53. Urteil vom 12. September 1996 i.S. Z. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Kantonales Versicherungsgericht des Wallis | |
Regeste | |
Art. 36 Abs. 2, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 und 110 UVG, Art. 33 Abs. 2 UVV, Art. 128 und 97 Abs. 1 OG, Art. 5 Abs. 1 VwVG: Erstmalige Anfechtung einzelner Komponenten einer Leistungskürzung im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren. Obschon im Einsprache- und im kantonalen Beschwerdeverfahren ausschliesslich der Kürzungsmodus beanstandet wurde, ist die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Kürzung nach Art. 36 Abs. 2 UVG und ihres allfälligen Ausmasses einer Überprüfung durch das Eidg. Versicherungsgericht im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren zugänglich.
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Sachverhalt | |
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Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht für den Unfall vom 3. März 1990, kam für die Heilungskosten auf und richtete Taggelder aus. Mit Verfügung vom 28. Juli 1992 sprach sie dem Versicherten nebst einer 15%igen Integritätsentschädigung rückwirkend ab 1. Oktober 1991 eine Invalidenrente aufgrund einer 75%igen Erwerbsunfähigkeit zu. Letztere gelangte im Hinblick darauf, dass der Anspruchsberechtigte auch Bezüger einer Rente der Invalidenversicherung ist, als Komplementärrente zur Ausrichtung, welche wegen eines krankhaften Vorzustandes um 50% auf monatlich Fr. 825.-- gekürzt wurde. Als sich Z. gegen die vorgenommene ![]() ![]() | |
B.- Eine wiederum gegen die Art der erfolgten Rentenkürzung gerichtete Beschwerde wies das Kantonale Versicherungsgericht des Wallis mit Entscheid vom 30. November 1994 ab.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Z. die vorinstanzlich bestätigte Rentenfestsetzung durch die SUVA erneut beanstanden und die Ausrichtung der maximal möglichen Komplementärrente von Fr. 1'649.50 pro Monat beantragen. Neu stellt er sich auf den Standpunkt, dass eine Rentenkürzung grundsätzlich schon deshalb nicht zulässig sei, weil der vor dem versicherten Unfallereignis vorhanden gewesene Gesundheitsschaden nie eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit bewirkt habe; allenfalls müsste auch das angewandte Kürzungsmass als unangemessen bezeichnet werden.
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Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
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c) In den Art. 31 ff. UVV hat der Bundesrat gestützt auf Art. 20 Abs. 3 UVG nähere Vorschriften über die Berechnung der Komplementärrenten erlassen. Nach Art. 33 Abs. 2 UVV werden die Kürzungen nach den Art. 36 bis 39 des Gesetzes bei den Komplementärrenten vorgenommen (Satz 1); die Teuerungszulagen werden auf der gekürzten Komplementärrente berechnet (Satz 2).
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b) Der Beschwerdeführer wandte dagegen im vorinstanzlichen Verfahren ein, zunächst sei die rein unfallbedingte Erwerbsunfähigkeit zu ermitteln, welche bei einer Gesamtinvalidität von 75% und einer zu 50% auf unfallfremde Gründe zurückzuführenden Gesundheitsschädigung noch 37,5% ausmache. Die auf dieser Grundlage berechnete Invalidenrente der Unfallversicherung betrage bei einem versicherten Jahresverdienst von Fr. 51'500.-- monatlich ![]() ![]() | |
c) Im vorliegenden Verfahren schliesslich bringt der Beschwerdeführer neu vor, da die schon vor dem Unfall vom 3. März 1990 vorhanden gewesene Gesundheitsschädigung allein nie zu einer Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt habe, sei eine Kürzung der Rente der Unfallversicherung gestützt auf Art. 36 Abs. 2 UVG zum vornherein nicht zulässig; deshalb habe er Anspruch auf die maximal mögliche Komplementärrente, also auf Fr. 1'649.50 monatlich. Offenbar für den Fall, dass dieser Argumentation nicht gefolgt werden sollte, wiederholt der Beschwerdeführer seinen im vorinstanzlichen Verfahren vertretenen Standpunkt, wonach eine allfällige Kürzung nicht bei der Komplementärrente, sondern bereits bei der nach Massgabe von Art. 20 Abs. 1 UVG berechneten Grundrente zu erfolgen habe, indem zunächst die rein unfallbedingte Invalidität festgestellt werde; da die sich so ergebende Rente von Fr. 1'287.50 zusammen mit der Rente der Invalidenversicherung von Fr. 2'213.-- 90% des versicherten Verdienstes nicht übersteige, stehe ihm diese ohne jegliche Kürzung zu. Die Kürzungsweise der SUVA resp. die Anwendung von Art. 33 Abs. 2 UVV auf den Art. 36 Abs. 2 UVG erachtet er demgegenüber als nicht gesetzeskonform. Überdies macht er geltend, sofern die Zulässigkeit einer Kürzung bejaht werde, sei deren Ausmass zumindest nicht auf 50% zu veranschlagen, sondern im Sinne von Art. 36 Abs. 2 UVG angemessen zu reduzieren, was ebenfalls zur Gewährung der maximalen Komplementärrente von monatlich Fr. 1'649.50 führen müsste.
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4. a) In der dem kantonalen Gericht eingereichten Beschwerde wurde wie zuvor schon im Einspracheverfahren einzig der von der SUVA angewandte Kürzungsmodus beanstandet und damit die Regelung in Art. 33 Abs. 2 UVV, wonach beim Zusammentreffen von Renten der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung einerseits und der Unfallversicherung anderseits eine Leistungskürzung nach Art. 36 Abs. 2 UVG wegen eines vorbestandenen unfallfremden Gesundheitsschadens nicht bei der Grundrente, sondern bei der Komplementärrente vorzunehmen ist, als nicht gesetzeskonform bezeichnet. Ausdrücklich anerkannte der Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren hingegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer Kürzung wegen eines mitbeteiligten unfallfremden Gesundheitsschadens, den Kürzungssatz von ![]() ![]() | |
b) Unter diesen Umständen ist zunächst zu prüfen, ob die neu erhobenen Einwände des Beschwerdeführers überhaupt noch zulässig sind oder ob diese entsprechend dem in der Vernehmlassung der SUVA vertretenen Standpunkt einer Überprüfung durch das Eidg. Versicherungsgericht entzogen sind, nachdem die grundsätzliche Zulässigkeit einer Kürzung wie auch deren Ausmass weder im Einsprache- noch im kantonalen Beschwerdeverfahren beanstandet wurden und sich deshalb weder SUVA noch Vorinstanz diesbezüglich zu einer erneuten Überprüfung veranlasst sahen.
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In BGE 119 V 350 Erw. 1b hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass eine Verfügung - soweit sie in der Einsprache unangefochten bleibt und nicht von Amtes wegen überprüft wird - in Teilrechtskraft erwächst. Jenem Entscheid lag indessen insofern ein anderer Sachverhalt als im vorliegenden Verfahren zugrunde, als die dort Anfechtungsgegenstand bildende Verfügung zwei verschiedene Rechtsverhältnisse, nämlich den Anspruch auf eine Invalidenrente einerseits und denjenigen auf eine Integritätsentschädigung anderseits, betraf (vgl. auch Erw. 1). Bezüglich der Integritätsentschädigung war jene Verfügung zufolge Nichtanfechtung im Einspracheverfahren in Rechtskraft erwachsen und dementsprechend im anschliessenden erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren nicht mehr zu überprüfen. Im vorliegend zur Diskussion stehenden Fall bildete demgegenüber auf allen Stufen - einsprache- und beschwerdeweise - die Rentenkürzung wegen eines unfallfremden Vorzustandes Streitgegenstand. Solange aber über den Streitgegenstand und damit die Rentenkürzung an sich noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, verbietet sich die Annahme, Einzelkomponenten der streitigen Rentenkürzung wie etwa der Kürzungsmodus oder das Kürzungsmass seien bereits rechtskräftig erledigt worden (vgl. BGE 110 V 52 Erw. 3d, nicht veröffentlichtes Urteil M. vom 15. Mai 1995). Entgegen der Ansicht der SUVA ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch insoweit einzutreten, als der Beschwerdeführer neu die grundsätzliche Zulässigkeit einer Rentenkürzung und deren allfälliges Ausmass in Frage stellt. ![]() | |
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a) Zunächst ist dem kantonalen Gericht darin beizupflichten, dass der Wortlaut von Art. 33 Abs. 2 Satz 1 UVV nur so verstanden werden kann, dass die Kürzung wegen eines vorbestandenen Gesundheitsschadens bei der Komplementärrente und nicht bei der Grundrente zu erfolgen hat. Die Auffassung des Beschwerdeführers, ![]() ![]() | |
b) Das Eidg. Versicherungsgericht hat sich im Rahmen der ihm insofern zustehenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu BGE 122 V 93 Erw. 5a/bb mit Hinweisen) bereits mehrfach auch zur Rechtmässigkeit der gestützt auf Art. 20 Abs. 3 UVG ergangenen Verordnungsbestimmungen geäussert (vgl. BGE 122 V 338 und 343, BGE 121 V 137, BGE 115 V 266, 275 und 285, BGE 112 V 39). Infolge der verfassungsrechtlichen Beschränkung seiner eigenen Überprüfungsbefugnis (Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis Abs. 3 BV) hat es dabei indessen zur Frage, ob die gesetzliche Delegation den aus rechtsstaatlichen Gründen an eine Delegationsnorm zu stellenden Anforderungen zu genügen vermag, ebensowenig wie zur Angemessenheit des mit der Einführung der Komplementärrenten vorgenommenen Systemwechsels (vgl. dazu BGE 115 V 270 f. Erw. 2a mit Hinweisen) Stellung bezogen. Angesichts der Tatsache, dass die Delegation in Art. 20 Abs. 3 UVG keine Richtlinien über die Art und Weise enthält, wie von der Ermächtigung Gebrauch zu machen ist, ist das Eidg. Versicherungsgericht jeweils von einem dem Bundesrat zustehenden sehr weiten Spielraum des Ermessens ausgegangen und hat insbesondere die von diesem getroffene Auswahl und Umschreibung der Sonderfälle, in welchen die Berechnung der Komplementärrenten in einer vom gesetzlichen Grundsatz abweichenden Weise erfolgen soll, nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür geprüft. Unter Hinweis auf die bundesrätliche Freiheit, in der Verordnung auch Fälle zu berücksichtigen oder aber unbeachtet zu lassen, in welchen man mit vertretbaren Gründen geteilter Meinung sein kann, hat es dementsprechend regelmässig davon abgesehen, Zweckmässigkeits- oder Reformüberlegungen anzustellen. Obschon es zum Schluss gelangte, dass die geltende Regelung bezüglich der Festsetzung und Anpassung von Komplementärrenten nicht in allen Teilen zu befriedigen vermag, hat es ein richterliches Eingreifen wiederholt mit der Begründung abgelehnt, es sei Sache des Gesetz- resp. ![]() ![]() | |
c) Hinzuweisen ist zunächst auf BGE 119 V 484, wo sich das Eidg. Versicherungsgericht bereits mit Satz 2 von Art. 33 Abs. 2 UVV, gemäss welchem die Teuerungszulagen auf der gekürzten Komplementärrente berechnet werden, befasst hat. Dort hat sich das Gericht mit der Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Kürzung der Komplementärrente im Sinne von Art. 33 Abs. 2 Satz 1 UVV zwar nicht näher auseinandergesetzt, ging aber doch stillschweigend davon aus, dass gegen die entsprechende Regelung nichts einzuwenden sei (BGE 119 V 491 Erw. 3c). Im Ergebnis vermögen die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde daran nichts zu ändern.
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aa) Richtig ist zwar der Einwand des Beschwerdeführers, dass Bezüger von Komplementärrenten, die wegen eines vorbestandenen unfallfremden Gesundheitsschadens eine Kürzung in Kauf zu nehmen haben, zum vornherein nie Rentenbetreffnisse erhalten können, welche die in Art. 20 Abs. 2 UVG gesetzlich als Höchstleistung vorgesehenen 90% des versicherten Verdienstes ausmachen, wenn die Kürzung erst bei der Komplementärrente vorzunehmen ist. Auch wenn dies auf den ersten Blick allenfalls als unbefriedigend erscheinen mag, lässt sich die fragliche Verordnungsbestimmung allein deshalb noch nicht als bundesrechtswidrig qualifizieren. Dass damit eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung von Versicherten, deren Gesundheitsschaden nicht ausschliesslich auf ein Unfallereignis zurückzuführen ist, gegenüber rein unfallgeschädigten Versicherten resultieren würde, kann schon deshalb nicht gesagt werden, weil anderseits auch kaum verständlich wäre, weshalb trotz einer mitbeteiligten unfallfremden Ursache gleich hohe Leistungen wie im Falle einer ausschliesslichen Unfallschädigung sollten gewährt werden können. Die vom Verordnungsgeber getroffene Lösung erweist sich demnach nicht als derart stossend, dass sie als geradezu unhaltbar bezeichnet werden müsste. Auch schliesst diese Regelung entgegen dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweckten Anschein nicht etwa generell aus, dass der Bezüger einer Rente der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung, ![]() ![]() | |
bb) Wie schon im kantonalen Verfahren stellt der Beschwerdeführer die Gesetzmässigkeit von Art. 33 Abs. 2 UVV auch insoweit in Frage, als diese Bestimmung sowohl bei Leistungskürzungen nach Art. 36 UVG wie auch nach den Art. 37 bis 39 UVG eine Kürzung der Komplementärrente vorsieht; damit richte sich die Leistungskürzung wegen eines vorbestandenen Gesundheitsschadens nicht nach Massgabe der unfallbedingten Invalidität, sondern weise den Charakter einer Sanktion auf. Dieser Betrachtungsweise kann nicht beigepflichtet werden. Weder ist ersichtlich noch wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit plausiblen Gründen dargetan, inwiefern die Gleichbehandlung von Leistungskürzungen wegen vorbestandener Gesundheitsschädigungen einerseits und wegen ![]() ![]() | |
cc) Nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag der Beschwerdeführer schliesslich aus der hinsichtlich der Integritätsentschädigung massgebenden Kürzungsweise.
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d) Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen Art. 33 Abs. 2 UVV somit auch insofern nicht als bundesrechtswidrig erscheinen, als darin vorgesehen wird, dass die Kürzung wegen vorbestandener Gesundheitsschäden beim Zusammentreffen von Rentenleistungen der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung einerseits und der obligatorischen Unfallversicherung anderseits bei der nach UVG geschuldeten Komplementärrente vorzunehmen ist. Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte vor, aufgrund derer sich diese Regelung als willkürlich bezeichnen liesse oder gesagt werden könnte, der Verordnungsgeber habe sachlich nicht zu rechtfertigende Unterscheidungen getroffen. Es muss demnach - unter Mitberücksichtigung von BGE 119 V 484 - mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass sich Art. 33 Abs. 2 UVV in jeder Hinsicht als gesetzes- und verfassungskonform erweist.
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