49. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Stiftung B. (Beschwerde in Zivilsachen) | |
4A_199/2022 vom 20. September 2022 | |
Regeste | |
Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO; Art. 261b OR; Art. 959 ZGB; vereinfachtes Verfahren; Vormerkung eines Mietverhältnisses im Grundbuch.
| |
Sachverhalt | |
Im Jahr 2021 entschied die Beklagte, das Grundstück per Januar 2026 an die C. AG zu verkaufen. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Mietverhältnis mit Schreiben vom 15. Juli 2021 "ausserordentlich" per 31. Dezember 2025.
| |
Am 13. August 2021 reichte die Klägerin ein Schlichtungsgesuch bei der Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen des Bezirks Horgen ein und verlangte die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Eventualiter focht sie die Kündigung gestützt auf Art. 271 f. OR an. Subeventualiter ersuchte sie um Erstreckung des ![]() ![]() | |
B.
| |
B.a Am 16. Februar 2022 klagte die Klägerin beim Handelsgericht des Kantons Zürich mit dem (hier zusammengefassten) Begehren, die Beklagte sei zu verurteilen, den Mietvertrag vom 18. Dezember 2018 nach Art. 261b OR beziehungsweise Art. 959 ZGB im Grundbuch der Gemeinde V. für die vertraglich vorgesehene feste Mietdauer bis zum 31. Dezember 2029 in der Rubrik "Vormerkungen" eintragen zu lassen. Eventualiter sei die Beklagte zu verurteilen, ihr eine (in der Klageschrift im Einzelnen wiedergegebene) Grundbuchanmeldung betreffend die Vormerkung des Mietverhältnisses rechtsgültig unterzeichnet auszuhändigen.
| |
Die Klägerin stützte sich dabei auf eine Klausel im Mietvertrag, welche ihr "das Recht auf eine solche Vormerkung" einräume. Sie wolle verhindern, dass die C. AG (als Erwerberin des Grundstücks per Januar 2026) den Mietvertrag gestützt auf Art. 261 Abs. 2 lit. a OR wegen Eigenbedarfs vorzeitig kündigen könne.
| |
B.b Die Beklagte beantragte Nichteintreten auf die Klage, mit der Begründung, das Handelsgericht sei sachlich nicht zuständig.
| |
B.c Mit Beschluss vom 6. April 2022 trat das Handelsgericht auf die Klage nicht ein. Es ging davon aus, dass es sich um eine Streitigkeit aus der Miete von Geschäftsräumen handle und der Kündigungsschutz betroffen sei. Gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO gelte in solchen Fällen das vereinfachte Verfahren. Folglich sei die handelsgerichtliche Zuständigkeit nicht gegeben.
| |
(...)
| |
Das Bundesgericht weist die von der Klägerin erhobene Beschwerde in Zivilsachen ab.
| |
(Auszug)
| |
3.1 Der Begriff des "Kündigungsschutzes" ("protection contre les congés"; "protezione dalla disdetta") ist nach der ![]() ![]() | |
Erwägung 3.2 | |
Soweit es sich - wie hier - um Wohn- oder Geschäftsräume handelt, kann die neue Eigentümerin das Mietverhältnis jedoch gemäss Art. 261 Abs. 2 lit. a ZPO mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn sie einen dringenden Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht.
| |
Erwägung 3.3 | |
3.3.1 Nach Art. 261b OR kann bei der Miete an einem Grundstück verabredet werden, dass das Verhältnis im Grundbuch vorgemerkt wird (Abs. 1). Die Vormerkung bewirkt, dass jede neue Eigentümerin ![]() ![]() | |
Die Vormerkung eines Mietverhältnisses ist damit im Kern ein Institut des (vorsorglichen) Kündigungsschutzes geworden.
| |
So verhält es sich denn auch hier: Es ist das in der Klageschrift erklärte Ziel der Beschwerdeführerin, eine allfällige Eigenbedarfskündigung des Mietvertrags durch die das Grundstück per 2026 übernehmende C. AG zu unterbinden.
| |
3.3.3 Freilich hat die Vormerkung darüber hinausgehende sachenrechtliche Wirkungen, indem das - nun dinglich verstärkte - Mietverhältnis überhaupt jedem später am Grundstück erworbenen Recht vorgeht (Art. 959 Abs. 2 ZGB; vgl. für einen Spezialfall Art. 261a OR; eingehend etwa BETTINA HÜRLIMANN-KAUP, Grundfragen des Zusammenwirkens von Miete und Sachenrecht, 2008, S. 313-318 Rz. 773-783). Soweit aber die Vormerkung nicht ohnehin auch insoweit der Verhinderung einer vorzeitigen Beendigung des ![]() ![]() | |
Wohl steht in diesem Verfahren - und insofern unterscheidet sich die mietvertragliche Vormerkung von jenen Fällen, welche den bisherigen bundesgerichtlichen Urteilen zum Begriff des Kündigungschutzes zugrunde lagen (E. 3.1) - "keine konkrete Kündigung" (oder allgemein: nicht die konkrete Beendigung) eines Mietvertrags im Streit. Dies ist der Vormerkung nach Art. 261b OR indes inhärent, erfolgt diese doch begriffsnotwendig vor der Veräusserung des Mietobjekts und somit vor einer möglichen (Eigenbedarfs-)Kündigung der neuen Eigentümerin, welche die Vormerkung gerade verhindern will.
| |