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Zitiert durch:
BVerfGE 116, 271 - Anlastung von EU-Agrarsubventionen
BVerfGE 110, 33 - Zollkriminalamt
BVerfGE 104, 238 - Moratorium Gorleben
BVerfGE 103, 81 - Pofalla I
BVerfGE 95, 243 - Restitution bei öffentlicher Trägerschaft


Zitiert selbst:
BVerfGE 94, 315 - Zwangsarbeit
BVerfGE 94, 297 - Treuhandanstalt II
BVerfGE 92, 203 - EG-Fernsehrichtlinie
BVerfGE 86, 148 - Finanzausgleich II
BVerfGE 84, 90 - Bodenreform I
BVerfGE 81, 310 - Kalkar II
BVerfGE 72, 330 - Finanzausgleich I
BVerfGE 42, 103 - Bonus-Malus II
BVerfGE 41, 126 - Reparationsschäden
BVerfGE 27, 253 - Kriegsfolgeschäden
BVerfGE 15, 126 - Staatsbankrott
BVerfGE 10, 20 - Preußischer Kulturbesitz


A.
I.
1. Der Freistaat Sachsen und der Freistaat Thüringen beanspr ...
2. Noch vor der Übertragung der Aktien auf das Erwerberkonso ...
II.
1. Mit am 26. Oktober 1995 eingegangenen Schriftsätzen haben ...
2. Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuw ...
B.
I.
1. Mit dem Begehren unter I. und III. können die Antragstell ...
2. Da die Anträge Nr. I und III im Bund-Länder-Streit n ...
3. Die Antragsteller können im Verfahren des Bund-Lände ...
II.
Bearbeitung, zuletzt am 02.08.2022, durch: A. Tschentscher
BVerfGE 95, 250 (250)1. Maßnahmen oder Unterlassungen von Bund und Ländern innerhalb eines Verwaltungsverfahrens können nicht Gegenstand eines Bund-Länder-Streits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 GG sein.
 
2. Das Grundgesetz regelt grundsätzlich nicht die Vermögensausstattung von Bund und Ländern und begründet insbesondere keinen Anspruch der Länder gegen den Bund auf Ausstattung mit bestimmten Vermögensgegenständen. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes (Art. 104a ff. GG) sichert die finanzwirtschaftliche Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern dadurch, daß sie diese Körperschaften mit frei verfügbaren Geldmitteln in angemessener Höhe ausstattet.
 
3. Das Grundgesetz gebietet es nicht, die Länder nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik in bestimmte Besitzstände wiedereinzuweisen.
 
 
Beschluß
 
des Zweiten Senats vom 11. März 1997 gemäß § 24 BVerfGG
 
-- 2 BvG 3, 4/95 --  
in den Verfahren über die Anträge der sächsischen Staatsregierung festzustellen: ... BVerfGE 95, 250 (250)BVerfGE 95, 250 (251)... BVerfGE 95, 250 (251)BVerfGE 95, 250 (252) ... BVerfGE 95, 250 (252)BVerfGE 95, 250 (253) ... BVerfGE 95, 250 (253)BVerfGE 95, 250 (254)
 
Entscheidungsformel:
 
Die Anträge werden verworfen.
 
 
Gründe:
 
 
A.
 
Die Sächsische Staatsregierung und die Thüringer Landesregierung (Antragsteller) erstreben mit den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Bund-Länder-Streitverfahren im Ergebnis, vom Bund mit einer Beteiligung am Aktienkapital der Vereinigte Energiewerke AG (VEAG) ausgestattet zu werden.
I.
 
1. Der Freistaat Sachsen und der Freistaat Thüringen beanspruchen von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben - BvS - (bis zum 31. Dezember 1994 Treuhandanstalt) ca. 20 v. H. der VEAG-Aktien als werthaltigen Ausgleich für die ehemaligen BVerfGE 95, 250 (254)BVerfGE 95, 250 (255)Unternehmensbeteiligungen der beiden Länder an der Saaletalsperren AG.
a) Die Saaletalsperren AG baute in den zwanziger Jahren Talsperren an der Saale und nutzte diese zur Stromversorgung. An der Aktiengesellschaft waren die Länder Sachsen und Thüringen jeweils zu ca. 3 v. H. des Aktienkapitals unmittelbar beteiligt. Weitere Anteilseigner waren das Deutsche Reich (Anteil von 40 v. H.) und die Thüringen-Werk AG (Anteil von ca. 54 v. H.), deren Anteile das Land Thüringen zu 50 v. H. und die Sächsische Werke AG zu 25 v. H. hielten. Alleiniger Anteilseigner der Sächsische Werke AG war wiederum das Land Sachsen. Die Vermögenswerte der Saaletalsperren AG wurden am 1. Juni 1948 aufgrund eines Befehls des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung (SMAD) enteignet. Am 6. September 1948 wurde die Saaletalsperren AG im Handelsregister gelöscht. Die enteigneten Vermögenswerte gingen nach ihrer Überführung in Volkseigentum der Deutschen Demokratischen Republik in die Rechtsträgerschaft verschiedener Energie-Kombinate über, welche auf der Grundlage des Treuhandgesetzes vom 17. Juni 1990 (GBl. I S. 300) mit Wirkung vom 1. Juli 1990 in Aktiengesellschaften umgewandelt und im Jahre 1991 zur VEAG verschmolzen wurden. Alleinige Aktionärin der VEAG war die BvS.
Dem Restitutionsbegehren des Freistaates Sachsen und des Freistaates Thüringen auf eine Übertragung von ca. 20 v. H. des Aktienkapitals an der VEAG kam die BvS nicht nach. Sie zeigte statt dessen dem Freistaat Sachsen und dem Freistaat Thüringen mit Schreiben vom 10. Februar 1995 gemäß § 12 Abs. 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes (VZOG) ihre Absicht an, die Aktien der VEAG nach Maßgabe des § 12 VZOG auf ein privates Erwerberkonsortium zu übertragen. Einen Antrag auf Untersagung der beabsichtigten Verfügung lehnte die BvS mit Bescheid vom 26. April 1995 mit der Begründung ab, daß den Ländern Ansprüche auf öffentliche Restitution nicht zustünden. Die Privatisierungsmaßnahme diene im übrigen der Sicherung von Investitionen und der Erhaltung von Arbeitsplätzen in Ostdeutschland.
b) Die gegen dieses Vorgehen gerichteten Anträge der Länder auf verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz wies das VerwaltungsgeBVerfGE 95, 250 (255)BVerfGE 95, 250 (256)richt Berlin mit Beschluß vom 11. August 1995 ab. Die geltend gemachten Restitutionsansprüche seien offensichtlich unbegründet im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 VZOG. Es seien nicht die Anteilseigner der Saaletalsperren AG, sondern der Unternehmensträger selber von der Enteignung des Unternehmensvermögens betroffen gewesen. Mithin habe die Aktiengesellschaft, nicht aber deren Anteilseigner das Unternehmen infolge der Enteignung dem Zentralstaat im Sinne von Art. 21 Abs. 3 des Einigungsvertrages (EV) "zur Verfügung gestellt". Die Restitutionsansprüche von juristischen Personen des privaten Rechts beurteilten sich jedoch ausschließlich nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes.
Ob die Länder berechtigt seien, die Rückübertragung der Gesellschaftsanteile an der Saaletalsperren AG nach den Vorschriften der Art. 21 Abs. 3, 22 Abs. 1 Satz 7 EV sowie nach § 11 Abs. 1 VZOG zu verlangen, könne offen bleiben. Jedenfalls führe eine Entziehung von Anteilsrechten an der Saaletalsperren AG zugunsten des Zentralstaats nicht zu einem Anspruch auf Übertragung von VEAG-Aktien, sondern allenfalls zu einem Anspruch auf Rückübertragung von Aktien der Saaletalsperren AG.
Einen weiteren Eilantrag lehnte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 24. August 1995 als unzulässig ab, weil es seine Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht für gegeben erachtete.
2. Noch vor der Übertragung der Aktien auf das Erwerberkonsortium am 18. Oktober 1995 wandte sich der Thüringer Finanzminister mit Schreiben vom 17. August 1995 an den Bundesminister der Finanzen; er bat diesen, den Vollzug des zwischen der BvS und dem Erwerberkonsortium abgeschlossenen Privatisierungsvertrages bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zurückzustellen und den Ländern Gelegenheit zur kurzfristigen Erörterung des Problems zu geben. Unter dem 25. September 1995 schrieb auch der Sächsische Staatsminister der Finanzen an den Bundesminister der Finanzen und forderte ihn ebenfalls auf, der BvS die beabsichtige Verfügung über die VEAG- Aktien zu untersagen, zumindest aber für eine Aufschiebung der Privatisierung bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache zu sorgen.
BVerfGE 95, 250 (256)BVerfGE 95, 250 (257)Mit Schreiben vom 12. Oktober 1995 an den Thüringer Finanzminister und vom 14. November 1995 an den Sächsischen Staatsminister der Finanzen lehnte der Bundesminister der Finanzen eine weitere Aufschiebung der VEAG-Privatisierung mit dem Hinweis ab, daß damit das Investitionskonzept gefährdet werde und die Länder zudem bereits frühzeitig vor Abschluß des VEAG- Privatisierungsvertrages angehört und beteiligt worden seien.
II.
 
1. Mit am 26. Oktober 1995 eingegangenen Schriftsätzen haben die Antragsteller beim Bundesverfassungsgericht Bund-Länder-Streitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG anhängig gemacht. Hilfsweise stellen sie Anträge im Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, §§ 13 Nr. 8, 71 f. BVerfGG.
Sie beantragen sinngemäß festzustellen, daß der Bund es - unter Verstoß gegen die Art. 20 Abs. 1, 30, 104a, 107 Abs. 2 und 134 Abs. 3 GG sowie die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten - unterlassen habe, durch eine Weisung oder eine Änderung der Rechtslage dafür zu sorgen, daß enteignete Vermögenswerte von Unternehmen des privaten Rechts, an denen die früheren Länder Sachsen und Thüringen als Kapitalgesellschafter beteiligt gewesen seien, zusammen mit den Beteiligungen nach den Vorschriften der Art. 21 Abs. 3 und 22 Abs. 1 Satz 7 EV in Verbindung mit den §§ 11 ff. VZOG restituiert würden. Der Bund habe es zugelassen, daß das Aktienkapital von der BvS vollständig auf ein Erwerberkonsortium übertragen worden sei (Anträge zu Nr. I und Nr. III). Weiter beantragen sie sinngemäß die Feststellung, daß der Bund durch eine unzureichende und verspätete Reaktion auf ihr Verhandlungsangebot sowie durch die Weigerung, die Aktienübertragung aufzuschieben, gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen habe (Antrag zu Nr. II). Schließlich beantragen sie, den Bund zu verpflichten, die Aktienübertragung auf das Erwerberkonsortium zumindest in einer Höhe von 20 v. H. des Aktienkapitals an der VEAG wieder rückgängig zu machen, hilfsweise einen Ausgleich oder Ersatz dafür zu leisten, daß eine Übertragung von Aktienanteilen an BVerfGE 95, 250 (257)BVerfGE 95, 250 (258)der VEAG auf die Freistaaten Sachsen und Thüringen nicht mehr möglich sei (Antrag Nr. IV).
Im einzelnen tragen sie vor:
a) Zu den verfassungsrechtlich unabdingbaren Grundsätzen einer bundesstaatlichen Ordnung im Sinne des Art. 20 Abs. 1 GG gehöre es, die Folgen einer vom Gesamtstaat diktierten Zentralisierung nach föderalen Gesichtspunkten wieder rückgängig zu machen. Art. 134 Abs. 3 GG konkretisiere diesen Rechtsgrundsatz hinsichtlich der Verteilung des Verwaltungs- und Finanzvermögens zwischen Bund und Ländern. Danach sei öffentliches Vermögen, das die Länder dem Zentralstaat der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik unentgeltlich zur Verfügung gestellt hätten, vollständig an diese oder ihre Rechtsnachfolger zurückzuübertragen. Zum Restitutionsvermögen nach Art. 21 Abs. 3 und Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV sowie nach § 1a Abs. 1 und § 11 VZOG, die insoweit im Lichte des Art. 134 Abs. 3 GG auszulegen seien, zählten mithin auch die Unternehmensbeteiligungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Eine werthaltige Rückübertragung der Unternehmensbeteiligungen setze aber voraus, daß auch das jeweilige Unternehmen selber nach den Vorschriften des Einigungsvertrages und des Vermögenszuordnungsgesetzes an die Anteilseigner zurückübertragen werde. Der Bund sei daher nach Art. 134 Abs. 3 GG i.V.m. dem Bundesstaatsprinzip gehalten gewesen, durch eine aufsichtliche Weisung an die BvS nach § 2 Abs. 2 TreuhG oder nach § 1 Abs. 1 Satz 2 VZOG oder durch eine Änderung oder Ergänzung des Vermögenszuordnungsgesetzes dafür zu sorgen, daß die Restitutionsansprüche der Länder Sachsen und Thüringen in bezug auf die enteigneten Vermögenswerte der Saaletalsperren AG erfüllt würden, und zwar in Form der Übertragung von 20 v. H. des Aktienkapitals der BvS an der VEAG.
b) Derselbe Anspruch folge auch aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der föderalen Gleichbehandlung der Länder durch den Bund. Könnte nur der Unternehmensträger die Rückgabe des enteigneten Unternehmensvermögens nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes beanspruchen, bliebe den neuen Ländern ein wesentlicher Teil ihres früheren Finanzvermögens vorenthalten. Denn das VerBVerfGE 95, 250 (258)BVerfGE 95, 250 (259)mögensgesetz gelte nicht für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (§ 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG). Zwischen 1945 und 1949 seien aber in der sowjetischen Besatzungszone die bedeutendsten Unternehmensvermögen der Länder enteignet worden, darunter auch dasjenige der Saaletalsperren AG. Würden diese Vermögenswerte nicht restituiert, stünden die neuen Länder in vermögensrechtlicher Hinsicht wesentlich schlechter da als die alten Länder, die ihr Vermögen, soweit sie es während der Zeit des Nationalsozialismus ohne Gegenleistung auf das Reich hätten übertragen müssen, nach Art. 134 Abs. 3 GG in Verbindung mit den hierzu ergangenen Ausführungsgesetzen in vollem Umfange zurückerhalten hätten. Ein solches Ergebnis widerspräche auch dem Willen der Parteien des Einigungsvertrages.
c) Das Verhalten des Bundes verletze darüber hinaus den Anspruch der neuen Länder auf eine angemessene Finanzausstattung mit Vermögen, das sie zur Erfüllung der ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben, insbesondere zur Sicherung der Energieversorgung in den Ländern benötigten. Der Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung mit Vermögen folge aus dem Bundesstaatsprinzip in seiner Konkretisierung durch die Vorschriften der Art. 104a, 107 Abs. 2 Satz 1 GG und 109 Abs. 1 GG. Danach sei der Bund verpflichtet, durch Finanz- und Vermögenszuweisungen auf eine gleiche oder vergleichbare Finanzkraft der Länder hinzuwirken, um die Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder zu gewährleisten. Bleibe jedoch den neuen Ländern das Vermögen aus ihren Unternehmensbeteiligungen vorenthalten, werde ihre Finanz- und Vermögensausstattung unter ein vertretbares Maß abgesenkt. Allein der Wert der Aktienbeteiligungen der beiden Länder an der Saaletalsperren AG betrage zusammengenommen etwa eine Milliarde DM.
Was insbesondere die Vermögensausstattung mit Aktienanteilen an der VEAG betreffe, so sei diese erforderlich, um Einfluß auf das in Ostdeutschland monopolartig auftretende Energieversorgungsunternehmen zu gewinnen. Nur so könne eine flächendeckende Stromversorgung zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen garantiert und der weitere wirtschaftliche Aufbau gewährleistet werden.
BVerfGE 95, 250 (259)BVerfGE 95, 250 (260)d) Schließlich habe der Bund durch sein Verhalten im Rahmen der Privatisierung der VEAG gegen den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen. Dies gelte vor allem für das Procedere und den Stil der zwischen Bund und Ländern geführten Verhandlungen. Das Schreiben des Thüringer Finanzministers vom 17. August 1995 hätte dem Bundesminister der Finanzen Anlaß geben müssen, bei der BvS auf eine vorläufige Aussetzung der Verfügung über die Aktien zu dringen, um kurzfristig über die Ansprüche der Länder neu zu verhandeln, zumindest aber um ihnen Gelegenheit zu geben, vorläufigen Rechtsschutz vor dem Bundesverfassungsgericht zu beantragen. Er habe stattdessen mit Antwortschreiben vom 12. Oktober 1995 den beabsichtigten Privatisierungsvollzug der VEAG mitgeteilt, ohne den genauen Zeitpunkt zu nennen und ohne anzugeben, daß der Bund auf einen Rückforderungsvorbehalt hinsichtlich der vermögenszuordnungsrechtlichen Ansprüche der Länder Sachsen und Thüringen verzichte. Auf das Schreiben des Sächsischen Staatsministers der Finanzen vom 25. September 1995 habe der Bundesminister der Finanzen erst geantwortet, nachdem die Übertragung der Aktien auf das Erwerberkonsortium bereits vollzogen gewesen sei.
e) Aufgrund der dargelegten Verfassungsrechtsverstöße sei der Bund zu verpflichten, den Zustand wiederherzustellen, der vor der Übertragung von mehr als 80 v. H. der VEAG- Aktien bestanden habe, hilfsweise Ersatz für die auf das Erwerberkonsortium übergegangenen 20 v. H. des Aktienkapitals an der VEAG zu leisten, damit die Länder ihre Aufgaben im Bereich der Energieversorgung angemessen wahrnehmen könnten.
2. Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, daß die Anträge zum Teil unzulässig, jedenfalls aber insgesamt unbegründet seien.
a) Der Antrag zu Nr. II sei unzulässig, weil sich die Antragsteller nicht auf eine Verletzung der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten bei Verhandlungen berufen könnten. Das Geltendmachen von Ansprüchen durch die Länder gegenüber dem Bund bedeute kein Verhandeln. Im übrigen hätten im Vorfeld der Privatisierung der VEAG zahlreiche Gespräche und Verhandlungen mit den AntragBVerfGE 95, 250 (260)BVerfGE 95, 250 (261)stellern stattgefunden. Unzulässig sei auch der Antrag zu Nr. IV, weil das Bundesverfassungsgericht im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG auf die Feststellung beschränkt sei, daß die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstoßen habe (§ 69 i.V.m. § 67 Satz 1 BVerfGG).
b) Die Anträge zu Nr. I und Nr. III seien dagegen in der Sache unbegründet.
Art. 134 Abs. 3 GG finde auf die geltend gemachten Restitutionsansprüche keine Anwendung, weil es sich bei den streitbefangenen Vermögenswerten der Saaletalsperren AG um ehemaliges Ländervermögen und nicht um Reichsvermögen handele. Die Art. 134 und 135 GG träfen als Übergangsregelungen für die darin bezeichneten Fälle Anordnungen über die Verteilung der Vermögen des Reiches und der vor Inkrafttreten des Grundgesetzes untergegangenen Länder, nicht aber über eine verfassungsrechtlich gebotene Vermögensausstattung der neuen Länder.
Einen Anspruch der Länder auf eine angemessene Finanzausstattung mit Vermögen sehe das Grundgesetz nicht vor. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes nach den Art. 104a ff. GG kenne nur die Ausstattung von Bund und Ländern aus den laufenden Einnahmen. Insofern stehe aber außer Frage, daß der Bund seine Verpflichtungen gegenüber den neuen Ländern erfüllt habe. Auch aus anderen Verfassungsbestimmungen und Verfassungsgrundsätzen lasse sich eine Pflicht des Bundes, die Freistaaten Sachsen und Thüringen mit Aktien der VEAG auszustatten, nicht herleiten.
 
B.
 
Die Anträge sind unzulässig.
I.
 
Im Verfahren des Bund-Länder-Streits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG ist der Antrag einer Landesregierung nur zulässig, wenn sie geltend macht, das Land werde durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Bundes in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder BVerfGE 95, 250 (261)BVerfGE 95, 250 (262)unmittelbar gefährdet (§§ 64 Abs. 1, 69 BVerfGG). Vorausgesetzt sind Maßnahmen oder Unterlassungen, die innerhalb eines Bund und Land umspannenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnisses eine verfassungsrechtliche Rechtsposition des Landes verletzen oder unmittelbar gefährden können (vgl. BVerfGE 81, 310 [329]; 92, 203 [226]).
1. Mit dem Begehren unter I. und III. können die Antragsteller danach Maßnahmen oder Unterlassungen innerhalb des Verwaltungsverfahrens der öffentlichen Restitution nach Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 EV und den Vorschriften des Vermögenszuordnungsgesetzes von vornherein nicht zum Gegenstand eines Bund-Länder- Streits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG machen. Insoweit stehen die Länder wie andere von den Rechtsvorschriften der öffentlichen Restitution begünstigte Körperschaften dem Bund nur in Rechtsbeziehungen des Verwaltungsrechts gegenüber. Für den Rechtsschutz sind allein die Verwaltungsgerichte zuständig (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VZOG).
Die Anträge sind aber auch unzulässig, soweit die Antragsteller - unabhängig von den Restitutionsverfahren - unter Berufung auf die Eigenstaatlichkeit der Länder (Art. 20 Abs. 1 GG) und deren gliedstaatliche Aufgaben (Art. 30 GG) unmittelbar aus dem Grundgesetz Ansprüche auf die Ausstattung mit den in Rede stehenden Beteiligungen ableiten und geltend machen. Es kann offen bleiben, ob die Antragsteller in diesem Zusammenhang rechtserhebliche Maßnahmen oder Unterlassungen des Bundes in der durch §§ 64 Abs. 3, 69 BVerfGG gesetzten Frist beanstandet haben. Der Zulässigkeit ihrer Anträge steht auch hier jedenfalls das Fehlen eines Bund und Land umspannenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnisses entgegen.
a) Das Grundgesetz regelt grundsätzlich nicht die Vermögensausstattung von Bund und Ländern und begründet insbesondere keinen Anspruch der Länder gegen den Bund auf Ausstattung mit bestimmten Vermögensgegenständen. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes (Art. 104a ff. GG) sichert die finanzwirtschaftliche Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern vielmehr dadurch, daß sie diese Körperschaften mit frei verfügbaren Geldmitteln in angeBVerfGE 95, 250 (262)BVerfGE 95, 250 (263)messener Höhe ausstattet. Die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern stützt sich auf eine der jeweiligen Aufgabenzuweisung entsprechende Verfügungsgewalt über Geldmittel, die der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit von Aufgabenwahrnehmung (Art. 104a Abs. 1 GG) und Haushaltswirtschaft (Art. 109 Abs. 1 GG) eine tatsächliche Grundlage gibt (vgl. BVerfGE 86, 148 [213, 264]). Dementsprechend regelt die Finanzverfassung als Finanzquellen nur das Aufkommen aus Steuern und Finanzmonopolen (Art. 105, 106, 107 GG). Auch die von den Antragstellern herangezogenen Bestimmungen der Art. 104a und 107 Abs. 2 GG sehen nur Geldzuweisungen des Bundes an die Länder vor. Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG ermächtigt den Bund, finanzschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) zu gewähren. Art. 104a GG sieht ebenfalls nur Finanzhilfen und Ausgleichszahlungen vor, welche die Verteilung des Steueraufkommens ergänzen, ohne konkrete Vermögensgegenstände zuzuwenden.
In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen sichert Art. 7 EV die Finanzkraft der neuen Länder nach der Wiedervereinigung durch eine angemessene Ausstattung der Länderhaushalte, nicht durch Bewahren oder Wiederherstellen früherer Vermögensrechtspositionen. Der Gesetzgeber darf bei der finanziellen Ausstattung der Länder berücksichtigen, daß sich deren Finanzkraft im wesentlichen auf ihre Steuerkraft, nicht auf eine Eigentümerstellung stützt.
b) Das Vorbringen der Länder gibt keinen Anlaß für eine hiervon abweichende Beurteilung.
aa) Die Antragsteller können sich nicht auf die Regelungen in den Art. 134 und 135 GG berufen, welche Anordnungen über die Rechtsnachfolge in Staatsvermögen treffen. Art. 134 GG bezieht sich allein auf das Vermögen des Deutschen Reiches und nimmt die Verteilung dieses Vermögens entsprechend der föderativen Struktur der Bundesrepublik vor. Die Parteien streiten aber nicht um Vermögen, das früher dem Deutschen Reich gehörte, sondern um Vermögen der damaligen Länder Sachsen und Thüringen aus ihren Kapitalbeteiligungen an Unternehmen des privaten Rechts.
Art. 135 GG wiederum hat zwar die Überleitung des Vermögens BVerfGE 95, 250 (263)BVerfGE 95, 250 (264)in ihrem Gebietsbestand geänderter Länder sowie nicht mehr bestehender Länder und anderer nicht mehr bestehender Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts auf neue Rechtsträger zum Gegenstand (vgl. BVerfGE 10, 20 [42 f.]), ist aber seinem Charakter als Übergangsvorschrift nach auf solche Veränderungen in der Zusammensetzung der Gliedstaaten beschränkt, die zwischen dem 8. Mai 1945 und dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 gemäß Art. 145 Abs. 2 GG eingetreten sind (vgl. hierzu Friauf, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 90, Rn. 18, 26 f.; a.A. Berlit, Ländervermögen im Bundesstaat, Baden-Baden 1994, S. 99 ff. und S. 266 ff.).
bb) Auch Art. 134 Abs. 3 GG trifft als Übergangsvorschrift für die Restitution von Vermögensgegenständen, die sich im Eigentum des Deutschen Reichs befanden, nur eine Sonderregelung für die im Jahre 1949 vorgefundene Aufgabe eines Neuanfangs. Diese Vorschrift entzieht sich mithin - auch in ihrer Verbindung mit dem Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) - von vornherein einer analogen Anwendung, derzufolge den in Art. 3 EV genannten Ländern im Zuge der Wiedervereinigung jenes Vermögen wieder zufallen müßte, welches sie vormals dem Zentralstaat der Deutschen Demokratischen Republik unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatten. Vorschriften, die wie Art. 134 Abs. 3 GG die Neuordnung des öffentlichen Vermögens nach einem Staatsbankrott zum Gegenstand haben, dienen nicht der Abrechnung über die Vergangenheit, sondern sollen vor allem eine Grundlage für die zukünftige Entwicklung des Staates schaffen (vgl. BVerfGE 15, 126 [141]). Die Bereinigung des Staatsbankrotts hat daher von der jeweils gegebenen konkreten Situation auszugehen und das hinterlassene öffentliche Vermögen auf die Träger öffentlicher Aufgaben in einer Weise zuzuordnen, die ihnen die Erfüllung der von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben ermöglicht (vgl. ebenso BVerwGE 99, 283 [292]). Der Einigungsvertrag sichert eine aufgabengerechte Finanzausstattung der neuen Länder im wesentlichen durch Geldzuweisungen. Das Grundgesetz gebietet nicht, die Länder in bestimmte Besitzstände wiedereinzusetzen. Das zeigt insbesondere die Vorschrift des Art. 135 Abs. 6 Satz 1 GG. Hiernach sind auch die bisherigen Länder der BundesreBVerfGE 95, 250 (264)BVerfGE 95, 250 (265)publik Deutschland, soweit sie als Rechtsnachfolger des Landes Preußen in Betracht kamen, nicht mit Vermögenswerten aus dessen Kapitalbeteiligungen an Unternehmen des privaten Rechts ausgestattet worden.
cc) Ein Verfassungsrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten kann auch nicht aus dem Gebot föderaler Gleichbehandlung (vgl. hierzu BVerfGE 72, 330 [404]; 86, 148 [251]) abgeleitet werden. Wie bereits dargelegt, sind die Vorschriften zur Bereinigung eines Staatsbankrotts - ähnlich wie die Regelungen über die Wiedergutmachungs- und Entschädigungsleistungen nach erlittenem Unrecht (vgl. BVerfGE 27, 253 [288]; 41, 126 [187]; 84, 90 [125, 131]) - an die jeweils aktuell zugrundeliegenden Umstände gebunden. Diese sind beim Beitritt zu einem finanzwirtschaftlich leistungsfähigen Staat im Jahre 1990 andere als in der Nachkriegslage des Jahres 1949. Es fehlt an einer Gleichheit in der Zeit (vgl. BVerfGE 94, 315 [328]).
dd) Die Antragsteller können schließlich ein verfassungsrechtliches Rechtsverhältnis nicht mit dem Hinweis begründen, sie könnten auf der Grundlage einer Beteiligung an der VEAG stärkeren Einfluß auf die Gestaltung der Strompreise nehmen und damit ihre strukturpolitischen Ziele fördern. Die überörtliche Stromversorgung ist - unbeschadet der Instrumentarien der Preiskontrolle (vgl. § 7 EnWG) und der Kartellaufsicht (vgl. § 103 Abs. 5 und 6 GWB) - privatwirtschaftlich organisiert und stellt keine von Verfassungs wegen notwendige Staatsaufgabe dar.
2. Da die Anträge Nr. I und III im Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG unzulässig sind, bedarf es keiner Entscheidung über die mit dem Antrag zu Nr. IV aufgeworfene Frage, ob das Bundesverfassungsgericht im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG die Verpflichtung zur Folgenbeseitigung aussprechen kann.
3. Die Antragsteller können im Verfahren des Bund-Länder-Streits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG auch nicht rügen, daß der Bundesminister der Finanzen ihrer Bitte (Schreiben des Thüringer Finanzministers vom 17. August 1995 und Schreiben des Sächsischen Staatsministers der Finanzen vom 25. September 1995) nicht nachgekommen sei, die beabsichtigte Verfügung über die VEAG-Aktien BVerfGE 95, 250 (265)BVerfGE 95, 250 (266)bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zurückzustellen und den Ländern Gelegenheit zur kurzfristigen Erörterung des Problems zu geben, und ferner, daß er nicht einmal die Weisung erteilt habe, die Verfügung bis zur Beantwortung der Schreiben und darüber hinaus kurzfristig zur Ermöglichung vorläufigen Rechtsschutzes aufzuschieben (vgl. Antrag II.). Wie bereits dargelegt, steht den Ländern bei der von ihnen beanspruchten Ausstattung mit Vermögenswerten durch den Bund keine verfassungsrechtliche Rechtsposition zu Gebote, aus der sich eigenständige Ansprüche ableiten ließen. Damit fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für den Anspruch auf bundesfreundliches Verhalten. Die Rechtspflicht zu bundesfreundlichem Verhalten ist akzessorischer Natur und begründet für sich allein genommen keine selbständigen Pflichten des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 42, 103 [117] stRspr).
II.
 
Soweit die Antragsteller hilfsweise im Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, §§ 13 Nr. 8, 71 f. BVerfGG Anträge stellen, sind auch diese unzulässig.
Art. 44 EV gestattet zwar nach dem Wirksamwerden des Beitritts jedem der in Art. 1 des Einigungsvertrages genannten Länder, Rechte geltend zu machen, die zugunsten der Deutschen Demokratischen Republik oder zu ihren eigenen Gunsten unmittelbar in dem Vertrag begründet worden sind. Erwachsen zwischen solchen Ländern und dem Bund Streitigkeiten über diese Rechte, so können sie gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht werden (vgl. BVerfGE 94, 297 [310]). Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien aber nicht um Rechte im Sinne des Art. 44 EV. Es geht vielmehr um Restitutionsansprüche, die ihrer Art nach jedem Träger öffentlicher Verwaltung nach den Vorschriften des Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 EV zustehen können und die mithin nicht durch ein Bund und Land umspannendes materielles Verfassungsrechtsverhältnis geprägt sind. Demgemäß hat der Gesetzgeber bestimmt, daß für Streitigkeiten nach dem Vermögenszuordnungsgesetz, das gemäß § 1 Abs. 4 VZOG auch das Verfahren der öffentlichen Restitution nach Art. 21 Abs. 3 und BVerfGE 95, 250 (266)BVerfGE 95, 250 (267)Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV regelt, der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VZOG).
Limbach, Graßhof, Kruis, Kirchhof, Winter, Sommer, Jentsch, HassemerBVerfGE 95, 250 (267)