39. Auszug aus dem Urteil der I. strafrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) gegen A. und Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich sowie A. gegen Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) und Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) | |
6B_1186/2022 / 6B_1193/2022 vom 12. Juli 2023 | |
Regeste | |
Art. 85 Abs. 1 und 3 aMWSTG; Art. 96 Abs. 4 lit. a, Art. 97 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 2 und 3 MWSTG; Art. 2 und 8 VStrR; Art. 34, 47 und 106 Abs. 3 StGB; Strafzumessung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuerhinterziehung.
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Bei der vorsätzlichen, vollendeten Hinterziehung der Einfuhrsteuer im Sinne von Art. 85 Abs. 1 aMWSTG muss Ausgangspunkt für die Strafzumessung ein Strafmass im Bereich des Einfachen der hinterzogenen Steuer sein. Ausgehend davon ist die Strafe aufgrund der übrigen Strafzumessungsfaktoren, namentlich der konkreten Tatumstände und des subjektiven Tatverschuldens sowie bei Bussen über Fr. 5'000.- (vgl. Art. 8 VStrR) in Berücksichtigung der persönlichen und insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse, zu mindern oder zu schärfen (E. 3.7.2 und 3.7.3).
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Ratio legis des in Art. 96 ff. MWSTG vorgesehenen neuen Konzepts des Mehrwertsteuerstrafrechts (E. 3.8 und 3.10.2). Trotz des in Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG verankerten fixen oberen Bussenrahmens muss Ausgangspunkt für die Strafzumessung bei der vorsätzlichen Hinterziehung der Einfuhrsteuer wie altrechtlich der (ungefähre) Deliktserlös bilden, wobei der strafrechtlich relevante Deliktserlös angesichts des im Strafrecht geltenden Grundsatzes "in dubio pro reo" mit dem von den Steuerbehörden errechneten Betrag nicht zwingend identisch sein muss (E. 3.10.1).
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Sachverhalt | |
A.a Die damalige Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) auferlegte A. mit Strafbescheid vom 24. März 2016 wegen mehrfacher vollendeter und mehrfacher versuchter Einfuhrsteuerhinterziehung eine Busse von Fr. 4'000'000.-. Die EZV warf A. vor, zahlreiche Kunstgegenstände bei der Einfuhr in die Schweiz nicht oder falsch angemeldet zu haben. A. erhob gegen den Strafbescheid Einsprache.
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A.b Mit Strafverfügung vom 6. Oktober 2016 verurteilte die EZV A. erneut wegen mehrfacher vollendeter und mehrfacher versuchter Mehrwertsteuerhinterziehung zu einer Busse von Fr. 4'000'000.-. A. verlangte eine gerichtliche Beurteilung. Die EZV überwies die Angelegenheit mit Verfügung vom 25. November 2016 an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zuhanden des zuständigen Gerichts mit dem Antrag, A. sei bezüglich der 152 in der Strafverfügung vom 6. Oktober 2016 beurteilten Fälle der vollendeten, vorsätzlich begangenen Einfuhrsteuerhinterziehung im Sinne von Art. 96 Abs. 4 lit. a i.V.m. Art. 97 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20) schuldig zu sprechen und zu einer Busse von Fr. 4'000'000.- zu verurteilen. Eventualiter sei A. der mehrfachen vollendeten, fahrlässig begangenen Steuerhinterziehung im ![]() ![]() | |
A.c Das Bezirksgericht Bülach verurteilte A. mit Urteil vom 4. Mai 2018 wegen mehrfacher Steuerhinterziehung im Sinne von Art. 85 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG; in Kraft bis am 31. Dezember 2009; AS 2000 1300) und Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG zu einer Busse von Fr. 4'000'000.-. Gegen dieses Urteil erhoben A. Berufung und die EZV Anschlussberufung.
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A.d Das Obergericht des Kantons Zürich stellte das Verfahren gegen A. am 4. Juni 2020 bezüglich einzelner Fall-Dossiers ein. In weiteren Fall-Dossiers sprach es ihn vom Vorwurf der Steuerhinterziehung frei. Im Übrigen bestätigte es die erstinstanzlichen Schuldsprüche. Es bestrafte A. mit einer Busse von Fr. 2'503'000.-.
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A.e Gegen dieses Urteil gelangten A. und die damalige EZV mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Dieses hiess die Beschwerde der EZV gut, es hob das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. Juni 2020 auf und wies die Sache zur erneuten Berechnung der Busse an die Vorinstanz zurück. Die Beschwerde von A. wies es ab, soweit darauf einzutreten war (Urteil 6B_938/ 2020 / 6B_942/2020 vom 12. November 2021, teilweise publ. in: BGE 148 IV 96).
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B. Das Obergericht des Kantons Zürich bestrafte A. mit Urteil vom 12. August 2022 mit einer Busse von Fr. 3'098'485.-.
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C. Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 12. August 2022 sei aufzuheben und die Sache sei zur neuen Beurteilung an das Obergericht des Kantons Zürich zurückzuweisen (Verfahren 6B_1186/ 2022).
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D. A. führt ebenfalls Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil vom 12. August 2022 sei aufzuheben und die Busse angemessen zu reduzieren. Eventualiter sei die Sache zur Neufestsetzung bzw. Reduktion der Busse an die Vorinstanz zurückzuweisen (Verfahren 6B_1193/2022).
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E. A. beantragt in seiner Vernehmlassung, auf die Beschwerde des BAZG sei nicht einzutreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Die Vorinstanz und die Oberstaatsanwaltschaft verzichteten auf eine Stellungnahme (je Verfahren 6B_1186/2022). ![]() | |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden teilweise gut und weist sie im Übrigen ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägung 3 | |
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Am 1. Januar 2010 ist das neue Mehrwertsteuergesetz in Kraft getreten. Gemäss Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG wird mit Busse bis zu Fr. 800'000.- bestraft, wer die Steuerforderung zulasten des Staates verkürzt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig bei der Einfuhr Waren nicht oder unrichtig anmeldet oder verheimlicht. Sofern der durch die Tat erzielte Steuervorteil höher ist als die Strafdrohung, kann die Busse bei vorsätzlicher Begehung bis zum Doppelten des Steuervorteils erhöht werden (Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG).
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Erwägung 3.4 | |
3.4.2 Die Vorinstanz erwägt, die Bussen seien innerhalb des Bussenrahmens nach der Schwere der Widerhandlung und des Verschuldens zu bemessen. Der Beschwerdegegner 1 sei in zwei Fällen (Fall-Dossiers 319 und 514) gestellt worden. Im Fall 319 habe er am 20. September 2012 bei der Einreise den grünen Durchgang benutzt und den Gepäckwagen, auf dem sich das in einer Transportfolie verpackte Gemälde und die in einer Kartonschachtel verpackte Elefantendose befunden hätten, durch Handling Agents über ![]() ![]() | |
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3.4.5 Die Vorinstanz geht von ausserordentlich guten finanziellen Verhältnissen des Beschwerdegegners 1 aus (in der Schweiz deklariertes Jahreseinkommen von knapp Fr. 11 Mio. im Jahr 2013; weltweites Vermögen von geschätzt Fr. 1.25 Mrd. im Jahr 2015). Dessen Vorleben und persönlichen Verhältnisse wertet sie neutral. Leicht straferhöhend berücksichtigt sie, dass der Beschwerdegegner 1 während des seit dem 30. Oktober 2012 laufenden ![]() ![]() | |
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Erwägung 3.6 | |
3.6.1 Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin in die Strafzumessung nur ein, wenn das Sachgericht den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn es von rechtlich nicht ![]() ![]() | |
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Erwägung 3.7 | |
3.7.1 Der Beschwerdeführer 1 rügt zu Recht, die Bemessung der altrechtlichen Bussen sei nicht nachvollziehbar und verstosse gegen Bundesrecht. Kennt der anwendbare Straftatbestand, wie dies bei Art. 85 Abs. 1 aMWSTG und Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG der Fall ist, keinen generell-abstrakten oberen Bussenrahmen, sondern lediglich einen oberen Bussenrahmen für den Einzelfall, der sich an der Höhe der hinterzogenen Steuer oder des unrechtmässigen Vorteils orientiert, kann für die Frage, ob die Busse im oberen oder unteren Bereich dieses individuellen Bussenrahmens anzusetzen ist, nicht erneut auf die Höhe der hinterzogenen Steuer abgestellt werden mit der Begründung, der Deliktsbetrag sei gering bzw. besonders hoch. Dies hätte zur Folge, dass die Busse bei einem geringen hinterzogenen Betrag im unteren Bereich des individuellen Bussenrahmens festzulegen wäre, obschon sich der geringe Deliktserfolg bereits im tiefen oberen Bussenrahmen widerspiegelt. Umgekehrt wäre die Busse bei einem hohen Deliktsbetrag im oberen Bereich des ohnehin bereits hohen oberen Bussenrahmens zu bemessen. Dies käme einem Verstoss gegen das Doppelverwertungsverbot gleich (vgl. DANIEL HOLENSTEIN, Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht aus dem zweiten Halbjahr 2020, ASA 89 S. 772). Das Doppelverwertungsverbot besagt, dass Umstände, die zur Anwendung eines höheren oder tieferen Strafrahmens führen, innerhalb des geänderten Strafrahmens nicht noch einmal als Straferhöhungs- oder Strafminderungsgrund berücksichtigt werden dürfen, weil dem Täter sonst der gleiche Umstand zweimal zur Last gelegt oder zugute gehalten würde (BGE 142 IV 14 E. 5.4; BGE 141 IV 61 E. 6.1.3; je mit Hinweisen). Indem die Vorinstanz die Bussen bei einem geringen deliktischen Erlös ausgehend ![]() ![]() | |
3.7.2 Nach der zu Art. 175 Abs. 2 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) ergangenen Rechtsprechung entspricht die Steuerbusse bei vorsätzlicher Tatbegehung ohne besondere Umstände in der Regel dem Einfachen der hinterzogenen Steuer (Koeffizient bzw. Bussenfaktor von 1 bzw. 100 %). Bei einem schweren Verschulden ist daher grundsätzlich eine Busse über dem Einfachen der hinterzogenen Steuer auszusprechen (BGE 144 IV 136 E. 7.2.1 mit Hinweisen). Das "Regelstrafmass" von Art. 175 Abs. 2 DBG (Einfaches der hinterzogenen Steuer) kommt zur Anwendung für die vorsätzlich begangene Steuerhinterziehung, es sei denn, es lägen Strafminderungs- oder Strafschärfungsgründe vor (vgl. Urteile 2C_298/2020 vom 9. Oktober 2020 E. 11.1; 2C_113/2018 vom 25. November 2019 E. 4.2.2). Dieser Grundsatz ist im DBG explizit verankert (Art. 175 Abs. 2 DBG; vgl. auch Art. 56 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]). Das "Regelstrafmass" ist nicht systematisch anzuwenden, sondern blosser Ausgangspunkt für ![]() ![]() | |
Widerhandlungen gegen Art. 85 aMWSTG durch Hinterziehung der Einfuhrsteuer (Nicht- oder Falschdeklaration bei der Einfuhr von Waren in die Schweiz) sind von ihrem Unrechtsgehalt her mit der Hinterziehung von direkten Steuern vergleichbar. Auch bei der vorsätzlichen vollendeten Hinterziehung der Einfuhrsteuer im Sinne von Art. 85 Abs. 1 aMWSTG muss Ausgangspunkt für die Strafzumessung daher ein Strafmass im Bereich des Einfachen der hinterzogenen Steuer sein. Ausgehend davon ist die Strafe aufgrund der übrigen Strafzumessungsfaktoren, namentlich der konkreten Tatumstände und des subjektiven Tatverschuldens sowie bei Bussen über Fr. 5'000.- (vgl. Art. 8 VStrR; vorne E. 3.6.2) in Berücksichtigung der persönlichen und insbesondere der wirtschaftlichen Verhältnisse, zu mindern oder zu schärfen. Hingegen rechtfertigt es sich nicht, die Busse für eine vorsätzliche vollendete Hinterziehung der Einfuhrsteuer vor Berücksichtigung allfälliger strafmindernder Faktoren trotz ausgesprochen guter finanzieller Verhältnisse und eines organisierten Vorgehens unter dem Einfachen der hinterzogenen Steuer, d.h. innerhalb des Strafrahmens für fahrlässige Mehrwertsteuerhinterziehungen (vgl. Art. 85 Abs. 3 aMWSTG), bzw. trotz ausgesprochen guter finanzieller Verhältnisse und erschwerender Tatumstände lediglich beim Einfachen der hinterzogenen Steuer festzulegen. Dies ergibt sich bereits aus den gesetzlich festgelegten Bussenrahmen von bis zum Einfachen des unrechtmässigen Vorteils bei Fahrlässigkeit (vgl. Art. 85 Abs. 3 aMWSTG) und bis zum Fünffachen der hinterzogenen Steuer oder des unrechtmässigen Vorteils bei vorsätzlicher Tatbegehung (Art. 85 Abs. 1 aMWSTG). Eine einheitliche Rechtsanwendung muss auch im Mehrwertsteuerstrafrecht gewährleistet sein. Dass die Gerichte bei der Strafzumessung im Rahmen von Art. 85 Abs. 1 aMWSTG über ein grosses Ermessen verfügen, bedeutet nicht, dass sie die Busse nach Belieben festlegen dürfen. Zu betonen ist jedoch, dass die relevanten Strafzumessungsfaktoren auch im Mehrwertsteuerstrafrecht zu beachten sind und es nicht darum geht, bei Vorsatz unter Ausblendung der übrigen Strafzumessungskriterien systematisch eine Busse in der Höhe des Einfachen der hinterzogenen Steuer auszusprechen, was einem Verstoss gegen Art. 8 VStrR, Art. 106 Abs. 3 und Art. 47 StGB gleichkäme. ![]() | |
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Damit hat die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeschöpft, für die Strafzumessung relevante Umstände (Vorsatz; erschwerende Umstände) im Ergebnis unberücksichtigt gelassen bzw. in Verletzung ihres Ermessens falsch gewichtet und trotz vorsätzlicher Tatbegehung Bussen im Fahrlässigkeitsbereich der jeweiligen Bussenrahmen festgelegt. Die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 ist in diesem Punkt daher gutzuheissen und die Angelegenheit zur erneuten Strafzumessung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägung 3.8 | |
3.8.1 Die Strafzumessung in den neurechtlichen Fällen richtet sich nach Art. 96 Abs. 4 lit. a und Art. 97 Abs. 1 MWSTG. Ziel des in Art. 96 ff. MWSTG verankerten neuen Konzepts des Mehrwertsteuerstrafrechts war es, der steuerpflichtigen Person mehr Rechtssicherheit zu geben, sie bei Bagatelltatbeständen vor einer Kriminalisierung zu schützen und umgekehrt schwere Delikte strenger zu ahnden. Weiter sollte mit dem neuen Konzept eine Trennung von Steuererhebungs- und Strafverfahren herbeigeführt werden zwecks Wahrung der strafprozessualen Verfahrensrechte, insbesondere des in Art. 104 Abs. 2 und 3 MWSTG explizit verankerten Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrechts (vgl. BGE 148 IV 96 E. 4.4.2 mit Hinweisen; PIRMIN BISCHOF, Revision des ![]() ![]() | |
Mit der betragsmässigen Festsetzung eines Bussenrahmens in Art. 96 MWSTG wollte der Gesetzgeber ermöglichen, dass das Strafverfahren EMRK-konform unabhängig vom Veranlagungsverfahren durchgeführt werden kann (BISCHOF, a.a.O., S. 495). Bei vorsätzlichen Mehrwertsteuerhinterziehungen wird Art. 96 MWSTG jedoch durch die Bestimmung von Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG relativiert, die für den oberen Bussenrahmen weiterhin auf den erzielten Steuererlös abstellt, sofern der durch die Tat erzielte Steuervorteil höher ist als die Strafdrohung von Art. 96 MWSTG.
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Der Verweis in Art. 97 Abs. 1 zweiter Halbsatz MWSTG auf Art. 34 StGB bezieht sich demnach in erster Linie auf dessen Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3. Gemäss Art. 34 Abs. 2 Satz 4 StGB bestimmt sich die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum. ![]() ![]() | |
3.9 Der Fall 121 beurteilt sich in Anwendung von Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG, da der durch die Tat erzielte Steuervorteil von Fr. 1'251'628.80 höher ist als die Strafdrohung von Busse bis Fr. 800'000.- gemäss Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG. Der obere ![]() ![]() | |
Erwägung 3.10 | |
3.10.1 In den übrigen neurechtlichen Fällen beträgt der obere Bussenrahmen Fr. 800'000.- (Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG). Das objektive Tatverschulden, wozu der Taterfolg in Form des erzielten Steuererlöses gehört, ist unter neuem Recht weiterhin ein relevanter und wichtiger Strafzumessungsfaktor (vgl. Art. 8 VStrR; Art. 97 Abs. 1 Satz 1 MWSTG i.V.m. Art. 106 Abs. 3 StGB). Auch im Rahmen von Art. 96 MWSTG kann die Busse trotz der fixen Maximalbeträge daher nicht losgelöst von jeglichen Überlegungen zur Höhe der hinterzogenen Steuer festgelegt werden. Dies gilt insbesondere für die vorsätzliche Mehrwertsteuerhinterziehung, die sich nach oben nach wie vor am Betrag des erzielten Steuervorteils orientiert (vgl. Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG). Art. 97 Abs. 1 Satz 2 MWSTG gelangt dem Wortlaut der Bestimmung folgend nur zur Anwendung, sofern der durch die Tat erzielte Steuervorteil höher ist als die Strafdrohung von Art. 96 MWSTG. Dies hat im Ergebnis einen wenig kohärenten oberen Bussenrahmen zur Folge, da die Busse für eine vorsätzliche Hinterziehung der Einfuhrsteuer im Sinne von Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG bei einem geringen deliktischen Erlös rein theoretisch ein Vielfaches, bei einem Steuervorteil von Fr. 400'000.- das Doppelte, darüber und bis Fr. 800'000.- weniger als das Doppelte bzw. lediglich das Einfache und über Fr. 800'000.- erneut das Doppelte der hinterzogenen Steuer betragen kann. Ausgangspunkt für die Strafzumessung muss dennoch wie altrechtlich auch unter neuem Recht der (ungefähre) Deliktserlös bilden, wobei der strafrechtlich relevante Deliktserlös wie dargelegt angesichts des im Strafrecht geltenden Grundsatzes "in dubio pro reo" mit dem von den Steuerbehörden errechneten Betrag nicht ![]() ![]() | |
3.10.2 Dem Gesetzgeber war es ein Anliegen, unter neuem Recht bei der Berechnung der Mehrwertsteuerbusse vermehrt auch den finanziellen Verhältnissen der beschuldigten Person Rechnung zu tragen. Damit wollte er insbesondere sicherstellen, dass ohne Abklärung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse, des Grundbedarfs sowie allfälliger Familien- und Unterstützungspflichten keine die wirtschaftliche Existenzgrundlage bedrohende Mehrwertsteuerbusse ausgesprochen wird bzw. die Mehrwertsteuerbusse auch in dieser Hinsicht verhältnismässig ist, was er mit dem Verweis in Art. 97 Abs. 1 MWSTG auf Art. 34 Abs. 2 StGB zum Ausdruck brachte (vgl. oben E. 3.8.2). Gesetzgeberisches Ziel war es demgegenüber nicht, dass die Bussen neurechtlich automatisch tiefer auszufallen haben (BISCHOF, a.a.O., S. 495) und finanziell leistungsstarke Straftäter künftig milder zu bestrafen sind. BISCHOF, der an der Ausarbeitung des neuen Art. 96 MWSTG als Mitglied der nationalrätlichen Kommission beteiligt war (vgl. BGE 148 IV 96 E. 4.4.2; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 11 Rz. 2 ff.; CLAVADETSCHER/ BOSSART MEIER, a.a.O., N. 6 Vorbem. Art. 96-106 MWSTG), vertritt in diesem Zusammenhang gar die Auffassung, der in Art. 96 MWSTG vorgesehene Strafrahmen könne im Einzelfall beispielsweise auch ausgeschöpft werden, wenn nur eine Steuer von Fr. 10'000.- hinterzogen worden sei und die persönlichen Verhältnisse des Täters (Einkommensmillionär) es rechtfertigen (BISCHOF, a.a.O., S. 495).
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3.10.3 Die Vorinstanz berücksichtigt bei der Festsetzung der Busse innerhalb des Bussenrahmens von Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG nebst den finanziellen Verhältnissen zu Recht das objektive und subjektive Tatverschulden des Beschwerdegegners 1. Auch insofern fällt jedoch auf, dass sie die Bussen vor Berücksichtigung der "langen Verfahrensdauer" trotz der vorsätzlichen Tatbegehung, erschwerender Umstände (Auslagerung der Objekte aus dem offenen Zolllager mit anschliessendem Export via Transitabfertigung; Falschanmeldung unter Verwendung fiktiver Rechnungen) und der ausgesprochen guten finanziellen Verhältnisse des Beschwerdegegners 1 im Bereich des Einfachen der hinterzogenen Steuer bzw. teils darunter ![]() ![]() ![]() |