11. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Bundesamt für Gesundheit (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
9C_736/2020 vom 10. Dezember 2021 | |
Regeste | |
Art. 32 KVG; Art. 65d Abs. 1 KVV; Art. 33, 34d und 34f KLV; Therapeutischer Quervergleich (TQV) im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen; Begriff der Zweckmässigkeit.
| |
Sachverhalt | |
A.a Die A. AG ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen, patentgeschützten Arzneimittels B., welches als Trockensubstanz zur Herstellung einer Injektionslösung seit v in den Dosierungen w mcg und w mcg als Einerpackung auf der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]) figuriert. Es enthält den Wirkstoff C. und dient der Behandlung von (...) bei Patienten mit (...); die zunächst auf erwachsene Patienten beschränkte Anwendbarkeit wurde in der Folge auf mindestens einjährige Kinder erweitert.
| |
A.b Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte der A. AG mit Rundschreiben vom 13. Dezember 2017 mit, dass B. der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate unterzogen werde, und ersuchte um Eingabe der dafür erforderlichen Daten in die bereitgestellte Internet-Applikation bis 15. Februar 2018. Insbesondere wurden Angaben zur Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sowie mit Blick auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit zu den Grundlagen des von der Zulassungsinhaberin vorgenommenen Therapeutischen Quervergleichs (TQV) gefordert. Die A. AG schlug daraufhin vor, den TQV von B. (Trockensubstanz w mcg/y Stk) mit dem Medikament D. (Filmtablette x mg/y Stk) durchzuführen. Nachdem sich die Parteien in der Folge bezüglich der Kriterien der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht einigen konnten, kam das BAG abschliessend mit Verfügung vom 7. Dezember 2018 zum Ergebnis, B. werde im Rahmen der bisherigen Darreichungsformen zwar grundsätzlich als zweckmässig eingestuft, dies jedoch unter der Auflage, dass die Zulassungsinhaberin bis Ende 2020 ein Gesuch um Aufnahme einer w mcg-Packung in die SL einreiche. U.a. gestützt darauf wurden die ab 1. Februar 2019 geltenden Preise von B. neu wie folgt festgesetzt: (...).
| |
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Oktober 2020 ab.
| |
![]() | |
![]() | |
Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die A. AG hält replikweise an ihren Anträgen fest.
| |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
| |
(Zusammenfassung)
| |
Erwägung 2 | |
(...)
| |
Erwägung 3 | |
![]() | |
3.2.2 Dem wird in der Beschwerde im Wesentlichen entgegengehalten, B. erfülle die Aufnahmebedingung der Zweckmässigkeit auch ohne die entsprechende Auflage weiterhin. Diese entbehre einer gesetzlichen Grundlage und sei unverhältnismässig. Insbesondere sei das Kriterium praxisgemäss nur restriktiv bzw. bei Vorliegen von triftigen Gründen oder einer geänderten Sachlage zu verneinen. Art. 33 KLV (SR 832.112.31) verlange nicht nach Ampullen, die eine Mindest- oder Durchschnittsdosierung abdeckten. Ferner sei die Einführung der geforderten Kleinpackung entgegen der Auffassung von Vorinstanz und Beschwerdegegner nicht geeignet, die Verwurfsproblematik zu vermindern. Bei der w mcg-Packung entstehe beim Durchschnittspatienten zwar ein Verwurf, der aber bei schwereren Patienten oder solchen, die aus medizinischen Gründen eine höhere Dosierung benötigten, gerade nicht resultiere. Des Weitern könne der Verwurf auch in Bezug auf die Durchschnittsdosierung, die bei einer erwachsenen Person von 72 Kilogramm w mcg betrage (72 kg x w mcg), nicht korrigiert werden, da diesfalls jeweils zwei ![]() ![]() | |
Erwägung 4 | |
Erwägung 4.2 | |
4.2.1 Das BAG hat sich - auf Empfehlung der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats - im Rahmen seines Arbeitspapiers "Operationalisierung der Begriffe Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit", Version 2.0, vom 21. Juli 2011 näher mit den entsprechenden Kriterien und damit auch mit dem Begriff der Zweckmässigkeit von Leistungen befasst (abrufbar unter www.bag.admin.ch). Es ist dabei zum Ergebnis gelangt, dass die Zweckmässigkeit einer Leistung zusätzlich zur Wirksamkeit deren Eignung, unter Berücksichtigung von Nutzen und Schaden, deren ![]() ![]() | |
4.2.2 Mit den Folgerungen des bundesamtlichen Arbeitspapiers setzte sich im Nachgang auch die Lehre auseinander. So kamen etwa WIDRIG/TAG (Rechtliche Aspekte der Kosten-/Nutzenbewertung in der Medizin, Health Insurance Liability Law [HILL] 2012 Fachartikel Nr. 65) zum Schluss, zweckmässig könne eine Leistung nur dann sein, wenn sie zugleich das Kriterium der Wirksamkeit erfülle. Ob die wirksame Leistung auch zweckmässig sei, beurteile sich in der Regel anhand medizinischer Kriterien. Das "Z-Kriterium" solle primär die zweckmässige Auswahl unter verschiedenen medizinischen Massnahmen sicherstellen. Zweckmässig sei eine Massnahme, wenn sie, in Anbetracht des konkreten Krankheitsbildes, die nach objektiven Kriterien am besten geeignete Vorkehr darstelle und den besten medizinischen Nutzen aufweise, das heisst schneller, besser oder einfacher zum verfolgten Behandlungsziel führe. Gebe es für eine Indikation nur eine mögliche medizinische Massnahme, sei sie solange als zweckmässig anzusehen, bis deren Risiken ihren Nutzen überstiegen. Das Z-Kriterium habe demzufolge vergleichenden Charakter. Des Weitern müsse die Leistung, um das Kriterium zu erfüllen, notwendig sein. Sie gelte dann als notwendig, wenn sie aus medizinischer Sicht zur Erzielung des Behandlungserfolgs unentbehrlich sei. Es sei jedoch nicht sachgemäss, die Zweckmässigkeit zu verneinen, sobald die Leistung durch eine gleich wirksame, aber kostengünstigere Alternative ersetzt werden könnte, da dadurch eine Vermischung mit dem Wirtschaftlichkeitskriterium entstünde. Deshalb empfehle es sich, als Voraussetzung für die Zweckmässigkeit einer Leistung zu verlangen, dass die in klinischen Studien nachgewiesene Wirksamkeit sich auch im medizinischen Alltag bestätigen lasse (Rz. 57). Schliesslich führten die Autoren aus, bei der Operationalisierung des ![]() ![]() | |
4.3.1 Art. 33 KLV ist offen formuliert respektive definiert nicht explizit, welche Vorgaben ein Medikament zu erfüllen hat, um im Sinne der OKP zweckmässig zu sein. Die Bestimmung lässt somit einen grösseren Spielraum offen, sodass die Beurteilung der Zweckmässigkeit im Einzelfall an die Besonderheit des in Frage stehenden Arzneimittels und seiner Wirkungsweise angepasst werden kann (vgl. GÄCHTER/MEIENBERGER, Rechtsgutachten zuhanden der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 8. Februar 2013, S. 62 Rz. 134, in: Evaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 13. Juni 2013 - Materialien zum Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, S. 11 ff. [abrufbar unter www.parlament.ch]; Vollzugsevaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung [nachfolgend: Vollzugsevaluation], S. 105, ebenfalls in: Evaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 13. Juni 2013 - Materialien zum Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, S. 93 ff. [abrufbar unter www.parlament.ch]). Beim Kriterium der Zweckmässigkeit ist zu fragen, wie zweckmässig ein Arzneimittel gegenüber einem anderen ![]() ![]() | |
4.3.2.1 So hatte sich zum einen bereits der Bundesrat Ende Mai 2006 anlässlich seiner Stellungnahme zur Motion Nr. 06.3124 betreffend die Thematik "Kleine, zweckmässige und therapiegerechte Medikamentenpackungen" in diesem Sinne klar geäussert. Er hielt damals fest, das Kriterium der Zweckmässigkeit beinhalte grundsätzlich, dass das BAG bei der Aufnahme von Arzneimitteln in die SL geeignete Packungsgrössen von den Herstellern fordere. Diese Packungsgrössen seien auf die Indikationen des Medikaments abgestimmt. Es müssten also neben den Grosspackungen auch kleine therapiegerechte Probierpackungen zur Aufnahme in die SL gemeldet werden, damit der Beginn einer allfälligen Langzeittherapie mit Kleinpackungen eingeleitet werden könne. Wenn im entsprechenden Aufnahmegesuch keine Kleinpackung angeboten werde, sei das Zweckmässigkeitskriterium nicht erfüllt. Das BAG werde einen derartigen Antrag ablehnen oder in der Aufnahmeverfügung eine Auflage formulieren, wonach die Kleinpackung noch einzuführen sei.
| |
In seiner Antwort auf die Motion Nr. 09.3255 "Einsparpotenzial bei der Medikamentenversorgung" vom 20. Mai 2009 vermerkte der ![]() ![]() | |
4.3.2.2 Ferner muss ein medizinischer Bedarf für die Versorgung in der Schweiz gegeben sein und müssen die angebotenen Packungsgrössen und Dosierungen eine angemessene Anwendung in der Praxis gewährleisten (in diesem Sinne Vollzugsevaluation, a.a.O., S. 105; INDERMITTE/RIZZI, Grundsätze zur Bezeichnung von Arzneimitteln, Soziale Sicherheit [CHSS] 3/2018 S. 16 ff., insb. 17). Um dies sicherstellen zu können, haben die Zulassungsinhaberinnen anlässlich der Gesuche um Aufnahme eines Arzneimittels in die SL auch Dosisstärke und Packungsgrösse anzugeben (vgl. "KEY FACTS-Formular für Neuaufnahmegesuch Originalpräparat [NA]", in: Anhang 03 a des vom BAG herausgegebenen Handbuchs betreffend die SL, Stand 2017 [fortan: SL-Handbuch; abrufbar unter www.bag.admin.ch]; zum rechtlichen Stellenwert vgl. BGE 145 V 289 E. 5.4.2). Die entsprechenden Auskünfte dienen, wie den "Allgemeinen Bemerkungen" zum Neuaufnahmeformular entnommen werden kann - und den beteiligten Akteuren somit klar sein muss -, spezifisch der Zweckmässigkeitsprüfung (vgl. Anhang 03 a SL-Handbuch; zudem Vollzugsevaluation, a.a.O., S. 105 oben und Fn. 18). Hier sollen die Gründe genannt werden, weshalb ein Arzneimittel zweckmässig im ambulanten Bereich der OKP eingesetzt werden kann und inwiefern die zur SL-Aufnahme beantragten Dosisstärken und Packungsgrössen zweckmässig sein sollen respektive worin der therapeutische Mehrwert bzw. klinische Mehrnutzen gegenüber bisheriger Standardtherapie bestehen soll (WILDI, a.a.O., N. 49 zu Art. 52/52a KVG).
| |
4.3.3 Aus dem Dargelegten lässt sich mit Vorinstanz und Beschwerdegegner der Schluss ziehen, dass es sachlich geboten ist, die Frage der Packungsgrösse - wiewohl gewisse Schnittstellen zum ![]() ![]() | |
Folglich bilden Art. 32 Abs. 2 KVG und Art. 33 KLV eine genügende gesetzliche Grundlage für die umstrittene Auflage.
| |
Erwägung 4.5 | |
4.5.2 Die hier fragliche Anordnung der Einführung einer kleineren Packungsgrösse steht grundsätzlich im Einklang mit dem Zweck der periodischen Überprüfung gemäss Art. 32 Abs. 2 KVG, nämlich die Sicherstellung, dass die Arzneimittel der SL die WZW-Kriterien nach Art. 32 Abs. 1 KVG jederzeit erfüllen. Ebenso dient das ![]() ![]() ![]() |