|  BGer 1P.124/2001   | |||
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| BGer 1P.124/2001 vom 15.06.2001 | |
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{T 0/2}
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1P.124/2001/bmt
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I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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15. Juni 2001
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Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
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Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung,
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Bundesrichter Féraud, Ersatzrichterin Geigy-Werthemann
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und Gerichtsschreiber Forster.
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In Sachen
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1. Fa. X.________,
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2. R.________,
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Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt
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Dr. Peter Dietsche
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gegen
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Kantonaler Untersuchungsrichter M.________,
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Untersuchungsrichteramt für Wirtschaftsdelikte des Kantons
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St. Gallen,
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Anklagekammer des Kantons S t. G a l l e n,
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betreffend
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Art. 9 und Art. 29 BV
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(strafprozessuale Beschlagnahme),
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hat sich ergeben:
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A.- Das Kantonale Untersuchungsrichteramt St. Gallen
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(Abteilung Wirtschaftsdelikte) führt eine Strafuntersuchung
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gegen R.________ wegen des Verdachts von Vermögensdelikten.
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Am 3. Juli 2000 erliess der Kantonale Untersuchungsrichter
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M.________ eine Verfügung, mit welcher er die
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Beschlagnahme des Erlöses von zwei Zahlungsgarantien der
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W.________ Bank AG vom 19. Juli 1988 in Höhe von
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DM 720'808.44 bzw. DM 347'159.36 (total DM 1'067'967.80) auf
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einem auf die Firma X.________ (...) lautenden Konto bei der
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Z.________ Bank anordnete. Zur Begründung wurde ausgeführt,
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die beiden genannten sowie drei weitere auf den Namen der
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Fa. X.________ ausgestellte Original-Zahlungsgarantien seien
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von den deutschen Behörden im Rahmen von Strafverfahren ge-
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gen R.________ und weitere Angeschuldigte beschlagnahmt wor-
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den. Sie hätten "als Sicherheit für Anlagen dienen" sollen,
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welche von Anlegern "bei der Fa. S.________ ('L.________')
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getätigt" worden seien. R.________ müsse diese Gelder unmit-
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telbar nach Auszahlung an die Fa. X.________ an die Anleger
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zurückerstatten, sofern diese ihre Gelder nicht schon ander-
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weitig erhalten hätten. R.________ habe geltend gemacht,
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dass sie "Einlagen von einer nicht genau bezifferten Anzahl
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von Anlegern aus ihrem Privatvermögen zurückbezahlt" habe,
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weshalb ihr ein Teil des Geldes zustehe. Es bestehe jedoch
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der dringende Verdacht, dass die Rückzahlung "nicht aus dem
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Privatvermögen, sondern mit neuen Anlagegeldern (Schneeball-
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system) erfolgt" sei. Dieser Sachverhalt sei unter anderem
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Gegenstand der hängigen Strafuntersuchung.
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B.- Gegen diese Beschlagnahmeverfügung erhoben die
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Fa. X.________ sowie R.________ Beschwerde an die
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Anklagekammer des Kantons St. Gallen, welche die Beschwerde
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(nach Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels) mit
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Entscheid vom 21. November 2000 abwies. Zur Begründung er-
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klärte die Anklagekammer unter Bezugnahme auf die Ausfüh-
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rungen in der Duplikschrift des Kantonalen Untersuchungs-
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richters, dieser habe in rechtsgenüglicher Weise dargelegt,
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dass die Einziehung der beschlagnahmten Vermögenswerte ge-
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stützt auf Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Frage komme, womit
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die Voraussetzungen für eine "Einziehungsbeschlagnahme ge-
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mäss Art. 141 Abs. 1 lit. b StGB" (recte: Strafprozessgesetz
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des Kantons St. Gallen vom 1. Juli 1999, StP/SG) erfüllt
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seien. Hingegen erachtete die Anklagekammer die Vorausset-
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zungen für eine "Beweisbeschlagnahme nach Art. 141 Abs. 1
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lit. a StGB" (recte: StP/SG), die in der Beschlagnahmever-
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fügung "ebenfalls angeführt" werde, "mangels Beweiseignung
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des beschlagnahmten Geldes" als nicht erfüllt.
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C.- Diesen Entscheid der Anklagekammer fochten die
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Fa. X.________ (Beschwerdeführerin 1) sowie R.________
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(Beschwerdeführerin 2) am 12. Februar 2001 mit staats-
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rechtliche Beschwerde beim Bundesgericht an. Sie beantragen
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die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und der Konten-
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beschlagnahme bei der Z.________ Bank. Zur Begründung wird
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geltend gemacht, die Anklagekammer habe im angefochtenen
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Entscheid den Sachverhalt nicht geprüft und damit ihre
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Kognition in unzulässiger Weise beschränkt, womit sie den
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Beschwerdeführerinnen das Recht verweigert und Art. 29
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Abs. 1 BV verletzt habe. Ferner habe der Kantonale Unter-
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suchungsrichter mit seiner zweiten Eingabe bei der Anklage-
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kammer Akten eingereicht, von denen die Beschwerdeführerin-
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nen keine Kenntnis gehabt hätten. Ausserdem rügt die Be-
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schwerdeführerin 1, die Anklagekammer habe die gesetzlichen
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Voraussetzungen für eine Beschlagnahme in willkürlicher
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Weise bejaht.
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D.- Die Anklagekammer hat sich mit dem Antrag auf Ab-
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weisung der staatsrechtlichen Beschwerde vernehmen lassen,
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während vom Kantonalen Untersuchungsrichter keine Stel-
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lungnahme eingegangen ist.
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E.-Mit Urteil vom 18. Mai 2001 hiess das Bundesgericht
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(im konnexen Verfahren 1P.766/2000) eine separate staats-
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rechtliche Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 gut. Es hob
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Entscheide des Ersten Staatsanwaltes und der Anklagekammer
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des Kantons St. Gallen auf, welche Ausstandsbegehren der Be-
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schwerdeführerin 2 gegen den Kantonalen Untersuchungsrichter
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für Wirtschaftsdelikte M.________ zu Unrecht abge-
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wiesen hatten.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit
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freier Kognition, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang
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auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist
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(BGE 126 I 81 E. 1 S. 83 mit Hinweisen).
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a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach Art. 84
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Abs. 2 OG nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung
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nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesge-
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richt oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann.
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Die Beschwerdeführerin 1 rügt (neben den von beiden Be-
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schwerdeführerinnen geltend gemachten Verletzungen von Ver-
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fahrensrechten), die Beschlagnahme verstosse gegen Art. 59
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StGB. Die Rüge, Bestimmungen des materiellen Bundesstraf-
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rechts, zu welchen insbesondere das Strafgesetzbuch gehört,
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seien falsch angewendet worden, wäre grundsätzlich mit eid-
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genössischer Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des
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Bundesgerichts zu erheben (Art. 269 Abs. 1 BStP). Gegenstand
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der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde können indessen
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nach Art. 268 Ziff. 1 BStP nur Urteile sein. Bei der Be-
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schlagnahme von Vermögenswerten zur Sicherung einer Ein-
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ziehung oder einer Ersatzforderung handelt es sich um eine
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vorsorgliche Zwangsmassnahme im Strafverfahren, durch die
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das Urteil in der Strafsache selbst nicht präjudiziert wird.
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Die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundes-
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gerichts wird deshalb gegen eine solche Verfügung nicht zu-
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gelassen (BGE 126 I 97 E. 1c S. 102). Da auch im vorliegen-
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den Fall ausschliesslich eine Beschlagnahme zur Sicherung
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einer Einziehung oder von Ersatzforderungen, also eine vor-
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sorgliche strafprozessuale Massnahme, umstritten ist, steht
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Art. 84 Abs. 2 OG der Zulässigkeit der staatsrechtlichen
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Beschwerde nicht entgegen.
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b) Der Entscheid der Anklagekammer, der kantonal
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letztinstanzlich die Beschlagnahmeverfügung des Kantonalen
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Untersuchungsrichters geschützt hat, schliesst das Untersu-
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chungsverfahren nicht ab. Es handelt sich somit um einen
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Zwischenentscheid. Gemäss Art. 87 Abs. 2 OG (in der seit dem
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1. März 2000 in Kraft stehenden Fassung) ist gegen selbst-
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ständig eröffnete Zwischenentscheide die staatsrechtliche
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Beschwerde zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzuma-
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chenden Nachteil bewirken können. Nach der Rechtsprechung
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des Bundesgerichts haben Verfügungen, mit denen bestimmte
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Gegenstände beschlagnahmt werden, grundsätzlich einen nicht
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wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2
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OG zur Folge (BGE 126 I 97 E. 1b S. 101 mit Hinweisen). Dies
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muss namentlich im vorliegenden Fall der Vermögensbeschlag-
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nahme gelten.
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c) Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier
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nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, rein kassa-
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torischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4a S. 332 mit Hinweisen).
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Soweit in der Beschwerde mehr verlangt wird als die Aufhe-
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bung des angefochtenen Entscheids, kann darauf nicht einge-
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treten werden. Es betrifft dies den Antrag der Beschwerde-
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führerinnen auf Aufhebung der angefochtenen Beschlagnahme.
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d) Beide Beschwerdeführerinnen fechten den Ent-
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scheid der Anklagekammer mit der Rüge einer Verletzung der
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Verfahrensgarantien von Art. 29 Abs. 1 und 2 BV an. Die
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Beschwerdeführerin 1 ist eine Einzelfirma, deren Inhaber
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gemäss Handelsregisterauszug vom 2. August 2000 E.________
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ist, der Ehemann der Beschwerdeführerin 2. Die Beschwerde-
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führerin 1 ist Inhaberin des Kontos, auf welchem die be-
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schlagnahmten Gelder deponiert waren, und als solche zur
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staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Die Beschwerde-
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führerin 2 verfügt bei der Beschwerdeführerin 1 über Ein-
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zelunterschrift, was ihr jedoch in der Sache selbst keine
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Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde verschafft.
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Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst kann ein
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Beschwerdeführer allerdings die Verletzung von Verfahrens-
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vorschriften rügen, deren Missachtung eine formelle Rechts-
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verweigerung darstellt. Das nach Art. 88 OG erforderliche
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rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht
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aus der Berechtigung in der Sache, sondern aus der Teilnahme
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am kantonalen Verfahren. Eine solche ist stets dann gegeben,
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wenn dem Rechtsuchenden im kantonalen Verfahren Parteistel-
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lung zukam. Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann er die
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ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar
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aufgrund der Bundesverfassung zustehenden Rechte geltend
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machen (BGE 118 Ia 232 E. 1a S. 234 mit Hinweisen). Insofern
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ist auch die Beschwerdeführerin 2 zur staatsrechtlichen Be-
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schwerde legitimiert.
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2.- Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, die An-
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klagekammer habe im angefochtenen Entscheid auf jede Prüfung
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des Sachverhalts verzichtet und damit ihre Kognition in un-
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zulässiger Weise beschränkt, womit sie ihnen das Recht ver-
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weigert und Art. 29 Abs. 1 BV verletzt habe.
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Die Anklagekammer hat sich im angefochtenen Ent-
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scheid im Wesentlichen auf die Vernehmlassungen des Kanto-
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nalen Untersuchungsrichters vom 25. August und 20. Oktober
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2000 gestützt, wobei sie einen massgeblichen Teil der letz-
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teren in indirekter Rede wiedergegeben und anschliessend
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festgestellt hat, die Vorinstanz habe in rechtsgenüglicher
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Weise dargelegt, dass die Einziehung der beschlagnahmten
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Vermögenswerte gestützt auf Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in
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Frage komme. Damit hat die Anklagekammer auf die Sachver-
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haltsermittlung und Beweiswürdigung des Untersuchungsrich-
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ters abgestellt und sich diese zu eigen gemacht. Der Unter-
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suchungsrichter hat sich in seinen Vernehmlassungen mit den
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Vorbringen der Beschwerdeführerinnen in ihrer Beschwerdebe-
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gründung bzw. ihrer Replik einlässlich auseinandergesetzt
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und diese verworfen. Indem die Anklagekammer die Erwägungen
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des Untersuchungsrichters (teilweise wörtlich) übernommen
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hat, ist sie den darin enthaltenen Betrachtungsweisen und
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Wertungen gefolgt und hat diese - gestützt auf die Akten -
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ihrem Entscheid zugrunde gelegt. Damit hat die Anklagekammer
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als Beschwerdeinstanz ihrer Pflicht zur Prüfung des streiti-
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gen Sachverhalts Genüge getan. Eine unzulässige Beschränkung
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ihrer Kognition ist nicht ersichtlich.
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3.- a) Die Beschwerdeführerinnen rügen ferner als Ver-
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letzung des rechtlichen Gehörs, dass die Anklagekammer im
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kantonalen Beschwerdeverfahren den Schriftenwechsel nach
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Einreichung der Duplik des Kantonalen Untersuchungsrichters
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vom 20. Oktober 2000 schloss. Mit der Duplik habe dieser
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neue Akten eingereicht, von denen sie keine Kenntnis gehabt
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hätten und auf welche die Anklagekammer im angefochtenen
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Entscheid abgestellt habe. Die Beschwerdeführerinnen nennen
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diesbezüglich insbesondere ein Gutachten der Bezirksanwalt-
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schaft Zürich vom 27. Mai 1991 betreffend die Strafuntersu-
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chung gegen L.________ und K.________, das nach Darstellung
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des Untersuchungsrichters belege, dass die Anlagegelder
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durch die Hand des L.________ gegangen seien. Dieses Gut-
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achten hat der Untersuchungsrichter bei der Anklagekammer
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als Beilage 6 zu seiner Duplik eingereicht. In ihrer Ver-
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nehmlassung im vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde-
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verfahren hat die Anklagekammer geltend gemacht, die Be-
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schwerdeführerinnen hätten nach Zustellung der Duplikschrift
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des Untersuchungsrichters die Einsichtnahme in die mit die-
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ser Eingabe neu eingereichten Akten verlangen können. Sie
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hätten jedoch weder ein entsprechendes Begehren gestellt,
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noch darauf hingewiesen, dass angeblich ihnen nicht bekannte
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Unterlagen zu den Akten gegeben worden seien. Damit hat die
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Anklagekammer das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen, es
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seien mit der Duplik des Untersuchungsrichters ihnen nicht
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bekannte Dokumente nachgereicht worden, nicht bestritten.
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Vielmehr hat sie sinngemäss eingeräumt, dass sie dem ange-
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fochtenen Entscheid Akten zugrunde legte, die den Beschwer-
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deführerinnen nicht bekannt waren.
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b) Das Akteneinsichtsrecht ist Teil des Anspruchs
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auf rechtliches Gehör. Der Inhalt des rechtlichen Gehörs
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bestimmt sich zunächst nach kantonalem Recht und sodann
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gestützt auf Art. 29 Abs. 2 BV (vgl. BGE 126 I 97 E. 2
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S. 102 f.; 119 Ia 136 E. 2c S. 138 f., je mit Hinweisen).
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Die Beschwerdeführerinnen berufen sich in diesem Zusammen-
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hang nicht auf kantonales Recht, sondern direkt auf die in
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Art. 29 Abs. 2 BV enthaltene Minimalgarantie. Danach dient
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das Gehörsrecht der Sachaufklärung. Es gewährt dem Betroffe-
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nen ein Mitwirkungsrecht, das ihm namentlich den Anspruch
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gibt, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingrei-
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fenden Entscheids zu äussern, erhebliche Beweise beizubrin-
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| 
gen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Be-
 | |
| 
weisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentli-
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cher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum
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Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den
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| 
Entscheid zu beeinflussen (BGE 126 I 7 E. 2b S. 10 f., 97
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| 
E. 2 S. 102 f.; 118 Ia 17 E. 1c S. 19, je mit Hinweisen).
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| 
Nach ständiger Rechtsprechung besteht der Gehörsanspruch
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| 
bei entscheidrelevanten Beweisfragen uneingeschränkt (BGE
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| 
124 I 49 E. 3c S. 52; vgl. René Rhinow/Max Imboden/Beat
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| 
Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Basel
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1990, S. 294). Dies bedeutet, dass die Behörde, die neue
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| 
Akten entgegennimmt, welche ihr als Entscheidgrundlage die-
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| 
nen, den Betroffenen grundsätzlich von Amtes wegen darüber
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| 
zu orientieren hat (BGE 124 II 132 E. 2b S. 137; 114 Ia 97
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| 
E. 2c S. 100, je mit Hinweisen; vgl. Jörg Paul Müller,
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| 
Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 521).
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| 
c) Der Untersuchungsrichter ist in seiner Duplik
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vom 20. Oktober 2000 der Behauptung der Beschwerdeführerin-
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| 
nen entgegengetreten, die Hälfte der einbezahlten Anlage-
 | |
| 
gelder sei von der Beschwerdeführerin 2 direkt an Rechtsan-
 | |
| 
walt Dr. H.________ weitergeleitet worden. Der Untersu-
 | |
| 
chungsrichter machte geltend, RA Dr. H.________ sei nach-
 | |
| 
weislich und ausschliesslich vom Vermögensverwalter
 | |
| 
L.________ beauftragt und bezahlt worden. Dabei berief er
 | |
| 
sich ausdrücklich auf das Gutachten der Bezirksanwalt-
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| 
schaft Zürich vom 27. Mai 1991, welches er als Beilage 6
 | |
| 
seiner Duplik zu den Akten reichte. Es ging in diesem
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| 
Zusammenhang um die Frage, ob es sich bei den beschlag-
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| 
nahmten Geldern um deliktisches Vermögen im Sinne von
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| 
Art. 59 Abs. 1 StGB handelte, ob also die für die Beschaf-
 | |
| 
fung der Bankgarantien verwendeten Gelder aus einer Straf-
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| 
tat herrührten. Das Gutachten sollte zum Beweis dafür
 | |
| 
dienen, dass die Beschwerdeführerinnen die Hälfte der ihnen
 | |
| 
zur Verfügung gestellten Anlagegelder nicht direkt an RA
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| 
Dr. H.________ weitergeleitet hatten, sondern dass (der
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| 
wegen Betrugs verurteilte) L.________ RA Dr. H.________
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| 
beauftragte, die Bankgarantien zu beschaffen, nachdem die
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| 
Beschwerdeführerinnen die ihnen zur Verfügung gestellten
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| 
Anlagegelder an die Fa. S.________ bzw. an L.________
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| 
weitergeleitet hatten. Die Anklagekammer hat auf diese
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| 
Darstellung des Untersuchungsrichters abgestellt und diese
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| 
(ohne nähere Prüfung) übernommen.
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| 
d) Das vom Untersuchungsrichter zur Untermauerung
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| 
seiner Sachdarstellung eingereichte Gutachten der Bezirksan-
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| 
waltschaft Zürich hatte somit entscheidrelevante Bedeutung.
 | |
| 
Der Gehörsanspruch der Beschwerdeführerinnen hätte verlangt,
 | |
| 
dass ihnen vor der Entscheidfindung Einsicht in dieses Gut-
 | |
| 
achten gegeben und ihnen Gelegenheit eingeräumt worden wäre,
 | |
| 
hiezu Stellung zu nehmen. Zwar haben die Beschwerdeführe-
 | |
| 
rinnen im Verfahren vor der Anklagekammer in ihrer Replik
 | |
| 
erklärt, es sei ihnen Gelegenheit zu einer Erwiderung auf
 | |
| 
die Vernehmlassung des Untersuchungsrichters eingeräumt
 | |
| 
worden, daher befinde sich die Anklagekammer im Einklang mit
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| 
der Bundesgerichtspraxis zum rechtlichen Gehör. Dieses Zuge-
 | |
| 
ständnis kann ihnen jedoch im vorliegenden Zusammenhang
 | |
| 
nicht entgegengehalten werden, zumal sie bei Einreichung
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| 
ihrer Replik nicht voraussehen konnten, dass der Untersu-
 | |
| 
chungsrichter in seiner Duplik erhebliche neue Beweismittel
 | |
| 
einreichen würde.
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| 
4.- Dadurch, dass den Beschwerdeführerinnen keine Gele-
 | |
| 
genheit eingeräumt worden ist, sich zu den mit der Duplik
 | |
| 
des Untersuchungsrichters eingereichten neuen Beweismitteln,
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| 
insbesondere zu dem genannten Gutachten, zu äussern, wurde
 | |
| 
ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dies hat zur
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| 
Folge, dass der angefochtene Entscheid - ungeachtet der Er-
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| 
folgsaussichten der staatsrechtlichen Beschwerde in mate-
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rieller Hinsicht - aufgehoben werden muss (BGE 118 Ia 17
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| 
E. 1a S. 18). Unbehelflich ist der von der Anklagekammer
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(in ihrer Vernehmlassung im vorliegenden bundesgerichtlichen
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Verfahren) erhobene Einwand, wonach die Beschwerdeführerin-
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| 
nen nach der Zustellung der Duplik des Untersuchungsrichters
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die Einsichtnahme in die gleichzeitig eingereichten neuen
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Akten hätten verlangen können. Mit der Zustellung dieser
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| 
Duplik verband die Anklagekammer nämlich die ausdrückliche
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Mitteilung vom 26. Oktober 2000, dass der Schriftenwechsel
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| 
"damit abgeschlossen" sei, womit den Beschwerdeführerinnen
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| 
keine Möglichkeit zur Stellungnahme mehr gegeben war.
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| 
5.- Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich somit
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als begründet und ist gutzuheissen, soweit darauf einzutre-
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| 
ten ist. Der Entscheid der Anklagekammer vom 21. November
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2000 ist aufzuheben. Die Anklagekammer wird dafür zu sorgen
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haben, dass den Beschwerdeführerinnen Gelegenheit gegeben
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wird, sich zu den vom Untersuchungsrichter mit seiner Duplik
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vom 20. Oktober 2000 eingereichten Akten zu äussern, bevor
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sie neu entscheidet.
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| 
Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfah-
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| 
rens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2
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| 
OG). Der Kanton St. Gallen hat die anwaltlich vertretenen
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| 
Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren
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jedoch angemessen zu entschädigen (Art. 159 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen,
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soweit darauf einzutreten ist, und der Entscheid der Ankla-
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gekammer des Kantons St. Gallen vom 21. November 2000 wird
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aufgehoben.
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2.- Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.- Der Kanton St. Gallen wird verpflichtet, die Be-
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schwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren mit
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Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
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4.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, dem
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Kantonalen Untersuchungsrichter für Wirtschaftsdelikte M.________ sowie der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
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schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 15. Juni 2001
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Der Gerichtsschreiber:
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