BGer 1B_457/2018 | |||
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BGer 1B_457/2018 vom 28.12.2018 |
1B_457/2018 |
Urteil vom 28. Dezember 2018 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
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Gerichtsschreiber Forster.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführer,
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vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Prechtl,
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gegen
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Max Widmer, Kantonsgerichtsvizepräsident,
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Kantonsgericht Glarus, Spielhof 6,
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Postfach 335, 8750 Glarus,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Strafverfahren; Ausstand,
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Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Glarus vom 11. September 2018 (OG.2018.00051).
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Sachverhalt: | |
A. Vor dem Kantonsgericht Glarus ist ein erstinstanzliches Strafverfahren gegen A.________ wegen Wirtschaftsdelikten hängig. Der Kantonsgerichtsvizepräsident verfügte am 5. Februar 2018 (als vorsitzender Richter des erstinstanzlichen Strafgerichtes), dass diverse Zeugenprotokolle aus den Strafakten zu entfernen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter Verschluss zu halten und danach zu vernichten seien. Am 24. August 2018 beantragte die Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus beim Kantonsgericht, die genannten Zeugenprotokolle seien wieder in die Verfahrensakten aufzunehmen.
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B. Mit Schreiben vom 28. August 2018 teilte der Kantonsgerichtsvizepräsident dem Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft prozessleitend Folgendes mit:
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"Wir weisen Sie darauf hin, dass wir das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 24. August 2018 als Beweisantrag für die Hauptverhandlung entgegennehmen.
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Das Gericht wird über den Beweisantrag betreffend Aufnahme der Protokolle der Zeugenbefragungen zu den Verfahrensakten anlässlich der Hauptverhandlung vom 13. September 2018 befinden. Die Protokolle werden derzeit unter separatem Verschluss gehalten (vgl. Verfügung des Kantonsgerichtsvizepräsidenten vom 5. Februar 2018, Dispositiv-Ziff. 3).
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Da offen ist, ob das Gericht dem Beweisantrag stattgeben wird, werden die Protokolle im Hinblick auf die Hauptverhandlung der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidigung zugestellt, damit sie sich entsprechend vorbereiten können."
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C. Am 4. September 2018 stellte der Beschuldigte beim Kantonsgericht ein Ausstandsbegehren gegen den Kantonsgerichtsvizepräsidenten. Dieser erklärte in seiner Stellungnahme vom 5. September 2018, dass er sich nicht als befangen erachte. Am 6. September 2018 überwies das Kantonsgericht das Ausstandsgesuch zur Behandlung an das kantonale Obergericht und beantragte sinngemäss die Abweisung des Gesuches. Mit Beschluss vom 11. September 2018 wies das Obergericht des Kantons Glarus das Ausstandsbegehren ab.
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D. Gegen den Beschluss des Obergerichtes gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 4. Oktober 2018 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Gutheissung des Ausstandsgesuches.
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Das Obergericht verzichtete am 9. Oktober 2018 ausdrücklich auf eine Vernehmlassung. Der Kantonsgerichtsvizepräsident beantragt mit Stellungnahme vom 23. Oktober 2018 die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer replizierte am 5. November 2018.
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Erwägungen: | |
1. Die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in Strafsachen (Art. 92 i.V.m. Art. 78 ff. BGG) sind erfüllt.
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2. Nach Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Dies soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens beitragen und ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 140 I 240 E. 2.2 S. 242; 271 E. 8.4 S. 273 ff.; 326 E. 5.1 S. 328). Die grundrechtliche Garantie wird für den Strafprozess in Art. 56 StPO konkretisiert (BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 74; 138 I 425 E. 4.2.1 S. 428 mit Hinweisen). Eine in einer Strafbehörde, insbesondere beim erstinstanzlichen Strafgericht (Art. 13 lit. b StPO), tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie (etwa wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand) befangen sein könnte (Art. 56 lit. f StPO).
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Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit begründen. Voreingenommenheit und Befangenheit werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Bei der Beurteilung solcher Gegebenheiten ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 74; 141 IV 178 E. 3.2.1 S. 179; je mit Hinweisen).
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Allfällige materielle oder prozessuale Rechtsfehler stellen nur dann einen Ausstandsgrund dar, wenn sie besonders krass sind oder ungewöhnlich häufig auftreten, sodass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 74 f.; 141 IV 178 E. 3.2.3 S. 180; je mit Hinweisen). Diesbezüglich sind primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen beanstandete Verfahrenshandlungen auszuschöpfen (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 75; 114 Ia 153 E. 3b/bb S. 158 f.; je mit Hinweisen).
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3. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, Anhaltspunkte für die Befangenheit des Kantonsgerichtsvizepräsidenten ergäben sich primär aus dessen verfahrensleitender Verfügung vom 28. August 2018. Dass der vorsitzende Richter die fraglichen Zeugeneinvernahmeprotokolle der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung zugestellt habe, begründe eine krasse Verletzung von Art. 141 Abs. 5 StPO und komme offensichtlich einer schweren Amtspflichtverletzung im Sinne von Art. 290 StGB gleich. Es sei absolut unverständlich und nicht nachvollziehbar, dass die Protokolle verschickt wurden, bevor das Kantonsgericht über deren Wiederaufnahme in die Verfahrensakten entschieden habe. Die Protokolle hätten eigentlich versiegelt werden müssen. Dass sie der Verteidigung (am 11. April 2018 und nochmals am 28. August 2018) zur Einsicht zugestellt worden seien, zeige, dass der Kantonsgerichtsvizepräsident nicht gewillt gewesen sei, sich an seine (ursprüngliche) verfahrensleitende Verfügung vom 5. Februar 2018 zu halten. Er erwecke den Anschein, dass er bereits vor der Hauptverhandlung vom 13. September 2018 faktisch über die Gutheissung des Beweisantrages der Staatsanwaltschaft entschieden habe und somit voreingenommen sei. Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang insbesondere eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 56 lit. f StPO.
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Erwägung 4 | |
4.1. Wenn der Beschwerdeführer angebliche Verfahrensfehler des Kantonsgerichtsvizepräsidenten beanstanden will, hat er dies nach der dargelegten Praxis des Bundesgerichtes primär im hängigen Strafverfahren (bzw. mit den gesetzlich vorgesehenen Rechtsmitteln gegen Verfahrenshandlungen) vorzubringen. Wie er selbst ausführt, hat das Kantonsgericht den Beweisantrag der Staatsanwaltschaft vom 24. August 2018, wonach die fraglichen Zeugenprotokolle wieder in die Verfahrensakten aufzunehmen seien, anlässlich der Hauptverhandlung vom 13. September 2018 gutgeheissen. Der Beschwerdeführer legt in diesem Zusammenhang keine besonders schweren oder ungewöhnlich häufigen Verfahrensfehler des vom Ausstandsgesuch betroffenen Richters dar:
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4.2. Die Staatsanwaltschaft hat am 24. August 2018 beantragt, die seit dem 5. Februar 2018 unter separatem Verschluss gehaltenen Zeugenprotokolle seien wieder in die Verfahrensakten aufzunehmen. Der vorsitzende Richter des erstinstanzlichen Strafgerichtes hat über diesen Beweisantrag nicht selber verfahrensleitend entschieden (vgl. Art. 331 Abs. 1-3 StPO). Der Verfügung vom 28. August 2018 ist zu entnehmen, dass der Kantonsgerichtsvizepräsident den Entscheid darüber ausdrücklich dem Strafgericht vorbehielt, welches die Frage anlässlich der Hauptverhandlung prüfen werde (vgl. Art. 339 Abs. 2 lit. d und Art. 343 StPO). Ebenso wenig hat der vorsitzende Richter "faktisch" bereits entschieden, dass die Zeugenprotokolle dem Gerichtsgremium als Beweisgrundlage für das erstinstanzliche Urteil zur Verfügung gestellt würden. Vielmehr hat er verfügt, dass die Protokolle insofern weiterhin "unter separatem Verschluss" zu halten seien, und er hat darauf hingewiesen, dass "offen" bleibe, "ob das Gericht dem Beweisantrag stattgeben" werde. Im Hinblick auf die Behandlung dieser beweisrechtlichen Vorfrage an Schranken des Gerichtes liess der Kantonsgerichtsvizepräsident die fraglichen Protokolle aber der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung bereits verfahrensleitend zustellen, "damit sie sich entsprechend vorbereiten" konnten.
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4.3. Die Verfahrensleitung des erstinstanzlichen Gerichts hat den Parteien somit - zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs sowie aus prozessökonomischen Gründen - jene Unterlagen zugestellt, die für die Beurteilung des Beweisantrages der Staatsanwaltschaft anlässlich der Hauptverhandlung relevant erschienen (vgl. Art. 339 Abs. 3 und Art. 107 Abs. 1 lit. a und lit. e i.V.m. Art. 339 Abs. 2 lit. d und Art. 343 StPO). Der Beschwerdeführer legt nicht schlüssig dar, inwiefern dies einen gesetzlichen Ausstandsgrund nach sich ziehen sollte. Seine materielle beweisrechtliche Argumentation, wonach die Zeugenprotokolle einem Beweisverwertungsverbot (nach Art. 141 Abs. 5 StPO) unterlägen, hatte er dem zuständigen Gericht vorzutragen. Wie er darlegt, wurde sein Standpunkt anlässlich der Hauptverhandlung vom 13. September 2018 durch das Kantonsgericht geprüft und verworfen.
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Aus dem Hinweis des Kantonsgerichtsvizepräsidenten in dessen Verfügung vom 28. August 2018, es bleibe bis zur Hauptverhandlung offen, ob das Strafgericht dem gegenteiligen Beweisantrag der Staatsanwaltschaft Folge leisten werde oder nicht, wird keinerlei Anhaltspunkt für Befangenheit ersichtlich. Durch den blossen Umstand, dass sich die Parteien im gerichtlichen Hauptverfahren zu streitigen Beweisverwertungsverboten äussern durften, wurden keine richterlichen Beweisverwertungsverbote verletzt. In der prozessualen Frage selber hat das Kantonsgericht anlässlich der Hauptverhandlung ein Beweisverwertungsverbot verneint. Auch sonst sind hier keine besonders schweren oder ungewöhnlich häufigen Verfahrensfehler des vorsitzenden Richters zum Nachteil des Beschwerdeführers dargetan.
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5. Die Beschwerde ist abzuweisen.
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Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 28. Dezember 2018
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Merkli
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Der Gerichtsschreiber: Forster
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