Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 8C_154/2022 vom 19.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
8C_154/2022
 
 
Urteil vom 19. Mai 2022
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,
 
Gerichtsschreiber Hochuli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Melanie Schneider-Koch,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 24. Januar 2022 (5V 21 17).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. A.________, geboren 1962, stürzte am 4. Oktober 2013 bei der Arbeit von einem Podest, wobei sie sich eine Radiusköpfchenfraktur am linken Ellenbogen sowie eine Fraktur des Metatarsale V am linken Fuss zuzog. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld) und schloss den Fall mit Verfügung vom 18. August 2014, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 21. November 2014, per 31. August 2014 folgenlos ab (materiell abschliessend geschützt mit Urteil 8C_709/2017 vom 27. April 2018 E. 4.2.2 i.f.). In Bezug auf die im Juli 2018 rückfallweise zum Unfall vom 4. Oktober 2013 angemeldete Verschlechterung des Gesundheitszustandes verneinte die Suva mangels Unfallkausalität einen Leistungsanspruch (mit Einspracheentscheid vom 15. Mai 2019 bestätigte Verfügung vom 26. Oktober 2018).
A.b. Am 10. Juni 2014 meldete sich A.________ wegen seit 4. Oktober 2013 anhaltender Beschwerden bei der IV-Stelle Luzern (nachfolgend: IV-Stelle oder Beschwerdegegnerin) zum Leistungsbezug an. Nach erwerblichen und medizinischen Abklärungen verneinte die IV-Stelle bei einer Arbeitsfähigkeit von 100 % einen Leistungsanspruch (unangefochten in Rechtskraft erwachsene Verfügung vom 9. September 2016).
Mit Neuanmeldungsgesuch vom 18. Juli 2018 liess A.________ eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend machen. Gestützt auf die Ergebnisse der weiteren Abklärungen lehnte die IV-Stelle das Leistungsbegehren erneut ab (Verfügung vom 30. November 2020).
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Kantonsgericht Luzern ab (Urteil vom 24. Januar 2022).
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, die Sache sei unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Verfügung vom 30. November 2020 zur weiteren Abklärung und Vervollständigung des Sachverhalts an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
 
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4; Urteil 9C_207/2021 vom 28. Mai 2021 E. 1).
2.
Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen rechtlichen Grundlagen zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 Satz 2 BGG).
 
Erwägung 3
 
3.1. Das kantonale Gericht hat nach bundesrechtskonformer Würdigung der Aktenlage mit ausführlicher Begründung, worauf verwiesen wird, schlüssig und überzeugend dargelegt, weshalb es auf das von der Beschwerdegegnerin im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholte bidisziplinäre Gutachten vom 15. Juni 2020 des Neuropsychologen B.________, und des Psychiaters Dr. med. C.________, sowie auf die entsprechenden beiden Teilgutachten abstellte. Mit Blick auf die dagegen erhobenen Einwände verneinte die Vorinstanz konkrete Indizien, die gegen die Zuverlässigkeit dieser bidisziplinären Expertise sprechen könnten. Auch unter Berücksichtigung der ausschliesslich aus neuropsychologischer/kognitiver Sicht attestierten Arbeitsunfähigkeit von höchsten 20 % infolge einer Verlangsamung und eines erhöhten Betreuungsbedarfs resultiert gemäss angefochtenem Urteil nach dem Prozentvergleich kein anspruchserheblicher Invaliditätsgrad von mindestens 40 %, weshalb die Verfügung der IV-Stelle vom 30. November 2020 nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden sei.
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt, das kantonale Gericht habe den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) verletzt. Der von ihr konsultierte Neurologe Dr. med. D.________, bestätige die vom behandelnden Psychiater Dr. med. E.________, gestellte Diagnose einer Konversionsstörung und begründe damit Zweifel am psychiatrischen Teilgutachten des Dr. med. C.________. Letzterer habe lediglich einen Simulationsverdacht geäussert und fremdanamnestisch festgestellte fehlende Atrophiezeichen an den Armen als eigene Befunde ausgegeben. Die Verneinung einer Konversionsstörung sei nicht lege artis erfolgt. Zur vollständigen Sachverhaltsabklärung hätte die Vorinstanz ein polydisziplinäres Gutachten veranlassen müssen.
3.3. Die Rüge einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) verfängt nicht.
3.3.1. Die bundesgerichtliche Überprüfung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung hat sich darauf zu beschränken, ob mit Blick auf die vorgebrachten Rügen die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Urteil offensichtlich unrichtig ist oder eine Rechtsverletzung, namentlich hinsichtlich der Regeln über den Beweiswert von ärztlichen Berichten, vorliegt (Urteil 8C_153/2021 vom 10. August 2021 E. 5.3.1). Bei der Beweiswürdigung ist zu beachten, dass die psychiatrische Exploration von der Natur der Sache her nicht ermessensfrei erfolgen kann. Sie eröffnet dem begutachtenden Psychiater bzw. der begutachtenden Psychiaterin daher praktisch immer einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen verschiedene medizinisch-psychiatrische Interpretationen möglich, zulässig und zu respektieren sind, sofern der Experte lege artis vorgegangen ist (Urteile 8C_548/2021 vom 25. Februar 2022 E. 7.2.1 und 8C_153/2021 vom 10. August 2021 E. 5.3.2 mit Hinweisen; vgl. auch SVR 2017 IV Nr. 5 S. 10, 9C_634/2015 E. 6.1 i.f. mit Hinweis). Der Vorinstanz steht als Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung ein erheblicher Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 144 V 50 E. 4.1 i.f. mit Hinweisen; Urteil 9C_109/2013 vom 9. April 2013 E. 1). Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das Sachgericht diesen missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1; zum Begriff der Willkür BGE 144 II 281 E. 3.6.2 mit Hinweisen). Inwiefern das Gericht sein Ermessen missbraucht haben soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3; Urteil 8C_548/2021 vom 25. Februar 2022 E. 7.2.1 i.f. mit Hinweis). Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 144 V 50 E. 4.2 i.f. mit Hinweis; Urteil 8C_103/2022 vom 10. Mai 2022 E. 4.3.1).
3.3.2. Das kantonale Gericht hat gestützt auf die einschlägigen Ausführungen des psychiatrischen Gutachters eingehend und sorgfältig dargelegt, weshalb Dr. med. C.________ die Diagnose einer Konversionsstörung (ICD-10: F44.-) entgegen der blossen Verdachtsdiagnose des behandelnden Psychiaters Dr. med. E.________ ausschloss. Insbesondere rein appellatorischer Natur (vgl. E. 3.3.1 i.f.) ist die Wiederholung des bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Verweises auf die Einschätzungen des Dr. med. D.________. Dieser verneinte aus seiner fachärztlich-neurologischen Sicht zwar lege artis eine organische Genese der untersuchten Bewegungsstörungen, plädierte diesbezüglich jedoch - ohne über die dazu erforderliche fachärztlich-psychiatrische Qualifikation zu verfügen und ohne Kenntnis des psychiatrischen Teilgutachtens - zugunsten der psychiatrischen Diagnose einer Konversionsstörung. Statt dessen beurteilte Dr. med. C.________ die geklagten Beschwerden als Simulation einer psychiatrischen Symptomatik inklusive einer psychogenen Bewegungsstörung ohne Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Dem knapp vierseitigen Untersuchungsbericht des Dr. med. D.________ vom 15. Januar 2019 kommt beweisrechtlich offensichtlich nicht das gleiche Gewicht zu wie dem vierundvierzigseitigen psychiatrischen Teilgutachten des Dr. med. C.________ (zum Unterschied zwischen Behandlungs- und Begutachtungsauftrag vgl. statt vieler: BGE 125 V 351 E. 3b/cc; Urteil 9C_457/2018 vom 7. September 2018 E. 3.3 mit Hinweis). Im Gegensatz zu den behandelnden Ärzten (vgl. zur besonderen auftragsrechtlichen Vertrauensstellung Urteil 8C_736/2021 vom 22. März 2022 E. 5.2 mit Hinweisen) schlossen die im Verfahren nach Art. 44 ATSG beauftragten medizinischen Experten ihre Beurteilung mit der Unterzeichnung einer Erklärung zu ihrer eigenen Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Objektivität ab. Konkrete Indizien, die gegen die Zuverlässigkeit des bidisziplinären Gutachtens sprechen würden, vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen und sind nicht ersichtlich. Soweit Dr. med. C.________ die fehlenden Atrophiezeichen an den Armen der Beschwerdeführerin nicht selber festgestellt haben sollte, steht fest, dass Dr. med. D.________ diesen Befund anlässlich seiner Untersuchung der Beschwerdeführerin am 15. Januar 2019 ausdrücklich bestätigte. Auch zu den bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwänden gegen die angeblich mangelhafte Validierung der Befunde des Dr. med. C.________ nahm das kantonale Gericht ausführlich Stellung, indem es schlüssig darlegte, weshalb Dr. med. C.________ die gezeigten Bewegungsstörungen als Simulation einer psychogenen Symptomatik ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit einschätzte. Soweit die Beschwerdeführerin unter Verweis auf medizinwissenschaftliche Internetfundstellen an ihrem gegenteiligen Standpunkt festhält, begnügt sie sich mit appellatorischer Kritik am angefochtenen Urteil, worauf nicht weiter einzugehen ist.
3.3.3. Hat das kantonale Gericht weder in Bezug auf die Beweiswürdigung noch hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung Bundesrecht verletzt, ist nicht zu beanstanden, dass es mangels einer invalidisierenden Erwerbseinbusse einen Rentenanspruch verneinte.
4.
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG), wird sie im vereinfachten Verfahren mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf das kantonale Gerichtsurteil (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt.
5.
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. Mai 2022
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Der Gerichtsschreiber: Hochuli