Regeste Sachverhalt Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Eintragung der geo ... 4. Umstritten sind zunächst die Regeln zur Eintragung der ge ... 5. Die Vorinstanz hat geprüft, ob eine nach Art. 70 IPRG ane ... 6. Das Verwaltungsgericht hat mangels einer Entscheidung mit Rech ...
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32. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und Mitb. gegen Gemeindeamt des Kantons Zürich (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_545/2020 vom 7. Februar 2022
Regeste
Art. 32, 68, 70 IPRG; Eintragung einer georgischen Geburtsurkunde in das Personenstandsregister im Fall von Leihmutterschaft.
A.a A.A. ist Schweizer Bürgerin (Heimatort Zürich) und türkische Staatsangehörige; ihr Ehemann B.A. ist türkischer Staatsangehöriger. Beide haben Wohnsitz in Zürich. A.A. leidet an einer seltenen Fehlbildung und kann keine Kinder austragen. Am 29. Juni 2018 schloss das Ehepaar in Georgien mit E., georgische Staatsangehörige, einen Leihmutterschaftsvertrag. Die Samenspende stammte von B.A. und die Eizellenspende von A.A. Am uu.uu.2019 gebar E. die Zwillinge C. und D. A.A. und B.A. reisten am vv.vv.2019 mit den beiden Kindern in die Türkei, wo sie bereits am 14. Februar 2019 als türkische Staatsangehörige und als Kinder von A.A. und B.A. registriert wurden, und dann in die Schweiz zurück.
A.b Am 3. April 2019 übermittelte die Schweizer Botschaft in Tiflis/Georgien, dem Gemeindeamt des Kantons Zürich die Geburtsurkunden nebst weiteren Dokumenten. Auf den vom Amt für Zivile Registrierung, Tiflis, am 12. Februar 2019 ausgestellten Geburtsurkunden werden C. und D. nebst Geburtsdatum und -ort (einzig) mit dem Familiennamen A., sowie B.A. als Vater und A.A. als Mutter sowie mit der türkischen Staatsangehörigkeit aufgeführt.
A.c Mit Verfügung vom 1. Juli 2019 übernahm das Gemeindeamt zur Nachbeurkundung die Vornamen, Geburtsdatum und -ort und ordnete für die weiteren Daten die Eintragung im Personenstandsregister Infostar wie folgt an:
A.d Gegen die Eintragungsverfügung rekurrierten A.A., B.A., C., D. sowie E. bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich (Justizdirektion). Mit Verfügung vom 8. November 2019 hiess die Justizdirektion den Rekurs gut und wies das Gemeindeamt an, bezüglich C. und D. bestimmte Punkte der Eintragung zu ändern und als Familiennamen A., die Schweizer Staatsangehörigkeit (Zürich), als Vater B.A. und als Mutter A.A., je ohne weitere Spezifizierung der Beziehungsart, in Infostar einzutragen (und im Übrigen, wie die Zusatzangaben, zu belassen).
B.a Gegen die Verfügung der Justizdirektion erhob das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), handelnd durch das Bundesamt für Justiz (BJ), Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Es beantragte die Aufhebung der Verfügung der Justizdirektion und die Eintragung gemäss Angaben der Verfügung des Gemeindeamtes vom 1. Juli 2019 (Bst. A.c), jedoch ohne Angabe des Vaters B.A. (Name und Beziehungsart).
B.b Mit Urteil vom 14. Mai 2020 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Bundesamtes teilweise gut und hob die Verfügung der Justizdirektion auf. Es ordnete die (vollumfängliche) Eintragung gemäss der Verfügung des Gemeindeamtes vom 1. Juli 2019 an (Bst. A.c).
B.c Die Beschwerde von A.A., B.A., C., D. sowie E., welche eine Erhöhung der Parteientschädigung verlangt hatten, wurde vom Verwaltungsgericht als gegenstandslos abgeschrieben.
C. A.A. (Wunschmutter), B.A. (Wunschvater), C., D. sowie E. (Leihmutter) haben mit Eingabe vom 2. Juli 2020 Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführer verlangen die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts und (wie im kantonalen Verfahren) die Anerkennung (und entsprechende Nachbeurkundung) der georgischen Geburtsurkunden betreffend die genetische Elternschaft der Eltern A.A. und B.A. und die Nicht-Elternschaft der Leihmutter E. Eventuell sei der georgische Leihmuttervertrag vom 29. Juni 2018 als Kindesanerkennung von A.A. und B.A. bzw. Kindesaberkennung von E. anzuerkennen. Sie verlangen die Eintragung im Personenstandsregister, wie sie die Justizdirektion zur Änderung angeordnet hat (Bst. A.d), d.h. es seien C. und D. mit dem Familiennamen A., der Staatsangehörigkeit Schweiz (sowie Türkei), als Vater B.A. und als Mutter A.A., je ohne weitere Spezifizierung (Beziehungsart) in Infostar einzutragen.
5.2 Wohl trifft zu, dass die Registrierung eines durch Leihmutterschaft geborenen Kindes gemäss Art. 30 des georgischenZivilstandsgesetzes (Law of Georgia on Civil Status Acts vom 20. Dezember 2011) in Verbindung mit dem Dekret Nr. 18 des georgischen Justizministers vom 31. Januar 2012 erfolgt, wenn bestimmte Dokumente (notariell beurkundeter Leihmutterschaftsvertrag zwischen genetischen Eltern und Leihmutter, Bestätigung der medizinischen Institution über Embryo-Implantation) vorgelegt werden (vgl. KARIAULI, a.a.O., S. 218). Darauf weisen die Beschwerdeführer (bzw. ihre Rechtsgutachter Anwaltskanzlei F., Tiflis) sowie bereits das vom Gemeindeamt (via Schweizerische Botschaft) eingeholte Rechtsgutachten (Anwaltskanzlei G., Tiflis) hin. Entgegen der Schlussfolgerung der Beschwerdeführer kann aus dieser Regelung nichts anderes als die Registrierung des Leihmutterschaftskindes erblickt werden, welches mit seiner Geburt ex lege die Wunscheltern als rechtliche Eltern erhält und womit ein Kindesverhältnis zur Leihmutter ex lege ausgeschlossen ist. Das Gleiche halten die Beschwerdeführer (bzw. ihre Rechtsgutachter) selber fest, wonach gemäss Art. 143 Abs. 2 des georgischen Gesetzes über den Gesundheitsschutz die Wunscheltern "direkt gestützt auf das Gesetz als rechtliche Eltern des Kindes betrachtet werden".
Damit unterscheidet sich die georgische Regelung nicht wesentlich von der Leihmutterschaftsregelung in Russland und der Ukraine, wo das Gesetz die Wunscheltern automatisch zu rechtlichen Eltern erklärt (DUTTA, Künstliche Fortpflanzung in "Anbieterrechtsordnungen" - ein Blick über Europa hinaus, in: Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, Dutta/Schwab und andere [Hrsg.],2015, S. 362). Wird aber die fehlende Elternschaft der Leihmutter nicht durch Gerichts- oder Behördenentscheidung festgestellt, sondern - wie in Russland, der Ukraine und auch in Georgien - durch Gesetz angeordnet und deren Elternschaft im Geburtsregister nicht erwähnt, so richtet sich die Abstammung des Kindes von der Leihmutter nicht nach Art. 70 IPRG. Es mangelt an einer Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung, wie in der Lehre zu Recht festgehalten wird (so SIEHR/MARKUS, a.a.O., N. 29 zu Art. 70 IPRG; a.M. STEGMÜLLER, Procréation médicalement assistée transfrontière et filiation de l'enfant, 2020, Rz. 599).
6.2 Nach den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz haben die Wunscheltern ihren Wohnsitz seit Juni 2015 in Zürich. Die am uu.uu.2019 in Georgien geborenen Kinder wurden von der Leihmutter an die Wunscheltern übergeben, welche 10 Tage später (am vv.vv.2019) Georgien in Richtung Türkei verliessen. Dort hieltensie sich zusammen mit der Wunschmutter etwas über 3 Monate (bis zum 29. Mai 2019) auf, bevor sie in die Schweiz zurückkehrten. Dass die Wunscheltern ihren Lebensmittelpunkt nach Georgien oder die Türkei verlegten, war nicht ersichtlich und wurde nicht geltend gemacht. Dass das Verwaltungsgericht den Aufenthalt von 10 Tagen in Georgien und denjenigen von ca. 3 Monaten in der Türkei lediglich als vorübergehender Natur (schlichter Aufenthalt) und als nicht ausschlaggebend erachtete, lässt sich nicht beanstanden, zumal erst ein mehrmonatiger, nach einer Faustregel eher sechsmonatiger Aufenthalt dessen gewöhnliche Natur annehmen lässt (Urteil 5A_889/2011 vom 23. April 2013 E. 4.1.2). Damit liegt nahe, den gewöhnlichen Aufenthalt der beiden neugeborenen Kinder dort zu verorten, wo sie sich nach der Rückkehr in naher Zukunft aufhalten werden, wie die Vorinstanz zu Recht angenommen hat (vgl. im gl. Sinn DUTOIT, Droit international privé suisse, 5. Aufl. 2016, N. 5 zu Art. 68 IPRG; STEGMÜLLER, a.a.O., Rz. 771). Dies entspricht der Rechtsprechung, wonach sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht nur aus den nach aussen erkennbaren tatsächlichen Umständen wie der Dauer des Aufenthaltes und den dadurch begründeten Beziehungen, sondern auch aus der voraussichtlichen Dauer des Aufenthalts und der damit zu erwartenden Integration ergeben kann (Urteile 5A_293/2016 vom 8. August 2016 E. 3.1; 5A_933/2020 vom 14. April 2021 E. 1.1). Sorgen die Wunscheltern - wie hier - praktisch ab Geburt für die beiden Kinder und haben sie geplant, in nächster Zeit in den Staat ihres eigenen Lebensmittelpunkts zurückzukehren, liegt dort der gewöhnliche Aufenthalt der neugeborenen Leihmutterkinder. Wenn die Vorinstanz den gewöhnlichen Aufenthalt von C. und D. im Zeitpunkt der Geburt in der Schweiz angenommen hat, liegt darin keine Rechtsverletzung. Damit ist das schweizerische Abstammungsrecht massgebend.
6.3.4 Der Hinweis der Beschwerdeführer auf das türkische Heimatrecht der Kinder und der Wunscheltern und die Eintragung des entsprechenden Kindesverhältnisses in der Türkei führt nicht weiter. Zwar ist die subsidiäre Anknüpfung gemäss Art. 68 Abs. 2 IPRG an das gemeinsame Heimatrecht möglich; allerdings wird an die effektive (hier: schweizerische) Staatsangehörigkeit der in der Schweiz geborenen und domizilierten Mutter als Doppelbürgerin angeknüpft (vgl. Art. 23 Abs. 2 IPRG; DUTOIT, a.a.O., N. 4 zu Art. 68 IPRG), weshalb die Anwendung des türkischen Rechts nicht in Betracht kommt. Ebenso wenig können die Beschwerdeführer sich auf Art. 69 Abs. 2 IPRG berufen, da bereits im Zeitpunkt der Geburt der Kinder schweizerisches Aufenthaltsrecht massgebend ist und sich mit Blick auf den in Abs. 2 ("gerichtliche Feststellung oder Anfechtung") genannten Zeitpunkt kein anderes Aufenthaltsrecht ableiten lässt. Offensichtliche Umstände, dass der gesamte konkrete Sachverhalt mit dem schweizerischen Aufenthaltsrecht nur schwach verbunden sei und mit einem anderen (georgischen oder türkischen) Recht in viel engerem Zusammenhang stehe (vgl. Art. 15 IPRG), liegen nicht vor.