39. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. April 1999 i.S. B.H. sowie A.G. und C.G. gegen X. AG (Berufung) | |
Regeste | |
Mietrecht; Kündigungsschutz für einen zusammen mit einer Wohnung vermieteten Autoabstellplatz; Untersuchungsmaxime bei mietrechtlichen Streitigkeiten (Art. 253a, 266l, 269d, 274d Abs. 3 OR).
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Bei der Kündigung von formell separat mitvermieteten Sachen durch den Vermieter genügt es, dass dieser die Formvorschriften von Art. 266l OR einhält; ein Vorgehen nach Art. 269d OR ist nicht erforderlich (E. 3 und 4b).
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Bedeutung der vom Bundesrecht für mietrechtliche Streitigkeiten vorgeschriebenen Untersuchungsmaxime, insbesondere im kantonalen Rechtsmittelverfahren (E. 4a).
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Sachverhalt | |
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Mit Eingabe vom 14. November 1997 beantragte die Vermieterin dem Zivilgerichtspräsidium Basel-Stadt, es seien die ausgeprochenen Kündigungen in ihrer Gültigkeit zu bestätigen. Der a.o. Zivilgerichtspräsident als Einzelrichter in Mietsachen hiess die Klagen mit Urteil vom 14. April 1998 gut, wobei er im Fall der Ehegatten G. das Mietverhältnis einmalig bis zum 30. September 1998 erstreckte, ein entsprechendes Begehren der andern Beklagten jedoch abwies.
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Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die Be- schwerden der Beklagten gegen den Entscheid des Zivilgerichtspräsidenten mit Urteil vom 28. September 1998 ab.
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Das Bundesgericht weist die Berufung der Beklagten ab.
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2. Gesondert vermietete Einstellplätze können unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist jeweils auf Ende eines Monats gekündigt werden (Art. 266e OR), sofern die Parteien vertraglich nichts Abweichendes vereinbart haben (Art. 266 OR). Die Schutzbestimmungen sowohl der Art. 271 ff. OR betreffend die Kündigung wie auch der Art. 269 ff. OR betreffend missbräuchliche Mietzinse und andere missbräuchliche Forderungen des Vermieters gelten nur für Wohn- ![]() ![]() | |
a) Als Sachen, welche dem Mieter im Sinne von Art. 253a Abs. 1 OR zusammen mit Wohn- und Geschäftsräumen zum Gebrauch überlassen werden, kommen nicht nur bewegliche Sachen in Betracht, sondern auch Immobilien wie beispielsweise Garagen, Abstellplätze und Mansarden (Art. 1 VMWG [SR 221.213.11]; HIGI, Zürcher Kommentar, N. 51 zu Art. 253a-253b OR; WEBER/ZIHLMANN, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 253a-253b OR; LACHAT, Le bail à loyer, Lausanne 1997, S. 84; SVIT-Kommentar Mietrecht, 2. Auflage, N. 11 zu Art. 253a OR). Ein Zusammenhang derartiger Nebensachen mit der Hauptsache besteht, wenn sie der Hauptsache funktionell dienen und nur wegen des über diese geschlossenen Mietvertrags zum Gebrauch überlassen bzw. in Gebrauch genommen werden. Dabei ist erforderlich, dass die Parteien beider Mietverträge dieselben sind. Dagegen kommt dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder der Anzahl der abgeschlossenen Verträge in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu (Botschaft des Bundesrates zur Revision des Miet- und Pachtrechts vom 27. März 1985, BBl 1985 I 1421; HIGI, a.a.O., N. 54 f. zu Art. 253a-253b OR; SVIT-Kommentar Mietrecht, N. 12 und 13 zu Art. 253a OR; LACHAT, a.a.O., S. 84 f. Rz. 4.4.1).
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b) Nach den Feststellungen der Vorinstanz befinden sich die Einstellplätze unterhalb der Liegenschaft, in welcher die Beklagten die Wohnungen gemietet haben und damit in unmittelbarer Nähe der Wohnräume. Sodann werden im angefochtenen Urteil keine umstände aufgeführt, die darauf hindeuten würden, dass die Beklagten die Plätze nicht zum Parken ihrer privaten Autos gebrauchen. Muss aber angenommen werden, dass die Parkplätze den Bewohnern der Mietwohnungen zum Abstellen ihrer Autos dienen, ist der erforderliche funktionelle Zusammenhang zwischen den Mietsachen ![]() ![]() | |
a) Nach Art. 269d OR kann der Vermieter den Mietzins jederzeit auf den nächstmöglichen Kündigungstermin erhöhen. Er muss dem Mieter die Erhöhung mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen (Abs. 1). Die Erhöhung ist nichtig, wenn sie nicht mit dem vorgeschriebenen Formular mitgeteilt, nicht begründet oder wenn mit der Mitteilung die Kündigung angedroht oder ausgesprochen wird (Abs. 2). Die Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung gelten auch, wenn der Vermieter beabsichtigt, sonstwie den Mietvertrag einseitig zu Lasten des Mieters zu ändern, namentlich seine bisherigen Leistungen zu vermindern oder neue Nebenkosten einzuführen (Abs. 3). In der Literatur werden zu diesen Änderungen der Entzug der Benützungsrechte für allgemein zugängliche Räume wie waschküche oder Velokeller, aber auch der Entzug der Benützung von individuell gemieteten Nebenräumen wie Estrich- oder Kellerabteil und Garage gerechnet (SVIT-Kommentar Mietrecht, N. 61 zu Art. 269d OR; LACHAT, a.a.O., S. 370 f. Rz. 3.1). Als unstatthaft wird dagegen der Entzug objektiv wesentlicher Teile des Mietobjekts ohne Kündigung des Vertrages betrachtet, weil die Vertragsänderung nicht zu einer unzumutbaren Teilkündigung führen darf und durch Art. 269d Abs. 3 OR eine Änderungskündigung gerade verhindert werden soll (WEBER/ZIHLMANN, a.a.O., N. 11 zu Art. 269d OR; SVIT-Kommentar Mietrecht, N. 60 zu Art. 269d OR). Im Wesentlichen aus dem gleichen Grund wird weitergehend die Auffassung vertreten, die einseitige Vertragsänderung gemäss Art. 269d OR erlaube nicht den Entzug eines Teils des Mietgegenstandes, weil es sich dabei um eine Vertragsanpassung handle, die auf eine unzulässige Teilkündigung hinauslaufe (HIGI, a.a.O., N. 60 zu Art. 269d OR und N. 96 Vorbem. zu Art. 266-266o OR).
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c) Art. 269d OR dient aufgrund seines Wortlautes wie nach seiner systematischen Stellung allein der Überprüfung des Mietzinses auf Missbräuchlichkeit; er nennt die Kriterien nicht, welche eine Änderung des Vertrages seitens des Vermieters rechtfertigen oder ausschliessen, soweit es nicht unmittelbar um mietzinsbestimmende Bedingungen geht (LACHAT, a.a.O. S. 372 f. Rz. 3.6). Ersetzt aber die einseitige Vertragsänderung durch den Vermieter die Kündigung des bisherigen Vertrages und die Offerte zum Neuabschluss eines Vertrages mit geänderten Bedingungen, wie sie nach allgemeinen schuldvertraglichen Grundsätzen möglich wäre, so kommt eine Überprüfung der Änderung als solcher - abgesehen vom Mietzins - insoweit in Betracht, als für den bisherigen Vertrag Kündigungsschutz im Sinne der Art. 271 ff. OR besteht. Zwar dient die Anfechtung gemäss Art. 270b OR allein der Beurteilung, ob der Mietzins missbräuchlich ist; die Anfechtung nach dieser Bestimmung kann jedoch gleichzeitig die Funktion des Art. 273 Abs. 1 OR übernehmen, zumal die Fristen und Zuständigkeiten dieselben sind (a.M. HIGI, a.a.O., N. 108 Vorbem. zu Art. 266-266o OR). Das Vorgehen nach Art. 269d OR, das dem Vermieter anstelle der verpönten Änderungskündigung zur Verfügung steht, ermöglicht daher im Anfechtungsverfahren sowohl die Prüfung, ob ein missbräuchlicher Ertrag für die verbliebene Mietsache resultiert (Art. 270b OR) wie auch die Prüfung, ob die damit ausgesprochene Kündigung des bisherigen Mietvertrages gegen Treu und Glauben verstösst (Art. 273 OR). Erweist sie sich als treuwidrig im Sinne der Art. 271 und 271a OR, so ist die Änderung ungültig. Erweist sie sich dagegen als gültig, hat der Mieter im Übrigen wie bei einer ordentlichen Kündigung die Möglichkeit, die Erstreckung des bisherigen Mietvertrages zu beantragen.
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d) Da die Einstellplätze funktionell Nebensachen der Mietwohnungen der Beklagten sind, finden gemäss Art. 253a Abs. 1 OR die mietrechtlichen Schutzbestimmungen auch auf die Mietverträge für die Einstellplätze Anwendung. In der Lehre wird aus Art. 253a Abs. 1 OR abgeleitet, dass ein einheitliches Mietverhältnis über Haupt- und Nebensache bestehe, was nicht nur bei der Missbrauchsprüfung gemäss Art. 269 OR zu berücksichtigen sei, sondern auch die einheitliche Behandlung der Verträge in Bezug auf die Gültigkeit der Kündigung und der Zulässigkeit der Mieterstreckung zur Folge haben müsse (HIGI, N. 22 Vorbem. zu Art. 269-270e OR und N. 49 ![]() ![]() | |
e) Die Kündigung durch den Vermieter muss bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einem amtlich genehmigten Formular angezeigt werden, das angibt, wie der Mieter vorzugehen hat, wenn er die Kündigung anfechten oder eine Erstreckung verlangen will (Art. 266l Abs. 2 OR). Der Mieter kann die Kündigung als im Sinne der Art. 271 ff. OR missbräuchlich anfechten (Art. 273 OR). Er kann im Rahmen dieses Verfahrens aber auch vorbringen, die Kündigung der Nebensache führe zu einem missbräuchlichen Ertrag für die verbleibende Hauptsache (Art. 270b OR). Da die Anfechtung nach dieser Bestimmung innerhalb derselben Fristen bei derselben Behörde erfolgt wie die Anfechtung der Kündigung gemäss Art. 273 OR, steht auch hier nichts entgegen, dem Verfahren nach Art. 273 OR gleichzeitig die Funktion des Verfahrens nach Art. 270b OR zu geben. Zwar werden an die Begründung von Mietzinserhöhungen strenge Anforderungen gestellt (vgl. folgende E. 4b). Die Informationen, welche im Verfahren gemäss Art. 269d OR nach Absatz 2 dieser Bestimmung vom Vermieter bekannt gegeben werden müssen, sind dem Mieter jedoch von vornherein bekannt, wenn formell zwei separate Verträge mit separaten Mietzinsen für die Hauptsache einerseits und die Nebensache anderseits abgeschlossen worden sind. Denn wenn die Vertragsänderung im Entzug einer Nebensache besteht, ist jedenfalls für den Regelfall nicht ersichtlich, welche Grundlagen der Neuberechnung der Vermieter über die Aufteilung des bisherigen Entgelts auf die verbleibende Mietsache einerseits und die Nebensache anderseits sollte detaillieren können. Diese Aufteilung ergibt sich bei formell separat vermieteten Sachen schon ![]() ![]() | |
a) Art. 274d Abs. 3 OR schreibt den Schlichtungsbehörden und Gerichten vor, dass sie den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und die Beweise nach freiem Ermessen zu würdigen haben, wobei ihnen die Parteien alle für die Beurteilung des Streitfalls notwendigen Unterlagen vorzulegen haben. Diese Anweisung an die Behörden wird in der Literatur als soziale Untersuchungsmaxime oder gemilderte Verhandlungsmaxime bezeichnet (Jürgen Brönnimann, Gedanken zur Untersuchungsmaxime, ZBJV 126/1990, S. 329 ff., S. 345; Fabienne Hohl, La réalisation du droit et les procédures rapides, S. 46 und 55 f.; vgl. auch Rapp, Autorités et procédure en matière de bail à loyer, 8e Séminaire sur le droit du bail 1994, S. 13). Bei der sozialpolitisch begründeten Untersuchungsmaxime geht es darum, die wirtschaftlich schwächere Partei zu schützen, die Gleichheit zwischen den Parteien herzustellen sowie das Verfahren zu beschleunigen. Die Parteien sind jedoch nicht davon befreit, bei der Feststellung des entscheidwesentlichen Sachverhalts aktiv mitzuwirken und die allenfalls zu erhebenden Beweise zu bezeichnen. Sie tragen auch im Bereich der Untersuchungsmaxime die Verantwortung für die Sachverhaltsermittlung (BRÖNNIMANN, a.a.O., S. 347). Art. 274d Abs. 3 OR schreibt somit keine umfassende ![]() ![]() | |
b) Die Begründung einer Mietzinserhöhung oder einer anderen unmittelbar mietzinsrelevanten Forderung des Vermieters hat strengen Anforderungen zu genügen. Der Mieter muss daraus insbesondere den Umfang, die Art der Berechnung und die entsprechende Begründung klar ersehen können (BGE 121 III 6 E. 3b und c; BGE 121 III 460 E. 4a/aa S. 464). Die Begründung der Kündigung ist in Art. 266l OR dagegen nicht vorgesehen; sie muss gemäss Art. 271 Abs. 2 OR nur auf Verlangen abgegeben werden. Eine nicht begründete Kündigung ist nicht an sich notwendigerweise missbräuchlich. Diese Rechtsfolge ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht sinngemäss aus dem Gesetz (vgl. LACHAT, a.a.O., S. 408 und S. 468 Rz. 3.1; SVIT-Kommentar Mietrecht, N. 49 ff. zu Art. 71 OR; HIGI, a.a.O., N. 139 ff. und N. 160 zu Art. 271 OR). Allerdings ![]() ![]() | |
Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Klägerin die Kündigungen in ihrem Formular-Schreiben mit «Eigenbedarf, Umgestaltung des Hinterhofes in der Q.strasse 13, Verlegung der Parkplätze unserer Geschäftskundschaft an die Y.strasse 10» begründet hat und dass es ihr konkret um die Realisierung eines Bauvorhabens auf der Einstellhalle Y.strasse 10 geht, die der Q.strasse 13 benachbart ist. Dieses Umbauvorhaben macht nach den Erwägungen im angefochtenen Urteil die Verlegung von Parkplätzen notwendig, welche die Klägerin der dort domizilierten Z. AG aufgrund einer ausdrücklichen mietvertraglichen Verpflichtung zur Verfügung stellen muss. Die Vorinstanz hat aus diesen Umständen geschlossen, dass die Begründung zwar der Klarheit und Vollständigkeit ermangle, jedoch nicht unwahr sei. Sie hat dazu festgestellt, dass es der Klägerin mit der Kündigung der Parkplätze um berechtigte wirtschaftliche Interessen gehe, da die Vermietung von Gewerberäumen ohne zugehörige Parkplätze kaum möglich sei. Die Vorinstanz hat mit dieser Begründung eine missbräuchliche Kündigung der Parkplätze verneint, wogegen die Beklagten materiell nichts einwenden, insbesondere auch nicht behaupten, ihr eigenes Interesse an den Parkplätzen sei derart, dass ein offensichtliches Missverhältnis der Interessen bestehe (vgl. dazu LACHAT, a.a.O., S. 472). Ihr Vorbringen, dass die auf amtlich genehmigtem Formular mitgeteilten Kündigungen der Mietverträge über die Einstellplätze nicht hinreichend begründet seien, betrifft rein formelle Gesichtspunkte. Da sich die Begründungspflicht wie erwähnt für Kündigungen im Unterschied zu mietzinsbestimmenden Angaben nicht auf das amtlich genehmigte Formular bezieht, sind die entsprechenden Rügen der Beklagten unbegründet. ![]() |