12. Auszug aus dem Urteil der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Bundesamt für Gesundheit (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
9C_534/2021 vom 4. April 2023 | |
Regeste | |
Art. 65b Abs. 2, Art. 65d Abs. 2 und 3 (je in den ab 1. März 2017 geltenden Fassungen), Art. 67 Abs. 2ter (in der vom 10. Mai 2006 bis 31. Mai 2015 gültig gewesenen Fassung), Art. 67a Abs. 1 KVV (in der ab 1. Juni 2015 geltenden Fassung); Art. 35c (in der vom 1. August 2010 bis 31. Mai 2015 gültig gewesenen Fassung), Art. 37e KLV (in den ab 15. November 2015 respektive ab 1. März 2017 geltenden Fassungen); Rückerstattung von durch Medikamentenverkäufe erzielten Mehreinnahmen.
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Sachverhalt | |
A.a Die A. AG ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen Arzneimittels C., welches seit 1. August 2014 auf der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste, SL) figuriert. Die erforderliche Wirtschaftlichkeitsprüfung war damals auf der Grundlage eines therapeutischen Quervergleichs (TQV) und eines Auslandpreisvergleichs (APV) vorgenommen worden (Verfügung des Bundesamts für Gesundheit [BAG] vom 16. Juli 2014).
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A.b Im Hinblick auf die periodische dreijährliche Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate ersuchte die A. AG das BAG am 4. Juli 2017 um eine freiwillige Preissenkung von C. per 1. August 2017. Mit Verfügung vom 3. Januar 2018 senkte das BAG den Preis des Medikaments per 1. Februar 2018 um 30,5 %; gleichzeitig ersuchte es die A. AG um Bekanntgabe der Absatzzahlen sämtlicher verkaufter Packungen des Arzneimittels im Zeitraum vom 1. August 2014 bis 31. Januar 2018 zwecks Berechnung allfälliger zurückzuerstattender Mehreinnahmen. Die A. AG reichte die entsprechenden Daten am 28. Februar 2018 ein; sie stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass für die vor dem 1. Juni 2015 in die SL aufgenommenen Arzneimittel die Rückerstattung von Mehreinnahmen nach den Vorschriften zu erfolgen habe, die bei der Aufnahme in die SL gegolten hätten; diese sähen für die Berechnung der Mehreinnahmen nur einen APV mit den Wechselkursen bei Aufnahme, jedoch keinen TQV vor; gestützt auf einen APV mit den vier Referenzländern Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Dänemark, in welchen C. im Zeitpunkt der SL-Aufnahme per 1. August 2014 im Handel gewesen sei, sowie den damaligen Wechselkurs ergäbe sich ein Senkungssatz von 17,61 %, was zu Mehreinnahmen in der Höhe von Fr. 3'947'279.42 führe. Das BAG hielt dem in der Folge entgegen, eine Berechnung des Rückerstattungsanspruchs einzig auf der Basis eines APV sei unzulässig, es müsse vielmehr zwingend auch ein TQV durchgeführt werden. Am 3. September 2018 verfügte das BAG eine für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis 31. Januar 2018 derart ermittelte Rückerstattung zugunsten der Gemeinsamen Einrichtung KVG im Betrag von Fr. 5'227'231.77. ![]() | |
C. Die A. AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei Ziffer 1 der Verfügung des BAG vom 3. September 2018 im Fr. 3'947'279.42 übersteigenden Betrag aufzuheben, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen und der Beschwerdebegründung an das BAG zurückzuweisen.
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Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Replikweise hält die A. AG an ihren Anträgen fest.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägung 3 | |
3.2.1 Vorinstanz und Beschwerdegegner vertreten diesbezüglich den Standpunkt, die für den Zeitraum vom 1. August 2014 (Aufnahme ![]() ![]() | |
4. Wie hiervor dargelegt wurde (vgl. nicht publ. E. 2.2 und 2.3) - und auch nicht bestritten wird -, erfolgte die periodische Wirtschaftlichkeitsüberprüfung bei der Medikamentenpreisfestsetzung bis zu BGE 142 V 26 (Urteil 9C_417/2015 vom 14. Dezember 2015) im Regelfall lediglich auf der Basis eines APV. Im besagten Urteil war das ![]() ![]() | |
Als Folge davon fasste der Verordnungsgeber Art. 65b Abs. 2 KVV auf den 1. März 2017 dergestalt neu, dass die Wirtschaftlichkeit generell - auch im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen (vgl. nunmehr Art. 65d Abs. 2 und 3 KVV) - nicht mehr nur mittels APV, sondern zwingend auch basierend auf einem TQV zu beurteilen ist (vgl. nicht publ. E. 2.2.4.2 am Ende).
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Erwägung 5 | |
5.3.1 Bis zu der per 1. Juni 2015 in Kraft getretenen Änderung von KVV und KLV handelte es sich bei der Rückerstattung von Mehreinnahmen durch die Zulassungsinhaberinnen um eine reine Kann-Vorschrift (vgl. nicht publ. E. 2.2.1.1). In der Folge wurde festgelegt, dass neu zwingend eine entsprechende Rückerstattung zu ![]() ![]() | |
Mit der Änderung der KLV vom 29. April 2015 wurde insbesondere der für den APV massgebliche Länderkorb von sechs (Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Österreich, Niederlande und Dänemark, vgl. Art. 35 Abs. 2 KLV, aufgehoben per 1. Juni 2015) auf neun Referenzländer erweitert (hinzu kamen Finnland, Schweden und Belgien, vgl. Art. 35a Abs. 1 KLV in der Fassung vom 29. April 2015, der dem heutigen Art. 34abis Abs. 1 KLV entspricht). Dieser Umstand führte dazu, dass in Bezug auf die zurückzuerstattenden Mehreinnahmen übergangsrechtlich ausdrücklich normiert wurde, dass der APV von Arzneimitteln, die vor dem 1. Juni 2015 in die SL aufgenommen und bislang noch keiner periodischen Überprüfung unterzogen worden waren, auf der Basis der altrechtlich relevanten Referenzländer durchzuführen ist (siehe Abs. 3 der Übergangsbestimmungen zur KLV-Änderung vom 29. April 2015, nicht publ. E. 2.2.2.1 am Ende). Anderweitige Vorgaben zur Vornahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung finden sich nicht.
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Schliesslich wurde im Rahmen der Änderung der KLV vom 21. Oktober 2015 per 15. November 2015 in Bezug auf Art. 37e Abs. 7 KLV lediglich ein redaktionelles Versehen bereinigt (neu: Senkt die Zulassungsinhaberin [...]den FAP ihres Originalpräparates freiwillig auf den nach Art. 65 KVV ermittelten FAP, bisher: auf das durchschnittliche Preisniveau der Referenzländer; vgl. nicht publ. E. 2.2.3; ferner "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" des BAG zu den KLV-Änderungen vom 21. Oktober 2015[nachfolgend: Kommentar BAG 2015], S. 5 Ziff. 4, abrufbar unter www.bag.admin.ch). Abs. 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der KLV vom ![]() ![]() | |
Aus den betreffenden Übergangsbestimmungen ergeben sich demnach keine Rückschlüsse darauf, dass bei der Berechnung von allenfalls zurückzuerstattenden Mehreinnahmen in einer Konstellation wie der vorliegenden (SL-Aufnahme vor Inkrafttreten der neuen Verordnungsbestimmungen per 1. Juni 2015, keine bisherige erneute Überprüfung der Aufnahmebedingungen) auch ein TQV durchzuführen ist. Dies erstaunt mit Blick auf die besagten KVV- und KLV-Änderungen vom 29. April und 21. Oktober 2015 indes nicht, da im damaligen Zeitpunkt das Bundesgerichtsurteil BGE 142 V 26 (9C_417/2015 vom 14. Dezember 2015) - und die darin gewonnene Erkenntnis, wonach eine Wirtschaftlichkeitsbeurteilung im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Medikamente allein gestützt auf einen APV bundesrechtswidrig sei - noch nicht vorlag. Ob die ![]() ![]() | |
5.4 Entgegen dem in der Beschwerde Ausgeführten ist die in BGE 142 V 26 gewonnene Erkenntnis sodann auch bedeutsam für die Prüfung und Ermittlung der zurückzuerstattenden Mehreinnahmen, kann die Berechnung des Rückerstattungsbetrags doch nicht losgelöst von der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit betrachtet werden. Dies geht zum einen aus den relevanten Verordnungsbestimmungen hervor (vgl. Art. 67 Abs. 2ter KVV, in der vom 10. Mai 2006 bis 31. Mai 2015 geltenden Fassung, Art. 67a Abs. 1 KVV, in der ab 1. Juni 2015 geltenden Fassung [jeweils: "Übersteigt der ... den bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ermittelten Fabrikabgabepreis ..."]; vgl. nicht publ. E. 2.2.1.1 und 2.2.2.1). Ferner ergibt sich derselbe Schluss aus den entsprechenden Materialien, wonach bei der Änderung von Art. 37e Abs. 7 KLV per 1. Juni 2015 beabsichtigt worden sei, die Überprüfung der Rückerstattung von Mehreinnahmen nach 18 Monaten der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre anzugleichen, da es sich bei Ersterer um eine vorgezogene Überprüfung der Rückerstattungspflicht handle (Kommentar BAG 2015, S. 5 Ziff. 4). Der Beschwerdeführerin ist zwar insofern zuzustimmen, als der bei der SL-Aufnahme von C. festgelegte Preis grundsätzlich als wirtschaftlich zu gelten hat. Dieser wird jedoch periodisch einer Reevaluation unterzogen, indem anlässlich der Überprüfung der Aufnahmebedingungen neben der Bestimmung eines neuen Preises für die Zukunft auch beurteilt wird, ob der bei der SL-Aufnahme zugrunde gelegte Preis nachträglich gesehen zu hoch festgesetzt worden war und deshalb zurückzuerstattende Mehreinnahmen generiert wurden (vgl. dazu nicht publ. E. 2.4.2). Anders als die Beschwerdeführerin einwendet, geht es bei der Rückerstattung von Mehreinnahmen folglich sehr wohl um die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels. Bekräftigt wird diese Sichtweise zudem durch die von Vorinstanz und Beschwerdegegner mehrfach herausgestrichene Verknüpfung der betreffenden Rückerstattung mit der Möglichkeit der Zulassungsinhaberin zur - unstreitig auf der Basis eines APV und eines TQV vorzunehmenden - freiwilligen Preissenkung (vgl. dazu etwa die Mitteilung des BAG vom ![]() ![]() | |
Die Rechtsprechung gemäss BGE 142 V 26 ist im vorliegenden Kontext deshalb ebenfalls zu beachten.
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5.5 Für die vorinstanzliche Beurteilung spricht schliesslich auch der Umstand, dass der Preis von C. bereits bei Aufnahme in die SL gestützt auf einen APV und einen TQV festgesetzt worden war (vgl. Verfügung des Beschwerdegegners vom 16. Juli 2014). Schon im Zeitpunkt der Aufnahme von C. in die SL war eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen (vgl. Art. 65 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 65b KVV, in der vom 1. Oktober 2009 bis 31. Mai 2015 gültig gewesenen Fassung). Die in diesem Zeitpunkt in Kraft stehende Fassung von Art. 65b Abs. 2 KVV lautete dahingehend, die Wirtschaftlichkeit eines Medikaments bei Aufnahme in die SL sei anhand eines Vergleichs mit anderen Arzneimitteln und der Preisgestaltung im Ausland zu prüfen. Dass die damals auch für die Berechnung der zurückzuerstattenden Mehreinnahmen geltenden Bestimmungen demgegenüber einzig einen APV vorsahen (vgl. nicht publ. E. 2.2.1.2), verstiess demgegenüber, wie das Bundesgericht mit BGE 142 V 26 erkannt hat, gegen Bundesrecht. ![]() |