vom 20. November 1924 i.S. Dommann gegen Dommann.
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Regeste | |
Herabsetzungsklage, Ausschlagung:
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Die Vermutung der Ausschlagung gemäss Art. 566 Abs. 2 ZGB wird durch das Begehren des Erben um amtliche Liquidation beseitigt (Erw. 2).
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Frage der Legitimation des Erben, welcher die amtliche Liquidation verlangt hat, zur Herabsetzungsklage gegen einen ausschlagenden (Mit-)Erben (Erw. 2).
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"Entäusserung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zweck der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat"; Kriterien, besonders wenn das übrige Vermögen zur Ausrichtung des Pflichtteils noch hingereicht haben würde (Eventualdolus) (Erw. 3).
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Berechnung der Pflichtteile bei Ausschlagung eines (Mit-)Erben (Erw. 4).
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ZGB Art. 470 f., 475, 522 ff., besonders 527 Ziff. 4, 535, 537 Abs. 2, 566 ff., besonders 566 Abs. 2 und 570 Abs. 2, 593 ff.
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Sachverhalt | |
A. | |
Die Parteien sind die einzigen Kinder der Frau Anna Dommann geb. Blättler. Diese verkaufte durch öffentlich beurkundeten und alsdann am 5. Juli 1916 gefertigten Vertrag vom 21., ergänzt am 30. Juni 1916 ihre zwischen der Maihofstrasse in Luzern und dem Rotsee gelegene Liegenschaft Kleinbruchtal, welche damals mit Hypotheken im Kapitalbetrag von 68,171 Fr. 43 Cts. belastet war, um 70,000 Fr. an die Beklagte unter folgenden wesentlichen Klauseln:
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"3. Die Verkäuferin behält sich auf Lebenszeit das Nutzniessungsrecht... an der Liegenschaft vor; sie bezieht alle Einkünfte und Erträgnisse der Liegenschaft (ordentliche und ausserordentliche) mit Aus ![]() ![]() | |
4. Die Käuferin übernimmt die Verpflichtung, die Hälfte ihres Gewinnes, den sie aus der gekauften Liegenschaft je erzielt, ihrem Bruder Herrn Jos. Dommann zuzuwenden, sei es Erlös aus Verkauf von Parzellen oder aus einem Gesamtverkaufe. Dabei wird aber ausdrücklich festgestellt, dass die Käuferin dadurch in ihrer Verfügungsfreiheit bezüglich der Liegenschaft in keiner Weise beeinträchtigt sein soll. H. Jos. Dommann hat kein Recht, bezüglich der Verwaltung und der Art der Verwendung der Liegenschaft Forderungen zu stellen, dagegen verspricht die Käuferin, nach Treu und Glauben zu handeln. H. Jos. Dommann hat auch nicht das Recht, zu fordern, dass die Käuferin Verkäufe vornehme oder unterlasse... Die Käuferin erklärt auch, keine Hypotheken zu errichten, ohne dem Herrn Jos. Dommann die Hälfte des Betrages auszuhändigen.
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5. Im Falle des Verkaufes der Liegenschaft durch die Käuferin vor dem Ableben der Verkäuferin soll letzterer die Nutzniessung am ganzen Nettoerlös auf Lebenszeit zustehen und die Teilung des Gewinnes zwischen der Käuferin und Herrn Josef Dommann erst nach dem Tode der Frau Dommann stattfinden.
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6. Wenn H. Jos. Dommann in irgend einer Weise gegen die Käuferin klagend wegen dieses Kaufgeschäftes auftritt, so fällt ihre Verpflichtung zu seinen Gunsten dahin."
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(Nachtrag.) "Wenn die Käuferin bei Lebzeiten der Verkäuferin Hypotheken errichten lässt, so hat die Verkäuferin an denselben Nutzniessungsrecht und steht dem Herrn Josef Dommann an diesen Hypotheken kein Anteil zu, solange die Verkäuferin lebt."
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Witwe Dommann-Blättler starb am 25. September 1921, nachdem sie infolge von missglückten Valutaspekulationen ihr ganzes übriges Vermögen verloren ![]() ![]() | |
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Feststellung, dass der erwähnte Liegenschaftskaufvertrag der Herabsetzung unterliege, und Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des Betrages, um welchen sein Pflichtteil verletzt wurde, "d.h. 97,000 Fr., mindestens aber 50,000 Fr." (Ein weiteres, eventuelles Begehren ist vor Bundesgericht nicht mehr streitig.)
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B. | |
Durch Urteil vom 2. Mai 1924 hat das Obergericht des Kantons Luzern die Klage dem Grunde nach zugesprochen und die Beklagte zur Bezahlung von 24,750 Fr. an den Kläger verurteilt.
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C. | |
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die Berufung an das Bundesgericht eingelegt, die Beklagte mit dem Antrag auf Abweisung der Klage; der Kläger mit dem Antrag, es sei der Betrag, um welchen sein Pflichtteil verletzt wurde, auf 49,500 Fr. festzusetzen und die Beklagte zur Bezahlung dieses Betrages zu verurteilen.
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Erwägung 2 | |
2. Zutreffend hat die Vorinstanz auch die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation des Klägers zurückgewiesen, welche die Beklagte daraus herzuleiten versucht, dass der Kläger nicht mehr als Erbe angesehen werden könne, nachdem er die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangt habe. In dieser Beziehung ist zunächst festzustellen, dass, wenn die Vermutung der Ausschlagung gemäss Art. 566 Abs. 2 ZGB auch begründet gewesen sein sollte, der Kläger sie durch jenes Begehren jedenfalls beseitigt hat. Richtig ist nun zwar, dass der Erbe durch das Begehren um amtliche Erbschaftsliquidation sich der Haftung für die Erbschafts ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Erwägung 3 | |
3. Die Vorinstanz hat den streitigen Liegenschaftsverkauf als "Entäusserung von Vennögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat" (Art. 527 Ziff. 4 ZGB) angesehen. Diese Subsumtion kann nur dann als zutreffend anerkannt werden, wenn der Wert der Liegenschaft zur Zeit des Vertragsschlusses den festgesetzten Kaufpreis erheblich überstieg und dies der Mutter der Parteien zum Bewusstsein gekommen war. Über diese Punkte hat sich die Vorinstanz nicht ausgesprochen. Indessen ergibt sich aus dem Gutachten Müller-Labhart, welchem die Vorlnstanz im allgemeinen den Vorzug vor der Oberexpertise gegeben hat -- wogegen die Beklagte nicht mit der Aktenwidrigkeitslüge aufzukommen vermag --, dass der damalige Wert der Liegenschaft auf 105,000 Fr. zu veranschlagen ist, obwohl der Ertragswert 80,000 Fr. nicht erreichte, und zwar mit Rücksicht darauf, dass sie als an der Peripherie der Stadt Luzern gelegen in absehbarer Zeit mindestens teilweise als Bauland verwertet werden könne. Angesichts der günstigen Lage der Liegenschaft konnte der Erblasserin unmöglich verborgen bleiben, dass diese Verwertungsmöglichkeit ihrer Liegenschaft einen den gegenwärtigen Ertragswert übersteigenden Wert verschaffte, mochte auch gerade in jenem Zeitpunkt ein Stillstand der Bautätigkeit eingetreten sein. In der Tat hat die Erblasserin denn auch mit einem Mehrerlös gerechnet, wie aus der Anordnung in Ziff. 4 des Kaufvertrages geschlossen werden darf, dass die Beklagte den Verkaufsgewinn seinerzeit mit dem Kläger zu teilen habe, und übrigens schon aus einer im Jahre 1909 zwischen der Erblasserin und ihren Kindern vereinbarten "Zusicherung", laut welcher in erster Linie die parzel ![]() ![]() | |
Anderseits scheint jener Subsumtion der Umstand entgegenzustehen, dass die Erblasserin zur Zeit des Vertragsschlusses noch weiteres erhebliches Vermögen an Wertschriften besass, welches zur Ausrichtung des Pflichtteils an den Kläger hingereicht haben würde. Über dieses weitere Vermögen hat die Vorinstanz ausgeführt: "In einer vom 12. November 1917 datierten "Bestätigung" erklärt die Erblasserin, dass der Verkauf ihrer Gülten auf ihr eigenes Verlangen zur Ausführung gelangt sei... Hienach sah die Erblasserin schon kurze Zeit nach dem Liegenschaftsverkauf den Verlust ihres Mobiliarvermögens voraus oder begann doch mit diesem Verlust zu rechnen. Entweder waren also damals Verluste schon in hohem Grade eingetreten, woraus gefolgert werden müsste, dass sie schon vorher verlustreiche Valutageschäfte getätigt habe, oder aber sie hat von Anfang an in wohlüberlegter Weise die Folgen einer allfälligen Fehlspekulation nach Möglichkeit von sich und ihrer Tochter abzuwenden versucht... Rechnete aber die Erblasserin schon zur Zeit des Liegenschaftsverkaufes damit, ihr fahrendes Vermögen in den in Aussicht genommenen Spekulationen ganz oder teilweise verlieren zu müssen, so..." Hiebei handelt es sich um Annahmen tatsächlicher Natur, die ungeachtet der heute vorgebrachten Bestreitung für das Bundesgericht verbindlich sind, zumal eine Aktenwidrigkeit nicht gerügt wird, und dies mit Recht. Die Vorinstanz hat daraus den Schluss auf eine mindestens eventuelle Absicht der Umgehung der Verfügungsbeschränkung seitens der Erblasserin zu Ungunsten des Klägers gezogen, für den Fall nämlich, dass sie ihr übriges Vermögen bei den bereits unternommenen oder doch in Aussicht genommenen Valutaspekulationen verlieren werde. Die Auffassung, dass schon eine eventuelle Absicht genügt, um eine unentgeltliche Vermögensver ![]() ![]() | |
Erwägung 4 | |
4. Unterliegt sonach die Veräusserung der Liegenschaft Kleinbruchtal an die Beklagte der Herabsetzungsklage, insoweit die Beklagte nicht ein Entgelt dafür entrichtet hat, so ist nach Art. 475 und 537 Abs. 2 ZGB ihr Wert zur Zeit des Todes der Erblasserin zum Nachlassvermögen hinzuzurechnen, unter Abzug des im ![]() ![]() | |
Indessen kann der Kläger die Herabsetzung nur insoweit beanspruchen, als sie zur Beseitigung der Verletzung seines Pflichtteils erforderlich ist, welcher drei Vierteile seines gesetzlichen Erbanspruchs beträgt; dabei fällt als Nachlass, von welchem dieser Erbanspruch zu berechnen ist, einfach der Wert der Liegenschaft Kleinbruchtal unter Abzug des von der Beklagten bezahlten Kaufpreises in Betracht, weil die Nachlassliquidation nichts für die Erben abgeworfen hat, während anderseits die Liegenschaft oder deren Mehrwert auch nicht etwa für die Tilgung von Erbschaftsschulden in Anspruch genommen werden kann. Nach der Auffassung der ersten Instanz geht der gesetzliche Erbanspruch des Klägers wegen der Ausschlagung der Beklagten auf diesen ganzen Nachlass, nach der Auffassung der Vorinstanz dagegen nur auf die Hälfte, weil die Ausschlagung mit dem stillschweigenden, aber dem Kläger erkennbaren Vorbehalt geschehen sei, dass dadurch keine Besserstellung des Klägers erfolge. Diese Begründung der Vorinstanz steht mit Art. 570 Abs. 2 ZGB in Widerspruch, wonach die Ausschlagung vorbehaltlos geschehen muss; dagegen ist ihrer Entscheidung im Ergebnis beizustimmen. Es liesse ![]() ![]() | |
Demnach erkennnt das Bundesgericht: | |