vom 30. Juni 1927 i.S. Muff gegen Hess.
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Regeste | |
Die Negative Eigentumsklage ist unverjährbar (Erw. 2).
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Sind bei Bauten die vom kantonalen Rechte festgesetzten Abstände nicht beobachtet worden, so muss der Klage des Verletzten auf Beseitigung grundsätzlich stattgegeben werden (ZGB Art. 641 Abs. 2, 679, 685 Abs. 2, 686), es sei denn dass die Voraussetzungen des Art. 674 Abs. 3 zutreffen (Erw. 4). Beurteilung dieser Frage (Erw. 3).
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Sachverhalt | |
A. | |
Im Jahre 1923 baute der Beklagte auf seiner Liegenschaft in Alpnachdorf ein Haus. Nach Beginn der Arbeiten erhielt er vom Landweibelamt folgende auf Antrag des Klägers erlassene "Amtliche Anzeige" d. d. 18. April 1923:
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"Herr Spenglermeister Jos. Muff, Alpnachdorf, lässt Ihnen hiemit... unter Hinweis auf Art. 138 EG zum ZGB amtlich mitteilen, dass Sie nicht berechtigt sind, Ihr projektiertes Haus näher an die nachbarliche Grenze zu bauen als zwei Meter Abstandsgrenze zwischen der Grenze und dem Dachkennel Ihres projektierten Hauses. Eine Abstandsgrenze von zwei Metern, berechnet von der Mauer Ihres projektierten Hauses bis zur nachbarlichen Grenze, würde nicht zulässig sein..."
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Der angeführte Art. 138 des EG zum ZGB für den Kanton Unterwalden ob dem Wald lautet in seinem hier massgebenden Teile: "Der Abstand eines Gebäudes von der nachbarlichen Grenze darf ohne Einwilligung des Nachbarn... in Dörfern nicht weniger als zwei Meter betragen."
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Am 20. April 1923 liess der Beklagte u.a. antworten: "Herr Hess hat die Abstandsgrenze richtig eingehalten. Er wird in der angefangenen Weise weiter bauen. Gegen eine eventuelle Klage wird er diesen Standpunkt vor allen Instanzen zu begründen und zu wahren wissen ![]() ![]() | |
B. | |
Mit der vorliegenden, im Frühjahr 1925 angestrengten Klage verlangt der Kläger Verurteilung des Beklagten, mit seinem Neubau gegenüber dem Grundstück des Klägers die gesetzliche Abstandsgrenze zu wahren oder wegen Missachtung dieser Abstandsgrenze eine Entschädigung von 6500 Fr. zu bezahlen.
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C. | |
Durch Urteil vom 24. Januar 1927 hat das Obergericht des Kantons Unterwalden ob dem Wald erkannt: "Der Beklagte hat entweder innert sechs Monaten von Zustellung dieses Urteils an den beanstandeten Dachvorschuss auf die Abstandsgrenze zurück zu verkürzen oder an den Kläger eine Entschädigung von 700 Fr., zu verzinsen vom 20. März 1925 (Datum des Friedensrichtervorstandes) an, zu entrichten."
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D. | |
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit folgenden Anträgen:
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2. Eventuell sei der Beklagte wegen Missachtung der gesetzlichen Abstandsgrenze in eine Entschädigung von 6500 Fr. dem Kläger gegenüber zu verfälIen unter Anrufung richterlichen Ermessens."
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Erwägung 2 | |
2. Auf Bauten, die den vom kantonalen Rechte festgesetzten Abständen, wie überhaupt den Vorschriften des Nachbarrechtes zuwiderlaufen, finden gemäss Art. 685 Abs. 2 ZGB die Bestimmungen betreffend überragende Bauten Anwendung, mutatis mutandis also insbesondere der Art. 674 Abs. 3 ZGB: "Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau (oder das Eigentum am ![]() ![]() | |
Erwägung 3 | |
3. Allein dem Kläger ist zuzugeben, dass die Voraussetzungen für die Zuweisung des dinglichen Rechtes auf Näherbauen nicht zutreffen. Sobald der Kläger aus der Grundmaueranlage ersehen konnte, dass der Dachvorsprung voraussichtlich näher als zwei Meter an seine Liegenschaft heranreichen werde, hat er dem Beklagten seinen Einspruch gegen diese Bauweise amtlich mitteilen lassen, und in späteren Zuschriften hat er seinen Einspruch erneuert. Hieraus konnte der Beklagte zur ![]() ![]() | |
Infolge des rechtzeitigen Einspruches befand sich der Beklagte natürlich auch nicht mehr in gutem Glauben über seine Berechtigung, das Dach seines Hauses näher als auf zwei Meter gegen die Grenze der Liegenschaft des Klägers vorspringen lassen zu dürfen. Wenn er im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner eigenen Meinung über die Tragweite des Art. 138 des EG zu ZGB unbekümmert um den Einspruch des Klägers in der geplanten Weise weiterbaute, so setzte er sich der Gefahr aus, in einem fortgeschrittenen Stadium oder selbst erst nach der Beendigung der Baute mit dem Dachvorsprung zurückweichen zu müssen im Falle, dass die Gerichte, auf deren Entscheid sich der Kläger immer und immer wieder berief, diese Vorschrift im Sinne des Klägers auslegen werden. Unter solchen Umständen kann nicht von einem unverschuldeten Irrtum darüber gesprochen werden, dass die vom Kläger behauptete nachbarrechtliche Eigentumsbeschränkung nicht bestehe.
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Erwägung 4 | |
4. Kann aber der Beklagte aus Art. 674 Abs. 3 ZGB nichts für sich herleiten, so lässt sich der Gutheissung des in den Vordergrund gestellten Klagantrages nicht ausweichen, sondern erweist sich dieser als begründet gestützt sowohl auf Art. 641 Abs. 2 als Art. 679 ZGB, wonach auf Beseitigung der Schädigung und ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
Die Berufung wird teilweise dahin begründet erklärt, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Unterwalden ob dem Wald vom 24. Januar 1927 aufgehoben und der Beklagte verurteilt wird, den Dachvorsprung auf den gesetzlichen Abstand von zwei Metern von der Grenze gegen die Liegenschaft des Klägers hin zu verkürzen. ![]() |