49. Urteil | |
vom 23. März 1912 in Sachen Gebr. Lechner, Bekl., Widerkl. u. Ber.-Kl., gegen Mechanische Ziegelfabrik Dinhard, A.-G. und Fritz Bockhorn, Kl., Widerbekl. u. Ber.-Bekl.
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Art. 59 ff. OG: Berechnung des Streitwertes, wenn zwei Gläubiger auf Grund des Art. 285 Ziff. 1 SchKG miteinander eine Anfechtungsklage erheben. Berücksichtigung des Betrages einer nur für den Fall der Gutheissung der Klage erhobenen Widerklage. -- Voraussetzung der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung, wodurch eine Liegenschaft vom Schuldner gegen Uebernahme der Hypotheken zu Eigentum abgetreten worden ist, aus Art. 286 Ziff. 1 u. 288 SchKG ist, dass der Wert der Liegenschaft, abgesehen von später auf sie gemachten Verwendungen, den Betrag der Hypothekarschulden übersteigt. -- Art. 287 Ziff. 2 SchKG: Dieses Wertverhältnis bildet auch eine Voraussetzung für die Beantwortung der Frage, ob die Liegenschaft das Aequivalent für eine beim Verkauf vereinbarte Tilgung einer Forderung des Verkäufers gegen den Käufer darstelle und insoweit die Abtretung der Liegenschaft anfechtbar sei.
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Sachverhalt: | |
A. | |
Durch Urteil vom 27. September 1911 hat die I. Appellationskammer des zürcherischen Obergerichts in vorliegender Streitsache erkannt:
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"1. Der unterm 22. September 1910 zwischen den Beklagten und C. Ladner, Bauunternehmer in Zürich III abgeschlossene Kaufvertrag betreffend 13 a 61 m2 Bauland an der Scheuchzer- und Riedtlistraße in Zürich IV Kat. Nr. 1629 mit dem darauf erstellten unvollendeten Wohnhaus wird als anfechtbar erklärt und die Kläger sind demgemäß berechtigt, in der Betreibung gegen Ladner deren Pfändung und Verwertung zu verlangen. 2. Auf die Widerklage 1 und 2 wird nicht eingetreten."
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B. | |
Gegen dieses Urteil haben die Beklagten gültig die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit den Anträgen: "Es sei in Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, eventuell es sei die Widerklage Nr. 1 gutzuheißen und festzustellen, daß bei einer Rückfertigung und vorgängig einer Versteigerung und Verwertung der streitigen Liegenschaft die Kläger ![]() ![]() | |
C. | |
In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter der Beklagten die gestellten Berufungsanträge erneuert. Die Vertreter der beiden Kläger haben beantragt, es sei auf die Berufung wegen Unzuständigkeit des Bundesgerichts nicht einzutreten, eventuell sei sie als unbegründet abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
1. Cassian Ladner hatte auf der Liegenschaft Kat. Nr. 1629 an der Scheuchzer- und Niedtlistraße in Zürich IV die Erstellung eines Doppelwohnhauses unternommen. Zahlungsschwierigkeiten hinderten ihn an der Fertigstellung der Baute und er schloß dann am 20. September 1910 mit einer Anzahl seiner Gläubiger, nämlich mit den heutigen Beklagten, den Gebr. Lechner, und mit L. Bartholomé-Cuby, E. Frech-Schaub und C. Brühlhard, einen Vertrag ab, wonach diese Gläubiger erklärten, von Ladner die genannte Liegenschaft um die notariellen grundversicherten Hypotheken zu übernehmen und zu kanzleien. Dabei wurde ferner unter anderm bestimmt, daß das auf der Baustelle befindliche Gerüstmaterial als Eigentum an die Käufer übergehe und daß das Gefälligkeitsakzept von 1000 Fr. zu Gunsten des Gipsermeisters Frech von den Käufern zur Zahlung übernommen und bei der ersten Geldaufnahme angewiesen werde. Als Tag der Fertigung sah der Vertrag den 24. September 1910 vor, die Liegenschaft wurde aber schon am 23. September und zwar nur den Beklagten, Gebr. Lechner, zugefertigt, die laut ihrer Angabe an Ladner 9000 Fr. zu fordern haben. Die Kläger, die Mecha ![]() ![]() | |
In der Folge haben diese beiden Gläubiger die vorliegende Klage eingereicht mit dem Begehren, es sei der am 22. (?) September 1910 zwischen den Beklagten und Ladner abgeschlossene Kaufvertrag als anfechtbar zu erklären und aufzuheben und die Liegenschaft zu Gunsten der Kläger in die Pfandmasse einzubeziehen; eventuell sei festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet seien, den Mehrwert der Liegenschaft über die Hypotheken hinaus in die Pfandmasse Ladners einzuwerfen. Die Kläger machen geltend: Durch den angefochtenen Liegenschaftsverkauf sei ihnen das einzige Aktivum Ladners zur Deckung ihrer Forderungen entzogen worden. Der Wert der verkauften Liegenschaft erreiche 130,000 Fr., wofür Expertenbeweis angeboten werde; und hiezu komme noch der Wert der ebenfalls übergegangenen Gerüstungen und Baumaterialien von 3000 Fr. Die Hypotheken dagegen, deren Übernahme die Gegenleistung bilde, beliefen sich zusammen auf 108,804 Fr. 50 Cts. Die Forderung der Beklagten betrage 5000 Fr. bis 7000 Fr. und die Beklagten seien also darüber hinaus bereichert. Die Anfechtbarkeit ergebe sich aus Art. 286 Ziff. 1 wegen des Mißverhältnisses zwischen dem Werte der Liegenschaft und der Gegenleistung, aus Art. 287 Ziff. 2, weil die Übernahme der Liegenschaft kein übliches Zahlungsmittel für die Tilgung einer laufenden Forderung sei und aus Art. 288, weil Ladner den Kauf in der den Käufern erkennbaren Absicht, sie gegenüber den andern Gläubigern zu begünstigen, abgeschlossen habe; es seien ihm 1500 Fr. versprochen worden, wenn er den Vertrag abschließe.
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Die Beklagten haben zunächst beantragt, es sei die Klage ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Erwägung 2 | |
2. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts ist gegeben: Die Klage beurteilt sich nach den Art. 285 ff. SchKG und bei der Widerklage stehen ebenfalls die bundesrechtlichen Grundsätze über die Anfechtungsklage und namentlich über die Rückgewähr des anfechtbarerweise erworbenen Vermögens, wenn nicht ausschließlich, doch zum mindesten mit in Frage. Was den Streitwert anbetrifft, so bestimmt er sich laut der bundesgerichtlichen Rechtssprechung (vergl. AS 27 II S. 293, 30 II S. 379) bei der Anfechtung außer Konkurs nach dem Wert des Vermögensgegenstandes, aus dem sich der anfechtende Gläubiger für seine Forderung befriedigt machen will und nach der Höhe des (ungedeckten) Betrages dieser Forderung, und zwar so, daß der kleinere dieser Werte maßgebend ist. Im vorliegenden Fall muß also auf die Forderungen der beiden klagenden Gläubiger von 1798 Fr. 35 Cts. und 605 Fr. 20 Cts. abgestellt werden und zwar sind sie laut Art. 60 Abs. 1 OG zusammenzurechnen, da die Kläger die Anfechtung als Streitgenossen, wenn auch jeder zu Gunsten seiner Forderung, betreiben. Hienach ist der Streitwert hinsichtlich der Klage auf 2403 Fr. 55 Cts. zu bestimmen und es müßte also insoweit das schriftliche Berufungsverfahren Platz greifen. Nun hat aber der Beklagte auf Bezahlung oder betreibungsamtliche Zuteilung von 60,000 Fr. gerichtete Widerklagebegehren gestellt. Da bei diesen der Streitwert 4000 Fr. übersteigt und somit für sie das mündliche Berufungsverfahren gilt, so hat dieses Verfahren auch für die Klagebegehren Anwendung zu finden; denn maßgebend für das anzuwendende Berufungsverfahren sind die dem Streitwerte nach größern der zu beurteilenden Ansprüche. An dem Gesagten ändert auch der Umstand nichts, daß die Widerklageanträge nur eventuell gestellt sind, nämlich nur für den Fall, daß die Klage gutgeheißen werde. Auch so bilden sie Gegenstand des Streites und sobald mit der Zusprechung der Klage ihre Beurteilung nötig wird, bezieht sich ![]() ![]() | |
Erwägung 3 | |
Erwägung 4 | |
4. In der Sache selbst fragt es sich vor allem, ob die Kläger durch die angefochtene Kauffertigung vom 23. September 1910 wirklich geschädigt worden, ob also dadurch Vermögen ihres Schuldners veräußert worden sei, auf das sie als Pfändungsgläubiger hätte greifen können. Dies ist aber so weit zu verneinen, als zur Zeit des Eigentumserwerbes der Beklagten auf der verkauften Liegenschaft Hypotheken lasteten und die Beklagten diese Hypotheken als Käufer übernommen haben. Denn ohne die Veräußerung der Liegenschaft hätten die Kläger zur Befriedigung ihrer Forderungen nur jenen Betrag ihres Erlöses beanspruchen können, der nach der Deckung der Hypothekargläubiger übrig geblieben wäre. Zum Schaden der Beklagten haben also die ![]() ![]() | |
Bevor die in dieser Hinsicht wesentlichen tatsächlichen Verhältnisse feststehen, läßt sich nun aber die Klage hinsichtlich keines der von den Klägern eingenommenen Standpunkte beurteilen worüber im einzelnen folgendes zu bemerken ist:
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a) Die Kläger fechten den Verkauf der Liegenschaft zunächst gestützt auf Art. 286 Ziff. 1 SchKG deshalb an, weil die Gegenleistung der Beklagten als Käufer zu der Leistung des Schuldners "in einem Mißverhältnis stehe". Ob ein solches Mißverhältnis vorliegt, beurteilt sich aber nach der Beziehung zwischen dem Verkehrswert der Liegenschaft mit Inbegriff der verkauften Zubehörden einerseits und der Summe der zur Zahlung übernommenen Hypotheken und der Wechselschuld anderseits.
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b) Von dieser Beziehung hängt ferner ab, ob der im weitern angerufene Art. 288 SchKG zutreffe, insofern dieser voraussetzt, daß der Schuldner durch die angefochtene Rechtshandlung tatsächlich seine Gläubiger "benachteiligt" oder einzelne von ihnen, ![]() ![]() | |
Ob nun überhaupt die Liegenschaft in der Meinung verkauft worden sei, daß der Pfändungsschuldner kraft des Verkaufs von seiner Schuld befreit sein sollte und daß also die Beklagten als Käufer nicht nur die Hypothekarschulden zu übernehmen, sondern zugleich auf ihre Forderung gegen den Pfändungsschuldner zu verzichten hätten, ergibt sich aus dem Wortlaut des Vertrages vom 20. September 1910 nicht und geht auch sonst aus den Akten nicht hervor. Die Vorinstanz ist -- von dem unten zu erwähnenden Standpunkt aus, der sie zur Gutheißung der Klage geführt hat -- dazu gelangt, auch diese Frage offen zu lassen und von einer Tatbestandsfeststellung hierüber abzusehen.
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Selbst wenn man aber annimmt, daß wirklich die Parteien die erwähnte Schuld haben tilgen wollen, in welchem Falle Art. 287 Ziff. 2 allein in Frage kommen kann, so ließe sich über die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ebenfalls nur dann Klarheit gewinnen, wenn jenes Wertverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung der Kaufparteien in tatsächlicher Beziehung feststände. Träfe nämlich die Behauptung der Beklagten zu, daß schon die von ihnen übernommenen Hypotheken von zusammen 123,804 Fr. 50 Cts., deren Übernahme die hauptsächlichste Gegenleistung der Beklagten bildet, den Verkehrswert der Liegenschaften (mit Inbegriff des mitverkauften Materials) um rund 13,000 Fr. übersteigt, so erhöbe sich die Frage, ob überhaupt und eventuell zu welchem Teil der Kaufgegenstand das Äquivalent -- nicht der übernommenen Hypotheken, -- sondern der Befreiung des Verkäufers von seiner Schuldpflicht bildet. Nur soweit diese Frage zu bejahen ist, kann der Kaufgegenstand im Sinne von Art. 287 Ziff. 2 als Zahlungsmittel gedient haben. Auch in ![]() ![]() | |
Die Vorinstanz hat nun freilich Art. 287 Ziff. 2 von dem Standpunkte aus als anwendbar erklärt, daß jedenfalls die vertraglich bedungene Übernahme des Gefälligkeitswechsels Frech als Tilgung einer Geldschuld durch ein nicht übliches Zahlungsmittel gelten müsse. Zur Begründung führt sie aus, Frech bezw. seine Firma sei an der Übernahme der Liegenschaft beteiligt gewesen und durch diese Übernahme habe der Wechsel getilgt werden sollen. Dem gegenüber ist zunächst zu bemerken, daß laut den Akten Frech nur beim obligatorischen Kaufvertrag beteiligt war, Eigentümer der Liegenschaft sind durch Fertigung nur die Beklagten geworden, wie denn auch der Liegenschaftserwerb nur ihnen gegenüber angefochten wird. Ob ferner in der vertraglich bedungenen Übernahme des Wechsels zur Zahlung wirklich eine Tilgung der Wechselschuld aus dem Kaufgegenstand im Sinne von Art. 287 Ziff. 2 sich finden lasse, braucht zur Zeit nicht geprüft zu werden; denn selbst wenn dem so wäre, so bedürfte es wiederum der erwähnten tatsächlichen Feststellung über das Verhältnis zwischen Kaufgegenstand und Preis, um beurteilen zu können, ob und welcher Teil des Kaufgegenstandes die Gegenleistung dafür bildet, daß die Beklagten die Bezahlung der Wechselschuld des Verkäufers übernommen haben. Beigefügt werden mag nur, daß auch dann, wenn die Übernahme der Wechselzahlung anfechtbar wäre, diese Anfechtbarkeit allein, die einen ganz geringen Teil der von den Kaufparteien bedungenen Leistungen betrifft, doch nicht dazu führen könnte, das ganze Fertigungsgeschäft als anfechtbar zu erklären, wie es die Vorinstanz getan hat.
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Erwägung 5 | |
5. Die tatsächlichen Feststellungen, deren es laut den obigen Ausführungen zur Beurteilung der Klage bedarf, lassen sich auf Grund der vorhandenen Akten nicht vom Bundesgericht vornehmen und es ist daher nach Art. 82 OG unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur Aktenvervollständigung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Widerklagebegehren sind nur für den Fall der Gutheißung der Klage gestellt. Da nun die Klage neuerdings vorinstanzlich ![]() ![]() | |
Dispositiv | |
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
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