
In der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 1985 hat das Gericht Auskunftspersonen gehört, und zwar u. a. den Inspekteur des Heeres, Generalleutnant von Sandrart , und den Bundesbeauftragten für den Zivildienst, Hintze; die Antragsteller und die Bundesregierung haben ihre schriftsätzlich dargelegten Standpunkte ergänzt und vertieft.
 
B.
 
Die zulässigen Normenkontrollanträge sind unbegründet. Art. 1 §§ 2 bis 7, 8 Satz 1, 9 bis 15 und 17 bis 19 sowie Art. 2 Nrn. 1, 4, 5b und 6 KDVNG sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Art. 1 § 8 Satz 2 des Gesetzes ist mit Art. 4 Abs. 3 des BVerfGE 69, 1 (20)BVerfGE 69, 1 (21)Grundgesetzes vereinbar, jedoch mit der Maßgabe, daß im Spannungs- und im Verteidigungsfall die in Art. 1 § 4 Abs. 1 KDVNG genannten Wehrpflichtigen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Antrag, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, zwar zum Wehrdienst einberufen, aber nur zu einem waffenlosen Dienst herangezogen werden dürfen.
I.
 
Jede gesetzliche Regelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung hat einerseits das in Art. 4 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht zu beachten; danach darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Sie hat andererseits darauf Bedacht zu nehmen, daß der Verfassungsgeber sich für eine funktionsfähige militärische Landesverteidigung entschieden und in diesem Zusammenhang den Gesetzgeber in Art. 12a Abs. 1 GG ermächtigt hat, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen. Deren Vollzug muß dem Gebot der Wehrgerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) genügen. Der in Art. 12a Abs. 2 GG vorgesehene Ersatzdienst ist denjenigen Wehrpflichtigen vorbehalten, die den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigern. Daraus folgt die Pflicht des Gesetzgebers sicherzustellen, daß nur solche Wehrpflichtige als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, bei denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß in ihrer Person die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt sind. An diesen in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. BVerfGE 12, 45; 28, 243; 32, 40; 38, 154; 48, 127) hält der Senat fest.
1. Mit den nachträglich in das Grundgesetz eingefügten wehrverfassungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere den heute geltenden Vorschriften der Art. 12 a, 73 Nr. 1, 87a und 115b GG hat der Verfassungsgeber eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung getroffen. Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben verfassungsrechtlichen Rang. In Übereinstimmung mit dem bereits in Art. 26 Abs. 1 GG enthaltenen Verbot des AnBVerfGE 69, 1 (21)BVerfGE 69, 1 (22)griffskrieges kommt in den genannten Vorschriften der eindeutige und unmißverständliche Wille des Verfassungsgebers zum Ausdruck, daß die Streitkräfte der Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe dienen sollen (vgl. BVerfGE 48, 127 [159 f.]).
Auf der Grundlage der in Art. 12a Abs. 1 GG enthaltenen Ermächtigung hat sich der Gesetzgeber mit dem Erlaß des Wehrpflichtgesetzes vom 21. Juli 1956 (BGBl. I S. 651) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Mai 1983 (BGBl. I S. 529) in Anknüpfung an eine auf die Französische Revolution von 1789 und die Reformzeit in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurückgehende freiheitliche demokratische Tradition für die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht entschieden. In der demokratischen Verfassungsordnung des Grundgesetzes entsprechen einander der individuelle grundrechtliche Schutzanspruch und die gemeinschaftsbezogene Pflicht der Bürger, zur Sicherung dieser Verfassungsordnung beizutragen (vgl. BVerfGE 48, 127 [161]). Die allgemeine Wehrpflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgedankens. Ihre Durchführung steht unter der Herrschaft des Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfGE 48, 127 [162]); ihre Erfüllung ist demokratische Normalität.
2. Art. 4 Abs. 3 GG gewährleistet als Grundrecht unmittelbar das Recht, aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Das Grundgesetz geht von der Würde der freien, sich selbst bestimmenden Person als höchstem Rechtswert aus (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). In seinem Art. 4 Abs. 1 garantiert es die Unverletzlichkeit des Gewissens und damit die Freiheit, nicht zu einem Verhalten gegen dessen als bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfahrene Gebote gezwungen zu werden. Hieran knüpft Art. 4 Abs. 3 GG an und räumt - im Vergleich mit anderen demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungen in bemerkenswert weitgehender Weise - selbst in ernsten Konfliktslagen, in denen der Staat seine Bürger besonders fordert, dem Schutz des freien Gewissens des Einzelnen den Vorrang ein. Das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen setzt der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht, BVerfGE 69, 1 (22)BVerfGE 69, 1 (23)sich an der bewaffneten Landesverteidigung und damit insoweit an der Sicherung der staatlichen Existenz zu beteiligen, eine unüberwindliche Schranke entgegen. Auch bei Regelungen nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG darf der Gesetzgeber dieses Grundrecht nicht in seinem sachlichen Gehalt einschränken, sondern nur die Grenzen offenlegen, die in den Begriffen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG selbst schon enthalten sind (vgl. BVerfGE 48, 127 [163]; st. Rspr.). In den Begriff des Gewissens im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG und der Gewissensgründe des Art. 12a Abs. 2 Satz 1 GG auch die inhaltlich allein auf eine konkrete Situation bezogene Gewissensentscheidung aufzunehmen, müßte zur Folge haben, daß die Ableistung von Wehrdienst, hierauf gestützt, nicht kraft dieser Verfassungsnormen verweigert werden darf - zumal bereits in Friedenszeiten -, solange nicht die konkrete Situation, also der bestimmte Krieg oder die bestimmte Kriegsführungsweise eingetreten sind oder die Ursache im Sinne eines gerechten oder ungerechten Grundes erkennbar ist, mithin die Situation, in der das Gewissen den Kriegsdienst mit der Waffe verbietet, noch nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 12, 45 [56 f.]). Eine solche Vorauswirkung könnte weder dem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG noch Art. 12a Abs. 2 Satz 1 GG entnommen werden.
Der Verfassungsgeber hat das Recht, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, demjenigen eingeräumt und vorbehalten, der sich aus Gewissensgründen außerstande sieht, diesen Dienst zu leisten. Art. 12a Abs. 2 GG ermächtigt den Gesetzgeber, Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen zu einem Ersatzdienst zu verpflichten, dessen Ausgestaltung den Bestimmungen des Art. 12a Abs. 2 Sätze 2 und 3 GG entsprechen muß. Daraus folgt: Der Verfassungsgeber hat nicht etwa eine allen Staatsbürgern - also gemäß Art. 3 Abs. 2 GG auch dem weiblichen Teil der Bevölkerung - obliegende Dienstpflicht für das allgemeine Wohl zugelassen (Art. 12 Abs. 2 GG). Das Grundgesetz (Art. 12a Abs. 1 GG) sieht vielmehr mit Blick auf die in unmittelbarem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang getroffene Verfassungsentscheidung für die militärische Landesverteidigung als BVerfGE 69, 1 (23)BVerfGE 69, 1 (24)einzige - primäre - Dienstpflicht die Pflicht zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband vor. Der Ersatzdienst nach Art. 12a Abs. 2 GG ist auf Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen beschränkt. Er soll, wie sich schon aus der Wortwahl (Ersatzdienst, Ersatzdienstpflicht) ergibt, nur an die Stelle des im Einzelfall rechtmäßig verweigerten Wehrdienstes treten. Denn ihre innere Rechtfertigung erfährt die Ersatzdienstpflicht allein daraus, daß nach Art. 12a Abs. 2 GG die Leistung des Wehrdienstes aus Gründen des Art. 4 Abs. 3 GG verweigert werden darf; der Zivildienst ersetzt, unbeschadet der wesensverschiedenen Aufgabenbereiche, den Wehrdienst (BVerfGE 48, 127 [165]).
Aus dem Verfassungsgebot der staatsbürgerlichen Pflichtengleichheit in Gestalt der Wehrgerechtigkeit ergibt sich somit die Verpflichtung des Gesetzgebers, Vorsorge zu treffen, daß nur derjenige von der Erfüllung der Wehrpflicht als einer gemeinschaftsbezogenen Pflicht hohen Ranges freigestellt wird, der nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat. Dabei gilt es zum einen, den Staat, der der Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe selbst im Falle der Gefährdung seiner Existenz Vorrang gibt, vor einer mißbräuchlichen Berufung auf das Grundrecht zu schützen. Zum anderen geht es aber auch um den Schutz der Gewissensfreiheit selbst, die gerade dann gefährdet wird, wenn sie dazu benutzt werden kann, sich den allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten zu entziehen.
Der Gesetzgeber ist also, wenn er die allgemeine Wehrpflicht einführt, zugleich gehalten, die zuständigen Behörden in den Stand zu setzen, zu ihrer Überzeugung hinreichend sicher zu erkennen, daß die Kriegsdienstverweigerung auf der nach Art. 4 Abs. 3 GG zu fordernden Gewissensentscheidung beruht. Dies folgt verfassungsrechtlich einerseits aus seiner Schutzpflicht gegenüber dem Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG, andererseits aus seiner Pflicht, die Wehrgerechtigkeit im Innern ebenso aufrechtzuerhalten wie die Verteidigungsbereitschaft des BVerfGE 69, 1 (24)BVerfGE 69, 1 (25)grundrechtsgarantierenden Staates nach außen. Das in Art. 4 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht wird dadurch nicht eingeschränkt. Es wird damit vielmehr nur eine verfahrensmäßige Feststellung ermöglicht, ob derjenige Wehrpflichtige, der sich auf dieses Grundrecht beruft, auch die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seiner Inanspruchnahme erfüllt. In diesem - und nur in diesem - Sinne steht das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen unter einem Verfahrensvorbehalt. Der Gesetzgeber ist durch Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG ausdrücklich ermächtigt, das Kriegsdienstverweigerungsrecht - oder genauer: die Weise seiner Inanspruchnahme - zu "regeln", aber nicht es zu "beschränken". Das Verfahren muß von Verfassungs wegen sachgerecht, geeignet und zumutbar sein (vgl. zum Asylrecht BVerfGE 60, 253 [295]). Nur wenn es diesen Anforderungen nicht entspricht, verletzt es Art. 4 Abs. 3 GG.
3. In diesem Rahmen kann der Gesetzgeber frei darüber bestimmen, auf welche Weise er den Tatbestand der Gewissensentscheidung feststellen lassen will (vgl. BVerfGE 48, 127 [169]). Er ist nicht verpflichtet, das herkömmliche Anerkennungsverfahren beizubehalten (BVerfGE 28, 243 [259]; 48, 127 [166 f.]). Er kann es durch eine nach seinen Vorstellungen geeignetere Lösung ersetzen (BVerfGE 48, 127 [167]). Statt eines besonderen Anerkennungsverfahrens stehen ihm auch andere geeignete Mittel zur Verfügung (vgl. BVerfGE 48, 127 [169]).
4. Mit den angegriffenen Regelungen im Kriegsdienstverweigerungs- Neuordnungsgesetz verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, das bisherige Verfahren der Gewissenserforschung, das durch eine mündliche Anhörung des Antragstellers, insbesondere eine eingehende Befragung zu den Beweggründen seiner Entscheidung, gekennzeichnet war, durch eine andere Art und Weise der Feststellung der behaupteten Gewissensentscheidung zu ersetzen: Die bewußte Inkaufnahme des gegenüber dem Grundwehrdienst um fünf Monate verlängerten Zivildienstes soll als tragendes Indiz für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gelten. In erster Linie soll die erschwerte Ausgestaltung des Zivildienstes sicherBVerfGE 69, 1 (25)BVerfGE 69, 1 (26)stellen, daß das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nur von echten Kriegsdienstverweigerern in Anspruch genommen wird. Sie bildet nach dem Willen des Gesetzgebers zwar die eigentliche, nicht aber die einzige "Probe auf das Gewissen". Ergänzend findet ein - nach den jeweiligen Umständen unterschiedliches - Anerkennungsverfahren statt:
Die ungedienten Wehrpflichtigen im Sinne des § 4 Abs. 1 KDVG, die in den letzten Jahren rund 85% der Antragsteller ausmachten, haben das Verfahren vor dem Bundesamt zu durchlaufen. Es stellt - wie seiner normativen Konzeption und insbesondere der Entstehungsgeschichte des Kriegsdienstverweigerungs- Neuordnungsgesetzes zu entnehmen ist - kein Prüfungsverfahren im herkömmlichen Sinn dar (vgl. BTDrucks. 9/2124, S. 9): Die Anerkennung des Antragstellers hängt nicht mehr vom Ergebnis einer - für das herkömmliche Verfahren charakteristischen - mündlichen Anhörung ab; das Bundesamt darf, abgesehen von einer ggf. erforderlichen Rückfrage beim Antragsteller, keine Tatsachenaufklärung betreiben; es findet eine "bloß formale Prüfung" statt (vgl. BTDrucks. 9/2124, S. 11); der volle Beweis für oder gegen eine Gewissensentscheidung braucht nicht erbracht zu werden; vielmehr sollen im Verfahren nach Aktenlage lediglich solche Anträge ausgesondert werden, die offensichtlich unbegründet sind, weil das Fehlen einer relevanten Gewissensentscheidung unmittelbar ersichtlich ist.
Besteht nach Auffassung des Gesetzgebers typischerweise Anlaß zu der Annahme, daß der Zivildienst für sich allein auch in seiner jetzigen Ausgestaltung seine Funktion als tragendes Indiz für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung nicht zu erfüllen vermag, so kommt das Verfahren vor den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG zur Anwendung. In wesentlichen Zügen entspricht es dem herkömmlichen Anerkennungsverfahren: Der materielle Maßstab für eine Anerkennung bleibt gegenüber dem bisherigen Recht unverändert. § 14 Abs. 1 Satz 1 KDVG fordert indes für das Verfahren nicht den vollen Beweis der GewissensentscheiBVerfGE 69, 1 (26)BVerfGE 69, 1 (27)dung, sondern läßt schon die hinreichend sichere Annahme für ihr Vorliegen ausreichen. Die persönliche Anhörung durch den Ausschuß kann unterbleiben, wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 KDVG gegeben sind.
II.
 
Das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz gewährleistet in dem verfassungsrechtlich gebotenen Maß, daß lediglich solche Wehrpflichtige als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, bei denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG in ihrer Person erfüllt sind:
Es darf erwartet werden, daß nur derjenige, der tatsächlich eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat, den Zivildienst in Kauf nehmen wird. Der Zivildienst bildet für den Kriegsdienstverweigerer eine Alternative zum Wehrdienst, die diesem an Lästigkeit jedenfalls nicht wesentlich nachsteht: Er dauert gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG um ein Drittel länger als der Grundwehrdienst. Da im Zivildienst zur Zeit mehr Beschäftigungsstellen vorhanden sind als Zivildienstleistende und in Zukunft weitere Zivildienstplätze geschaffen werden sollen, muß der Kriegsdienstverweigerer heute - anders als noch im Jahre 1978 (vgl. BVerfGE 48, 127 [171 ff.]) - damit rechnen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Zivildienst einberufen zu werden. Zugleich soll auf gewisse, weniger geeignete Dienstplätze - insbesondere im Verwaltungs- und Versorgungsbereich - verzichtet werden. Bei der Anerkennung von neuen Beschäftigungsstellen soll darauf geachtet werden, daß die zur Verfügung gestellten Dienstplätze nicht zu einer offensichtlichen Ungleichbehandlung der Zivildienstleistenden untereinander oder im Vergleich zu den Wehrdienstleistenden führen (vgl. BTDrucks. 9/2124, S. 10). Die Belastungen, die mit dem Zivildienstverhältnis als solchem einhergehen, sind insbesondere infolge der Regelungen in den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 3, 25a Abs. 4 ZDG fühlbarer geworden.BVerfGE 69, 1 (27)
BVerfGE 69, 1 (28)Diese Ausgestaltung des Zivildienstes ermöglicht jedenfalls in Verbindung mit dem hinzutretenden Anerkennungsverfahren die hinreichend sichere Feststellung, daß eine Gewissensentscheidung vorliegt. Das ergibt sich für das Verfahren vor den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung bereits daraus, daß es dem früheren, mit dem Grundgesetz vereinbaren Prüfungsverfahren ähnlich ist (vgl. BVerfGE 28, 243 [259 f.]; 48, 127 [166]). Für das Verfahren vor dem Bundesamt gilt: Es hat zwar nur einen begrenzten Erkenntniswert; indessen kommt ihm lediglich eine ergänzende Funktion dahin zu, daß der Zivildienst als eigentliche Probe auf das Gewissen verbunden werden soll mit einem Mindestmaß an verfahrensrechtlich institutionalisierter individueller Prüfung. Diese eingeschränkte Aufgabe vermag es sachgerecht zu erfüllen. Eine weitergehende Prüfung durch das Bundesamt ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten deshalb nicht notwendig, weil der Zivildienst in seiner nunmehrigen Ausgestaltung in der Regel geeignet erscheint, unechte Kriegsdienstverweigerer davon abzuhalten, sich unter mißbräuchlicher Berufung auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG ihrer Wehrpflicht zu entziehen.
III.
 
Die angegriffenen Regelungen des Kriegsdienstverweigerungs- Neuordnungsgesetzes sind auch im übrigen mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG ist nicht dadurch verletzt, daß der Zivildienst nach § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG um ein Drittel länger dauert als der Grundwehrdienst.
a) Nach Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG bildet die Dauer des Wehrdienstes eine selbständige zeitliche Obergrenze für die Dauer des Ersatzdienstes. Der aufgrund der Wehrpflicht in Friedenszeiten zu leistende Wehrdienst umfaßt den Grundwehrdienst von zur Zeit 15 Monaten Dauer (§ 5 Abs. 1 Satz 2 WPflG), den Wehrdienst in der VerBVerfGE 69, 1 (28)BVerfGE 69, 1 (29)fügungsbereitschaft und Wehrübungen (§ 4 Abs. 1 WPflG). Der Wehrdienst in der Verfügungsbereitschaft wird auf die Gesamtdauer der Wehrübungen angerechnet (§ 5a Abs. 3 WPflG). Diese beträgt bei Mannschaften höchstens neun, bei Unteroffizieren höchstens 15 und bei Offizieren höchsten 18 Monate (§ 6 Abs. 2 WPflG). Der Wehrdienst kann demnach bei Mannschaften bis zu 24 Monaten dauern. Von der damaligen Gesetzeslage ausgehend hat deshalb der Senat auch festgestellt, daß etwa eine Verlängerung des Zivildienstes auf 24 Monate in Betracht kommen könnte (BVerfGE 48, 127 [170 f.]). Diese Auslegung des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG entspricht dem Wortlaut der Vorschrift.
Die Materialien (vgl. die Äußerungen der Abgeordneten Dr. Arndt und Dr. Schwarzhaupt, Verhandlungen des Deutschen Bundestag, 2. Wp., Protokoll der 110. Sitzung des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht vom 20. Februar 1956, S. 9 f., sowie dessen 111. Sitzung vom 21. Februar 1956, S. 12 und 14 f., sowie den Zweiten schriftlichen Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wp., Sten.Ber. S. 6857) stehen ihr jedenfalls nicht entgegen. Aus ihnen erhellt, daß Grundwehrdienst und Wehrübungen zusammen die Bemessungsgrundlage für die Dauer des Ersatzdienstes bilden. Von einer völlig gleichen zeitlichen Belastung der Wehrdienst- und der Ersatzdienstleistenden kann der verfassungsändernde Gesetzgeber danach nicht ausgegangen sein; denn es stand schon damals fest, daß sich nicht übersehen läßt, ob und in welchem Umfang ihren Grundwehrdienst leistende Wehrpflichtige später zu Wehrübungen einberufen werden würden.
Mithin untersagt Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG jedenfalls solche gesetzliche Regelungen, nach denen die Dauer des Zivildienstes die rechtlich zulässige Höchstdauer des Wehrdienstes überstiege. Die Vorschrift verpflichtet den Gesetzgeber nicht, innerhalb der rechtlich zulässigen Höchstdauer des Wehrdienstes eine Zivildienstzeit vorzusehen, die genau der tatsächlichen Dauer des Wehrdienstes entspricht. Sie verbietet ihm auch nicht eine Regelung, die dazu führen kann, daß der zu leistende Zivildienst BVerfGE 69, 1 (29)BVerfGE 69, 1 (30)länger dauert als der tatsächlich durchschnittlich zu leistende Wehrdienst. Vielmehr darf der Gesetzgeber die Dauer des Zivildienstes anhand eines Zeitrahmens festlegen, den er abstrakt, d. h. auf der Grundlage der rechtlich zulässigen Dauer des Wehrdienstes und damit losgelöst vom tatsächlich geleisteten Wehrdienst, bemißt. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
Das normative Ziel des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG besteht darin, ein Gleichgewicht der Belastung von Wehr- und Ersatzdienstleistenden sicherzustellen; der Ersatzdienstleistende darf im Vergleich zum Wehrdienstleistenden weder besser noch schlechter gestellt werden. Danach ist es ausgeschlossen, die tatsächliche Dauer von Wehr- und Ersatzdienst völlig und schematisch gleich zu bemessen. Angesichts der vorgegebenen Unterschiede zwischen Wehr- und Ersatzdienst kann der Gesetzgeber den Zivildienst nur dann als eine im Verhältnis zum Wehrdienst gleichbelastende Pflicht (vgl. BVerfGE 48, 127 [173]) ausgestalten, wenn ihm bei der Festlegung der Dauer des Ersatzdienstes ein gewisser Spielraum zur Verfügung steht. Anderenfalls könnte eine gleiche Belastung von Wehr- und Ersatzdienstleistenden nur durch "künstliche", nicht von der Sache, d. h. von der Art und Weise der Dienstleistung, her gebotene Erschwerungen des Ersatzdienstes erreicht werden; diese müßten ihrerseits verfassungsrechtliche Bedenken hervorrufen.
Es liegt in den Besonderheiten des Wehrdienstes begründet, daß sich bei Eintritt der Wehrpflicht die Dauer des vom Wehrpflichtigen zu leistenden Wehrdienstes nicht genau bestimmen läßt. Ein konkreter Vergleich der Dauer von Wehr- und Ersatzdienst ist erst nach Beendigung der Wehrpflicht (vgl. § 3 Abs. 3 und 4 WPflG) möglich. Erst dann läßt sich abschließend beurteilen, welches Verhältnis die tatsächliche Dauer des jeweiligen Wehr- und Zivildienstes zueinander aufweisen, erst dann steht fest, für welchen Zeitraum der Wehrdienstleistende zum Wehrdienst herangezogen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt muß er - anders als der Zivildienstpflichtige - jederzeit damit rechnen, zu weiteren Dienstleistungen verpflichtet zu werden. Auch muß BVerfGE 69, 1 (30)BVerfGE 69, 1 (31)er in Betracht ziehen, in etwaigen Krisenzeiten, die derzeit für niemanden vorhersehbar sind, verstärkt und gegebenenfalls auf der Grundlage des § 6 Abs. 6 WPflG zu Wehrübungen herangezogen zu werden. Diesen Ungewißheiten, denen die Dauer des Wehrdienstes unterliegt, steht - jedenfalls außerhalb von Krisenzeiten - die Gewißheit gegenüber, die der Zivildienstleistende über die Dauer des Zivildienstes besitzt. Er braucht nach dessen Ableistung mit einer weiteren Inanspruchnahme nicht zu rechnen. Ein anderes kommt hinzu: Im Verteidigungsfall hat der Wehrpflichtige unbefristeten Wehrdienst zu leisten (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 WPflG). Zwar ist auch die Dauer des Zivildienstes im Verteidigungsfall nicht befristet (§ 79 Nr. 1 ZDG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 WPflG). Planungen für die Einberufung von Wehrpflichtigen, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt wurden und ihrer Zivildienstpflicht genügt haben, bestehen für diesen Fall jedoch nicht, wie die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat. All dies darf der Gesetzgeber bei der Bemessung der Dauer des Zivildienstes im Rahmen der durch Art. 12a Abs. 2 GG gezogenen Grenze in Rechnung stellen.
Gleiches gilt für die Funktion, die dem Zivildienst nach der mit dem Grundgesetz vereinbaren Konzeption des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes als tragendes Indiz für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung zukommen soll. Müßte der Gesetzgeber die Dauer des Ersatzdienstes genau an die tatsächliche gegenwärtige Dauer des Wehrdienstes angleichen, so wäre er ohne - verfassungsrechtlich bedenkliche - künstliche Erschwerungen des Ersatzdienstes nicht in der Lage, ihn so auszugestalten, daß er eine echte und die eigentliche Probe auf das Gewissen bildet.
b) Diesem Maßstab wird § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG gerecht. Nach dieser Vorschrift erreicht die Dauer des Zivildienstes die rechtlich zulässige Höchstdauer des Wehrdienstes nicht. Da der Grundwehrdienst zur Zeit 15 Monate dauert, beträgt die Dauer des Zivildienstes nach § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG gegenwärtig 20 Monate.BVerfGE 69, 1 (31)
BVerfGE 69, 1 (32)Dem steht nicht entgegen, daß danach der Zivildienst oft länger dauert als der Wehrdienst, der in der Vergangenheit im Durchschnitt tatsächlich abzuleisten war. Denn in der Praxis sind die rechtlich zulässigen Höchstzeiten für Wehrübungen bisher regelmäßig nicht in Anspruch genommen worden; im Durchschnitt wurden Reservisten 7 Tage, Mannschaftsdienstgrade 3,5 Tage, Unteroffiziersdienstgrade 15,4 Tage und Offiziersdienstgrade 33 Tage zu Wehrübungen herangezogen. Die Personalplanung der Bundeswehr geht davon aus, daß in Zukunft mehr Wehrpflichtige häufiger zu Wehrübungen herangezogen werden sollen. Es ist beabsichtigt, die Zahl der Wehrübungsplätze bis zum Jahre 1995 auf 15 000 zu erhöhen; bei einer durchschnittlichen Wehrübungsdauer von 14 Tagen wäre dann mit jährlich rund 400 000 Einberufungen zu rechnen. Genaue Daten darüber, wie hoch die Wehrübungsdauer in Zukunft bei den Wehrpflichtigen bis zur Beendigung ihrer Wehrpflicht im Durchschnitt wahrscheinlich sein wird, liegen nicht vor. Indessen kommt es darauf im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Aus einem Vergleich der tatsächlichen Dauer von Wehr- und Zivildienst - im Sinne einer konkreten Betrachtungsweise - läßt sich eine Verletzung des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG nicht herleiten.
c) Der Gesetzgeber hat die Grenzen der Gestaltungsfreiheit, die ihm bei der Bemessung der Dauer des Zivildienstes somit zusteht, bei der in § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG getroffenen Regelung nicht überschritten: Die Dauer des Zivildienstes ist so bemessen, daß sie einerseits die zulässige zeitliche Höchstgrenze von zur Zeit 24 Monaten nicht überschreitet und andererseits die ihr zugedachte Funktion als tragendes Indiz für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung zu erfüllen geeignet ist. Hierin liegt insbesondere auch kein Verstoß gegen Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG. Diese Verfassungsnorm untersagt gesetzliche Regelungen, die den Kriegsdienstverweigerer abschrecken, sein Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG wahrzunehmen, und damit auf seine Gewissensentscheidung einen unzulässigen Druck ausüben. Ein solcher Druck wird durch das Kriegsdienstverweigerungs-NeuordnungsBVerfGE 69, 1 (32)BVerfGE 69, 1 (33)gesetz nicht bewirkt. Wer den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigert, wird in der Freiheit seiner Gewissensentscheidung nicht dadurch beeinträchtigt, daß er neben der Darlegung seiner Gründe für diese Entscheidung in einem Anerkennungsverfahren einen Zivildienst von 20 Monaten Dauer leisten muß. Dabei sind wiederum die vorgegebenen Unterschiede zwischen Wehr- und Zivildienst zu berücksichtigen: Der Zivildienstleistende erbringt seinen Dienst zusammenhängend und abschließend, ist in der Regel einem weniger strengen Dienstverhältnis unterworfen und befindet sich typischerweise in einer weniger belastenden Lebenssituation.
d) Der Gesetzgeber war auch nicht gehindert, die Länge des Zivildienstes von der jeweiligen Dauer des Grundwehrdienstes abhängig zu machen. Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG legt nur fest, wie lange der Ersatzdienst dauern darf. Die Vorschrift besagt nichts darüber, auf welche Art und Weise die - zulässige - Dauer des Ersatzdienstes zu bestimmen ist. Zwar könnte der Gesetzgeber, ohne die derzeitige Fassung des § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG anzutasten, durch eine Änderung der Dauer des Grundwehrdienstes oder der Wehrübungen oder beider bewirken, daß die Dauer des Zivildienstes die des Wehrdienstes übersteigt. Darin läge ein offenkundiger Verstoß gegen Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG. Die Möglichkeit, einen solchen Verstoß durch eine Änderung der Normen, an die die Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG anknüpft, herbeizuführen, vermag indessen die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift nicht zu begründen.
2. Es verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 1 GG, daß auch diejenigen Kriegsdienstverweigerer, die zu einer Glaubensgemeinschaft gehören, deren Glaubensgrundsätze die Verweigerung des Kriegsdienstes mitumfassen und deren Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe daher offenkundig erscheint, verpflichtet sind, den verlängerten Zivildienst zu leisten und ein Prüfungsverfahren zu durchlaufen. Dadurch wird in den Schutzbereich dieser Grundrechtsnorm nicht eingegriffen.
Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit gewährleistet sowohl die BVerfGE 69, 1 (33)BVerfGE 69, 1 (34)innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben als auch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten (BVerfGE 32, 98 [106]). Betätigungen und Verhaltensweisen, die aus einer bestimmten Glaubenshaltung fließen, dürfen nicht ohne weiteres den Sanktionen unterworfen werden, die der Staat für ein solches Verhalten - unabhängig von seiner glaubensmäßigen Motivierung - vorsieht, wie das Bundesverfassungsgericht in strafrechtlichem Zusammenhang ausgesprochen hat (vgl. BVerfGE 32, 98 [108]). Die Verpflichtung auch in dieser Weise religiös motivierter Kriegsdienstverweigerer, den verlängerten Zivildienst zu leisten und sowohl dadurch als auch durch eine Begründung ihrer Gewissensentscheidung im Anerkennungsverfahren die Berechtigung der Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darzutun, steht zu diesen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen nicht in Widerspruch. Ihre Glaubensentscheidung wird keiner Sanktion unterworfen, und sie werden nicht gehindert, sich ihrer Glaubensüberzeugung gemäß zu verhalten. Die Verpflichtung, den Ersatzdienst zu leisten, stellt keine Sanktion für ihre Gewissensentscheidung zur Kriegsdienstverweigerung dar. Sie wird ihnen vielmehr, unabhängig von ihrer Beweisfunktion, auch als Ausgleich für die Freistellung vom Wehrdienst auferlegt, die ihnen um ihrer Gewissensüberzeugung willen gewährleistet ist. Wie alle anderen, die sich auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG berufen und damit die Freistellung von der Verpflichtung, Wehrdienst zu leisten, begehren, haben auch sie die Last der Darlegung der von ihnen getroffenen Gewissensentscheidung. Das Grundrecht der Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) stellt sie von dieser Last nicht frei.
3. Art. 1 Abs. 1 GG ist weder durch die Ausgestaltung des Zivildienstes, insbesondere seine Verlängerung, noch durch das Hinzutreten eines Anerkennungsverfahrens verletzt. Eine Herabwürdigung des Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns und ein dadurch bedingter Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschenwürde (vgl. BVerfGE 27, 1 [6]; 45, BVerfGE 69, 1 (34)BVerfGE 69, 1 (35)187 [228]) liegen darin nicht. Art. 4 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Gebot der Wehrgerechtigkeit fordert eine gesetzliche Regelung, die Gewähr dafür bietet, daß nur solche Wehrpflichtige als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, bei denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß in ihrer Person die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt sind (BVerfGE 48, 127 [168]). Eine solche dem Grundsatz der staatsbürgerlichen Pflichtengleichheit entsprechende und auch im übrigen verfassungsgemäße Regelung tastet die Würde des Menschen nicht an.
4. Daß das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz neben dem verlängerten und auch im übrigen gegenüber dem früheren Rechtszustand erschwerten Zivildienst ein - allerdings unterschiedlich ausgestaltetes - Anerkennungsverfahren vorsieht, widerspricht nicht dem aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er fordert, daß der Einzelne vor unnötigen oder übermäßigen Eingriffen bewahrt bleibt; ein Gesetz darf den Bürger nicht stärker belasten, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist; die Mittel, die das Gesetz verwendet, müssen geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen (vgl. BVerfGE 17, 306 [313 f.]; 19, 342 [348 f.]; 55, 159 [165]; st. Rspr.). Diesen Anforderungen wird die vom Gesetzgeber vorgesehene Verbindung von Zivildienst und Anerkennungsverfahren insbesondere deshalb gerecht, weil jedem Element der Verbindung ein Erkenntniswert zukommt, der über denjenigen hinausgeht, den das andere Element der Verbindung bereits vermittelt, und weil - nach der verfassungsrechtlich unbedenklichen Auffassung des Gesetzgebers - beide Elemente nur in ihrem Zusammenwirken mit hinreichender Sicherheit zu gewährleisten vermögen, daß lediglich diejenigen Wehrpflichtigen vom Wehrdienst freigestellt werden, deren Kriegsdienstverweigerung auf einer Gewissensentscheidung beruht.
a) Es ist offensichtlich, daß das Verfahren vor dem Bundesamt wegen seines begrenzten Erkenntniswertes für sich allein - d. h. ohne einen das Belastungsgleichgewicht wahrenden und die BVerfGE 69, 1 (35)BVerfGE 69, 1 (36)eigentliche Gewissensprobe bildenden Zivildienst - nicht ausreicht, um das Vorliegen der behaupteten Gewissensentscheidung mit hinreichender Sicherheit festzustellen. Eine unverhältnismäßige Belastung des Kriegsdienstverweigerers liegt andererseits auch nicht darin, daß er das Verfahren vor dem Bundesamt durchlaufen muß, obwohl er bereit ist, den Zivildienst in Kauf zu nehmen. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, daß diese Bereitschaft allein nicht mit der verfassungsrechtlich gebotenen Regelmäßigkeit auszuschließen vermag, die Entscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe sei nicht aus Gewissensgründen, sondern aus anderen - von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht geschützten - Erwägungen, z. B. in Verfolg politischer Ziele, getroffen worden. Der Zivildienst in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung kann die Funktion einer im strengen Sinn "lästigen" Alternative - nämlich Beweisersatz für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung zu sein und damit auch zu verhindern, daß die Wehrpflichtigen das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG als ein Recht zur freien Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst mißverstehen - nur bedingt erfüllen. Wer den Zivildienst leistet, bringt kein größeres Opfer als der Wehrdienstleistende. Der Gesetzgeber hat den Zivildienst nicht so ausgestaltet, daß er - als einzige Probe auf die Gewissensentscheidung - eine im Vergleich zum Wehrdienst stärker belastende Alternative bildet.
b) Ebensowenig ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch verletzt, daß diejenigen Kriegsdienstverweigerer, bei denen das Verfahren nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG zur Anwendung kommt, gleichwohl den verlängerten Zivildienst zu leisten haben. Bei der Ausgestaltung des Zivildienstes durfte der Gesetzgeber nicht nur dessen Funktion als Erkenntnisquelle für das Vorliegen der behaupteten Gewissensentscheidung im Auge haben; er mußte auch das Verfassungsgebot der staatsbürgerlichen Pflichtengleichheit in Gestalt der Wehrgerechtigkeit beachten. Dieses Gebot wäre verletzt, wenn der Gesetzgeber Kriegsdienstverweigerer je nach dem Verfahren, in dem sie ihre AnerBVerfGE 69, 1 (36)BVerfGE 69, 1 (37)kennung erreicht haben, im Hinblick auf den zu leistenden Zivildienst unterschiedlich belastet hätte.
aa) Die Regelung, die für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KDVG erfaßten Personengruppen ein vom Regelfall abweichendes Anerkennungsverfahren vorsieht, beruht auf der Absicht des Gesetzgebers, der Gefahr von situationsbedingten Anträgen entgegenzuwirken und die Erfordernisse der Personalplanung der Bundeswehr zu berücksichtigen (vgl. BTDrucks. 9/2124, S. 12 f.). Die Entscheidung von Angehörigen dieses Personenkreises, den Kriegsdienst zu verweigern, belastet insoweit die Bundeswehr stärker als die entsprechende Entscheidung eines ungedienten Wehrpflichtigen; denn hier handelt es sich um Gruppen von Wehrpflichtigen, die bereits in einer, teils noch ungenauen, teils aber sehr genauen Weise - dies z. B. beim Vorliegen bestimmter persönlicher, von der Personalplanung berücksichtigter Fähigkeiten oder eines bestimmten militärischen Dienstgrades - in die personelle Organisation der Landesverteidigung eingebunden sind. Sie legen ein ihrer früheren Entscheidung objektiv entgegengesetztes Verhalten an den Tag. Zuvor haben sie schlüssig zu erkennen gegeben, daß sie nicht beabsichtigen, das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG für sich in Anspruch zu nehmen. Für sie bestand schon früher - insbesondere anläßlich der Musterung - Gelegenheit, sich über etwaige Gewissensbedenken gegen den Kriegsdienst mit der Waffe innerlich klar zu werden und sie zu äußern. Hiervon haben sie keinen Gebrauch gemacht. Mithin konnte die Personalplanung der Bundeswehr ihnen eine bestimmte Funktion zuweisen. Sie unterscheiden sich von den übrigen Antragstellern darin, daß ihr Platz in der Bundeswehr mehr oder weniger weitgehend festgelegt ist. Deshalb war der Gesetzgeber berechtigt, für diese Fälle ein Verfahren vorzusehen, in dem eingehender als im Verfahren vor dem Bundesamt geprüft werden kann, ob Gewissensgründe für die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe vorliegen.
bb) Auch bei dem erneuten Antrag eines Wehrpflichtigen, über dessen Antrag bereits unanfechtbar oder rechtskräftig entschieBVerfGE 69, 1 (37)BVerfGE 69, 1 (38)den ist oder der seinen Antrag zurückgenommen hat (§ 9 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 4 Abs. 2 KDVG), erweist sich eine eingehendere Prüfung als verfassungsrechtlich unbedenklich, die nicht im Verfahren vor dem Bundesamt, sondern nur von den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung sachgerecht vorgenommen werden kann. So mag z. B. in rechtlicher Hinsicht fraglich sein, "ob die vorgebrachte Begründung durch die bereits ergangene Ablehnung erschöpfend gewürdigt ist oder ob neue rechtlich zu beachtende Gründe vorgetragen werden" (BTDrucks. 9/2124, S. 12). Ferner gibt das Scheitern des ersten Anerkennungsverfahrens Anlaß, die Berechtigung des Antragstellers zur Kriegsdienstverweigerung eingehender zu prüfen.
cc) Die Regelung in § 7 Satz 1 KDVG ist verhältnismäßig, weil nur das gründlichere Verfahren vor den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung die notwendige Gewißheit darüber zu verschaffen vermag, ob die im Rahmen der Prüfung durch das Bundesamt aufgekommenen Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers berechtigt sind oder nicht. Die Voraussetzungen, unter denen das Verfahren vor dem Bundesamt zu einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer führt, liegen im Falle des § 7 Satz 1 KDVG nicht vor. Dieses Verfahren ist nach seiner Konzeption und Ausgestaltung nicht geeignet, jene Zweifel zu beheben. Über die in § 5 Abs. 2 Satz 1 KDVG vorgesehene Rückfrage an den Antragsteller hinaus ist dem Bundesamt im Interesse einer beschleunigten Abwicklung des Anerkennungsverfahrens eine weitere Tatsachenaufklärung versagt; andererseits stellt die Rückfrage sicher, daß die Zuleitung des Antrags an den Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung den Antragsteller nicht unvorbereitet trifft. Schließlich findet das Verfahren nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG nur unter der Voraussetzung statt, daß der Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung die Zweifel des Bundesamtes als berechtigt ansieht. Ist dies nicht der Fall, so entscheidet er gemäß § 7 Satz 3 KDVG nach Aktenlage entsprechend den Grundsätzen des § 5 Abs. 1 KDVG.BVerfGE 69, 1 (38)
BVerfGE 69, 1 (39)dd) Die Verhältnismäßigkeit der in § 9 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 8 Satz 1 KDVG für den Spannungs- und Verteidigungsfall vorgesehenen Regelung ergibt sich zunächst daraus, daß der Zivildienst unter den dann gegebenen Umständen nicht länger geeignet ist, die eigentliche Probe auf das Vorliegen der behaupteten Gewissensentscheidung zu bilden. Er büßt dann seine Funktion als gleichbelastende Alternative weithin ein, da er weniger gefährlich erscheinen mag als der Wehrdienst. Im Verteidigungsfall haben Wehr- und Zivildienstpflichtige nach den §§ 4 Abs. 1 Nr. 4 WPflG, 79 Nr. 1 ZDG einen unbefristeten Wehr- oder Zivildienst zu leisten. Während Zivildienstpflichtigen vor dem Eintritt des Verteidigungsfalles keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegt werden können, müssen Wehrpflichtige schon in Spannungslagen damit rechnen, daß die Bundesregierung gemäß § 6 Abs. 6 WPflG Wehrübungen als Bereitschaftsdienst anordnet.
Der Staat ist überdies um des Grundsatzes der Wehrgerechtigkeit willen und wegen der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung verpflichtet, für den Spannungs- und Verteidigungsfall ein auch dann zur Ermittlung des Vorliegens der behaupteten Gewissensentscheidung geeignetes Verfahren vorzusehen. Einerseits wächst in dieser Lage die Wahrscheinlichkeit, daß Wehrpflichtige, obwohl nicht ihr Gewissen sie zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe drängt, versuchen werden, sich durch mißbräuchliche Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG dem Wehrdienst zu entziehen. Andererseits kann der die Erfüllung einer Pflicht für die Gemeinschaft fordernde Staat um so weniger darauf verzichten, im Rahmen des Möglichen die in Anspruch genommene Gewissensposition festzustellen, je bedeutsamer für die Allgemeinheit und belastender für den Einzelnen die Gemeinschaftspflicht ist, mit der die vorgetragene individuelle Gewissensentscheidung in Konflikt gerät (vgl. BVerfGE 48, 127 [168]).
Das in den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG geregelte Verfahren genügt dieser Anforderung.
ee) Soweit der Zivildienst, anders als im Spannungs- und VerBVerfGE 69, 1 (39)BVerfGE 69, 1 (40)teidigungsfall, eine gleichbelastende Alternative zum Wehrdienst darstellt, fordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allerdings, daß die Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung die Bereitschaft des Antragstellers, den Zivildienst zu leisten, bei ihrer Überzeugungsbildung als tragendes Indiz für die behauptete Gewissensentscheidung werten. Ihm ist im Verfahren nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG das gleiche Gewicht beizumessen wie im Verfahren vor dem Bundesamt.
5. Die Unterschiedlichkeit der in den §§ 4 ff. KDVG einerseits, in den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG andererseits vorgesehenen Verfahren verstößt aus den gleichen Erwägungen, aufgrund deren die Verbindung des Zivildienstes mit dem Verfahren nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG als verhältnismäßig anzusehen war, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere ist es nicht willkürlich, daß über die Anträge von Wehrpflichtigen, die von ihrer Anhörung nach § 13 Abs. 3 MustV erfahren haben oder angehört worden sind und danach ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen, das Bundesamt entscheidet - für diesen Personenkreis folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 1 KDVG, daß eine Einberufung zum Wehrdienst während des Anerkennungsverfahrens nicht zulässig ist -, während die Anträge von vorbenachrichtigten Wehrpflichtigen im Ausschußverfahren zu behandeln sind - hier hindert der Antrag die Heranziehung zum Wehrdienst nicht (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 KDVG). Da sowohl die Vorbenachrichtigung als auch die Anhörung dem Wehrpflichtigen vor Augen führen, daß er mit einer Einberufung konkret zu rechnen hat, besteht zwar in beiden Fällen gleichermaßen die Gefahr, daß der Wehrpflichtige unter dem Eindruck einer unmittelbar bevorstehenden Heranziehung zum Wehrdienst einen rechtsmißbräuchlichen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellt. Der sachliche Grund für die unterschiedliche Behandlung beider Personengruppen besteht indes darin, daß der Vorbenachrichtigte im Zeitpunkt der Vorbenachrichtigung bereits der Personalplanung der Bundeswehr unterliegt, während beim Anzuhörenden erst nach der Anhörung darüber entschieden BVerfGE 69, 1 (40)BVerfGE 69, 1 (41)wird, ob und wie der Angehörte in die Planungen der Bundeswehr einbezogen werden soll. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber aus diesem Umstand im Interesse der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr unterschiedliche Folgerungen gezogen hat.
Im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz - und auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - sind die §§ 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 KDVG allerdings dahin auszulegen, daß die dort angeordneten Rechtsfolgen der Vorbenachrichtigung entfallen, wenn diese dadurch gegenstandslos geworden ist, daß die Bundeswehrverwaltung den Vorbenachrichtigten nicht zum vorgesehenen Einberufungstermin einberufen hat. Da er dann nicht mehr konkret mit einer Einberufung zu rechnen braucht, ist die den §§ 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 KDVG zugrunde liegende Annahme, der Antrag könnte unter dem Eindruck einer bevorstehenden Einberufung rechtsmißbräuchlich gestellt worden sein, nicht länger gerechtfertigt. Es gelten dann die §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 1 KDVG.
6. a) Die in § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 KDVG für vorbenachrichtigte Wehrpflichtige getroffenen Regelungen verletzen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht. Er verlangt, daß eine gesetzliche Ermächtigung, durch die in den Rechtskreis des Einzelnen eingegriffen wird, nach Gegenstand, Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt ist (BVerfGE 8, 274 [325]; 9, 137 [147]). Diesen Anforderungen ist im Hinblick auf die Vorbenachrichtigung Genüge getan, weil nach den genannten Vorschriften sowie den §§ 13 Abs. 4 Satz 4 MustV, 4 Abs. 1 KDVG nur ein ungedienter Wehrpflichtiger, der als Ersatz für Ausfälle vorgesehen ist, schriftlich davon unterrichtet werden darf, daß er kurzfristig einberufen werden kann:
Da die Behörden lediglich gegenüber "ungedienten Wehrpflichtigen" tätig werden können, steht der "Gegenstand" des staatlichen Handelns eindeutig fest. Ihre Tätigkeit ist dem Inhalt nach durch den Begriff "vorgesehen" hinreichend abgegrenzt. BVerfGE 69, 1 (41)BVerfGE 69, 1 (42)Dieser räumt den Behörden zwar einen Handlungsspielraum ein und bestimmt nicht näher, wen sie jeweils als Ersatz für Ausfälle vorzusehen haben. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt jedoch nur, daß der Einzelne wissen muß, inwieweit die Verwaltung in seinen Rechtskreis eingreifen darf (BVerfGE 9, 137 [149]). Dieses Erfordernis ist hier erfüllt, da dem Wehrpflichtigen ersichtlich ist, daß in seinen Rechtskreis durch eine Vorbenachrichtigung eingegriffen werden kann.
Neben Gegenstand und Inhalt des staatlichen Handelns ist auch dessen Zweck hinreichend genau umschrieben. Er besteht darin, der Bundeswehrverwaltung in bezug auf einen bestimmten Einberufungstermin die Möglichkeit zu eröffnen, kurzfristig deshalb eine Einberufung auszusprechen, weil das Plansoll an Einberufungen durch unvorhergesehene Ereignisse nicht eingehalten werden konnte (vgl. Fritz/Baumüller/Brunn, Kommentar zum Kriegsdienstverweigerungsgesetz, 2. Aufl. 1985, § 9 Rdnr. 23). Da die Bundeswehrverwaltung ausschließlich diesen Zweck berücksichtigen darf, ist sichergestellt, daß mittels der Vorbenachrichtigung nicht gezielt darauf Einfluß genommen wird, welches Anerkennungsverfahren zur Anwendung kommt.
Auch das Ausmaß des zulässigen Handelns ist in genügendem Maße festgelegt, da es sich nach der Anzahl der ausfallenden Wehrpflichtigen richtet.
b) Nichts anderes gilt, soweit sich die §§ 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 KDVG auf einberufene Wehrpflichtige beziehen. In den §§ 13 ff. MustV ist hinreichend genau festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Einberufung erfolgen darf.
7. Die für das Verfahren vor dem Bundesamt geltenden Vorschriften, insbesondere soweit sie dieses berechtigen, Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abzulehnen, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, daß dem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 KDVG ein ausführlicher Lebenslauf, eine persönliche, ausführliche Darlegung der Beweggründe für die GewissensentscheiBVerfGE 69, 1 (42)BVerfGE 69, 1 (43)dung und ein Führungszeugnis gemäß § 28 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 1976 (BGBl. I S. 2005) beizufügen sind.
aa) Diese Anforderungen sind nicht unverhältnismäßig. Sie sollen sicherstellen, daß das Bundesamt die ihm zugewiesene Aufgabe sachgerecht erfüllen kann. Dazu benötigt es in ausreichendem Maße Angaben und Unterlagen, die die behauptete Gewissensentscheidung belegen, gegebenenfalls aber auch in Frage stellen können. Für die anzustellende Prüfung ist es daher unerläßlich, daß der Antragsteller den Verlauf seines Lebens, soweit er für die Entscheidung des Bundesamtes bedeutsam ist, und die Beweggründe für seine Gewissensentscheidung nicht nur kurz und oberflächlich, sondern ausführlich schildert. Durch die Einsichtnahme in das Führungszeugnis gemäß § 28 BZRG kann das Bundesamt im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des Antragstellers überprüfen, ob dieser sich im allgemeinen an diejenigen sittlichen Maximen gehalten hat, die er als für sich verbindlich in Anspruch nimmt. Die mit der Vorlage des Führungszeugnisses verbundene Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitssphäre muß der Antragsteller hinnehmen, da im Falle eines Verzichts auf dieses Erkenntnismittel allenfalls durch den Antragsteller stärker belastende Maßnahmen eine fehlsame Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG verhindert werden könnte. Vor einer unangemessenen, übermäßigen Überprüfung seines strafrechtlich relevanten Vorlebens wird der Antragsteller hinreichend durch § 30 Abs. 2 BZRG geschützt.
bb) Die Verwendung der Begriffe "ausführlich" und "persönlich" in § 2 Abs. 2 Satz 3 KDVG verletzt nicht das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das Prinzip der Gewaltenteilung und die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes. Diese Begriffe sind gemeinverständlich, hinreichend bestimmt und klar.
cc) Das Erfordernis einer persönlichen und ausführlichen Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung verstößt BVerfGE 69, 1 (43)BVerfGE 69, 1 (44)auch nicht gegen das Gebot des fairen Verfahrens. Zwar mag es zutreffen, daß bestimmte Personengruppen, insbesondere ausdrucks- und schreibgewandte Personen, ihren Antrag leichter, besser und erfolgversprechender zu formulieren vermögen als andere. Das Bundesamt hat darin begründeten Schwierigkeiten bei der Beurteilung, ob eine Gewissensentscheidung vorliegt, dadurch Rechnung zu tragen, daß es den aus den Unterlagen erkennbaren Bildungsgrad des Antragstellers berücksichtigt.
b) Die Voraussetzungen, unter denen das Bundesamt einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ablehnen kann, stehen mit der Verfassung in Einklang. Der Gesetzgeber hat die Grenzen der Gestaltungsfreiheit, die ihm bei der Organisation und Ausgestaltung des Verfahrens zur Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern zusteht, nicht überschritten.
Die verfassungsrechtliche Überprüfung des Verfahrens vor dem Bundesamt hat seine Funktion zu berücksichtigen, insbesondere den Umstand, daß es keinen vollen Beweis für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung erbringen soll, sondern einen wesentlich begrenzteren Zweck verfolgt (vgl. dazu unter B I 4). Um seinem begrenzten Ziel, das sich aus der Verbindung mit dem verlängerten und veränderten Zivildienst rechtfertigt, zu entsprechen, bedarf es nicht so weitreichender organisatorischer und verfahrensrechtlicher Absicherungen, wie sie bei dem Verfahren vor den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung angebracht waren und sind.
aa) Bei der begrenzten Überprüfung nach den §§ 5 ff. KDVG ist eine hinreichende Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung auch dann gegeben, wenn nicht ein Kollegialorgan, sondern ein einzelner Amtswalter tätig wird. Aus dessen Weisungsgebundenheit läßt sich nicht folgern, daß er keine am Recht der Kriegsdienstverweigerung orientierte Entscheidung treffen könne oder werde (vgl. §§ 38 BRRG, 56 BBG).
bb) Eine sachgerechte Beurteilung des Anerkennungsbegehrens setzt eine mündliche Anhörung des Antragstellers nicht voraus. Sie würde dem Wesen des Verfahrens vor dem Bundesamt eher BVerfGE 69, 1 (44)BVerfGE 69, 1 (45)zuwiderlaufen. Es soll in der Regel gerade keine Erforschung des Gewissens mehr betrieben, sondern geklärt werden, ob bereits nach dem Vorbringen des Antragstellers davon auszugehen ist, daß er, wiewohl er den Zivildienst in seiner jetzigen Form auf sich nehmen will, dennoch keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat. Diese Prüfung, die im wesentlichen formaler Art und erheblich einfacher ist als die im Ausschußverfahren durchzuführende, kann ohne besondere Schwierigkeiten und sachgerecht auch im schriftlichen Verfahren erfolgen.
cc) Auch die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 KDVG ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Vorschrift ist allerdings dahin auszulegen, daß ein Antrag nur dann abgelehnt werden darf, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zweifelsfrei feststeht, daß die Beweggründe des Antragstellers nicht geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen. Das Bundesamt muß davon ausgehen können, daß die Annahme der fehlenden Eignung nicht auf einer Unvollständigkeit, Ergänzungsbedürftigkeit oder unzureichenden Substantiierung des Vorbringens, sondern allein darauf beruht, daß die rechtlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht gegeben sind. Anderenfalls hat das Bundesamt dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, sein Vorbringen binnen einer bestimmten Frist zu vervollständigen, zu ergänzen oder näher zu substantiieren. Erst danach ist es gegebenenfalls berechtigt, den Antrag nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KDVG abzulehnen.
Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 KDVG läßt eine solche Auslegung ohne weiteres zu. Sie steht ferner mit § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG in Einklang, wonach der Antrag nicht nur im Falle des § 6 Abs. 1 Satz 1 KDVG, sondern "auch" bei Unvollständigkeit abzulehnen ist. Sie entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers; in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es zu § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG, daß eine Schlüssigkeitsprüfung nur bei vollständigen Anträgen erfolgen soll (BTDrucks. 9/2124, S. 12). Die BVerfGE 69, 1 (45)BVerfGE 69, 1 (46)Vollständigkeit des Antrags schließt die "ausführliche Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 KDVG ein.
Bei dieser Auslegung ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KDVG mit Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG, dem Rechtsstaatsprinzip und dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar. Die Vorschrift bietet so jede Gewähr dafür, daß Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anerkannt werden. Geht aus dem Antrag eindeutig hervor, daß der Antragsteller in Verkennung der Rechtslage zu Unrecht meint, verweigerungsberechtigt zu sein, so scheidet eine Verletzung des Art. 4 Abs. 3 GG aus, weil der Antragsteller den Schutz dieses Grundrechts insoweit nicht genießt. In solchen Fällen macht es das Gebot des fairen Verfahrens nicht erforderlich, den Antragsteller vor der Ablehnung seines Antrags persönlich anzuhören, da seine Anerkennung ohnehin nicht in Betracht kommt und er im schriftlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt hat.
dd) Die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift ist so zu verstehen, daß das Bundesamt in seiner Aufforderung darzulegen hat, weshalb es den Antrag als unvollständig ansieht; dem Antragsteller muß deutlich vor Augen geführt werden, worin das Bundesamt den Mangel erblickt. Kommt er dennoch der Aufforderung durch das Bundesamt nicht nach, so ist die - dem § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG zugrunde liegende und dem Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG hinreichend Rechnung tragende - Annahme gerechtfertigt, daß er keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat. Der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen wird die ihm gebotene Gelegenheit zur Vervollständigung nutzen, da ihn die Ableistung des Wehrdienstes in schwere seelische Konflikte stürzen würde.
Sollte die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG ausnahmsweise zu einer materiell nicht gerechtfertigten Ablehnung eines Antrags führen, so liegt dies nicht an einer etwaigen Verfassungswidrigkeit der Vorschrift, sondern daran, daß der Antragsteller BVerfGE 69, 1 (46)BVerfGE 69, 1 (47)die ihm gebotene Gelegenheit, dem Bundesamt das Vorliegen einer Gewissensentscheidung darzulegen, nicht wahrgenommen hat. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Gesetz dem Antragsteller die Obliegenheit einer vollständigen Antragsbegründung aufbürdet und ihm deren etwaige Versäumnis zum Nachteil gereichen läßt. Das ist bei einem - in dem aufgezeigten Sinn (vgl. unter B I 2) - unter Verfahrensvorbehalt stehenden Grundrecht nur folgerichtig. Wenn ein Antragsteller das sich aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG ergebende Recht, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern und damit von der Erfüllung einer gemeinschaftsbezogenen Pflicht hohen Ranges befreit zu werden, für sich in Anspruch nimmt, so ist es ihm zuzumuten, der Behörde die hinreichend sichere Annahme zu vermitteln, daß allein ein Gewissenskonflikt seine Entscheidung bestimmt. Die Vollständigkeit des Antrags ist dafür eine notwendige Bedingung.
ee) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht deshalb verletzt, weil der Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer einerseits bei fehlender Eignung der dargelegten Beweggründe nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KDVG abzulehnen und andererseits bei Zweifeln an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers nach § 7 Sätze 1 und 2 KDVG an den Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung weiterzuleiten ist. Die Unterschiedlichkeit der Rechtsfolgen ist sachgerecht. Berufungen auf Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG, die schon nach dem gestellten Antrag erkennbar rechtsfehlerhaft oder gar mißbräuchlich sind - und nur für solche kommt eine Ablehnung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KDVG in Betracht (s. oben cc) -, kann im Verfahren vor dem Bundesamt wirksam begegnet werden. Bei Zweifeln an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers über äußere Tatsachen hingegen bietet dieses Verfahren nicht mehr die Gewähr, daß nur, aber auch alle Kriegsdienstverweigerer, die eine relevante Gewissensentscheidung getroffen haben, anerkannt werden. In diesen Fällen kann nur durch eine Überleitung des Verfahrens auf den Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung in hinreichendem Maße BVerfGE 69, 1 (47)BVerfGE 69, 1 (48)sichergestellt werden, daß eine sachlich richtige Entscheidung ergeht (vgl. unter B III 4 b cc).
ff) Daß schließlich nach § 7 Satz 3 KDVG - mit der sich aus §§ 18 Abs. 1 Satz 3, 17 KDVG ergebenden Rechtsfolge, daß ein Widerspruch gegen die Entscheidung nicht stattfindet - der Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung, wenn er die Zweifel des Bundesamtes an den tatsächlichen Angaben des Antragstellers nicht für begründet hält, nach Lage der Akten gemäß den Grundsätzen des § 5 Abs. 1 KDVG zu entscheiden hat und somit den Antrag auch ablehnen kann, ist aus den bereits genannten Gründen ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich.
c) Auch im übrigen begegnen die Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt, insbesondere die Vorschriften über die Nachprüfung ablehnender Entscheidungen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
aa) § 17 KDVG, der bestimmt, daß gegen ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes ein Widerspruch nicht stattfindet, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die behauptete Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt. Weder diese Verfassungsnorm noch das Rechtsstaatsprinzip oder Art. 3 Abs. 1 GG verlangen jedoch, daß dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein besonderes Widerspruchsverfahren vorgeschaltet wird, in dem alle Verwaltungsakte auf ihre Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden (BVerfGE 35, 65 [73]; 60, 253 [291]).
Ein besonderer Grund dafür, gerade gegen ablehnende Entscheidungen des Bundesamtes nach § 6 Abs. 1 KDVG den Rechtsbehelf des Widerspruchs vorzusehen, besteht nicht. Beruht die Ablehnung auf § 6 Abs. 1 Satz 1 KDVG, so können die Fragen, die Gegenstand eines etwaigen Widerspruchsverfahrens sein könnten, ohne Rechtsnachteil für den Antragsteller auch von den Verwaltungsgerichten geklärt werden. Wird ein Antrag nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KDVG als unvollständig abgelehnt, so ist ein BVerfGE 69, 1 (48)BVerfGE 69, 1 (49)Widerspruchsverfahren - mit dem Ziel der Vervollständigung - unnötig, weil der Antragsteller aufgrund der Aufforderung des Bundesamtes zur Vervollständigung bereits im Anerkennungsverfahren vor dem Bundesamt Gelegenheit hatte, seinen Antrag zu ergänzen.
bb) Auch die Ausgestaltung des Verfahrens vor dem Bundesamt ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar. Der sachliche Bestand oder Inhalt der von den Antragstellern als verletzt angesehenen Rechtsstellung des Kriegsdienstverweigerers wird nicht durch diese Vorschrift gewährleistet, sondern richtet sich nach der Rechtsordnung im übrigen (vgl. BVerfGE 15, 275 [281]; 61, 82 [110]). Die Vorwirkungen, die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf die Ausgestaltung des dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren vorgelagerten Verwaltungsverfahrens ergeben, sind nicht verkannt. Sie besagen, daß das Verwaltungsverfahren nicht daraufhin angelegt werden darf, den gerichtlichen Rechtsschutz zu vereiteln oder unzumutbar zu erschweren (BVerfGE 22, 49 [81 f.]; 61, 82 [110]). Daraus ergeben sich zunächst und in erster Linie Anforderungen an das Verhalten der Verwaltungsbehörde im Verwaltungsverfahren; sie darf z. B. spätere Nachprüfungsmöglichkeiten des Gerichts nicht ausschalten (BVerfGE 61, 82 [110]). Ferner darf dem Bürger, dessen Verhalten im Verwaltungsverfahren dazu geführt hat, daß ihm ein Recht nicht zuerkannt worden ist, nicht die Möglichkeit genommen oder unzumutbar erschwert werden, vor einem Gericht geltend zu machen, ihm stehe das Recht zu (vgl. a.a.O.). Mit einem derartigen Rechtsschutzbegehren kann sich der Antragsteller, der vom Bundesamt abgelehnt worden ist, ohne jegliche Beschränkung an das Verwaltungsgericht wenden. Da der ablehnende Bescheid des Bundesamtes nach § 39 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253) begründet werden muß, kann das Verwaltungsgericht ohne besondere Schwierigkeiten nachprüfen, ob die Ablehnung zu Recht erfolgt ist.
cc) Es ist auch unbedenklich, daß der Gesetzgeber keine ausdrückliche Regelung darüber getroffen hat, in welchem Umfang BVerfGE 69, 1 (49)BVerfGE 69, 1 (50)das Verwaltungsgericht prüfen muß, wenn der Antragsteller gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes klagt. Hierfür gelten die Regelungen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Es obliegt den Verwaltungsgerichten, die im Schrifttum umstrittene Frage zu entscheiden, ob entsprechend den geminderten Anforderungen im Verwaltungsverfahren auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Prüfungsumfang begrenzt ist (so Fritz/ Baumüller/Brunn, a.a.O., § 19 Rdnr. 15 ff.; Becker, RiA 1984, 97 [102]) oder ob das Verwaltungsgericht zu einer "Vollprüfung" befugt ist (so Günther, DVBl. 1983, 1083 [1093 f.]).
8. Die §§ 9 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie verstoßen nicht gegen die Grundsätze der Sachgerechtigkeit, Geeignetheit und Zumutbarkeit des Verfahrens. Die Mitglieder der Ausschüsse und Kammern sind gemäß §§ 9 Abs. 5 Satz 1, 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG an generelle oder Einzelweisungen nicht gebunden; das gilt auch für den Vorsitzenden. Seine Bestimmung durch den Bundesminister der Verteidigung ändert nichts an seiner Verpflichtung, eine ausschließlich am Recht orientierte Entscheidung zu treffen; sie vermag auch nicht die Vermutung einer Voreingenommenheit in dem Sinne zu begründen, er werde dieser Verpflichtung in falscher Rücksicht auf vermutete gegenläufige Interessen des Bundesministers der Verteidigung nicht nachkommen. Es ist alltägliche Aufgabe der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, Entscheidungen zu treffen, die eine Abwägung öffentlicher, von dem Ressort, dem sie angehören, zu verwaltender Interessen und privater, insbesondere grundrechtlich gesicherter Rechte erfordern. Solche gewissenhafte, den rechtlichen Anforderungen entsprechende Abwägungen sicherzustellen, dienen vor allem die dienstrechtlichen Vorkehrungen des Gesetz- und Verordnungsgebers, der seinerseits durch die Verfassung (Art. 33 Abs. 5, Art. 20 GG) verpflichtet ist, im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung für die gebotene Unabhängigkeit der Bediensteten zu sorgen. Für den Bereich des Bundesministers der Verteidigung gilt nichts anderes. Die verfassungsrechtliche Grundentscheidung BVerfGE 69, 1 (50)BVerfGE 69, 1 (51)für eine wirksame militärische Landesverteidigung bindet ebenso wie das Grundrecht des Art. 4 Abs. 3 GG alle staatlichen Organe und damit auch die Bundesregierung einschließlich aller ihrer Mitglieder in gleicher Weise. Daher kann sich aus Art. 4 Abs. 3 GG für die Bestimmung der Ressortkompetenz nichts ergeben.
9. Die Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung lehnen den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach den §§ 14 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1, 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG ab, wenn zu ihrer Überzeugung nicht hinreichend sicher angenommen werden kann, daß die Verweigerung auf einer durch Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Gewissensentscheidung beruht. Diese Regelung verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 48, 127 [Ls 7; 168]). Der Ersatzdienst ist vom Grundgesetz nicht als alternative Form der Erfüllung der Wehrpflicht gedacht (vgl. BVerfGE 48, 127 [LS 5; 165 f.]). Auch ist das Anerkennungsverfahren kein Widerlegungsverfahren in dem Sinne, daß die Anerkennungsbehörde schon die Behauptung des Antragstellers, er verweigere den Kriegsdienst aus Gewissensgründen, im Zweifel hinzunehmen hätte. Vielmehr obliegt es diesem, der Behörde die hinreichend sichere Annahme des Vorliegens der behaupteten Gewissensentscheidung zu vermitteln. Diese Rechtslage findet im Gesetz angemessenen Ausdruck.
10. § 8 Satz 1 KDVG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
a) Nach einer am Wortlaut orientierten Auslegung der Vorschrift sind die im Zeitpunkt des Eintritts des Spannungs- oder Verteidigungsfalles beim Bundesamt anhängigen Verfahren auf die nunmehr zuständigen Ausschüsse überzuleiten und von diesen zu entscheiden. Bei Anträgen, die vorher gestellt worden sind, besteht für einen solchen Wechsel in der Zuständigkeit keine zwingende Veranlassung; im Augenblick der Antragstellung hat der Zivildienst seine Indizwirkung möglicherweise noch voll entfaltet. Ob § 8 Satz 1 KDVG unter Berücksichtigung dieser Erwägung einschränkend dahingehend auszulegen ist, daß die Ausschüsse und Kammern für Kriegsdienstverweigerung nur für diejenigen Anträge, die nach dem Eintritt des Spannungs- und VerBVerfGE 69, 1 (51)BVerfGE 69, 1 (52)teidigungsfalles gestellt werden, zuständig sind, ist eine Frage des einfachen Rechts.
Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist auch die am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung unbedenklich. Danach beinhaltet die Regelung eine zulässige und deshalb mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbare Typisierung: Zum einen dürfte die Zahl derartiger Anträge gering sein, da das Verfahren vor dem Bundesamt - wie das Verfahren vor den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung (vgl. §§ 13, 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG) - der Beschleunigungsmaxime unterliegt und sich der Eintritt des Spannungs- und Verteidigungsfalles regelmäßig geraume Zeit vorher ankündigen wird. Zum anderen wäre der Gesetzgeber vor eine unlösbare Aufgabe gestellt, wenn er eine Regelung dahingehend schaffen wollte oder müßte, daß Anträge, die zu einem Zeitpunkt gestellt wurden, zu dem die Entscheidung für den Zivildienst noch als tragendes Indiz für das Vorliegen einer Gewissensentscheidung angesehen werden konnte, auch nach dem Eintritt des Spannungs- und Verteidigungsfalles vom Bundesamt zu bescheiden seien; in diesem Fall müßte er nämlich den - kaum bestimmbaren - Zeitpunkt festlegen, von dem an für die Antragsteller das Bevorstehen des Spannungs- und Verteidigungsfalles erkennbar wird.
b) Der Umfang des durch Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Schutzes wird durch die in § 8 Satz 1 KDVG getroffene Regelung nicht eingeschränkt. Das Verfahren nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG stellt - in gleichem Maße wie das Verfahren nach den §§ 4 ff. KDVG - sicher, daß, wie es das Grundgesetz verlangt, selbst in ernsten Konfliktslagen, in denen der Staat seine Bürger besonders fordert, dem Schutz des freien Gewissens des Einzelnen der Vorrang eingeräumt wird vor staatlichen Interessen (vgl. BVerfGE 12, 45 [54]; 48, 127 [163]). Im Verfahren vor den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung gelten - sowohl in Friedenszeiten als auch im Spannungs- und Verteidigungsfall - nicht etwa strengere, sondern diejenigen Prüfungsmaßstäbe, die auch im Verfahren vor BVerfGE 69, 1 (52)BVerfGE 69, 1 (53)dem Bundesamt anzuwenden sind. In allen Fällen kommt es allein darauf an, ob der Antragsteller die Gewissensentscheidung, die für die rechtmäßige Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erforderlich ist, auch wirklich getroffen hat. Schon an anderer Stelle (unter B III 4 b dd) ist dargelegt, daß der Gesetzgeber gehalten war, für den Spannungs- und Verteidigungsfall ein eingehenderes Verfahren als dasjenige vor dem Bundesamt vorzusehen.
c) Der Einwand, die Regelung des § 8 Satz 1 KDVG sei unzweckmäßig und nicht praktikabel, greift unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht durch.
Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung der Zwecktauglichkeit eines Verfahrens ein weiter Spielraum zu. Das Bundesverfassungsgericht kann nur überprüfen, ob er aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, daß seine Regelungen zur Erreichung des gesetzten Zieles geeignet sind, ob also seine Beurteilung sachgerecht und vertretbar ist (vgl. BVerfGE 30, 250 [263]). Eine Verletzung des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG oder des Rechtsstaatsprinzips käme nur in Betracht, wenn das gewählte Verfahren objektiv untauglich oder schlechthin ungeeignet wäre (vgl. BVerfGE 16, 147 [181]; 17, 306 [317]; 19, 119 [126 f.]). Die verfassungsrechtliche Prüfung der Zwecktauglichkeit eines Verfahrens muß berücksichtigen, daß die Bestimmung des geeigneten Verfahrens eine politische Entscheidung voraussetzt, bei der der Gesetzgeber von den zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes bestehenden Erkenntnismöglichkeiten auszugehen hat und die spätere Entwicklung des Geschehens nicht genau vorausberechnen kann.
Einer der seltenen und besonders gelagerten Fälle, in denen eine gesetzliche Regelung wegen objektiver Zweckuntauglichkeit für verfassungswidrig erklärt werden kann (vgl. BVerfGE 30, 250 [263 f.]), liegt bei § 8 Satz 1 KDVG nicht vor. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß das Verfahren nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG grundsätzlich auch im Spannungs- und Verteidigungsfall geeignet ist, eine sachgerechte EntBVerfGE 69, 1 (53)BVerfGE 69, 1 (54)scheidung über den Antrag des Kriegsdienstverweigerers herbeizuführen. Inwieweit diese Annahme richtig ist, läßt sich angesichts der dann herrschenden besonderen Verhältnisse nicht vorab beantworten. Anhaltspunkte dafür, daß das Verfahren objektiv untauglich oder ungeeignet ist, sind nicht ersichtlich.
11. In der verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung ist § 8 Satz 2 KDVG mit dem Grundgesetz vereinbar.
a) Nach § 8 Satz 2 KDVG können auch ungediente, aber nicht einberufene oder vorbenachrichtigte Wehrpflichtige, die ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt haben, im Spannungs- und Verteidigungsfall während ihres Anerkennungsverfahrens zum Wehrdienst einberufen werden. Legte man die Norm in Anlehnung an ihren Wortlaut dahingehend aus, daß sie eine Heranziehung zum uneingeschränkten Wehrdienst ermöglicht, wäre sie mit Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar. Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung räumt dem Schutz des Gewissens selbst in ernsten Konfliktslagen, in denen der Staat seine Bürger besonders fordert, den Vorrang ein gegenüber der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht zur Beteiligung an der bewaffneten Landesverteidigung und damit an der Sicherung der staatlichen Existenz (BVerfGE 12, 45 [54]; 28, 243 [260]; 48, 127 [163]). Sein Kernbereich besteht darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, in einer Kriegshandlung entgegen seinem Gewissen, das ihm eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet, einen anderen Menschen töten zu müssen (BVerfGE 12, 45 [56 f.]; 23, 191 [205]; 28, 243 [262]; 32, 40 [46 f.]; 48, 127 [163 f.]). Ein solcher Zwang tritt bei einer uneingeschränkten Dienstbeanspruchung im Spannungs- und vor allem im Verteidigungsfall unmittelbar an den Kriegsdienstverweigerer heran. Ihn vermögen Normen, die im Rang unter der Verfassung stehen, nicht zu rechtfertigen (BVerfGE 12, 45 [53]; 28, 243 [259]). Selbst kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte sind nur imstande, das unabdingbare, nicht einschränkbare Recht auf Kriegsdienstverweigerung in einzelnen BVerfGE 69, 1 (54)BVerfGE 69, 1 (55)Beziehungen, nicht aber in seinem Kernbereich zu begrenzen (vgl. BVerfGE 28, 243 [261]).
b) Eine Norm ist indessen nur dann für nichtig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist (BVerfGE 49, 148 [157]). Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist eine Auslegung geboten, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. BVerfGE 19, 1 [5]; 30, 129 [148]; 32, 373 [383 f.]; 49, 148 [157]).
§ 8 Satz 2 KDVG ist dahin auszulegen, daß der Wehrpflichtige nur zum waffenlosen Dienst herangezogen werden kann.
Dem steht der Wortlaut des § 8 Satz 2 KDVG nicht entgegen. Ausdrücklich besagt die Vorschrift nur, daß eine "Einberufung" bzw. eine "Heranziehung zum Wehrdienst" möglich ist (vgl. § 3 Abs. 2 KDVG). Sie bringt nicht abschließend zum Ausdruck, zu welcher Art von Dienst, ob also zum uneingeschränkten oder lediglich zum waffenlosen Dienst, der Antragsteller einberufen werden kann.
Die Entstehungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck des § 8 Satz 2 KDVG sprechen ebenfalls nicht gegen seine einschränkende Auslegung. Im Interesse der Normerhaltung, das im Zweifel eine verfassungskonforme Auslegung verlangt, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob dem subjektiven Willen des Gesetzgebers eine weitergehende als die nach der Verfassung zulässige Auslegung des Gesetzes eher entsprochen hätte (BVerfGE 49, 148 [157]). Von Bedeutung ist lediglich, daß eine Auslegung dem Willen des Gesetzgebers nicht zuwiderläuft. Dieser Fall liegt nicht vor. Die Auslegung, nach der eine Heranziehung des Antragstellers nur zum waffenlosen Dienst zulässig ist, deckt sich vielmehr weitgehend mit dem Willen des Gesetzgebers. Ihm lag daran, vor allem im Spannungs- und Verteidigungsfall die Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit der Bundeswehr so gut wie BVerfGE 69, 1 (55)BVerfGE 69, 1 (56)möglich zu gewährleisten. Er wollte zu diesem Zweck verhindern, daß eine Vielzahl ungedienter Wehrpflichtiger unter dem Eindruck der gesteigerten Gefahren des Wehrdienstes rechtsmißbräuchliche Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellt, um einer Einberufung zum Wehrdienst zumindest vorläufig zu entgehen. Diesen Zielen wird auch durch eine Einberufung zum lediglich waffenlosen Dienst in erheblichem Maße Rechnung getragen.
Daß diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers zuwiderliefe, läßt sich insbesondere nicht aus Art. 3 Nrn. 4 und 7 KDVNG folgern. Durch die Streichung des ehemaligen § 27 WPflG und der Worte "oder auf ihren Antrag zum waffenlosen Dienst" in § 48 Abs. 2 Nr. 2 WPflG hat der Gesetzgeber lediglich zum Ausdruck gebracht, daß an eine besondere Organisation des waffenlosen Dienstes nicht (mehr) gedacht ist. Damit ist, ganz abgesehen davon, daß diese Entscheidung rückgängig gemacht werden kann, nicht gesagt, daß die Möglichkeit, Wehrpflichtige zum Wehrdienst einzuberufen und in einer Weise zu beschäftigen, die sie nicht zwingt, mit der Waffe Dienst zu tun, nunmehr ausgeschlossen sein soll.
c) Werden ungediente Wehrpflichtige, die ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt haben, im Spannungs- und Verteidigungsfall zum waffenlosen Dienst in der Bundeswehr - also z. B. in der Militärverwaltung oder im Sanitätsdienst - einberufen, so wird dadurch der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht berührt. Die Vorschrift schützt nur vor solchen Tätigkeiten, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang zum Einsatz von Kriegswaffen stehen (Herzog in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Oktober 1984, Art. 4 Rdnrn. 171 f.). Sie berechtigt nicht zur Verweigerung des Kriegsdienstes schlechthin, sondern nur zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe (vgl. BVerfGE 12, 45 [56]; 32, 40 [45]).
d) Die Heranziehung zum waffenlosen Dienst bleibt zulässig, bis der Wehrpflichtige rechtskräftig als Kriegsdienstverweigerer BVerfGE 69, 1 (56)BVerfGE 69, 1 (57)anerkannt ist. Im Spannungs- und Verteidigungsfall, in dem der Staat alle verfügbaren Kräfte zur Sicherung seiner Existenz einzusetzen gezwungen ist, ist er dringend darauf angewiesen, Wehrpflichtige solange in der Bundeswehr verwenden zu können, bis endgültig feststeht, daß sie das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG zu Recht in Anspruch nehmen. Dem steht in dieser Lage kein gleichgewichtiges Interesse des Wehrpflichtigen gegenüber, vom Wehrdienst gewissermaßen vorsorglich verschont zu bleiben; denn im waffenlosen Dienst kann er nicht in die Zwangssituation kommen, vor der ihn das Grundrecht des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG zu bewahren bestimmt ist.
 
C.
 
Soweit in den Sondervoten nichts anderes dargelegt wird, ist die Entscheidung im Ergebnis einstimmig ergangen.
 
 
Wir können der Entscheidung des Senats in einem Punkt in der Begründung, in zwei Punkten in der Sache nicht zustimmen: Die wehrverfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 12 a, 73 Nr. 1, 87a und 115b GG enthalten keine normative verfassungsrechtliche Grundentscheidung, die über den unmittelbaren rechtlichen Gehalt dieser Vorschriften hinausgeht (nachfolgend I); die Verlängerung des Ersatzdienstes durch Art. 2 Nr. 5b KDVNG (§ 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG) auf derzeit 20 Monate ist wegen Verstoßes gegen Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG verfassungswidrig (nachBVerfGE 69, 1 (57)BVerfGE 69, 1 (58)folgend II); § 1 KDVG ist insoweit, als er - ebenso wie vorher § 25 WPflG a. F. - nur eine prinzipielle Kriegsdienstverweigerung als Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkennt, entgegen BVerfGE 12, 45 mit Art. 4 Abs. 3 GG unvereinbar (nachfolgend III).
I.
 
Der Senat sieht (unter B I 1) in den Vorschriften der Art. 12 a, 73 Nr. 1, 87a und 115b GG eine über deren unmittelbaren Inhalt hinausgehende "verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung", kraft deren unter anderem die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr "verfassungsrechtlichen Rang" haben. Er bringt damit in Anknüpfung an Vorentscheidungen des Gerichts einen verfassungstheoretisch-dogmatischen Ansatz zur Geltung, der die Integrität der Grundrechtsgeltung gefährdet und das Grundgefüge einer demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung verändert.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung des Ersten Senats vom 26. Mai 1970 den Art. 12a Abs. 1, 73 Nr. 1, 87a Abs. 1 Satz 1 GG entnommen, daß in ihnen die Wehrpflicht zu einer verfassungsrechtlichen Pflicht gemacht und eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die militärische Verteidigung getroffen worden sei. Aufgrund dessen hat es in Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr einen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswert gesehen, der ausnahmsweise imstande sei, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen, freilich ohne ihren Grundwertgehalt anzutasten (BVerfGE 28, 243 [LS 2; 261]). Der Beschluß des Zweiten Senats vom 12. Oktober 1971 bestätigt diese Rechtsprechung; er spricht zwar statt von der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung bei sonst wörtlicher Übernahme des Satzzusammenhanges nur von einer verfassungsrechtlichen Entscheidung; andererseits erhalten Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr BVerfGE 69, 1 (58)BVerfGE 69, 1 (59)die Funktion einer verfassungsimmanenten Grundrechtsschranke, gegen die das vom Grundrecht geschützte Freiheitsinteresse abzuwägen ist, nicht mehr nur ausnahmsweise (BVerfGE 32, 40 [46]). Im Urteil vom 13. April 1978 hat der Zweite Senat dann die "verfassungsrechtliche Grundentscheidung" wieder aufgenommen, in der auch ein Handlungsgebot für die staatlichen Organe gesehen wird; sie erhebt nunmehr allgemein die verfassungsrechtlich ermöglichte und gesetzlich begründete Wehrpflicht in eine dem individuellen grundrechtlichen Schutzanspruch gleichrangige Pflicht (BVerfGE 48, 127 [159 ff.]).
Diese Argumentation mit einer "verfassungsrechtlichen Grundentscheidung" nimmt der Senat im heutigen Urteil (unter B I) auf, ohne daß sie für die Entscheidung eine tragende Bedeutung hätte. Der Senat zieht allerdings für diese Grundentscheidung neben Art. 73 Nr. 1 und 87a Abs. 1 Satz 1 GG nunmehr ohne nähere Begründung auch Art. 12 a, Art. 87a insgesamt und Art. 115b GG heran, sucht ihr also eine breitere Absicherung zu geben.
2. Unser Bedenken gegen diesen verfassungstheoretisch-dogmatischen Ansatz liegt nicht darin, daß in ihm die Frage nach sogenannten immanenten Begrenzungen und Schranken vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte gestellt wird. Allerdings ist auch insoweit zu beachten, daß das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht, sich an der bewaffneten Landesverteidigung und damit insoweit an der Sicherung der staatlichen Existenz zu beteiligen, eine unüberwindliche Schranke entgegensetzt (im Urteil unter B I 2). Wir halten es aber für verfassungsrechtlich unzulässig, solche möglichen Begrenzungen und Schranken der Grundrechte, wie es hier geschieht, aus bundesstaatlichen Kompetenzvorschriften (Art. 73 Nr. 1, 87a GG), bloßen Ermächtigungsnormen (Art. 12a GG) oder Organisationsregelungen (Art. 115b GG) herzuleiten.BVerfGE 69, 1 (59)
BVerfGE 69, 1 (60)a) Bundesstaatliche Kompetenzvorschriften haben den Sinn, die Handlungsbereiche von Bund und Ländern gegeneinander abzugrenzen. Sie legen nicht bestimmte Aufgabenbereiche als notwendige Staatsaufgaben fest, sondern bestimmen, für welche Handlungsbereiche der Bund, sei es ausschließlich, sei es konkurrierend etc. im Verhältnis zu den Ländern zuständig ist. Ihr normativer Gehalt liegt darin, daß in den von ihnen bezeichneten Bereichen das Handeln der Staatsgewalt des Bundes - gegebenenfalls unter näher festgelegten einschränkenden Bedingungen - erlaubt ist. Sie besagen damit auch, daß das Handeln in diesen Bereichen von der innerbundlichen Verfassungsordnung her nicht überhaupt ausgeschlossen ist. Sie erheben Gegenstände möglichen staatlichen Handelns aber nicht zu materiell-rechtlichen Handlungsaufträgen, -geboten oder sonstigen "Wert"-Entscheidungen, die anderweitig in der Verfassung festgelegte Modalitäten oder Begrenzungen staatlichen Handelns wieder aufheben oder einschränken.
Entsprechendes gilt für Ermächtigungsnormen, wie sie in den Absätzen 1 bis 6 des Art. 12a GG in verschiedener Weise enthalten sind, und für die Organisationsregelung des Art. 115b GG. Die ersteren ermächtigen den Gesetzgeber zur Einführung bestimmter Dienstleistungspflichten, letztere legt fest, daß eine bestimmte Zuständigkeit im Verteidigungsfall vom Ressortminister auf den Bundeskanzler übergeht. Darin und nur darin liegt ihr normativer Gehalt.
b) Werden gleichwohl aus diesen oder anderen Grundgesetzbestimmungen solcher Art über deren unmittelbaren normativen Gehalt hinaus "verfassungsrechtliche Grundentscheidungen" oder "Rechtswerte von verfassungsrechtlichem Rang" entnommen, die die Bedeutung immanenter Grundrechtsschranken erlangen, findet eine unzulässige interpretative Umdeutung dieser Bestimmungen statt.
Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß die in Bezug genommenen wehrverfassungsrechtlichen Vorschriften einen Doppelcharakter hätten: Neben Kompetenz-, Ermächtigungs- und OrBVerfGE 69, 1 (60)BVerfGE 69, 1 (61)ganisationsregelungen mit darauf bezogenem und begrenztem Gehalt seien sie zugleich Ausdruck einer in und mit ihnen getroffenen verfassungsrechtlichen Grundentscheidung, die eigenen normativen Gehalt aufweise. Denn weder ihr Wortlaut noch ihre systematische Stellung und Funktion, noch auch ihre Entstehungsgeschichte geben für diesen Doppelcharakter etwas her. Art. 73 Nr. 1, 87a Abs. 1 Satz 1 GG sind typische Kompetenzregelungen, denen die indikativische Aussageform eigentümlich ist (vgl. Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 89 Abs. 2 Satz 1 GG), und sie haben die entsprechende systematische Stellung im Grundgesetz. Die Beschränkungen und Ermächtigungen für den Einsatz der Streitkräfte in Art. 87a Abs. 2 bis 4 GG gehen nicht über den Rahmen einer Kompetenzumgrenzung hinaus; hierzu weisen Art. 91 und Art. 89 Abs. 3 GG Parallelen auf. Bei den Ermächtigungsnormen des Art. 12a GG und der Organisationsregelung des Art. 115b GG verhält es sich entsprechend.
Zwar ist es richtig, daß bei der Einfügung der wehrverfassungsrechtlichen Vorschriften in das Grundgesetz beim verfassungsändernden Gesetzgeber der politische Wille vorhanden war, die Grundlagen für eine funktionsfähige Landesverteidigung zu schaffen. Dieser politische Wille ist indes in der Weise normativ umgesetzt worden, daß Einzelbestimmungen kompetenzrechtlicher, ermächtigender und organisatorischer Art in das Grundgesetz eingefügt wurden, nicht aber so, daß eine eigene normative Grundentscheidung und ein ihr entsprechendes normatives Prinzip neben die in Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 bis 3 GG bereits vorhandenen gestellt wurde. Für letzteres fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt. Schon die Tragweite eines solchen Begriffs ist unklar: Die für jede funktionsfähige militärische Verteidigung notwendigen zivilen Voraussetzungen (z. B. Versorgung, Rüstung, Verkehr), sind offenbar in dem Begriff nicht miteingeschlossen. Von einer "Grundentscheidung" kann also allenfalls im Sinne eines die getroffenen Einzelregelungen zusammenfassenden deskriptiven Begriffs die Rede sein. Die Konsequenzen, die sich aus der anders gerichteten Auffassung des Senats für den Gehalt BVerfGE 69, 1 (61)BVerfGE 69, 1 (62)von Grundrechtsgewährleistungen und das Gefüge einer demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung ergeben können, sind weittragend:
c) Im Hinblick auf die Grundrechtsgewährleistung wird zum einen ein sehr breites und unbestimmtes Arsenal möglicher Grundrechtseinschränkungen geschaffen. Wenn Art. 73 Nr. 1, 87a Abs. 1 GG grundrechtsbeschränkende Rechtswerte oder Grundentscheidungen hergeben, können solche mit der gleichen Logik auch aus den zahlreichen anderen Kompetenzbestimmungen, etwa der Art. 73 bis 75 und auch der Art. 87 Abs. 1, 87 b, 105 Abs. 1 GG usw. abgeleitet werden. Entsprechendes gilt im Hinblick auf Art. 12a und Art. 115b GG. Der Umfang möglicher Grundrechtseinschränkungen hängt damit von der sachlichen Spezialisierung der Kompetenzbestimmungen, Ermächtigungsnormen und Organisationsregelungen ab. Dieser Gesichtspunkt ist indessen gegenüber der Funktion von Grundrechtsschranken völlig disfunktional. Vollends beim Vergleich mit dem Einheitsstaat zeigt sich die Unhaltbarkeit dieser Konstruktion: Dessen Verfassung braucht keine Kompetenzverteilungsregeln; in ihm wären aber, wenn schon, kompetenzartige Grundentscheidungen oder Rechtswerte von Verfassungsrang als immanente Begrenzung der Grundrechte ebenso von Bedeutung und notwendig wie im Bundesstaat.
Zum anderen wird die Geltungskraft verfassungsrechtlicher Grenzfestlegungen für die Ausübung der Staatsgewalt, die in den Grundrechten enthalten sind, nachhaltig verändert. Werden einer Grundrechtsgewährleistung ranggleich andere verfassungsgeschützte Rechtswerte oder Grundentscheidungen in der Form von Kompetenzbestimmungen, Ermächtigungsnormen und Organisationsregelungen gegenübergestellt, so werden in die Verfassung Spannungsverhältnisse hineinverlegt, für deren Auflösung sie keine Maßstäbe enthält. Die "Einheit der Verfassung" ist ein solcher Maßstab nicht; denn dieser Topos ergibt allenfalls, daß eine Auflösung des Spannungsverhältnisses, aber nicht auf welche BVerfGE 69, 1 (62)BVerfGE 69, 1 (63)Weise, d. h. nach welchem Vorrang- oder Ausgleichsprinzip, sie zu erfolgen hat.
Die Verfassung verliert so die inhaltliche Bestimmtheit, die es möglich macht, sie auf die ihr unterliegenden Sachverhalte wirklich anzuwenden; sie spiegelt nur die Spannungslage wider, ohne selbst eine Entscheidungsnorm zu deren Lösung zu enthalten. Die Folge ist, daß eine Abwägung zwischen den von der Verfassung normativ nicht mehr übergriffenen Spannungselementen stattfinden muß. Diese Abwägung kann mangels eines generellen Maßstabes nur auf den konkreten Fall bezogen sein; sie wird als solche letztlich vom Richter, insbesondere vom Bundesverfassungsgericht, getroffen. Das anwendbare Recht hat dann seinen Sitz nicht mehr in der Verfassung, sondern im Abwägungsspruch des Richters (vgl. Rainer Eckertz, Die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Grenzproblem des Rechts, Dissertations-Manuskript S. 224 ff.; zum Problem auch Denninger, Verfassungsrechtliche Schlüsselbegriffe in: Festschrift für Rudolf Wassermann, 1985, S. 279 [294 ff.]). Die Grundrechte werden zu Abwägungsgesichtspunkten, erscheinen als ein Interesse (vgl. BVerfGE 28, 243 [261]) des Grundrechtsträgers, dem andere Interessen oder Gesichtspunkte gegenüberstehen.
d) Ebenso weittragend ist die auflösende Konsequenz für das Gefüge der demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung. Es gehört zu deren Grundidee, daß das politisch organisierte Volk als solches befugt ist, zur Wahrnehmung der anfallenden öffentlichen Aufgaben zu handeln. Die Verfassung bestimmt hierzu die Organe und regelt deren Konstituierung, teilt ihnen Aufgaben und Funktionen zu, schreibt das Verfahren vor und legt insbesondere Richtpunkte und Grenzen für das staatliche Handeln gegenüber dem Einzelnen fest, letzteres vor allem in den Grundrechten als Freiheitsrechten. Soweit die Verfassung solche Grenzen zieht, sind diese für das staatliche Handeln verbindlich und werden nicht durch die staatlichen Aufgaben als "Verfassungswerte" wieder in eine Schwebelage gebracht. Der Verfassungsgesetzgeber selbst entscheidet durch seine normativen Festlegungen allfällige BVerfGE 69, 1 (63)BVerfGE 69, 1 (64)Interessenkonflikte und Spannungslagen; Art, Umfang und Intensität der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben haben sich danach zu richten.
Dieses klare normative Gefüge der Verfassung wird durch den seit BVerfGE 28, 243 verfolgten Ansatz aufgelöst. Die vom Verfassungsgesetzgeber normierten Beschränkungen und Grenzen staatlicher Tätigkeit, wie sie gerade in den Grundrechten als Freiheitsrechten zum Ausdruck kommen, begrenzen nicht mehr als solche, nach Maßgabe ihres Schutzbereichs und Gewährleistungsinhalts, die Tätigkeit der hoheitlich handelnden Staatsgewalt; sie relativieren sich vielmehr zu Positionen und Gesichtspunkten eines Prozesses der Abwägung, dessen Kriterien nicht mehr in der Verfassung selbst enthalten sind. Werden als Gegenposition der Abwägung dabei Kompetenzbestimmungen oder Organisationsregelungen herangezogen, die materiell überhöht werden, kann nahezu jede Grundrechtsbeschränkung im Wege der Verfassungsinterpretation legitimiert werden.
e) Diese Relativierung der Grundrechtsgeltung spitzt sich besonders zu, wenn als das Grundrecht beschränkender Verfassungswert gerade diejenige staatliche Aufgabe oder Funktion herangezogen wird, gegen die sich das Grundrecht in seiner staatliches Handeln begrenzenden Freiheitsverbürgung richtet. So ist es hier. Art. 4 Abs. 3 GG entfaltet seine normative Begrenzungswirkung gerade gegenüber der staatlichen Aufgabe der Herstellung einer funktionsfähigen Landesverteidigung. Wird nun dieses "Gegeninteresse" seinerseits als gleichrangige Gegenposition oder Begrenzung des Grundrechts eingeführt, verliert das Grundrecht entgegen seinem normativen Gehalt den Charakter einer verfassungsrechtlich eindeutigen Entscheidung; es wird zum bloßen Abwägungsgesichtspunkt. Es kommt hinzu, daß beide Positionen, die des Grundrechts der Kriegsdienstverweigerung und die der funktionsfähigen militärischen Landesverteidigung, Positionen eines Grenz- und Ernstfalles sind. Erfolgt hier die Abwägung des Spannungsverhältnisses nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, liegt es nahe, daß die VerteidigungsBVerfGE 69, 1 (64)BVerfGE 69, 1 (65)fähigkeit der Bundesrepublik das sich behauptende, die Kriegsdienstverweigerung das zurückweichende Element wird. Der Senat selbst lehnt eine solche Konsequenz ab und hält richtigerweise an der Uneinschränkbarkeit des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG auch im Fall der äußeren Existenzbedrohung des Staates fest. Aber der von ihm vertretene verfassungstheoretisch dogmatische Ansatz, der letztlich die Verfassungsbestimmungen zum Abwägungsmaterial richterlicher Entscheidungsfindung herabstuft, treibt, logisch fortentwickelt, zu dieser Konsequenz hin. Es gibt dann keinen verfassungsrechtlichen Halt gegen einen alle Grundrechte den Erfordernissen der Landesverteidigung unterwerfenden Schrankenvorbehalt.
3. Der vom Senat aufgenommene und bestätigte verfassungstheoretisch-dogmatische Ansatz ist somit für eine Bestimmung von immanenten Schranken der Grundrechte verfassungsrechtlich ungeeignet. Für Art. 4 Abs. 3 GG folgt daraus:
a) Schutzbereich und Gewährleistungsinhalt dieses Grundrechts sind aus sich, d. h. aus seinem mittels herkömmlicher Interpretation ermittelbaren normativen Gehalt zu bestimmen. Dabei ist für inhaltliche Begrenzungselemente, die aus materiell aufgefüllten Kompetenzbestimmungen, Ermächtigungsnormen und Organisationsregelungen hergeleitet werden, kein Raum. In seinem normativen Gehalt setzt Art. 4 Abs. 3 GG gegebenenfalls Grenzen für Ausbau und Organisation der militärischen Landesverteidigung, nicht umgekehrt. Dies ist im Ergebnis auch die Auffassung des Senats (vgl. B I 2 des Urteils).
Immanente Schranken des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG können nicht aus dem ihm gegenüberstehenden staatlichen "Gegeninteresse", d. h. der Aufgabe zur Herstellung einer funktionsfähigen Landesverteidigung, gewonnen werden; denn gerade dieser staatlichen Aufgabe gegenüber ist Art. 4 Abs. 3 GG vom Verfassungsgeber als Begrenzung normiert worden. Sie können darüber hinaus auch generell nicht aus Kompetenzbestimmungen, BVerfGE 69, 1 (65)BVerfGE 69, 1 (66)Ermächtigungsnormen oder Organisationsregelungen hergeleitet werden, weil diese dafür nach normativem Gehalt und verfassungsrechtlicher Funktion keinen Anknüpfungspunkt abgeben.
Das bedeutet, daß wirkliche Gewissensentscheidungen der Bürger potentiell für die Gestaltung der Verteidigungspolitik durchaus relevant werden können. Dies ist keine unzulässige Überdehnung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG; es ist vom Verfassungsgeber dadurch, daß er die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Grundrecht anerkannt und ausgestaltet hat, bewußt in Kauf genommen, wenn nicht gar gewollt worden.
b) Die Ermächtigung des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG bezieht sich auf die Vorkehrungen, die zur Anwendung und Verwirklichung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erforderlich sind. Sie findet ihren Sinn und ihre Grenze darin, daß die Feststellung ermöglicht wird, ob der Tatbestand des Grundrechts, von dem seine Gewährleistung abhängig ist, d. h. die Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe, bei demjenigen vorliegt, der sich auf sein Gewissen beruft. Die aufgrund von Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG getroffene Verfahrensregelung muß zur Feststellung dieses Tatbestandes, die eine Frage der Rechtsanwendung ist, geeignet sein. Darüber hinausgehenden Zwecken hat sie, weil auf die Verwirklichung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG bezogen, nicht zu dienen. Sie kann andere Zwecke nur soweit berücksichtigen oder mit in sich aufnehmen, als dadurch dieses Regelungsziel nicht beeinträchtigt wird.
II.
 
Im Gegensatz zur Auffassung des Senats wird Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG durch die Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG verletzt, daß der Zivildienst um ein Drittel länger dauert als der Grundwehrdienst. Zwar ist die gesetzliche Regelung allein unter dem Blickwinkel des Art. 4 Abs. 3 GG betrachtet geeignet, als Indiz für das Vorliegen einer wirklichen Gewissensentscheidung zu dienen. Der Gesetzgeber muß jedoch bei der Wahl seiner Mittel zur Überprüfung dieser Entscheidung auch die Vorschrift des BVerfGE 69, 1 (66)BVerfGE 69, 1 (67)Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG beachten, nach der die Dauer des Ersatzdienstes die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen darf. Der Senat bestimmt den Begriff "Dauer des Dienstes" aus Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich unrichtig: Der Begriff erlaubt neben dem quantitativ zu verstehenden Zeitvergleich keinen Belastungsvergleich in qualitativer Hinsicht; er läßt ebensowenig zu, daß unbefristete Dienstzeiten mit befristeten verglichen werden, und er gibt nicht Raum für einen Vergleich der tatsächlichen Dauer des Ersatzdienstes mit der nur rechtlich möglichen, aber nicht tatsächlich gegebenen Dauer des Wehrdienstes (vgl. B III 1 a).
1. a) Dem Wortlaut des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG nach geht es um den Vergleich der Dauer zweier Dienste. "Dauer" ist ein quantitativer Begriff, der sich auf Zeiträume bezieht. In diesem Sinne wird er im Wehrrecht verwendet (vgl. Titel und Inhalt des Gesetzes zur Dauer des Grundwehrdienstes und der Gesamtdauer der Wehrübungen vom 24. Dezember 1956 [BGBl. I S. 1017], § 3 Abs. 3 und 4, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 bis 3 WPflG, § 24 Abs. 2 ZDG und § 12 Abs. 1 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst vom 13. Januar 1960 [BGBl. I S. 10]).
Das schließt es aus, Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG dahin auszulegen, es werde ein "Gleichgewicht der Belastung von Wehr- und Ersatzdienstleistenden" sichergestellt. Das Grundgesetz spricht nicht von "Belastung", sondern von "Dauer". Der Begriff der Belastung taugt zur Interpretation des Art. 12a Abs. 2 GG nicht, wenn er sich dem Begriff der "Dauer des Dienstes" überordnet, sondern nur, wenn er sich ihm fügt. "Gleiche Belastung" im Sinne des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG kann also immer nur heißen: "Gleiche Belastung in der Dauer des Dienstes". Die Bestimmung erlaubt hiernach nicht, "vorgegebene Unterschiede zwischen Wehr- und Zivildienst" im Sinne einer gegenüber dem Zivildienst größeren Belastung des Wehrdienstes bei der Festsetzung der Dauer des Zivildienstes zu berücksichtigen. Im übriBVerfGE 69, 1 (67)BVerfGE 69, 1 (68)gen reichen die dem Senat bekannten Tatsachen zu einer vergleichenden Beurteilung der Belastungen des Wehrdienstes und des Zivildienstes nicht aus. Die schriftsätzlichen und mündlichen Äußerungen sind widersprüchlich und vom Senat nicht aufgeklärt worden. Der umfangreiche Fragenkatalog, den der Senat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung der Bundesregierung übersandte, enthielt keine Fragen zur qualitativen Belastung des Wehrdienstes einerseits und des Zivildienstes andererseits.
Auch wo der Gesetzgeber notwendigerweise Wehrdienst und Ersatzdienst vergleichen muß, also dort, wo er über die Dauer des Ersatzdienstes desjenigen entscheidet, der den Grundwehrdienst schon geleistet hat, verfährt er im Sinne des hier gefundenen Ergebnisses: Angerechnet wird auf die Zivildienstzeit nur die Zeit des Wehrdienstes (§ 22 ZDG).
b) Sodann setzt ein Zeitvergleich anhand des Begriffs der Dauer voraus, daß dieser Begriff innerhalb des Vergleiches einheitlich verwandt wird, weil anderenfalls die vergleichende Betrachtungsweise nicht logisch durchgeführt werden kann. Gleiche Dauer bedeutet also: Es können die verglichenen Zeiträume beider Glieder des Vergleichspaares nur einem Begriff unterstellt werden, entweder dem der befristeten Dauer oder dem der unbefristeten Dauer.
Unzutreffend ist deshalb das weitere Argument des Senats, die längere Dauer des Zivildienstes in Friedenszeiten rechtfertige sich aus der unbefristeten Heranziehung des Wehrdienstleistenden im Verteidigungsfalle. Denn dann ist die Dauer des Zivildienstes gleichfalls nicht befristet (§ 79 Nr. 1 ZDG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 WPflG). Der Gesetzgeber hat in Übereinstimmung mit Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG die gleiche Kategorie von unbefristeter Dienstzeit für den gleichen Fall auf beide Dienste erstreckt. Wenn die Exekutive für die Verwendung von Zivildienstleistenden im Verteidigungsfall zur Zeit noch nichts geplant hat, ist das kein zureichender verfassungsrechtlicher Grund, die unbefristete Wehrdienstzeit im Verteidigungsfall zur BeBVerfGE 69, 1 (68)BVerfGE 69, 1 (69)gründung der Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG heranzuziehen. Der Vergleich der Dauer der regulären Dienstzeiten erlaubt nicht die Gleichung mit einer Unbekannten.
c) Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG bestimmt die Dauer von Diensten. Diese Dienste sind auch gegen den Willen der Betroffenen zu leisten. Es geht mithin um eine zeitliche Belastung, nicht um eine Vergünstigung. Wenn die Verfassung dem Gesetzgeber erlaubt, einer bestimmten Vielzahl von Bürgern einen Dienst aufzuerlegen, dessen Länge sich von dem Dienst einer anderen Gruppe nicht unterscheiden soll, so liegt im Begriff der Pflichtigkeit zu einem Dienen, also zu einem Tätigsein, daß die Dauer dieses Dienstes in beiden Gruppen entweder nur eine Möglichkeit ist oder sich konkret ereignen muß. Nur mit dieser Unterscheidung kann geklärt werden, was gleicher Dienst und was also gleiche zeitliche Belastung bedeutet. Auch hier gilt das zur Logik eines Vergleichs unter b) Ausgeführte.
Da zum Wehrdienst begrifflich auch die Wehrübungen und der Wehrdienst in der Verfügungsbereitschaft gehören (§ 4 Abs. 1 WPflG), beides sich indessen für die Soldaten unterschiedlich und in unterschiedlicher Länge ereignet, kann eine auf den Tag genau gleiche Dauer für alle Wehr- und Ersatzdienstleistenden nicht erreicht werden. Es kommt mithin darauf an, daß typischerweise oder - falls das aus wehrtechnischen Gründen nicht möglich ist - jedenfalls durchschnittlich die tatsächliche Dauer von Wehrdienst und Ersatzdienst gleich ist (vgl. neuestens Starck in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 3. Aufl., 1985, Art. 4 Rdnr. 111 f. m. w. N.).
2. Die Materialien zur Entstehung der Bestimmung des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG bestätigen diesen Befund mit seltener Eindeutigkeit. Die Pointe der Bestimmung war gerade der Ausschluß derjenigen Regelung, die jetzt Gesetz geworden ist. Deswegen haben die Materialien für die Auslegung dieser Verfassungsvorschrift eine besondere Bedeutung.
Der Abgeordnete Dr. Arndt begründete den von ihm vorgeschlagenen Satz - den nunmehrigen Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG - so:BVerfGE 69, 1 (69)
    BVerfGE 69, 1 (70)Die Begrenzung seiner Dauer sei notwendig, weil in der Öffentlichkeit Erörterungen darüber stattgefunden hätten, daß er zur Erschwerung länger dauern solle. (Prot. der 110. Sitzung des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Deutschen Bundestages, 2. Wp., vom 20. Februar 1956, S. 10).
Die Berichterstatterin, Frau Dr. Schwarzhaupt, wandte sich gegen diesen Vorschlag:
    Bezüglich des zweiten Satzes über die Dauer des Ersatzdienstes sei es fraglich, ob man in einer Zeit, in der die Form dieses Ersatzdienstes noch nicht klarstehe und man damit noch keinerlei Erfahrungen habe, schon festlegen solle, daß er sich nicht wie in vielen anderen Ländern durch seine Dauer vom Wehrdienst unterscheiden dürfe. Der Ersatzdienst solle keinen Strafcharakter haben und nicht schwerer und nicht unangenehmer sein als der Wehrdienst. In bezug auf die Beschwerlichkeit solle aber ein Gleichgewicht bestehen. Es könne humaner sein, wenn man dieses Gleichgewicht durch eine verlängerte Dauer herstelle, als wenn man es durch eine sonstige Erschwerung des Dienstes herstelle. Von einer solchen Beschränkung sollte man also absehen (Prot. der 111. Sitzung des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Deutschen Bundestages, 2. Wp., vom 21. Februar 1956, S. 12).
Auch in der 112. Sitzung plädierte sie nochmals für eine Verlängerung des Zivildienstes. Es müsse noch erwogen werden, ob nicht eine beschränkte Verlängerung des Ersatzdienstes ein zweckmäßiges Mittel sei, das Gleichgewicht herzustellen (Prot. der 112. Sitzung vom 22. Februar 1956, S. 6).
Daraus ergibt sich, daß Frau Dr. Schwarzhaupt den Verfassung gewordenen Satz nicht anders denn als quantitativ zu verstehende Bestimmung auf der Basis gleicher tatsächlicher Beanspruchung aufgefaßt hat. Eben aus diesem Grunde lehnte sie ihn ab. Das gleiche gilt für Ministerialdirigent Dr. Barth aus dem Bundesverteidigungsministerium, der in den Ausschußberatungen erklärte,
    daß das Bundesverteidigungsministerium in der Sache mit den Forderungen des Korreferenten durchaus übereinstimme, aber in der BVerfGE 69, 1 (70)BVerfGE 69, 1 (71)gegenwärtigen unübersehbaren Lage und angesichts der Tatsache, daß man Neuland beschreite, einer verfassungsmäßigen Festlegung auf diese Lösung nachdrücklich widersprechen müsse. Man könne, wenn man mit dem Versuch der schwierigen Gewissenserforschung etwa scheitere, nicht dafür garantieren, zu welchen Maßnahmen man unter Umständen gezwungen sein würde. Eine verfassungsmäßige Festlegung auf diesem in seiner Weiterentwicklung noch nicht übersehbaren Gebiet würde Bindungen auferlegen, die man vielleicht in einigen Jahren sehr bereuen würde (Prot. der 111. Sitzung, S. 15).
Auch Dr. Barth hat mithin wie Frau Dr. Schwarzhaupt die vom Abgeordneten Dr. Arndt vorgeschlagene Bestimmung als Ausschluß der Möglichkeit einer Verlängerung des Ersatzdienstes interpretiert; er hat für den Fall des Scheiterns einer Gewissenserforschung die Möglichkeit einer "mechanischen Auslese", wie er die Verlängerung des Zivildienstes über die Zeit des Wehrdienstes hinaus unter Hinweis auf eine solche Regelung in den Niederlanden nannte (Prot. der 110. Sitzung, S. 10), offenhalten wollen.
Als der Abgeordnete Seidl (Dorfen) vorschlug, den Ersatzdienst auf zwei Jahre auszudehnen, falls die Ersatzdienstleistungen nicht auch Reserveübungen umfaßten, erwiderte der Abgeordnete Dr. Arndt:
    In der Formulierung, daß die Dauer des Ersatzdienstes die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen dürfe, liege keine Unklarheit. Der Wehrdienst umfasse die gesamte Zeit des aktiven Dienstes, also die Grundausbildung zuzüglich etwaiger Pflichtübungen. Natürlich werde es sich für den Ersatzdienstpflichtigen empfehlen, den Dienst auf einmal abzuleisten und nicht später alle zwei Jahre für vier Wochen dazu herangezogen zu werden. Man dürfe aber nicht etwa von dem Prinzip der mechanischen Auslese ausgehen, indem jemand sein Gewissen dadurch unter Beweis stellen solle, daß er den Ersatzdienst für längere Zeit auf sich nehme. Aus vielen Gründen bestehe Veranlassung, hier verfassungsrechtliche Klarheit zu schaffen. Da der Wehrdienstpflichtige im Verteidigungsfalle einer unbefristeten Wehrdienstpflicht unterliege, solange er wehrtauglich sei, würde dies auch für den Ersatzdienstpflichtigen gelten. Das liege sehr wohl im Interesse der Kriegsdienstverweigerer, die auf diese Weise nicht BVerfGE 69, 1 (71)BVerfGE 69, 1 (72)unter Umständen in ein schiefes Licht kommen könnten. Dieses Grundrecht solle ja nicht entwertet werden. Schließlich solle man den Ersatzdienst gegen jede Diskriminierung oder Diffamierung sichern (Prot. der 111. Sitzung, S. 14 f.).
Hier tritt auch der Normzweck der Bestimmung des Art. 12a Abs. 2 und 3 GG hervor: Die Sätze sind Schutzgesetze zugunsten der Kriegsdienstverweigerer. (Dieser Gedanke stand so eindeutig im Vordergrund, daß Arndt auch den dem Gesichtspunkt der Wehrgerechtigkeit entsprechenden Gedanken des "Sonderopfers" zugunsten der Allgemeinheit, das Wehrdienst- und Zivildienstleistende in gleicher Weise treffen müsse, abweist [NJW 1968, S. 979]).
Die Diskussion ging mithin übereinstimmend davon aus, daß die Verfassung gewordene Vorschrift die Möglichkeit verbaue, eine gegenüber der Wehrdienstdauer längere Dauer des Ersatzdienstes vorzusehen, und zwar auch, wenn sie zum Ausgleich unterschiedlicher "Beschwerlichkeit" (Dr. Schwarzhaupt, a.a.O.) geschehe. Es ging, wie die Äußerungen Dr. Arndts zur unbefristeten Ersatzdienstzeit im Verteidigungsfall deutlich machen, um eine zeitliche Belastungsgleichheit in jeder nur denkbaren Hinsicht, und dies im Interesse der Kriegsdienstverweigerer selbst. Lediglich zum Thema Wehrübungen fand es Dr. Arndt empfehlenswert, die Zeit etwaiger Pflichtübungen der Wehrdienstleistenden dem Ersatzdienst von vornherein zuzuschlagen. Wer von "etwaigen" Pflichtübungen spricht, meint solche, die als Möglichkeit auch wirklich geworden sind. Hätte Dr. Arndt damit diejenige Zeit gemeint, die nach dem Gesetz ohne Rücksicht auf ihre Realisierung möglich sein wird, so hätte er Frau Dr. Schwarzhaupt und Dr. Barth darauf hingewiesen, daß ihr Anliegen mit dem von ihm vorgeschlagenen Verfassungstext abgedeckt sei.
Die Klarstellung von Dr. Arndt, der Ersatzdienst habe den Wehrdienst zuzüglich etwaiger Pflichtübungen gleichsam "im Stück" zu vereinigen, ist in dem von der Berichterstatterin Frau Dr. Schwarzhaupt verantworteten Ausschußbericht (BTDrucks. BVerfGE 69, 1 (72)BVerfGE 69, 1 (73)II/2150, S. 2) mit der Begründung wiedergegeben worden, daß es der Bestimmung über die gleiche Dauer des Ersatzdienstes nicht widerspreche, wenn der Ersatzdienstpflichtige die Dienstzeit, zu der der Wehrpflichtige in späteren Reserveübungen herangezogen werde, im Anschluß an die erste Ersatzdienstzeit ableistet. Auch diese Formulierung ist in ihrem Gehalt eindeutig: Würde sie besagen, daß der Gesetzgeber hier Spielraum hat, dem Zivildienstleistenden eine Zeit zwischen der Dauer des Grundwehrdienstes und der Dauer des Grundwehrdienstes zuzüglich neun Monaten höchstzulässiger Wehrübungszeit aufzuerlegen, hätte die Berichterstatterin schon im Sinne der von der Regierung und der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß vertretenen Auffassung, ein gewisser Spielraum für eine "mechanische Auslese" solle durch die Verfassung nicht verbaut werden, auf eben diesen Spielraum hinweisen können. Auch der Bericht läßt also nur den Schluß zu, daß die Verfassungsbestimmung gleiche zeitliche tatsächliche Belastungen auferlegt.
3. Die Entwicklung des Wehrrechts seit der Einfügung des jetzigen Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG im Jahre 1956 stimmt mit dem Ergebnis der Analyse von Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck überein. Der Verfassungsgeber hat kurz darauf als Gesetzgeber das Wehrpflichtgesetz erlassen. Es regelte in § 27, daß der Ersatzdienst die Dauer des Grundwehrdienstes und der Wehrübungen zusammenfaßt. Wie die Praxis gezeigt hat, war damit nicht eine Dauer von 21 Monaten gemeint, vielmehr wurde es der Praxis überlassen, die Dauer des Ersatzdienstes nach der Dauer des Grundwehrdienstes zuzüglich der tatsächlich durchschnittlichen Wehrübungszeit festzusetzen.
Der Gesetzgeber der nachfolgenden Regelungen hat gleichfalls unter Dauer des Wehrdienstes die tatsächlich geleistete Zeit verstanden (§ 12 Abs. 1 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst [BGBl. 1960 I S. 10]). Seit dem 1. Januar 1973 galt eine gegenüber dem Grundwehrdienst von 15 Monaten um einen Monat verlängerte Dauer des Zivildienstes. Dies war nach der amtlichen Begründung (BRDrucks. 677/71, S. 18, 25) als Ausgleich BVerfGE 69, 1 (73)BVerfGE 69, 1 (74)für Belastungen gedacht, die den Wehrdienstleistenden durch die im Zivildienst nicht vorgesehenen Wehrübungen und die im Zivildienst fehlende Verfügungsbereitschaft der aus dem Grundwehrdienst entlassenen Wehrpflichtigen erwachsen. Je nach der Dauer der durchschnittlichen tatsächlichen Inanspruchnahme wehrdienstleistender Wehrpflichtiger durch Wehrübungen konnte der Zivildienst auf 17 und 18 Monate verlängert werden (BGBl. 1972 I S. 1321 [1324]). Alle diese Gesetze würden nach Auffassung des Senats der Verfassung nicht entsprochen haben, da sie vom Prinzip "schematischer" Zeitgleichheit von Wehr- und Ersatzdienst ausgingen.
4. Die Interpretation von Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG anhand von Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte und vor dem Hintergrund der Entwicklung des Wehrrechts ergibt somit, daß der Gesetzgeber die Dauer des Zivildienstes entgegen der Auffassung des Senats nicht abstrakt, d. h. auf der Grundlage der rechtlich zulässigen Dauer des Wehrdienstes und also losgelöst vom tatsächlich geleisteten Wehrdienst, festlegen darf. (Der Richter Böckenförde hält seine Äußerung in VVDStRL 28 [1970], S. 77, die im Sinne einer abstrakten Festlegbarkeit der Dauer des Zivildienstes gelesen werden kann, insoweit nicht mehr aufrecht.) Vielmehr verlangt Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG eine typischerweise oder jedenfalls durchschnittlich gleiche tatsächliche Dauer von Wehrdienst und Ersatzdienst. Dabei kommt es nicht auf die gleiche Dauer für ein individuelles Vergleichspaar des gleichen Geburtsjahrgangs an, vielmehr ist auch insoweit allein das Typische wichtig und entscheidend. Angesichts der Unmöglichkeit, die genaue durchschnittliche Wehrübungsdauer in der Zukunft präzise vorauszusagen, räumt das Grundgesetz dem Gesetzgeber insoweit einen gewissen Prognosespielraum ein (vgl. die unter 3. referierte Gesetzgebung).
Bei der Verabschiedung des § 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG hat der Gesetzgeber zwar keine ausdrückliche Prognose zur voraussichtlichen Dauer des Wehrdienstes aufgestellt. Seiner Konzeption lag indessen unausgesprochen eine Prognose zugrunde: Die Dauer BVerfGE 69, 1 (74)BVerfGE 69, 1 (75)des tatsächlich zu leistenden Wehrdienstes wird die Dauer eines Zivildienstes auch nicht entfernt erreichen. Nur so konnte der Gesetzgeber die Dauer des Zivildienstes als tragendes Indiz für die Gewissensbindung eines Antragstellers werten.
    Diese zu erwartende ungleiche Länge der Dienstzeit von Wehrdienstleistenden und Zivildienstleistenden läßt sich aus dem vorhandenen Material ableiten:
    Das Zahlenmaterial aus einer Berechnung des Verteidigungsministeriums im Frühjahr 1979 auf der Basis von 2,4 Millionen Reservisten (vgl. Dörig, Gewissensfreiheit und Diskriminierungsverbot als Grenzen einer Neugestaltung des Zivildienstes nach Art. 12a Abs. 2 GG, 1981, S. 68 f.) ergibt ein Verhältnis von über 99% zu unter 1% der Mannschaftsreservisten, die einerseits zwischen null und 60 Tagen und andererseits über 60 Tage Wehrübungen leisteten. Die in der mündlichen Verhandlung genannten Zahlen für die Gegenwart bieten ein ähnliches Bild. Von ca. 2,65 Millionen Reservisten überhaupt und ca. 750 000 "Alarmreservisten (das sind diejenigen, die überhaupt nur mit Heranziehungen zu Wehrübungen rechnen müssen, weil sie eine eingeplante Stelle in einem Mobilmachungsverband haben [General von Sandrart für die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung]), leisteten knapp über 6000 Reservisten mehr als zwei Monate Wehrübungen. Das entspricht einem Prozentsatz von ca. 1% der Alarmreservisten. Von den Alarmreservisten leisteten demgegenüber annähernd 700 000 Wehrübungen nur zwischen null und zehn Tagen. Nach den Äußerungen General von Sandrarts in der mündlichen Verhandlung kann als sicher davon ausgegangen werden, daß nahezu alle der ca. 6000 Langübenden dies freiwillig taten.
    Was die Zukunft betrifft, so wird sich das Bild nur unwesentlich verschieben. Nach eigenen Berechnungen der Bundesregierung (Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Würzbach vom 5. November 1984, BTDrucks. 10/2297, S. 31) müßte die Anzahl der Wehrübungsplätze auf 75 000 erhöht werden, wenn alle Reservisten theoretisch fünf Monate üben sollten. Geplant und finanzierbar ist aber nur eine Erhöhung auf 15 000 Plätze (Mitteilung des Bundesministers für Verteidigung vom 17. Oktober 1984 [S. 16, 21]; Ausführungen General von Sandrarts in der mündlichen Verhandlung). Auf der Basis der Erwartung einer mithin durchschnittlich einmonatigen Wehrübungsdauer ist die Prognose sicher, daß eine weit unter 5% liegende Zahl von Wehrpflichtigen der Einberufungsjahrgänge BVerfGE 69, 1 (75)BVerfGE 69, 1 (76)1984 ff. bis zum 32. Lebensjahr - diesen Zeitpunkt gab General v Sandrart in der mündlichen Verhandlung als tatsächliche Altersgrenze für die Heranziehung zu Wehrübungen an - zu unfreiwillig geleisteten Wehrübungen von einer Gesamtdauer von mehr als zwei Monaten herangezogen werden wird. Mithin ist es gänzlich unwahrscheinlich, daß ein Wehrpflichtiger bis zur Einberufungsgrenze einschließlich der Wehrübungen einen Wehrdienst von insgesamt 20 Monaten abgeleistet haben wird.
Der rechtliche Rahmen für die Länge des Wehrdienstes von 24 Monaten ist demnach seit annähernd drei Jahrzehnten, also solange die Bundeswehr besteht, bar jeder wehrdienstlichen Realität. Der Sinn der Vorschrift liegt nach der Auslegung des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG durch den Senat nunmehr ausschließlich darin, die Obergrenze für die Länge des Zivildienstes abzugeben. Aber auch eine Dienstpflicht, die nur um fünf Monate über den Grundwehrdienst hinausgeht, liegt weit außerhalb des Typischen.
5. Das hier gefundene Ergebnis der Verfassungswidrigkeit müßte ebenso für den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion gelten (BTDrucks. 9/2064, eingangs des Urteils referiert), da dieser von einer nur um einen Monat geringeren Zivildienstdauer ausgeht als der jetzt Gesetz gewordene § 24 ZDG. Der Bundestag hatte offensichtlich einmütig eine motivationsprüfende Alternative zum Wehrdienst für besser gehalten als ein Verfahren zur materiellen Erforschung des Gewissens (vgl. zu jenem Verfahren die in BVerfGE 48, 127 [167 f.] ausgeführten Bedenken).
Eine solche Alternative, die den Schluß auf eine wirkliche Gewissensentscheidung des Antragstellers erlauben soll, erfordert im Verhältnis zum Wehrdienst allerdings nicht eine gleiche, sondern eine stärkere zeitliche Belastung, die freilich die Grenze der Zumutbarkeit zu wahren hat (Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG). In deren Übernahme zeigt sich die Bereitschaft zur Konsequenz, die ein äußeres Kriterium für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung abgibt und dadurch das herkömmliche Prüfungsverfahren erübrigt. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen nach AufBVerfGE 69, 1 (76)BVerfGE 69, 1 (77)fassung beider Richter gegen eine Ersatzdienstzeit von 20 Monaten keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Hält der Gesetzgeber an seiner einmütigen Auffassung fest, eine motivationsprüfende Alternative zum Wehrdienst sei besser als ein Verfahren zur materiellen Erforschung des Gewissens, so bleibt er auch auf der Grundlage des Urteils in seiner Verantwortung, dieser Lösung durch eine unzweideutige Fassung des Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG Rechnung zu tragen. Auch wer dem Senat in der Auslegung dieser Bestimmung folgt, wird schwerlich das Fehlen an Klarheit der Verfassung gerade in einem Punkte übersehen können, in dem es um die Konsequenzen der vom Grundgesetz besonders hoch geachteten Gewissensbindung geht (vgl. BVerfGE 12, 45 [53 ff.]). Auch die jetzige Fassung des Art. 12a GG kam zustande, weil den Mehrheitsfraktionen die verfassungsrechtliche Unanfechtbarkeit der Regelung des Ersatzdienstes wichtiger war als das Durchsetzen des eigenen, eine Verfassungsänderung nicht erfordernden Rechtsstandpunktes.
Der Gesetzgeber kann also von Verfassungs wegen nicht beides zugleich erreichen: den Verzicht auf das bisherige Prüfungsverfahren und die Begrenzung des Ersatzdienstes auf die Dauer des tatsächlich geleisteten Wehrdienstes. Dies gilt jedenfalls, solange das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht sich auch tatsächlich in der grundsätzlichen Heranziehung des ganzen Jahrganges zum Wehrdienst realisiert, oder solange die Zahl der Kriegsdienstverweigerer nicht bis zu einem Minimum gesunken ist, das es dem Staat erlaubt, angesichts der Unzulänglichkeit jeden mit Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG vereinbaren Verfahrens zur Feststellung einer Gewissensentscheidung auf ein solches Verfahren zu verzichten.
III.
 
Der Senat geht von der Verfassungsmäßigkeit des § 1 KDVG aus, der mit § 25 Satz 1 WPflG a. F. vollinhaltlich übereinstimmt. § 1 KDVG ist jedoch insoweit verfassungswidrig und nichtig, als er durch die Worte "sich ... der Beteiligung an jeder WaffenBVerfGE 69, 1 (77)BVerfGE 69, 1 (78)anwendung zwischen den Staaten widersetzt und deshalb" das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG allgemein einschränkt.
1. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG lautet: Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Geschützt wird damit nur eine, aber auch jede Gewissensentscheidung, die gegen den Kriegsdienst mit der Waffe gerichtet ist. Voraussetzung ist, daß es sich um eine wirkliche Gewissensentscheidung handelt.
Demgegenüber sagt § 1 KDVG:
    Wer sich aus Gewissensgründen der Beteiligung an jeder Waffenanwendung zwischen den Staaten widersetzt und deshalb unter Berufung auf Artikel 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, hat statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst gemäß Artikel 12a Abs. 2 des Grundgesetzes zu leisten.
Dieser Wortlaut umfaßt nur einen Teil der Kriegsdienstverweigerer, nämlich diejenigen, die sich aus Gewissensgründen der Beteiligung an jeder Waffenanwendung zwischen den Staaten widersetzen, deren Gewissensentscheidung also aus einer bestimmten weltanschaulichen Haltung und Gesinnung, der des grundsätzlichen Pazifismus, erwächst.
Diese Einschränkung war vom Gesetzgeber - schon im Stadium des Regierungsentwurfs zu § 25 Satz 1 WPflG a. F. - beabsichtigt (vgl. BTDrucks. II/2303 und dort S. 31; BVerfGE 12, 45 [59]). Die aus den Ausschußberatungen hervorgegangene, der jetzigen Fassung insoweit wortgleiche Formulierung sollte gerade diese Begrenzung festhalten. In der dritten Lesung griff der Abgeordnete Nellen das Problem der Anerkennung auch einer situationsgebundenen Kriegsdienstverweigerung auf und beantragte deswegen, in § 25 das Wort "jeder" durch "der" zu ersetzen. Die Mehrheit verwarf jedoch diesen Antrag nach längerer Debatte (159. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 6. und 7. Juli 1956, Prot. S. 8836 ff., 8856).
2. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung BVerfGE 12, 45 dieses Problem behandelt.BVerfGE 69, 1 (78)
BVerfGE 69, 1 (79)a) Die Entscheidung stellt fest, daß Art. 4 Abs. 3 GG nur "die prinzipielle Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aufgrund einer Gewissensentscheidung des Einzelnen, der für sich den Dienst mit der Waffe in Krieg und Frieden schlechthin und allgemein ablehnt" (a.a.O., S. 58), schützt. Es werden also nicht alle, sondern nur bestimmte Gewissensentscheidungen gegen den Kriegsdienst mit der Waffe erfaßt. Die Entscheidung sucht dann zwar den Kreis der danach nur geschützten "prinzipiellen" Kriegsdienstverweigerer über die grundsätzlichen Pazifisten hinaus auszudehnen, indem sie auch jene dazu rechnet, die aufgrund von Erlebnissen oder Überlegungen, die nur für die augenblickliche historisch-politische Situation Gültigkeit haben, zu einer generellen Ablehnung des Kriegsdienstes gelangen; entscheidend bleibt aber, daß diese Personen in ihrer Entscheidung aus dem "Hier und Heute" dennoch den Kriegsdienst mit der Waffe allgemein und überhaupt und nicht nur bezogen auf die konkrete Situation ablehnen (a.a.O., S. 60). Auch in dieser erweiternden Auslegung gilt demnach, daß nicht jeder Gewissensgrund, der zur Ablehnung des Kriegsdienstes mit der Waffe zwingt, sondern nur bestimmte solcher Gewissensgründe zur Kriegsdienstverweigerung berechtigen (vgl. dazu Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit und die besonderen Gewaltverhältnisse, 1969, S. 124, 126 ff.). Der Widerspruch zu Art. 4 Abs. 3 GG ist nur im Umfang eingeschränkt, nicht aber beseitigt.
b) Der Grund dieser Argumentation liegt - hält man sich an den zum Ausdruck gebrachten Begründungsgang - in einer bestimmten Vorstellung von Gewissen und Gewissensentscheidung, die in der Entscheidung wirksam, aber in der Sache nicht zutreffend ist.
b 1) In dieser Vorstellung wird die Unbedingtheit des Gewissensurteils als solchen mit der Unbedingtheit seines Inhalts im Sinne einer generellen, ausnahmslos und absolut geltenden Norm gleichgesetzt bzw. verwechselt (vgl. Eckertz, a.a.O., S. 495 f.). Gewissensurteile, die nicht diesen inhaltlich generellen, "absoluten" Charakter haben, werden folglich zu bloßen "GewissensBVerfGE 69, 1 (79)BVerfGE 69, 1 (80)bedenken" heruntergestuft, sind nicht eine Gewissensentscheidung, die das Grundgesetz in Art. 4 Abs. 3 schützen will (BVerfGE 12, 45 [56, 57]). Entsprechendes gilt dann für das Tötungsverbot, das der Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe als tragende Norm zugrundeliegt: In einer späteren Entscheidung sieht das Gericht - verschärfend - den Kernbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG nur mehr darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, "in einer Kriegshandlung entgegen seinem Gewissen, das ihm eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet", einen Menschen töten zu müssen (BVerfGE 48, 127 [163 f.] - Hervorhebung hier).
b 2) Die Fragwürdigkeit dieser Vorstellung von Gewissen und Gewissensurteil zeigt sich zunächst daran, daß sie zwar die grundsätzlichen Pazifisten anerkennt, aber gerade die Gewissensurteile vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 3 GG ausschließt, die nach der Auffassung der katholischen Kirche und der weitergehenden Glaubenslehre der evangelischen Kirche in Wahrheit als ethisch-sittliche Gewissensentscheidungen in Betracht kommen (vgl. auch Arndt, Das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung, NJW 1957, S. 361 = ders., Gesammelte juristische Schriften, 1976, S. 171 [176]). Beide Kirchen halten - bei gewissen Differenzierungen innerhalb der evangelischen Christen - weder einen dogmatischen Pazifismus oder eine prinzipielle Kriegsdienstverweigerung für gerechtfertigt, noch vertreten sie ein absolutes, ausnahmslos geltendes Tötungsverbot (vgl. schon die Anhörung ihrer Vertreter vor dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages anläßlich der Beratung von § 25 WPflG a. F. am 1. April 1956). Nach der Auffassung beider Kirchen gibt es indes für ein am christlichen Glauben und seinen Lehren orientiertes Gewissen die Möglichkeit und gegebenenfalls Notwendigkeit einer aktuellen Kriegsdienstverweigerung, wenn und weil ein bestimmter Krieg die Voraussetzungen einer gerechtfertigten Verteidigung nicht (mehr) erfüllt. Für die katholische Lehre sind dafür die Bedingungen des gerechten Krieges maßgebend, die BVerfGE 69, 1 (80)BVerfGE 69, 1 (81)sich auf die Ursache (iusta causa), das Ziel und die eingesetzten Kampfmittel (debitus modus) beziehen (vgl. etwa Messner, Das Naturrecht, 5. Aufl., 1966, S. 880 ff.; Mausbach/Ermecke, Katholische Moraltheologie, Bd. 3, 10. Aufl., 1961; S. 303 ff., Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution "Gaudium et spes", Art. 79 bis 81; Deutsche Bischofskonferenz, Gerechtigkeit schafft Frieden, Wort zum Frieden, 1983, Abschn. 3.5. [S. 32 bis 37]); die evangelische Kirche geht über diese Bedingungen in mehrfacher Hinsicht hinaus, ohne sie an anderer Stelle zu unterschreiten (vgl. Ratschlag der EKD vom 16. Dezember 1955; Erklärung des Rates der EKD zu Fragen der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen und des Zivildienstes vom 21. Juli 1978); Bezugspunkt und Gegenstand der Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst sind danach gerade und nur bestimmte Kriege und ein darauf bezogener Kriegsdienst, nicht hingegen der Krieg oder Kriegsdienst schlechthin.
b 3) Unabhängig hiervon beruht diese Vorstellung auf einer Verkennung der Eigenart des Gewissens und von Gewissensentscheidungen. Gewissensentscheidungen sind immer konkrete sittliche Entscheidungen der Person in und angesichts einer bestimmten Situation und beziehen sich auf ein Verhalten hier und heute, nicht hingegen abstrakte Entscheidungen für alle Zeiten und jenseits der Bedingungen des konkreten Handelns. In der Gewissensentscheidung fließen Normbezogenheit und Situationsbeurteilung zusammen, sie bildet sich in einer Integration von Normerkenntnis und Tatsachenbeurteilung. So hat z. B. Pater Hirschmann SJ hierzu unter anderem ausgeführt (94. Sitzung des Verteidigungsausschusses am 1. Juni 1956, Sten. Prot. S. 11).
    Dabei unterstellen wir, wenn wir vom Gewissen sprechen, einen Gewissensbegriff, von dem ich glaube, daß er sich doch im wesentlichen mit dem von unseren evangelischen Brüdern geteilten deckt, insofern nämlich, als auch wir im Gewissen eine Stellungnahme der menschlichen Person in der Beurteilung der sittlichen Qualität - also gut oder bös, erlaubt oder unerlaubt, geboten oder verboten - einer der Person in einer jeweiligen Situation aufgegebenen Entscheidung BVerfGE 69, 1 (81)BVerfGE 69, 1 (82)sehen. Das Gewissen ist also immer individuell und situationsbezogen. Es ist zugleich normbezogen.
Die hier gegebene Analyse des Gewissensurteils kann sich auf Klassiker der Moralphilosophie berufen (Thomas v. Aquin, Summa theologiae I, qu 79 a. 13); sie ist an der Wirklichkeit des Gewissens, nicht an spezifisch religiös-weltanschaulichen Vorstellungen orientiert und wird auch sonst anerkannt. Am Gewissen ist erkennbar und erfahrbar seine Eigenschaft als "innermenschliche Instanz, die unabhängig vom Willen des Menschen nach dem Maßstab einer als richtig erkannten Norm über das geplante, gegenwärtige oder vergangene Verhalten ein Urteil spricht" (Heinrich Geißler, Das Recht der Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes, Diss. iur. Tübingen 1960, S. 73). Normbezogenheit wie Situationsbezogenheit, ferner der personal erlebte unbedingte Pflichtcharakter sind Strukturmerkmale des Gewissens.
Hieraus folgt, daß ein Gewissensurteil immer konkret ist und nur ein konkretes Verhalten hier und heute zum Gegenstand haben kann: in diesem Krieg keinen Waffendienst zu leisten, diesen Kriegsdienst abzulehnen. Abstrakt und generell-absolut können die Gründe oder Maximen sein, die zu diesem Urteil führen, ebenso die als richtig erkannten Normen, die in ihm angewandt werden und es insofern tragen, aber sie müssen es nicht: Sowohl die Auffassung, daß jede Gewaltanwendung zwischen den Staaten sittlich unerlaubt sei, als auch diejenige, daß nur der moderne Krieg, weil er stets totaler Krieg sei, oder nur ein Krieg unter Einsatz atomarer Kampfmittel unsittlich sei, können zu dem (unbedingten) Gewissensurteil und der anschließenden Gewissensentscheidung führen, hier und heute keinen Kriegsdienst mit der Waffe leisten zu dürfen.
Damit ist deutlich, daß die in der Entscheidung BVerfGE 12, 45 (56) aufgestellte These, die in Art. 4 Abs. 3 GG gemeinte Gewissensentscheidung sei (inhaltlich) eine "generelle, absolute" Entscheidung, in der Sache nichts anderes besagt, als daß nur bestimmte Gewissensentscheidungen - d. h. solche, die in bestimmBVerfGE 69, 1 (82)BVerfGE 69, 1 (83)ter Weise, nämlich unter Berufung auf absolute Normen begründet werden - dem Grundrecht des Art. 4 Abs. 3 GG unterfallen sollen. Im Gewand einer Ausdeutung des Gewissensbegriffs kommt die Entscheidung damit doch - entgegen dem selbstgesetzten Verbot - zu einer Bewertung von Gewissensentscheidungen; je nach der sie tragenden Norm oder Maxime werden sie als relevant und beachtlich anerkannt oder es wird ihnen der Charakter als Gewissensentscheidung abgesprochen.
c) Demgegenüber verlangt Art. 4 Abs. 3 GG nur, daß eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorliegt. Eine bestimmte Art der Begründung wird dafür nicht zur Bedingung erklärt. Er verzichtet auch darauf, zwischen "beachtlichen" und "unbeachtlichen" Gewissenspositionen zu unterscheiden. Das ist seine "einfache Logik" (Forsthoff in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2. 2. Halbbd., München 1953, S. 317), die BVerfGE 12, 45 zwar theoretisch anerkennt (a.a.O., S. 54/55), aber infolge einer nicht zutreffenden Gewissensvorstellung nicht praktisch vollzieht. Die Gewissensentscheidung, um die es geht, kann sich aus verschiedenen Gründen und Motiven bilden, "absoluten" ebenso wie "situationsbezogenen", sie steht in einer bestimmten Situation, und sie ist und kann nur gerichtet sein auf ein Verhalten hier und heute. Sie erwächst in der Regel aus einem Gewissenskonflikt, in dem eine Abwägung zwischen einander widerstreitenden Normgeboten stattfindet. Wesentlich ist, daß es sich um eine Gewissensentscheidung handelt, und das heißt - wie BVerfGE 12, 45 (55) insoweit zutreffend sagt -, um eine "ernste sittliche, an den Kategorien von 'Gut' und 'Böse' orientierte Entscheidung", die der Einzelne als für sich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt. Darin, in ihrem spezifisch sittlichen Charakter und ihrem Bezug auf eine moralische Wahrheit, die ihr Unbedingtheit verleiht, nicht in der Unterscheidung von prinzipiellen und situationsbedingten Entscheidungen, liegt die Abgrenzung zu nur politisch, weltanschaulich oder psychisch begründeten Entscheidungen gegen den Kriegsdienst, die von Art. 4 Abs. 3 GG nicht geschützt sind. Auch bei dieser UnterBVerfGE 69, 1 (83)BVerfGE 69, 1 (84)scheidung und Abgrenzung sind die Schwierigkeiten der Ermittlung einer wirklichen Gewissensentscheidung nicht beseitigt; sie liegen im Phänomen des Gewissens selbst, das letztlich das Geheimnis der Person ist und daher, als Rechtsbegriff eingeführt, zu den am schwierigsten zu handhabenden Rechtsbegriffen gehört. Aber es sind nicht länger künstliche, das Gewissen je nach seinen Gründen aufteilende Schranken errichtet, die den Zugang zum wirklichen Gewissen verstellen.
Muß Art. 4 Abs. 3 GG in seinem Gewährleistungsinhalt in dieser Weise verstanden werden, so verstößt § 1 KDVG insoweit gegen Art. 4 Abs. 3 GG, als er durch das zusätzlich zum Vorliegen einer Gewissensentscheidung aufgestellte Erfordernis, sich jeder Waffenanwendung zwischen den Staaten zu widersetzen, einen Teil der durch Art. 4 Abs. 3 GG geschützten Kriegsdienstverweigerer von diesem Schutz ausschließt.
    Im Ergebnis - für § 25 WPflG a. F. - ebenso: Arndt, a.a.O., S. 177; Geißler, a.a.O., S. 106; Hamel, Glaubens- und Gewissensfreiheit in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Halbbd., 1960, S. 107/108; Herzog in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 4 Rdnr. 179 f.; Hinzmann, Die aktuelle Kriegsdienstverweigerung als beachtliche Gewissensentscheidung, 1959, S. 59 f., 118 f., 127; Podlech, a.a.O., S. 129. Kritisch auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., 1970, S. 157; mit Modifikationen zustimmend zu BVerfGE 12, 45, Scheuner, DÖV 1961, S. 203 f.
Dem kann nicht die Auffassung des Senats (unter B I 2) entgegengehalten werden, daß bei einer Aufnahme auch solcher Gewissensentscheidungen in den Begriff des Gewissens im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG, die lediglich auf eine konkrete Situation bezogen seien, die Ableistung von Wehrdienst dann, hierauf gestützt, nicht schon vorab und zumal in Friedenszeiten verlangt werden dürfe. Das betrifft Folgeprobleme aus Art. 4 Abs. 3 GG, nicht aber seinen Gewährleistungsinhalt. Die in BVerfGE 12, 45 (56 f.) gegebene und vom Senat aufgenommene Interpretation schließt die auf eine konkrete Situation bezogene GewissensentBVerfGE 69, 1 (84)BVerfGE 69, 1 (85)scheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe ja nicht nur in Friedenszeiten oder solange die entsprechende Situation (noch) nicht vorliegt, sondern überhaupt vom Schutz des Art. 4 Abs. 3 GG aus.
3. Die Entscheidung BVerfGE 12, 45 hat nicht nur - verfassungsrechtlich fehlerhaft - § 25 WPflG a. F. voll aufrechterhalten, sie hat darüber hinaus aufgrund ihrer nicht zutreffenden Gewissensvorstellung die Gewissensprüfung im Anerkennungsverfahren verstellt und dadurch eine Gewissens-"Darstellung" und den darauf beruhenden Gewissensverschleiß mit hervorgerufen.
a) Die Entscheidung erkennt nur einen Teil der Gewissensgründe gegen den Kriegsdienst mit der Waffe als wirkliche Gewissensgründe an, setzt diese aber mit der an sich nur geforderten Gewissensentscheidung gleich. Dadurch wird die Frage, ob eine Gewissensentscheidung vorliegt, zum Darstellungsproblem. Wem das Gewissen den Kriegsdienst mit der Waffe aus anderen Gründen verbietet als dem des grundsätzlichen Pazifismus oder dem eines absoluten Tötungsverbots, darf nicht sagen, was er meint; er muß, um seinem Gewissen folgen zu können, im Anerkennungsverfahren statt seiner wirklichen Gründe solche vorgeben, die den Anforderungen "prinzipieller" Kriegsdienstverweigerung im Sinne dieser Entscheidung und der daran anschließenden Rechtsprechung genügen. Damit wird die Gewissensprüfung weithin eine Frage gekonnter Darstellung, die Erwägungen von Taktik und Kalkül unterliegt und das Bedürfnis nach einlernbaren Formeln hervorbringt. Das Gewissen ist aber der Ort der Verantwortung und des Urteils der handelnden Person vor sich selbst im Hinblick auf eine gesuchte oder erfahrene (sittliche) Wahrheit. Eine Situation, in der die Aussage über das Gewissen das wirkliche Gewissen nicht offenbaren darf, trifft daher das Gewissen im Kern und führt den Verschleiß des Gewissens herbei.
b) Hinzu kommt, daß die Anforderungen, die an die Begründung "prinzipieller" Kriegsdienstverweigerung gestellt werden, BVerfGE 69, 1 (85)BVerfGE 69, 1 (86)das Gewissen vielfach aufs äußerste verfremden müssen. Vor allem das in Anknüpfung an BVerfGE 12, 45 in den Anerkennungsverfahren vielfach verlangte "absolute Tötungsverbot" als tragende Norm der Gewissensentscheidung hat hier unheilvoll gewirkt. Die Entscheidung des Senats von 1978 hat dies - BVerfGE 12, 45 verschärfend - dahin verdeutlicht, der Schutz des Art. 4 Abs. 3 GG gelte einem Kriegsdienstverweigerer, dem sein Gewissen "eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet" (BVerfGE 48, 127 [163 f.]). Damit ist neben der Aufnahme eines schlechthin, nicht nur auf das Töten im Kriege bezogenen absoluten Tötungsverbots auch der Unterschied des Tötens in persönlicher Notwehr oder Nothilfe vom Töten im Kriege verwischt, dessen besondere Qualität darauf beruht, daß das Töten Menschen trifft, die als solche rechtmäßig handeln, daß es typischerweise auf Befehl erfolgt und organisiertes Töten ist, das in einem für den Handelnden nicht durchschaubaren Wirkungszusammenhang steht. Die Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts hat freilich Verwerfungen, die hierin grundgelegt waren, schrittweise auszuräumen gesucht und das absolute Tötungsverbot als Kriterium einer Gewissensentscheidung eher zurückgenommen als verschärft. Nichtsdestoweniger sind auf diese Weise aber die für eine Prüfung des Gewissens, das sich gegen den Kriegsdienst entscheidet, ganz abseitigen Fragen etwa der Art hervorgebracht und legitimiert worden, ob eine gewaltanwendende Abwehr bei Angriffen auf die eigene Mutter oder Großmutter bejaht werde. Das Gewissen wird hier anhand von Maßstäben geprüft, denen die Wirklichkeit des Gewissens und seiner - konfliktentscheidenden - Urteilsbildung entglitten ist. Solche Fragen sind daher auch nicht geeignet, sich über die Ernsthaftigkeit einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe zu vergewissern.
c) Die dargelegten Konsequenzen aus der Entscheidung BVerfGE 12, 45 sind nicht deshalb gegenstandslos geworden, weil die Neuregelung des Anerkennungsverfahrens auf die mündliche Gewissensprüfung in weitem Umfang verzichtet. Zwar ist das traBVerfGE 69, 1 (86)BVerfGE 69, 1 (87)gende Indiz der Übernahme des verlängerten Ersatzdienstes nur auf die Gewissensentscheidung beschränkt und von der Art der Gewissensgründe abgelöst. Damit ist die Problematik insoweit entschärft. Sie tritt aber bei der dem Antragsteller nach § 2 Abs. 2 Satz 3 KDVG auferlegten schriftlichen Darlegung der Beweggründe seiner Gewissensentscheidung wieder hervor, die den Anforderungen des § 1 KDVG entsprechen muß. Und sie ist nach wie vor überall dort in vollem Umfang aktuell, wo - wie etwa im Spannungs- und Verteidigungsfall oder bei Zeitsoldaten, die zwanzig und mehr Monate gedient haben - die tragende Indizwirkung der Übernahme des verlängerten Ersatzdienstes entfällt.
4. Indem der Senat auf dem Boden der Entscheidung BVerfGE 12, 45 von der Verfassungsmäßigkeit des § 1 KDVG ausgeht, schleppt er alle diese Probleme fort, übernimmt sie in seine Verantwortung und belastet die staatlichen Organe weiterhin mit einer Aufgabe, die sie sogar nicht sachgerecht erfüllen können.
 
 
Ich halte die Zuordnung der Ausschüsse und Kammern nach §§ 9 und 18 KDVG zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung und dessen Recht, den Vorsitzenden dieser Gremien zu ernennen, für unvereinbar mit Art. 4 Abs. 3 GG.
Diese Entscheidung des Gesetzgebers gehört zu den Konsequenzen der - im gemeinsamen Teil der abweichenden Meinung unter I. beschriebenen - Abschwächung der Grundrechtsposition der Kriegsdienstverweigerer aus Art. 4 Abs. 3 GG durch die "Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung".BVerfGE 69, 1 (87)
BVerfGE 69, 1 (88)1. Die Frage nach der richtigen ressortmäßigen Zuordnung des Prüfungsgeschäftes nach §§ 9 ff. KDVG läßt sich aus Art. 4 Abs. 3 GG zwar nicht positiv beantworten; der Staat darf das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des Art. 4 Abs. 3 GG in einem Verfahren prüfen, das sachgerecht, geeignet und zumutbar ist (vgl. BVerfGE 60, 253 [295]). Deshalb aber verbietet die Bestimmung die Zuordnung des Prüfungsgeschäftes zum Bundesverteidigungsminister.
Der Gesetzgeber kann durch die Einrichtung des Verfahrens vor den Ausschüssen und Kammern für den in § 9 Abs. 1 KDVG bezeichneten Personenkreis sein Interesse an der bestmöglichen Erfüllung der Aufgaben der Landesverteidigung geltend machen (vgl. Urteil B III 4 b aa). Ein solches Verfahren bedeutet für sich genommen noch kein Präjudiz für das Ergebnis.
Die Unparteilichkeit des Verfahrens ist jedoch dann in Frage gestellt, wenn die Vorsitzenden der Spruchkörper zu demjenigen Ressort gehören, das an dem Ausgang jedes einzelnen Verfahrens ein von der Aufgabe des Ressorts, also von der Landesverteidigung her bestimmtes Interesse hat. Dann kann vom Recht der Kriegsdienstverweigerung als einer gegenüber der Pflicht zur Landesverteidigung "unüberwindlichen Schranke" (im Urteil B I 2) keine Rede sein.
So ist es hier. Nimmt der Verteidigungsminister die Auswahl der Vorsitzenden vor, so wählt ein Ressort aus, das am Ergebnis des Verfahrens ein ressortgebundenes Interesse hat. Dem Minister ist die politische Aufgabe übertragen, eine wirksame Landesverteidigung vorzuhalten. Jede Anerkennung einer Kriegsdienstverweigerung aus dem Personenkreis des Art. 9 Abs. 1 KDVG behindert die Erfüllung dieser Aufgabe, jede Ablehnung fördert sie. Eben aus diesem Grunde ist für jenen Personenkreis das Verfahren der §§ 9 ff. KDVG eingerichtet worden.
Mit der Auswahl des Vorsitzenden erhält der Verteidigungsminister eine institutionalisierte Chance der Durchsetzung des BVerfGE 69, 1 (88)BVerfGE 69, 1 (89)dem Interesse des Antragstellers entgegengesetzten Ressortinteresses. Diese Chance des Verteidigungsministers ist um so größer, als die Bindung an das Gesetz bei der Entscheidung des Spruchkörpers nach §§ 9 ff. KDVG nicht die Bindung an einen normativ durchgeformten Tatbestand bedeutet, sondern es um den normativ nicht durchformbaren Tatbestand der subjektiven Gewissensentscheidung des Antragstellers geht.
Die Problematik wird durch die Weisungsfreiheit der Mitglieder der Spruchkörper nach § 9 Abs. 5 Satz 1 KDVG allenfalls mehr oder minder verringert, aber nicht grundsätzlich beseitigt. Die Ressorteingebundenheit des Vorsitzenden in dienstrechtlicher Hinsicht bleibt. Damit bleibt das Gewicht, das Ressortinteressen für ihn haben, mag er sich auch "ausschließlich am Recht" orientieren; es bleiben die Karriereerwartungen aus einer oft nicht einmal durch die Eigenschaft des Lebenszeitbeamten geschützten Position; es bleiben also auch die mindestens für ihn subjektiv existierenden Erwartungen des Ressorts an ihn. Ferner bleibt die Weisungsunterworfenheit in allen dienstlichen Funktionen außerhalb der Funktion des Vorsitzenden; und es bleibt schließlich die Möglichkeit des Ressorts, ihn von der Funktion des Vorsitzenden zu entbinden. Die Herabsetzung des Mindestalters des Vorsitzenden (nicht der Beisitzer) durch § 9 Abs. 2 KDVG um vier Jahre auf 28 Jahre, die sich weder durch die Materialien noch durch die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hinreichend erklären läßt, muß die Bedenken noch unterstützen.
Dies alles gegen die Aufgabe notwendiger Unparteilichkeit in der Führung der Amtsgeschäfte gehalten, verdeutlicht den objektiven und subjektiven Rollenkonflikt des Vorsitzenden. Dieser Konflikt verträgt sich nicht mit Art. 4 Abs. 3 GG.
Der Senat bestätigt (unter B III 8) die in der gemeinsamen abweichenden Meinung vertretene Auffassung, daß der Art. 4 Abs. 3 GG seine die Aufgabe der Landesverteidigung je individuell begrenzende Funktion verliert, wenn diese Aufgabe als BVerfGE 69, 1 (89)BVerfGE 69, 1 (90)verfassungsrechtliche Grundentscheidung qualifiziert wird (B I 1). Denn der Senat ordnet die Entscheidung der Spruchkörper nach §§ 9 ff. KDVG in die alltägliche Aufgabe der Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein, Entscheidungen zu treffen, die eine Abwägung öffentlicher, von dem Ressort, dem sie angehören, zu verwaltender Interessen und privater, insbesondere grundrechtlich gesicherter Rechte erfordern. Damit wird der Charakter des Verfahrens nach §§ 9 ff. KDVG verzeichnet, das gegenüber einer festgestellten Gewissensentscheidung - gerade wegen seiner vom Senat betonten (B I 2) lediglich grundrechtsfeststellenden Funktion - keinerlei Abwägung gestattet; damit fällt auch die "unüberwindliche Schranke", die nach Auffassung des Senats das Recht der Kriegsdienstverweigerung der Pflicht zur Landesverteidigung entgegensetzt.
Der Hinweis auf die dem Verteidigungsminister nicht dienstrechtlich unterstellten Beisitzer kann das Verfassungsbedenken nicht beheben. Die Beisitzer wechseln ständig. Sie sind auch nicht rechtskundig. Schon aus diesen beiden Umständen folgt das Gewicht des Vorsitzenden. Im übrigen kommt es für die Unparteilichkeit des Verfahrens nicht darauf an, ob das Amtieren zweier der drei Mitglieder keinem verfassungsrechtlichen Zweifel unterworfen ist, sondern ob dies für alle drei Mitglieder gilt.
Nur die in der Ressorteingebundenheit liegende Chance für den Verteidigungsminister kann die Regelung des Gesetzgebers erklären, der Regierung in der ressortmäßigen Zuordnung des Bundesamtes freie Hand zu lassen, dagegen das Ausschußverfahren in das Verteidigungsressort einzubinden.
Die Bundeswehrverwaltung nutzt die durch den Gesetzgeber geschaffene Chance zur institutionellen Beeinflussung des Verfahrens und also auch der Ergebnisse: Das in NVwZ 1985, S. 174 f. abgedruckte Rundschreiben des BVerfGE 69, 1 (90)BVerfGE 69, 1 (91)Bundeswehrverwaltungsamtes vom 19. Juli 1984 hat insbesondere den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 1984 (NVwZ 1984, S. 447) zum Gegenstand. Das Rundschreiben gilt den Vorsitzenden der Kammern und Ausschüsse; es will auf die Entscheidungen dieser Spruchkörper über eine Beeinflussung der weisungsunabhängigen Vorsitzenden einwirken (zur Kritik vgl. auch Papier und Peine, NVwZ 1985, S. 164). Die Sprache des Rundschreibens ist stellenweise von dem eines behördeninternen Erlasses nicht zu unterscheiden.
2. Dieser Befund, wäre er nicht gesetzmäßig verordnet, würde einen Ablehnungsgrund gegen die Vorsitzenden im Sinne des § 71 Abs. 3 i. V. m. § 21 VwVfG begründen. Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 21 ist "ein Grund ..., der geeignet ist, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen". Der Gesetzescharakter des § 9 Abs. 2 KDVG, der nur solche Vorsitzenden vorsieht, verhindert die Geltendmachung solcher Besorgnis. Gibt die gesetzliche Regelung als solche Grund, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen, so kann sie nicht dem Mindeststandard an ordentlicher und fairer Gestaltung des verwaltungsmäßigen Procedere (vgl. BVerfGE 43, 154 [166]) genügen. Das Verfahren muß um so unangreifbarer, d. h. neutraler, fairer, "waffengleicher" sein, je schwerer nachprüfbar das materielle Ergebnis ist. "Gewissensgründe" ist wohl der unbestimmteste "unbestimmte Rechtsbegriff", der denkbar ist. Ihn auszufüllen und damit den Schutzbereich des Grundrechts für den Einzelnen erst real zu konstituieren, kann auch bei voller Würdigung der Inkaufnahme des Zivildienstes als tragenden Indizes nur ein Verfahren und eine Spruchkörperbesetzung wagen, wo schon der Anschein der Voreingenommenheit und eines ressortgerichteten Interesses ausgeschlossen werden kann (vgl. zur Grundrechtsgebundenheit des Verfahrens allgemein Kloepfer und von Mutius in: VVDStRL, 41 [1983], S. 245 [285]; vgl. auch Ossenbühl in: Festschrift für Eichenberger, 1982, S. 185: "Die Ausgestaltung des Verfahrens ist deshalb gleichsam eine grundrechtsexistentielle Frage.").
3. Dies erfordert die Änderung des § 9 Abs. 2 Satz 1 und Abs. BVerfGE 69, 1 (91)BVerfGE 69, 1 (92)4 KDVG. Ein Verfahren, dessen gesetzliche Grundlage nicht in jeder Hinsicht die institutionelle Trennung vom Verteidigungsressort rein vollzieht, ist im Sinne der oben zitierten Entscheidung BVerfGE 60, 253 (295) weder sachgerecht und geeignet noch zumutbar. Der Staat, der die Verteidigungsbereitschaft aufrechterhalten will, ist ein "grundrechtsgarantierender Staat" (im Urteil unter B I 2). Diese Eigenschaft ist kein schmückendes Beiwort. Der Staat des Grundgesetzes empfängt aus ihr vielmehr seine Würde. Sie muß sich daher auch im Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG als einem grundrechtsgebundenen Verfahren bewähren. Nur dann wird das Gewissen als "unverletzlich" respektiert.