27. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn (Beschwerde in Strafsachen)
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6B_1099/2017 vom 1. Mai 2018
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Regeste
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Art. 429 Abs. 1 StPO; Entschädigung.
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Sachverhalt
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 A. Am 10. September 2016 wurde der Polizei gemeldet, mehrere Personen hätten in Basel Motorräder sowie Fahrräder umgestossen und mit Stühlen sowie Flaschen um sich geworfen. Neben zwei Erwachsenen wurde der am 12. November 1999 geborene X. angehalten; er trug 2,6 Gramm Marihuana auf sich. Am 25. Oktober 2016 teilte die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt seinen Eltern mit, gegen ihn sei ein polizeiliches Ermittlungsverfahren wegen mehrfacher Sachbeschädigung eingeleitet worden. Gleichzeitig wurde er auf den 7. November 2016 vorgeladen. Mit Schreiben vom 3. November 2016 konstituierte sich Rechtsanwalt Konrad Jeker als Rechtsvertreter von X. und beantragte, dieser sei nicht zu vernehmen. Er habe X. empfohlen, zu schweigen, und sei selber am 7. November 2016 verhindert. Schliesslich machte er geltend, das Verfahren sei an die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn zu übertragen. Am 8. November 2016 verschob die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt die Einvernahme auf den 23. November 2016 und teilte mit, die Sache werde noch nicht an die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn überwiesen. Am 23. November 2016 wurde die Befragung von X. aufgrund einer Mitteilung seines Rechtsanwalts vom gleichen Tag erneut verschoben. Am 1. Dezember 2016 erfolgte eine erneute Verschiebung der Befragung, dies aufgrund der Mitteilung des Rechtsanwalts vom 29. November 2016, wonach X. sich in einem Sprachaufenthalt im Ausland befinde. In der Folge teilte die  Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt mit, dass X. mit einer polizeilichen Vorführung rechnen müsse. Am 2. Dezember 2016 fanden die Befragungen der Melderin des Vorfalls und der beiden anderen beschuldigten Personen statt, am 19. Dezember 2016 jene von X., welcher in Anwesenheit seines Rechtsanwalts von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte. Am 19. Dezember 2016 wurde das Verfahren gegen X. von jenem gegen die beiden erwachsenen beschuldigten Personen abgetrennt. Am 27. Dezember 2016 ersuchte die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt jene des Kantons Solothurn um Übernahme des Verfahrens gegen X.
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B. Am 17. Januar 2017 verfügte die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn, auf die Strafanzeige gegen X. werde "nicht eingetreten (Nichtanhandnahmeverfügung)" (Ziff. 1), die bei X. sichergestellten 2,6 Gramm Marihuana seien zur Vernichtung einzuziehen (Ziff. 2) und die Kosten des Verfahrens gingen zu Lasten des Staats (Ziff. 3). Am 29. Juni 2017 reichte der Rechtsanwalt von X. seine Honorarnote ein und machte geltend, in der Verfügung vom 17. Januar 2017 sei nicht über die Entschädigung entschieden worden. Mit Verfügung vom 11. Juli 2017 trat die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn auf das Entschädigungsbegehren nicht ein. Die dagegen gerichtete Beschwerde von X. wies das Obergericht des Kantons Solothurn am 21. August 2017 ab.
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C. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und ihm sei eine Entschädigung von Fr. 1'814.30 zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Behandlung des Antrags auf Entschädigung an die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn zurückzuweisen.
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D. Das Obergericht liess sich vernehmen, während die Jugendanwaltschaft auf eine Vernehmlassung verzichtete.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägung 1
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Erwägung 1.3
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 Der Beschwerdeführer trägt vor, aus prozessökonomischen Gründen sei es nicht vertretbar, ihn auf den Rechtsmittelweg zu verweisen, wenn Lehre und Rechtsprechung ausdrücklich ein Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts gemäss Art. 363 ff. StPO vor derjenigen Instanz vorsehen, welche ihrer gesetzlichen Pflicht nach Art. 429 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht nachgekommen sei.
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Es fragt sich, ob der Beschwerdeführer dies auf dem Rechtsmittelweg hätte beanstanden müssen.
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1.5 Das Bundesgericht setzte sich mit dieser Frage noch nie vertieft auseinander. Jedenfalls unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von jenem, der dem bundesgerichtlichen Urteil zugrunde lag, welches der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 3 BV anruft. In jenem Entscheid sprach die Vorinstanz den damaligen Beschwerdeführer frei, ohne über seine Entschädigung zu befinden. Das Bundesgericht berücksichtigte den besonderen Umstand, dass die Schweizerische Strafprozessordnung noch keine drei Monate in Kraft stand, als der Freispruch erging, und hielt fest, das Untersuchungsverfahren sei nach kantonalem Recht geführt worden und es habe keine Rechtsprechung bestanden betreffend das Verfahren zur Prüfung einer Entschädigung. Es kam zum Schluss, dass diese besonderen Umstände des Falls ("La situation particulière du cas d'espèce") implizierten, dass weder dem Beschwerdeführer noch seinem Rechtsvertreter vorgeworfen werden könne, kein Rechtsmittel eingelegt zu haben (Urteil 6B_472/2012 vom 13. November 2012 E. 2.4).
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Demgegenüber halten WEHRENBERG und FRANK fest, wenn der Anspruch auf Entschädigung nicht von Amtes wegen geprüft werde, liege eine Verletzung von Art. 429 Abs. 2 StPO vor, was dazu führe, dass der entsprechende Entscheid mit Berufung oder Beschwerde angefochten werden könne (WEHRENBERG/FRANK, in: Basler  Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 32 i.V.m. N. 33 zu Art. 429 StPO).
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MOREILLON und PAREIN-REYMOND äussern sich nicht direkt zur Frage, halten aber fest, angesichts der zehnjährigen Verjährungsfrist gemäss Art. 435 StPO könne die beschuldigte Person ein Gesuch um Entschädigung auch noch nach einem Freispruch stellen (MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2. Aufl. 2016, N. 32 zu Art. 429 StPO).
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Erwägung 1.8
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