13. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (Beschwerde in Strafsachen) | |
6B_768/2014 vom 24. März 2015 | |
Regeste | |
Art. 122 StGB; schwere Körperverletzung, vorsätzliche Infizierung mehrerer Personen mit dem HI-Virus.
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Sachverhalt | |
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B. Das Regionalgericht Bern-Mittelland erklärte X. mit Urteil vom 22. März 2013 der mehrfachen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB und des mehrfachen Verbreitens menschlicher Krankheiten im Sinne von Art. 231 Ziff. 1 Satz 1 StGB in 16 Fällen schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und 9 Monaten, unter Anrechnung der ausgestandenen Haft. Ferner verurteilte es ihn zur Zahlung einer Genugtuung an die Geschädigten im Umfang von je Fr. 100'000.-, bzw. in einem Fall in der Höhe von Fr. 90'000.-. Die Schadenersatzklagen der Geschädigten hiess es dem Grundsatz nach gut und verwies sie zur Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes auf den Zivilweg. Das Verfahren wegen ![]() ![]() | |
Auf Berufung des Beurteilten und Anschlussberufung der Generalstaatsanwaltschaft bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 11. April 2014 das erstinstanzliche Urteil im Schuld- und Zivilpunkt und verurteilte X. zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
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C. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei von den Vorwürfen der schweren Körperverletzung und des Verbreitens einer menschlichen Krankheit zum Nachteil von B. und von C. freizusprechen. Eventualiter sei er in Bezug auf diese beiden Personen der einfachen Körperverletzung und des Verbreitens einer menschlichen Krankheit schuldig zu sprechen und zu einer Freiheitsstrafe in gerichtlich zu bestimmender Höhe zu verurteilen. Ferner sei er der mehrfachen einfachen Körperverletzung und des mehrfachen Verbreitens einer menschlichen Krankheit zum Nachteil der übrigen 14 Geschädigten schuldig zu sprechen und zu einer Freiheitsstrafe in gerichtlich zu bestimmender Höhe zu verurteilen. Subeventualiter sei die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an die erste, eventuell an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner beantragt er, die Zivilforderungen seien nur dem Grundsatz nach zu beurteilen und im Übrigen auf den Zivilweg, eventuell an die erste Instanz bzw. die Vorinstanz zu verweisen. Schliesslich ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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D. Die Generalstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Bern haben auf Vernehmlassung verzichtet.
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Erwägung 2.3 | |
2.3.1 Gemäss Art. 122 StGB macht sich der schweren Körperverletzung schuldig, wer einen Menschen lebensgefährlich verletzt (Abs. 1); wer den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt (Abs. 2); oder wer eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht (Abs. 3). Nach Art. 123 StGB wird wegen einfacher ![]() ![]() | |
In einem neueren Entscheid, dem die Übertragung des HI-Virus über ungeschützten Geschlechtsverkehr auf den Sexualpartner zugrunde lag, kehrte das Bundesgericht von dieser Rechtsprechung ab. Es gelangte zum Schluss, angesichts der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und der heutigen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten lasse sich nicht mehr sagen, dass der Zustand der Infektion mit dem HI-Virus schon als solcher generell lebensgefährlich im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB sei. Mit modernen antiretroviralen Kombinationstherapien sei es möglich, den Ausbruch von AIDS hinauszuschieben, die Vermehrung der HI-Viren im Körper aufzuhalten, die Viruslast im Blut unter die Nachweisgrenze zu senken und die Lebenserwartung von HIV-infizierten Personen erheblich zu steigern, so dass Betroffene bei früher Diagnose und guter Behandlung fast so lange leben könnten wie nicht Infizierte. Damit fehle es heute - unter der Voraussetzung medizinischer Behandlung - an der erheblichen Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Verlaufs und folglich an der Lebensgefahr der HIV-Infektion im Sinne der Tatbestandsvariante von Art. 122 Abs. 1 StGB (BGE 139 IV 214 E. 3.4.2 mit Hinweisen).
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Gestützt auf diese Änderung der Rechtsprechung hat das Bundesgericht in einem sozialversicherungsrechtlichen Entscheid erkannt, eine HIV-Infektion erfülle für sich allein das bei der Beurteilung der Adäquanz einer psychischen Fehlentwicklung mitzuberücksichtigende Kriterium der "Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen" nicht in besonders ausgeprägter Art (BGE 140 V 356 E. 5.5.3.3 und 5.5.3.5; zur sog. "Psycho-Praxis" vgl. BGE 115 V 133; ferner LOCHER/GÄCHTER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 4. Aufl. 2014, § 20 N. 28; KIESER/LANDOLT, Unfall - Haftung - Versicherung, 2012, N. 592 ff. und 613 ff.).
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Erwägung 2.4 | |
2.4.1 Die Vorinstanz subsumiert die Infizierung der Geschädigten mit dem HI-Virus gestützt auf die Erläuterungen des ![]() ![]() | |
Diese rechtliche Würdigung verletzt kein Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers widerspricht sie auch nicht der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechungsänderung lediglich die generelle, unbesehen der konkreten Umstände des Einzelfalls vorgenommene Qualifizierung als lebensgefährliche Verletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB als bundesrechtswidrig erachtet. Zur Frage, ob die HIV-Infektion unter die Generalklausel im Sinne von Art. 122 Abs. 3 StGB gefasst werden kann, hat es sich aufgrund des Umstands, dass diese in jenem Entscheid nicht Gegenstand der Anklage und der vorinstanzlichen Urteile bildete, explizit nicht geäussert (BGE 139 IV 214 E. 3.4.5). Nicht zu beanstanden ist zudem, dass die Vorinstanz im zu beurteilenden Fall bei der rechtlichen Würdigung von einer objektiven Sichtweise ausgeht. Im Unterschied zu dem BGE 139 IV 214 zugrunde liegenden Fall liegen hier sowohl eine genügende Anklageschrift als auch ein hinreichendes Beweismaterial vor, welche eine Würdigung der Taten als schwere Körperverletzung im Sinne der Generalklausel erlauben. So nannte die Staatsanwaltschaft bereits in der Anklageschrift vom 29. August 2012 als anwendbare Gesetzesbestimmung Art. 122 Abs. 3 StGB. Überdies liegen bei den Akten diverse medizinische Unterlagen sowie einlässliche Aussagen der Geschädigten über ihren Gesundheitszustand. Schliesslich holte die Vorinstanz aufgrund eines Antrags des Beschwerdeführers bei Prof. Dr. med. D., Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich, einen Expertenbericht zu den allgemeinen Folgen einer HIV-Infektion ein (nicht publ. E. 2.2). Dieser kommt zum Ergebnis, eine unbehandelte HIV-Infektion verlaufe nach wie vor tödlich und sei nach heutigem Wissensstand nicht heilbar. Eine antiretrovirale Therapie müsse lebenslänglich eingenommen werden, wobei die Anzahl und Frequenz mit der Schwere der Resistenz zunehme. ![]() ![]() | |
2.4.2 Selbst wenn man der subjektiven Wahrnehmung der konkreten Folgen der HIV-Infektion durch die betroffenen Geschädigten stärkeres Gewicht beimessen wollte, ist im vorliegenden Fall die Würdigung als schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 3 StGB nicht zu beanstanden. Was der Beschwerdeführer gegen die Eventualbegründung der Vorinstanz einwendet, verfängt nicht. So ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft mit Ergänzung der Anklageschrift vom 5. März 2014 die Anklage um die ![]() ![]() | |