3. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Stockwerkeigentümergemeinschaft B. (Beschwerde in Zivilsachen) | |
5A_521/2017 vom 27. November 2017 | |
Regeste | |
Art. 712a Abs. 2 ZGB; Widmung der Liegenschaft; Nutzung der Stockwerkeinheit; Wohnzweck; Auslegung des Reglements.
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Sachverhalt | |
An der Stockwerkeigentümerversammlung wurde mit 23 gegen 1 Stimme (bei einer Enthaltung) beschlossen, dass die Einheiten D2 und D4 nicht umgenutzt werden dürfen; mit 23 gegen 2 Stimmen wurden A. und ihr Ehemann aufgefordert, den Mietvertrag aufzulösen.
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B. Klageweise verlangte A. beim Bezirksgericht Meilen die Aufhebung der betreffenden Beschlüsse. Mit Urteil vom 11. Januar 2017 wies das Bezirksgericht die Klage ab.
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Das Obergericht des Kantons Zürich wies die hiergegen erhobene Berufung mit Urteil vom 6. Juni 2017 ab, unter Bestätigung des bezirksgerichtlichen Urteils.
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C. Gegen das obergerichtliche Urteil hat A. eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Aufhebung des strittigen Stockwerkeigentümerbeschlusses.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Die Stockwerke dürfen nur zu den im Begründungsakt und in diesem Reglement umschriebenen Zwecken verwendet werden.
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Die Wohnungen sind ausschliesslich zu Wohnzwecken bestimmt.
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Die Einrichtung eines stillen Bürobetriebes ohne Kundenverkehr ist gestattet, wobei die Bestimmungen der Bau- und Zonenordnung vorbehalten bleiben.
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In keinem Fall sind Tätigkeiten gestattet, welche z.B. übelriechende Gerüche oder starken Lärm etc. verursachen.
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Weiter ist im angefochtenen Urteil festgestellt, dass es sich beim Angebot der D. GmbH (Betreuung und Pflege betagter Personen in den betreffenden Stockwerkeinheiten) um eine gewinnorientierte Tätigkeit handelt.
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Ausgehend von diesen Feststellungen gingen beide kantonalen Instanzen von einer nicht mit der reglementarischen Widmung (Wohnzweck) vereinbaren Nutzung aus. Das Bezirksgericht stellte zur ![]() ![]() | |
Weiter haben die kantonalen Instanzen festgehalten, eine stille Büronutzung ohne Kundenverkehr, wie sie als einzige Ausnahme gestattet sei, werde von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Diese Regelung ziele denn auch auf einen selbständig erwerbenden Bewohner, der seine Hauptarbeitsstätte am Ort der ![]() ![]() | |
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Die Zweckbestimmung der Liegenschaft und die Regelung der Benutzungsart obliegt den Stockwerkeigentümern. In der Regel geschieht dies im Begründungsakt oder in einem Reglement (Art. 712g ZGB), wobei sich Anhaltspunkte auch aus den konkreten Umständen ergeben können, insbesondere aus der bisherigen Nutzungsweise (vgl. Urteil 5C.264/2006 vom 30. März 2007 E. 2.2). Bei der reglementarischen Umschreibung sind die üblichen Schranken von Art. 2 und 27 ZGB sowie Art. 19 f. OR sowie diejenigen zu beachten, welche sich aus der Institution des Stockwerkeigentums ergeben (BGE 139 III 1 E. 4.3.2 S. 4).
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Die Auslegung des Reglements erfolgt nach dem Vertrauensprinzip (Urteile 5C.246/2005 vom 6. Februar 2006 E. 3.4; 5C.254/2006 vom 8. November 2007 E. 3.1; 5A_865/2011 vom 24. Mai 2012 E. 3.2). Es ist demnach zu ermitteln, wie die hier infrage stehende Reglementsbestimmung nach den gesamten Umständen in guten Treuen verstanden werden durfte und musste (BGE 130 III 417 E. 3.2 S. 424; BGE 133 III 406 E. 2.2 S. 409; BGE 138 III 29 E. 2.2.3 S. 35 f.). Dabei ist bezüglich vorformulierter Satzungsbestimmungen einer Stockwerkeigentümergemeinschaft, die häufig nicht von den ihrer Anwendung Unterworfenen verfasst worden sind, stets diejenige Auslegung vorzuziehen, die den Text des Reglements gesamthaft erfasst und nicht Teile davon überflüssig werden lässt (vgl. BGE 133 III 406 E. 3.3 S. 412).
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Die Änderung der Benutzungsart einer Stockwerkeinheit bedarf einer entsprechenden Reglementsänderung bzw. eines Stockwerkeigentümerbeschlusses, wobei gemäss Art. 647b Abs. 1 i.V.m. Art. 712g Abs. 1 ZGB die doppelte Mehrheit nach Köpfen und Wertquoten erforderlich ist (BGE 139 III 1 E. 4.3.3 S. 5; zuletzt Urteil 5A_98/2017 vom 27. Juni 2017 E. 3.2.2). Eine solche Änderung der ![]() ![]() | |
Ist die geänderte Benutzungsweise einer Stockwerkeinheit dergestalt, dass dies den Gesamtcharakter der Liegenschaft verändert, ist deren Zweckbestimmung betroffen und bedarf es deshalb gemäss Art. 648 Abs. 2 i.V.m. Art. 712g Abs. 1 ZGB der Zustimmung aller Stockwerkeigentümer (BGE 139 III 1 E. 4.3.3 S. 5; Urteile 5C.264/2006 vom 30. März 2007 E. 2.1; 5A_98/2017 vom 27. Juni 2017 E. 3.2.2; vgl. auch BGE 130 III 441 E. 2.3 und 2.4 S. 444). Davon ist das Bundesgericht ausgegangen bei einer Umnutzung einer Stockwerkeinheit von Wohnung zu pensionsweiser Zimmervermietung (Urteil 5C.195/2002 vom 23. Dezember 2002 E. 2.2), von Wohnungen in zusätzliche Hotelzimmer für ein bereits als andere Stockwerkeinheit bestehendes Hotel (Urteil 5A_632/2011 vom 8. November 2011 E. 5.2.2) und von einer Wohnung in eine Kindertagesstätte (Urteil 5A_98/2017 vom 27. Juni 2017 E. 3.3).
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In der jüngsten Literatur wird im Zusammenhang mit der Nutzung von Wohnungen und diesbezüglicher Vereinbarkeit mit dem "Wohnzweck" die Vermietung über die Plattform Airbnb diskutiert und festgehalten, dass dies - vorbehältlich einer im Reglement vorgesehenen Erstwohnungspflicht - nicht per se eine Nutzungsänderung oder gar Zweckänderung der Liegenschaft bedeutet, sondern dass es auf die konkrete Art des Anbietens (Häufigkeit der Vermietung bzw. der Benutzerwechsel; Vermietung der ganzen Wohnung oder nur eines Zimmers; Intensität der Immissionen u.ä.m.) und auf die weiteren konkreten Umstände (städtisches Wohnhaus; Liegenschaft mit Ferienwohnungen in touristischem Gebiet; eigentliche kommerzielle Tätigkeit, namentlich durch einen institutionellen Anleger etc.) des Einzelfalles ankommt (vgl. VISCHER, Zivilrechtliche Schranken der Wohnungsvermietung über Airbnb, AJP 2017 S. 483 f.; WERMELINGER, Aktuelle Fragen und Probleme aus dem Stockwerkeigentum, in: Aktuelles zum Stockwerkeigentum, 2017, S. 134 ff.). ![]() | |
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Die zu einer 8½-Zimmer-Wohnung zusammengelegten zwei fraglichen Stockwerkeinheiten werden nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen an eine Firma vermietet, welche diese gemäss dem im Mietvertrag umschriebenen Zweck zur Erbringung der von ihr angebotenen Dienstleistungen nutzt, nämlich der Beherbergung und Pflege betagter Personen.
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Dass die im Reglement konkret festgelegte Nutzungsart - welche in der Praxis weit verbreitet ist (Wohnzweck einschliesslich Duldung eines stillen Bürogewerbes) - nicht zulässig oder für die einzelnen Stockwerkeigentümer nicht verbindlich wäre, wird ebenso wenig geltend gemacht, wie dass es bei der vorliegend zu beurteilenden Nutzung um ein stilles Bürogewerbe im Sinn des Reglementes gehen könnte.
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Einzig zu beurteilen ist mithin die Frage des "Wohnens" im Sinn des Reglementes vor dem Hintergrund des Charakters der zur Diskussion stehenden Liegenschaft; die Streitigkeit reduziert sich mit anderen Worten auf die Frage, ob die Mieterin die Wohnung zu Wohnzwecken angemietet hat bzw. ob die konkrete Nutzung als Wohnnutzung angesehen werden kann.
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4.3 Für die Beantwortung dieser Frage ist mangels einschränkender reglementarischer Bestimmungen nicht von Belang, ob der Stockwerkeigentümer die reglementarisch vorgesehene Nutzung selbst ausübt oder ob er diese aufgrund eines dinglichen (Dienstbarkeit, Wohnrecht) oder obligatorischen Verhältnisses (insbesondere Mietvertrag) einer anderen Person überlässt (vgl. MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, 1988, N. 42 zu Art. 712a ZGB). Für die vorliegend fragliche "Wohnnutzung" kommt es also nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin ihre Stockwerkeinheiten selbst bewohnt oder ob sie die betreffende Nutzung einem Dritten überlässt bzw. ob dieser die Nutzung im Rahmen eines nachgelagerten Verhältnisses seinerseits weiterüberträgt (z.B. Vermietung durch den Nutzniesser oder Untermietverhältnis, vgl. Art. 262 OR). Deshalb darf ohne Weiteres auch eine juristische Person, welche naturgemäss nicht selbst in ![]() ![]() | |
Die Beschwerdeführerin überspielt aber bei ihren auf den einzelnen Bewohner fokussierten Ausführungen, dass es für die Frage der reglementskonformen Nutzung der Stockwerkeinheit nicht entscheidend sein kann, wie der einzelne Bewohner seinen Aufenthalt empfindet; vielmehr kommt es darauf an, wie die Stockwerkeinheit insgesamt genutzt wird. An das Reglement, welches wie gesagt nach dem Vertrauensprinzip auszulegen ist, sind nämlich einzig die Stockwerkeigentümer gebunden. Sie sind verpflichtet, ihre Stockwerkeinheit reglementskonform zu nutzen, was beinhaltet, dass diese auch nur im Rahmen konformer Nutzung an Dritte überlassen werden darf. Insofern war es möglich, die strittige Nutzungsthematik zum Gegenstand eines Beschlusses der Stockwerkeigentümergemeinschaft zu machen, was denn auch (mit eindrücklichem Stimmenverhältnis) geschehen ist.
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Vorliegend wird die Wohnung zum Betrieb eines Pflegeheimes im landläufigen Wortsinn (vgl. dazu STECK, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 14 zu Art. 382 ZGB) genutzt, wobei dieses von einer darauf spezialisierten GmbH kommerziell betrieben wird. Während die Überlassung einer 8½-Zimmer-Wohnung - auch an eine Personenmehrheit (typischerweise an eine Wohngemeinschaft) - in der Regel ohne Weiteres vom Wohnzweck abgedeckt ist, lässt sich dies bei einem professionellen Pflegebetrieb ![]() ![]() | |
Auf der rechtlichen Ebene spiegelt sich der Unterschied zwischen der obligatorischen Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken einerseits und zum Betrieb eines Pflegeheimes andererseits auch in den zwischen den Akteuren bestehenden Rechtsverhältnissen. Die erstgenannte Nutzungsweise erfolgt typischerweise im Rahmen eines Mietvertrages oder nachgelagert eines Untermietvertrages. Dabei verändert sich die Nutzungsart nicht; der Mieter bzw. ein allfälliger Untermieter wohnt genau gleich in der Wohnung, wie es der Stockwerkeigentümer tun würde. Vorliegend jedoch schloss die Beschwerdeführerin mit der D. GmbH einen Mietvertrag zur Betreibung eines Pflegeheims. Im Rahmen ihres Pflegebetriebes schliesst diese ihrerseits mit den aufgenommenen Personen einen Kontrakt, der nach den zutreffenden Erwägungen des Obergerichtes als Heim- bzw. als Heimaufnahme- oder als Betreuungs- bzw. Pflegevertrag bezeichnet wird (vgl. zum Vertragsverhältnis namentlich BREITSCHMID/STECK/WITTWER, Der Heimvertrag, FamPra.ch 2009 S. 867 ff.; HOTZ, Der Betreuungsvertrag, FamPra.ch 2016 S. 815 ff., insb. ![]() ![]() | |
Vor diesem Hintergrund geht der Vergleich der Beschwerdeführerin mit einem Mieter, welcher im Alter auf Pflege angewiesen ist, ebenso an der Sache vorbei wie derjenige mit einem Mieter, welcher eine Familie mit Kindern hat: Während der Betrieb einer KITA sich nicht unter den "Wohnzweck" subsumieren lässt (vgl. zit. Urteil in E. 4.1), ändert sich an diesem nichts, wenn eine Stockwerkeinheit durch eine Familie mit Kindern statt durch eine Einzelperson oder ein kinderloses Paar bewohnt wird; während der Betrieb einer Pension bzw. die pensionsweise Zimmervermietung sich ebenfalls nicht mit der bestehenden reglementarischen Nutzungsbeschränkung vereinbaren lässt (vgl. zit. Urteile in E. 4.1), wird der Wohnzweck nicht beeinträchtigt, wenn ein Stockwerkeigentümer oder ein Mieter der betreffenden Einheit im Verlauf der Zeit pflegebedürftig wird. Die Gleichartigkeit der Nutzung in den besagten beiden Konstellationen spiegelt sich auf der vertragsrechtlichen Ebene nicht zuletzt beim Entgelt für eine obligatorische Überlassung: Die erwähnten Umstände (Familie mit Kindern; Pflegebedürftigkeit im Alter) sind zur Bestimmung der Gegenleistung für die Wohn(ungs)nutzung irrelevant; diese bemisst sich vielmehr nach Kriterien wie Wohnfläche, Lage, Ausstattung, Hypothekarzins, Teuerung u.ä.m. ![]() | |
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