14. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
9C_390/2021 vom 8. Februar 2022 | |
Art. 10c Abs. 2 der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19; Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall; "Stand am 8. Oktober 2020"); Corona-Erwerbsersatz, anwendbares Recht bei zeitlich offenen Dauersachverhalten mit intertemporalem Bezug; Kollisionsrecht. | |
In der vorliegend strittigen Konstellation, in der ein Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz nach Art. 2 Abs. 3bis in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 zweiter Satz Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall im August 2020 für den Zeitraum ab 17. März 2020 geltend gemacht wurde und der Einspracheentscheid am 26. November 2020 erging, ist in kollisionsrechtlicher Hinsicht Art. 10c Abs. 2 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall ("Stand am 8. Oktober 2020") massgebend. Dieser beschränkt einen unter der Notverordnung bestandenen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz auf den Zeitraum bis 16. September 2020. Als Folge davon ist der Anspruch in concreto einzig unter Beachtung von zeitlichem Geltungs- und zeitlichem Anwendungsbereich der bis am 16. September 2020 gültig gewesenen Fassungen der Notverordnung zu prüfen (E. 3.2). | |
Art. 2 Abs. 3bis in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 zweiter Satz Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall ("Stand am 6. Juli 2020"); Auslegung. | |
Sachverhalt | |
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B. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 21. Mai 2021 ab.
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C. A. beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, es sei ihr unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids beruhend auf dem sich aus der Steuererklärung 2018 ergebenden beitragspflichtigen Einkommen von Fr. 67'700.- ein Corona-Erwerbsersatz zuzusprechen.
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Die Beschwerdegegnerin schliesst unter Verweis auf das angefochtene Urteil auf Abweisung der Beschwerde. Mit Vernehmlassung vom 3. September 2021 beantragt auch das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) die Abweisung.
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Am 14. September 2021 nimmt die Beschwerdeführerin abschliessend Stellung und ersucht eventualiter darum, ihr unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids beruhend auf dem bei der Anmeldung zum Leistungsbezug gemeldeten und (zwischenzeitlich) ![]() ![]() | |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägung 3 | |
Vorliegend unbestritten anwendbar ist Art. 2 Abs. 3bis der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19; Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall; SR 830.31). Das kantonale Gericht hat den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Corona-Erwerbsersatz nach "der bis am 16. September 2020 gültig gewesenen Fassung" der Bestimmung beurteilt. Ob dem gefolgt werden kann, ist vorab von Amtes wegen zu prüfen.
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Bei Sachverhalten mit intertemporalem Bezug greift diese Grundregel jedoch zu kurz. In solchen Konstellationen sind weitere Aspekte mit zu berücksichtigen. So stellt sich insbesondere die Frage nach dem zeitlichen Geltungs- sowie dem zeitlichen Anwendungsbereich einer Bestimmung. Der zeitliche Geltungsbereich ist die "Lebensdauer" einer Rechtsnorm. Diese wird durch deren In- und Ausserkrafttreten bestimmt. Die eingangs genannte prozessuale Grundregel bezieht sich vorab auf den zeitlichen Geltungsbereich. Davon zu unterscheiden ist der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm; dieser bestimmt den Zeitraum, in dem sich die vom Tatbestand erfassten Sachverhalte ereignet haben müssen (MATTHIAS KRADOLFER, Intertemporales öffentliches Recht, 2020, S. 26 ff. Rz. 43 ff., ![]() ![]() | |
Zunächst ist darauf einzugehen, auf welcher Grundlage der Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz ab dem 17. März 2020 zu prüfen ist, wurde doch ein Erwerbsausfall per dato geltend gemacht. Diesbezüglich relevant ist, dass sämtliche der Fassungen von Art. 2 Abs. 3bis der bis am 16. September 2020 gültig gewesenen Notverordnung (vgl. zur befristeten Geltungsdauer der Notverordnung Art. 11 Abs. 2 "Stand am 23. April 2020" [AS 2020 1335], "Stand am 6. Juli 2020") rückwirkend per 17. März 2020 in Kraft traten ("Stand am 23. April 2020" [AS 2020 1257, 2223], "Stand am ![]() ![]() | |
Beim vorliegenden Dauersachverhalt mit intertemporalem Bezug stellt sich sodann die Frage nach dem ab 17. September 2020 anwendbaren Recht. Mit Blick auf die in Erwägung 3.2.1 hiervor dargelegten Grundsätze wäre der Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz ab dem 17. September 2020 nach Art. 2 Abs. 3bis der Verordnung in der im Zeitpunkt des Erlasses des Einspracheentscheides am 26. November 2020 gültig gewesenen Fassung zu prüfen, trat die massgebende Bestimmung doch rückwirkend per 17. September 2020 in Kraft (Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall, "Stand am 8. Oktober 2020"; KRADOLFER, a.a.O., S. 31 Rz. 50). Dieser Bestimmung bleibt jedoch mit Blick auf das in der Verordnung enthaltene Übergangsrecht (intertemporales Rechtsetzungsprimat, vgl. E. 3.2.1 hiervor) die Anwendung versagt. So bestimmt Art. 10c Abs. 2 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall ("Stand am 8. Oktober 2020") Folgendes: "In Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG ist der Anspruch auf andere Entschädigungen [als nach Artikel 2 Absatz 1bis Buchstabe a Ziffer 1 oder 2] erloschen, die nach dieser Verordnung in der bis am 16. September 2020 geltenden Fassung geschuldet waren. Personen, die beim Inkrafttreten der Änderung vom 4. November 2020 Anspruch auf solche Entschädigungen hatten und die nach dieser Verordnung in der ab dem 17. September 2020 geltenden Fassung einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen, müssen ein neues Gesuch einreichen." Damit stellte der Verordnungsgeber klar, dass ein unter dem Regime der Notverordnung allenfalls bestandener Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz per 16. September 2020 auslief. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Vorinstanz den vorliegend im August 2020 rückwirkend ab 17. März 2020 geltend gemachten Anspruch zu Recht (einzig) gestützt auf die (letzte) bis am 16. September 2020 gültig gewesene Fassung von Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (Notverordnung) geprüft hat. Ein allfälliger Anspruch würde mit Blick auf das Dargelegte auch per 16. September 2020 enden. Zu prüfen bleibt, ob das kantonale Gericht den Anspruch zu Recht verneint hat.
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Erwägung 4 | |
4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall ("Stand am 6. Juli 2020", in Kraft vom 17. März bis zum ![]() ![]() | |
Art. 5 Abs. 2 zweiter Satz Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall ("Stand am 6. Juli 2020", in Kraft vom 17. März bis zum 16. September 2020) besagt sodann, dass nach der Festlegung der Entschädigung eine Neuberechnung der Entschädigung nur vorgenommen werden kann, wenn eine aktuellere Steuerveranlagung bis zum 16. September 2020 der anspruchsberechtigten Person zugestellt wird und diese den Antrag zur Neuberechnung bis zu diesem Datum einreicht.
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Die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Anmeldung zum Corona-Erwerbsersatz die Veranlagungsverfügungen direkte Bundessteuer 2016, 2017 und 2018 eingereicht und um Ausstellung der Verfügungen über die persönlichen Beiträge für diese Jahre ersucht.
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Wie dargelegt, könne gemäss Art. 5 Abs. 2 zweiter Satz Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall in der bis am 16. September 2020 gültig gewesenen Fassung nach der Festlegung der Entschädigung eine Neuberechnung vorgenommen werden, wenn eine aktuellere Steuerveranlagung bis zum 16. September 2020 der anspruchsberechtigten Person zugestellt werde und diese den Antrag auf Neuberechnung bis zu diesem Datum einreiche. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Anmeldung und somit vor dem 16. September 2020 eine respektive mehrere aktuellere Steuerveranlagungen eingereicht, seien ![]() ![]() | |
Erwägung 5 | |
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Soweit sich die Beschwerdeführerin isoliert auf den Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 zweiter Satz Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall beruft, übersieht sie, dass diese Bestimmung in ihrem Fall zwingend ![]() ![]() | |
"Mit dieser Bestimmung sollen Härtefälle entschädigt werden, die sich durch den weitgehenden Stillstand der Wirtschaft mit Erwerbseinbussen konfrontiert sehen, obwohl ihre Erwerbstätigkeit nicht verboten ist. Anspruchsberechtigt sind Selbstständigerwerbende gemäss Artikel 12 des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts, für die die Massnahmen von nach Artikel 6 Absatz 1 und 2 COVID-19-Verordnung nicht gelten, die aber dennoch aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus einen Erwerbsausfall haben. Anspruchsberechtigt können beispielsweise Taxifahrer, Hoteliers, Kameraleute, Lieferanten oder Physiotherapeuten sein. Als zusätzliche Voraussetzung für einen Leistungsanspruch darf das jährliche Einkommen 90 000 Franken nicht übersteigen. Dabei ist auf das Erwerbseinkommen gemäss der aktuellsten Beitragsverfügung des Jahres 2019 abzustellen. Falls keine definitive Verfügung vorliegt, wird das Erwerbseinkommen anhand der provisorischen Verfügung ermittelt. Die 90'000 Franken leiten sich vom in der Erwerbsersatzordnung geltenden Plafond für die Entschädigung ab, der sich auf 5 880 Franken beläuft. Relevant ist das Einkommen auf dem gemäss Artikel 11 Absatz 1 des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 1952 Beiträge für die AHV entrichtet wurden. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass die Entschädigung nur Härtefällen zugute kommt und Personen mit hohen Erwerbseinkommen vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen werden. Personen mit höheren Einkommen ist es ![]() ![]() | |
Grundlage für die Bemessung der Entschädigung für selbstständig Erwerbende bildet grundsätzlich das Erwerbseinkommen gemäss der aktuellsten Beitragsverfügung des Jahres 2019. Dabei ist unerheblich, ob die Grundlage der Beitragsverfügung provisorisch oder definitiv ist" (Erläuterungen zur Verordnungsänderung vom 16. April 2020, zu Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall).
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"Für die Bemessung der Entschädigung von Selbstständigerwerbenden ist grundsätzlich das Erwerbseinkommen massgebend, welches im Jahr 2019 erzielt wurde. Da das definitive AHV-pflichtige Einkommen bei Selbstständigerwerbenden meistens erst mehrere Jahre nach dem jeweiligen Beitragsjahr feststeht, wird als Basis das Einkommen verwendet, welches für die Festsetzung der Beitragsrechnungen für das Jahr 2019 (Akontorechnungen) herangezogen wurde. Eine Anpassung der Entschädigung nach dem 16. September 2020 aufgrund einer neueren definitiven Steuermeldung ist ausgeschlossen, womit eine Revision oder eine Wiedererwägung nach diesem Zeitpunkt nicht möglich ist. Diese Grundsätze gelten auch für die Bemessung der Einkommensschwelle für Anspruchsberechtigte nach Artikel 2 Absatz 3bis " (Erläuterungen zur Verordnungsänderung vom 19. Juni 2020, zu Art. 2 Abs. 3bis und Art. 5 Abs. 2 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall).
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Der Botschaft zum Covid-19-Gesetz ist im Zusammenhang mit der Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall ebenfalls nichts anderes zu entnehmen, als dass die Entschädigung für von Corona-Massnahmen indirekt betroffene Selbstständigerwerbende lediglich Härtefällen zukommen sollte, bei denen das massgebende Einkommen für die Bemessung der AHV-Beiträge für das Jahr 2019 zwischen Fr. 10'000.- und Fr. 90'000.- lag (BBl 2020 6612).
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Soweit die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend macht, wenn bei der Bemessung der Entschädigung eine aktuellere Steuerveranlagung im Sinne einer solchen aus einem anderen Jahr als 2019 (vorliegend 2018) berücksichtigt werden könne, so müsse dies auch respektive umso mehr für die Ermittlung der Einkommensgrenze gelten, zielt ihr Vorbringen mit Blick auf das Dargelegte ins Leere. Mit dem Verweis von Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall auf Art. 5 Abs. 2 zweiter Satz der Verordnung soll (einzig) sichergestellt werden, dass zur Ermittlung der Anspruchsvoraussetzung des zwischen Fr. 10'000.-und Fr. 90'000.-liegenden Einkommens (gleich wie bei der Berechnung der Entschädigung selbst) die aktuellsten Daten zum Jahr 2019 herangezogen werden.
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Für das Jahr 2019 wurden gemäss dem kantonalen Gericht Akontobeiträge gestützt auf ein beitragspflichtiges Einkommen von Fr. 132'800.- erhoben (Mitteilung vom 28. Januar 2019). Das Heranziehen dieser Grundlage für die Bestimmung der massgeblichen Einkommensgrenze gemäss Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall ist zulässig (E. 5.2.2 hiervor). Nachdem dieses Einkommen über Fr. 90'000.- liegt, hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie einen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz verneint hat. ![]() |