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Zitiert durch:
BVerfGE 77, 84 - Arbeitnehmerüberlassung
BVerfGE 58, 137 - Pflichtexemplar
BVerfGE 52, 1 - Kleingarten
BVerfGE 51, 193 - Schloßberg
BVerfGE 37, 1 - Weinwirtschaftsabgabe
BVerfGE 25, 112 - Niedersächsisches Deichgesetz


Zitiert selbst:
BVerfGE 20, 150 - Sammlungsgesetz
BVerfGE 18, 121 - Fiskusprivileg
BVerfGE 14, 263 - Feldmühle-Urteil
BVerfGE 8, 71 - Bestimmtheit einer Rechtsverordnung
BVerfGE 7, 377 - Apotheken-Urteil


A.
B.
1. Das Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstr.) hat auf Grund des A ...
2. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, für die sich das ...
3. Die Bundesregierung hat unter Hinweis auf die Ausführunge ...
C.
D.
I.
II.
1. Die Anbaubeschränkung nach § 1 des Weinwirtschaftsge ...
2. Ziel des Weinwirtschaftsgesetzes ist es, dem deutschen Wein au ...
3. Daß die Erhaltung der besonderen Qualität des deuts ...
4. Das Verbot der Neu- oder Wiederanpflanzung von Weinreben auf u ...
5. Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, die Ziele des Geset ...
6. Zur Frage der Zumutbarkeit des Mittels der Anbaubeschränk ...
7. Auch Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Anbaubeschr&aum ...
Bearbeitung, zuletzt am 02.08.2022, durch: A. Tschentscher, Fabian Beer
BVerfGE 21, 150 (150)Zu den Grenzen der Befugnis des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG).
 
 
Beschluß
 
des Ersten Senats vom 14. Februar 1967
 
-- 1 BvL 17/63 --  
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 1 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Weinwirtschaftsgesetz) vom 29. August 1961 (BGBl. I S. 1622) -- Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Neustadt a. d. Weinstr. Vom 16. Mai 1963 -- 2 K 132/62.
 
Entscheidungsformel:
 
§ 1 Absatz 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Weinwirtschaftsgesetz) vom 29. August 1961 -- Bundesgesetzblatt I Seite 1622 -- sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
 
 
Gründe:
 
 
A.
 
Das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Weinwirtschaftsgesetz) vom 29. August 1961 -- BGBl. I S. 1622 -- macht die weinbergsmäßige Neuanpflanzung von Weinreben und die Wiederanpflanzung von Weinreben in gerodeten Weinbergen von einer Genehmigung der von der Landesregierung bestimmten Behörde abhängig. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn das Grundstück für die Erzeugung von Wein ungeeignet ist; die Ungeeignetheit ist an Hand objektiver Merkmale (Mindestmostgewicht bestimmter Rebsorten im zehnjährigen Durchschnittsergebnis des jeweiligen Weinbaugebiets) zu ermitteln, wobei ein Sachverständigenausschuß zu hören ist. Wenn die Genehmigung zur Wiederanpflanzung von Reben in gerodeten Weinbergen verweigert wird, erhält der Eigentümer eine Entschädigung für die Wertminderung des Grundstücks (§§ 1 und 2).
Das Weinwirtschaftsgesetz -- im ganzen gesehen -- verwirklicht eine Marktordnung für Wein. Während die AnbaubeschränkungBVerfGE 21, 150 (150) BVerfGE 21, 150 (151)auf der Angebotsseite wirkt, soll durch weitere Vorschriften des Gesetzes der Weinabsatz gesichert und gefördert werden. Dem dienen Preisstützungsmaßnahmen in Verbindung mit Einfuhrbeschränkungen und -sperren (§ 8) sowie insbesondere der Stabilisierungsfonds für Wein, dessen Aufgabe es ist, die Qualität des Weines zu fördern, Absatzwerbung zu betreiben, Kredite an Weinproduzenten und Weinhändler zu verbilligen, endlich Wein zu lagern und zu verwerten, soweit dies zur Entlastung des Marktes erforderlich ist (§ 9). Der Fonds darf zur Erfüllung seiner Aufgaben eine Abgabe von den Weinbergseigentümern erheben (§ 16). Das Weinwirtschaftsgesetz ist als eine Übergangsregelung bis zum Erlaß einer europäischen Weinmarktordnung durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gedacht. Wie diese soll es einer Stabilisierung der Marktverhältnisse durch Anpassung der Erzeugung an den Bedarf dienen.
 
B.
 
1. Das Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstr.) hat auf Grund des Art. 100 Abs. 1 GG ein Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 des Weinwirtschaftsgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Winzer und bewirtschaftet eine Rebfläche von 6 \'bd Morgen. Er hat die Absicht, auf zwei weiteren (gepachteten) Grundstücken, die er bisher als Ackerland genutzt hatte, Wein anzubauen. Die Genehmigung wurde mit der Begründung versagt, daß die Grundstücke zum Anbau von Wein ungeeignet seien. Mit der Klage wird in erster Linie geltend gemacht, daß die Anbaubeschränkung des Weinwirtschaftsgesetzes mit Art. 12 GG unvereinbar sei, weil die gesetzgeberische Maßnahme nur die Interessen Einzelner fördere und die kleinen Winzer benachteilige. Außerdem sei Art. 14 GG verletzt; es fehle an einem öffentlichen Interesse für einen so schweren Eingriff.
Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, daß das gesetzlicheBVerfGE 21, 150 (151) BVerfGE 21, 150 (152)Anbauverbot als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar sei, weil es an einem überwiegenden öffentlichen Interesse für den Eingriff des Gesetzgebers fehle und deshalb das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt sei. Das Gericht führt hierzu im wesentlichen aus, daß die Anbaubeschränkung nicht geeignet, jedenfalls aber nicht erforderlich sei, um die mit dem Gesetz verfolgten Ziele zu erreichen.
2. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, für die sich das Justizministerium geäußert hat, hält die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts für unbegründet. Sie legt zunächst unter Verwertung statistischen Zahlenmaterials dar, daß der deutsche Weinbedarf seit Jahren etwa je zur Hälfte aus der inländischen Erzeugung und durch Einfuhren aus Italien und Frankreich gedeckt werde, während die Ausfuhr deutschen Weines unbedeutend sei. Dieser konstante Marktanteil des deutschen Weines sei aber lediglich eine Folge staatlicher Maßnahmen zum Schutze des Weinbaues, insbesondere der Einfuhrkontingentierung für Trinkweine und der Einfuhrzölle.
Mit dem nach Fortfall aller Handelsbeschränkungen und sonstigen wirtschaftspolitischen Hilfsmaßnahmen des Staates (Subventionen, Steuervorteile) im Bereich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einsetzenden freien Wettbewerb werde sich die zur Zeit noch günstige wirtschaftliche Lage des deutschen Weinbaues wesentlich verschlechtern, vor allem deshalb, weil die Gestehungskosten in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich höher seien als in Frankreich und Italien. Der deutsche Weinbau werde sich daher nach Herstellung des freien Marktes auf dem Gebiete der Weinwirtschaft gegenüber einem Überangebot billigen ausländischen Weines nur durch eine Steigerung der Qualität behaupten können.
Die Landesregierung ist der Meinung, daß das mit der Anbaubeschränkung verfolgte Ziel auf weniger einschneidende Weise nicht erreicht werden könne; deshalb sei Art. 14 GG nicht verletzt. Die Anbaubeschränkung erweise sich überdies als ein relativ gelinder Eingriff, wenn man sie mit den auf der Ebene derBVerfGE 21, 150 (152) BVerfGE 21, 150 (153)Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu erwartenden Maßnahmen vergleiche.
Auch mit Art. 12 Abs. 1 GG sei die Anbaubeschränkung vereinbar. Das Gesetz stelle ausschließlich darauf ab, ob das Grundstück für die Erzeugung von Wein geeignet sei. In diesem Fall müsse eine Pflanzungsgenehmigung erteilt werden. Normalerweise könne keine Rede davon sein, daß infolge des Gesetzes jemand außerstande sei, den Winzerberuf zu ergreifen. In zunehmendem Maße würden Weinbergsflächen angeboten, Weinberge in Hanglagen fänden oft keinen Pächter mehr.
Für das Land in seiner Eigenschaft als Beklagter hat sich die Bezirksregierung der Pfalz geäußert. Sie erblickt in der beanstandeten Vorschrift eine wirtschaftslenkende Maßnahme zum Schutze des eingesessenen Winzerstandes, die sie -- im wesentlichen mit derselben Begründung wie die Landesregierung -- für zulässig hält.
3. Die Bundesregierung hat unter Hinweis auf die Ausführungen der Landesregierung Rheinland-Pfalz und auf BVerfGE 8, 71 ff. von einer Äußerung abgesehen.
 
C.
 
Die Vorlage ist zulässig.
Das vorlegende Gericht will § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 2 des Weinwirtschaftsgesetzes verfassungsrechtlich geprüft wissen. Es beanstandet aber nur den Genehmigungsvorbehalt des § 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit dem Versagungsgrund nach § 1 Abs. 1 Satz 2. Wären diese Bestimmungen verfassungswidrig, so wäre § 1 Abs. 2 gegenstandslos. Sind sie mit der Verfassung vereinbar, so könnten zwar gegen § 1 Abs. 2 allein noch immer verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Der Vorlagebeschluß bemerkt jedoch selbst, daß diese Frage nicht entschieden zu werden brauche. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann daher auf § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes beschränkt werden.BVerfGE 21, 150 (153)
 
BVerfGE 21, 150 (154)D.
 
In der Sache kann der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht beigetreten werden.
I.
 
Die weinbergsmäßige Neupflanzung von Reben war auf Grund reichsnährstandsrechtlicher Vorschriften bereits seit 1934 genehmigungspflichtig. Eine entsprechende Anordnung des Reichsbauernführers von 1937 ist durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 1958 (BVerfGE 8,71 ff.) aus rechtsstaatlichen Gründen für nichtig erklärt worden. In der Entscheidung ist bemerkt, daß nicht jede gesetzliche Regelung des Weinanbaues ausgeschlossen sei. Sie könne sich sogar -- etwa im Hinblick auf den Europäischen Gemeinsamen Markt -- als notwendig erweisen, müsse aber auf einwandfrei rechtsstaatlicher Grundlage stehen (S. 79).
Das Weinwirtschaftsgesetz knüpft sachlich an die frühere Regelung an, bemüht sich aber, den Forderungen des Rechtsstaatsprinzips gerecht zu werden. Das geschieht vor allem dadurch, daß nunmehr ein Rechtsanspruch auf die Genehmigung eingeräumt wird und nur noch ein einziger Versagungsgrund bestehengeblieben ist, dessen Tatbestand im Gesetz so genau umschrieben wird, daß für unkontrollierbare Ermessensentscheidungen der Verwaltungsbehörden kein Raum bleibt. Die Regelung des § 1 hat materiell den Sinn, daß die Neuanlage von Weinbergen auf ungeeignetem Boden unterbleiben soll, sonst aber immer erlaubt (wenn auch von einer Genehmigung abhängig) ist. Wann ein Boden zum Weinbau ungeeignet ist, wird nach objektiven Merkmalen durch Sachverständige beurteilt. Der Genehmigungsvorbehalt soll den Verwaltungsbehörden lediglich die Prüfung ermöglichen, ob die Voraussetzungen des einzigen Versagungsgrundes vorliegen. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 20, 150 [157 ff.]).
II.
 
1. Die Anbaubeschränkung nach § 1 des Weinwirtschaftsgesetzes ist eine gesetzliche Bestimmung von Inhalt und SchrankenBVerfGE 21, 150 (154) BVerfGE 21, 150 (155)des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 8, 71 [79]). Eine solche Regelung hat nicht schon deshalb vor der Verfassung Bestand, weil sie als formelles Gesetz erlassen ist. Die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers ist nicht unbeschränkt; er muß die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums beachten, sich aber auch mit allen übrigen Verfassungsnormen in Einklang halten. Inhalt und Schranken des Eigentums dürfen nicht in einer Weise bestimmt werden, die sachwidrig ist und in die Interessen der Beteiligten ohne Grund oder übermäßig eingreift (BVerfGE 14, 263 [278]; 18, 121 [132]). Eine Regelung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG steht, mit anderen Worten, unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 8, 71 [80]); die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse muß zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und notwendig, sie darf nicht übermäßig belastend und deshalb unzumutbar sein.
2. Ziel des Weinwirtschaftsgesetzes ist es, dem deutschen Wein auch für die Zukunft seinen Markt zu erhalten und so die Existenz des Winzerstandes, dem in einigen Ländern der Bundesrepublik innerhalb der Landwirtschaft erhebliche Bedeutung zukommt, zu sichern. Voraussichtlich wird im Herbst 1969 der Weinhandel im Raum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft voll liberalisiert werden; der deutsche Weinbau wird dann -- ohne Schutz durch Binnenzölle und Einfuhrkontingente -- den Konkurrenzkampf namentlich mit den französischen und italienischen Weinen bestehen müssen. Die hohen Produktionsüberschüsse dieser Länder werden auch auf den deutschen Markt drängen und hier infolge ihres wesentlich niedrigeren Preises den deutschen Konsumweinen gegenüber von vornherein im Vorteil sein. Die deutschen Konsumweine werden sich nur dann auf dem Markt behaupten können, wenn sie durch möglichst hohe Qualität auch ihren notwendig höheren Preis dem Käufer als gerechtfertigt erscheinen lassen.
3. Daß die Erhaltung der besonderen Qualität des deutschen Weines, die Sicherung seines Absatzes und der Schutz des ein-BVerfGE 21, 150 (155)BVerfGE 21, 150 (156)heimischen Winzerstandes legitime wirtschaftspolitische Ziele sind, bedarf keiner weiteren Begründung. Auch ist es sicherlich der Erreichung dieser Ziele dienlich, wenn Weinbau nur auf besonders geeignetem Boden und mit möglichst hochwertigen Rebsorten betrieben wird. Zweifelhaft kann nur sein, ob das hier zu prüfende Mittel der Anbaubeschränkung, das empfindlich in die Eigentümerbefugnisse eingreift, als verfassungsrechtlich zulässig angesehen werden kann. Das hängt davon ab, ob dieses Mittel -- seine Geeignetheit vorausgesetzt -- im rechten Verhältnis zu der Schwere der den Eigentümer treffenden Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit steht, mit anderen Worten, ob die Regelung notwendig -- nicht durch eine andere Maßnahme ersetzbar -- und für den Eigentümer zumutbar ist, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.
4. Das Verbot der Neu- oder Wiederanpflanzung von Weinreben auf ungeeigneten Böden kann die Qualität des Weines, der in den bereits im Ertrag stehenden Weinbergen erzeugt wird, natürlich nicht beeinflussen. Die Anbaubeschränkung kann nur bewirken, daß sich die Durchschnittsqualität des Weines allmählich hebt, insofern kein neuer minderwertiger Wein den Durchschnitt verschlechtert, der Anteil der höherwertigen Weine an der Gesamtproduktion also allmählich steigt. Insofern ist -- freilich indirekt und auf weite Sicht -- das Mittel zur Erhöhung der Qualität des Weines geeignet. Denn die Güte des Weines hängt neben der Wahl der Rebsorte, der Kellerbehandlung usw. vor allem von der Qualität der Trauben ab, die ihrerseits weitgehend vom Standort (Lage, Boden) beeinflußt wird. Es ist deshalb möglich, die Durchschnittsqualität der erzeugten Trauben nachhaltig dadurch zu heben, daß Flächen vom Rebenanbau ausgeschlossen werden, die mit Sicherheit keine zur Weingewinnung geeigneten Trauben liefern. Da, wie sich aus den von der Landesregierung und der Pfälzischen Bezirksregierung mitgeteilten statistischen Zahlen ergibt und auch im Grünen Bericht 1966 (BT-Drucks. V/255 S. 141 ff.) bestätigt wird, noch immer eine gewisse Tendenz zur Ausweitung des Weinbaues auch auf weniger geeigneteBVerfGE 21, 150 (156) BVerfGE 21, 150 (157)Böden festzustellen ist, wird sich nicht bestreiten lassen, daß ein insoweit bestehendes Anbauverbot geeignet ist, einer von diesen Bestrebungen ausgehenden Gefahr für die Durchschnittsqualität des deutschen Weines wirksam zu begegnen.
5. Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, die Ziele des Gesetzes könnten auch durch andere, den Eigentümer weniger hart treffende Mittel erreicht werden. Es nennt einige mögliche Maßnahmen, die ihre rechtliche Regelung im Weingesetz zu finden hätten. Die Landesregierung bestreitet an sich nicht, daß auch mit solchen Mitteln auf die Hebung der Qualität des Weines eingewirkt werden kann und muß. Auch der Bundesgesetzgeber ist sich dieser Notwendigkeit bewußt, wie der jüngst den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitete Entwurf eines neuen Weingesetzes (BR-Drucks. 5/67) zeigt. In der Beurteilung künftiger Gefahrenlagen und in der Auswahl der Mittel, mit denen ihnen zu begegnen ist, muß der Gesetzgeber jedoch eine gewisse Beurteilungs- und Handlungsfreiheit haben. Gewiß wirken die im Weingesetz vorgesehenen Mittel sehr viel unmittelbarer im Sinne einer Qualitätsverbesserung. Auch befriedigen sie rechtlich eher, weil sie alle Weinproduzenten gleichmäßig treffen, nicht nur die Eigentümer neu angelegter oder zur Wiederanpflanzung anstehender Weinberge. Das schließt aber nicht aus, neben diesen Mitteln auch die Anbaubeschränkung beizubehalten, die, würde sie allein angewandt, vielleicht als zu einseitig belastend und im Verhältnis zum angestrebten Ziel zu wenig wirksam und daher als unzumutbar angesehen werden müßte. Es ist einleuchtend, jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber gerade in einem System ineinandergreifender und aufeinander abgestimmter Maßnahmen, von denen eine die andere in ihrer Wirksamkeit ergänzt, stützt und fördert, die richtige wirtschaftspolitische Lösung sieht. Die eingesetzten Mittel unterscheiden sich hier ihrer Art nach, sie wirken von verschiedenen Seiten her zur Erreichung des angestrebten Zieles zusammen; sie stehen deshalb nicht einfach im Verhältnis des milderen zum strengeren Mittel. Liegt dem Gesetzgeber daran, nachhaltig und möglichst rasch eine Quali-BVerfGE 21, 150 (157)BVerfGE 21, 150 (158)tätsverbesserung des Weines zu erreichen, so kann bei der Auswahl der dazu geeigneten Mittel neben den mehr technologischen Vorschriften des Weingesetzes auch die administrative Maßnahme des Anbauverbots auf ungeeignetem Boden, die nicht erst beim Produkt, sondern schon bei den Produktionsvoraussetzungen ansetzt, durchaus ihren Platz finden. Sie ist dann nicht durch ein gleich wirksames, aber weniger belastendes Mittel ersetzbar.
Das Weinwirtschaftsgesetz erstrebt auch den Schutz des deutschen Winzerstandes. Der Gesetzgeber sieht aber in der möglichst bald zu erreichenden Qualitätsverbesserung des deutschen Weines ein "Vorziel", das durch die Ursachenkette, die es in Gang setzt, seinerseits zur Realisierung jenes "Nach"- oder "Fern"ziels beiträgt. Die Qualitätsverbesserung soll zur Erhaltung des guten Rufs des deutschen Weines, dadurch zur Sicherung des Absatzes und zur Erweiterung seines Marktanteils, zur Stärkung der Stellung der deutschen Winzer im Wettbewerb und so schließlich auf weite Sicht zur Erhaltung und Förderung eines gesunden Winzerstandes führen. Zwischen den beiden Zielen besteht ein enger Wirkungszusammenhang, kraft dessen das zunächst zu erreichende Ziel zugleich als Mittel zur Erreichung des endgültig erwünschten Zustands wirkt. Deshalb ist es nicht erforderlich und es wäre sogar nicht sinnvoll, mit dem Einsatz dieses Mittels bis zum Vorliegen einer "akuten" sozialen Krise zu warten (BVerfGE 8, 71 [80]).
6. Zur Frage der Zumutbarkeit des Mittels der Anbaubeschränkung ist noch folgendes zu erwägen:
a) Bund und Länder stellen laufend hohe Zuschüsse für die Strukturverbesserung der Weinbaubetriebe, insbesondere für die Qualitätssteigerung des Weines durch Rationalisierung der Kellerwirtschaft, für den Ausbau genossenschaftlicher Einrichtungen sowie für den Stabilisierungsfonds zur Verfügung (vgl. die Zusammenstellung der Maßnahmen des Grünen Plans 1966 in BT- Drucks. zu V/255 S. 18 f.). Es ist nicht unbillig, wenn den Wirtschaftskreisen, die solche Mittel von der Allgemeinheit erhalten, zugemutet wird, wenigstens die beschränkenden Eingriffe zu dul-BVerfGE 21, 150 (158)BVerfGE 21, 150 (159)den, die sicherstellen sollen, daß die Wirkungen der mit Einsatz so großer Mittel finanzierten Weinbaupolitik nicht durch unvernünftige Ausdehnung der Weinanbaufläche und Erzeugung minderwertiger Weine durchkreuzt werden. Hierbei kommt auch in Betracht, daß die Anlage eines Weinbergs eine Investition auf lange Sicht ist, so daß sich Fehlplanungen für den Einzelnen wie für die Gesamtheit als besonders verlustreich erweisen können.
b) Es ist nicht zu verkennen, daß der Vollzug des Gesetzes für einzelne, namentlich kleinere Weinbergseigentümer Härten mit sich bringen kann, da das Verbot des Weinbaues auf ungeeignetem Boden ausnahmslos gilt. Indessen handelt es sich hier um unvermeidbare Folgen am Rande einer wirtschaftspolitisch sachgerechten und im ganzen gesehen für den Winzerstand förderlichen Maßnahme. Sie müssen hingenommen werden, zumal sie der Zahl nach nicht sehr ins Gewicht fallen dürften. Im übrigen ist im Rahmen der Schätzung und Bewertung der Zehnjahresdurchschnittserträge (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes) noch so viel Raum für eine angemessene Berücksichtigung der Lage des Einzelfalls, daß unerträgliche Härten für einzelne Eigentümer sollten vermieden werden können. Allgemein ist schließlich nicht zu übersehen, daß das Weinwirtschaftsgesetz keine endgültige, auf unabsehbare Dauer angelegte Regelung darstellt. Es soll den Übergang des deutschen Weinbaues in die einheitliche Wirtschaft der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bewirken und muß deshalb laufend an die Fortschritte der Weinbaupolitik dieser Gemeinschaft wie auch an das künftige Weingesetz angepaßt werden. Dabei wird der Gesetzgeber seine Anordnungen immer wieder daraufhin zu prüfen haben, ob sie die Weinbergseigentümer übermäßig belasten; z. B. werden die Mindestmostgewichte in § 1 Abs. 2 des Weinwirtschaftsgesetzes mit den Vorschriften des Weingesetzes abzustimmen sein, um zu verhüten, daß sie über das gesetzgeberische Ziel, den Ausschluß völlig ungeeigneter Böden vom Weinbau, erheblich hinausgehen und damit den Eigentümer übermäßig einschränken.
Die Abwägung der vorbezeichneten Gesichtspunkte führt zuBVerfGE 21, 150 (159) BVerfGE 21, 150 (160)dem Ergebnis, daß der Gesetzgeber mit der hier zu prüfenden Regelung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt hat, so daß die Bestimmung als mit Art. 14 GG vereinbar betrachtet werden muß.
7. Auch Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Anbaubeschränkung hat den Charakter einer Berufsausübungsregelung; der Beruf des Winzers darf nicht unter Benutzung ungeeigneten Bodens ausgeübt werden. Die Gründe, die die Regelung vor Art. 14 GG rechtfertigen, sind "vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls", die sie auch als Berufsausübungsregelung tragen (BVerfGE 7, 377 [405]). Daß im Einzelfall die Wahl des Winzerberufs durch die Regelung unmöglich gemacht würde, ist nicht anzunehmen, da der Zugang zum Beruf jedem offensteht und nach dem Bericht der Landesregierung ständig genug für den Weinbau geeigneter Boden angeboten wird.
Dr. Müller, Dr. Scholtissek, Ritterspach, Rupp-v. Brünneck, Dr. Böhmer
Die Richter Dr. Stein und Dr. Haager sind erkrankt.
Dr. MüllerBVerfGE 21, 150 (160)