5. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 5. Juni 1987 i.S. M. S. (Rekurs) | |
Regeste | |
Art. 93 SchKG.
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Sachverhalt | |
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B.- J. S. beschwerte sich gegen den am 17. November 1986 vollzogenen Arrest beim Amtsgerichtspräsidenten von X., indem er geltend machte, sein Existenzminimum sei nicht mehr gedeckt.
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Mit Entscheid vom 11. Dezember 1986 hiess der Amtsgerichtspräsident die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als das Betreibungsamt angewiesen wurde,
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- das Existenzminimum des Beschwerdeführers festzulegen,
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- das Einkommen des Beschwerdeführers im Sinne von E. 5 des Entscheides zu errechnen,
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- die pfändbare Quote in der Vollzugsurkunde anzugeben.
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Ferner wurde das Betreibungsamt angewiesen, im Sinne von E. 5 den Arrest zu vollziehen.
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In seiner Begründung wies der Amtsgerichtspräsident darauf hin, dass fällige Alterskapitalien (und -renten) gemäss dem Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenfürsorge (SR 831.40; BVG) vollumfänglich der beschränkten Pfändbarkeit des Art. 93 SchKG unterlägen. In E. 5 hielt er unter Berufung auf BGE 78 III 110 f. fest, dass bei der Berechnung des Existenzminimums des Beschwerdeführers zu seinem übrigen Einkommen jenes Einkommen hinzuzurechnen sei, das er sich durch Verwendung der Gesamtabfindung zum Erwerb einer lebenslänglichen Rente verschaffen könnte.
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C.- Frau M. S. focht den erstinstanzlichen Entscheid mit Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern an. Diese gelangte zum Ergebnis, dass sowohl Renten als auch Kapitalabfindungen (Alterskapitalien) nach Massgabe von Art. 93 SchKG nur beschränkt pfändbar seien, und wies dementsprechend die Beschwerde am 10. März 1987 ab.
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D.- Gegen diesen Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde rekurrierte Frau M. S. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie verlangte die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und beantragte, "die Beschwerde des Rekursgegners vom 27. November 1986 sei abzuweisen, soweit ![]() ![]() | |
b) Zu prüfen bleibt, ob der Anspruch von J. S. auf Ausrichtung einer kapitalisierten Alterspension im Betrag von Fr. 90'028.80 der beschränkten Pfändbarkeit (und entsprechend beschränkten Arrestierbarkeit) im Sinne von Art. 93 SchKG (in Verbindung mit Art. 275 SchKG) unterliege. Das Obergericht des Kantons Luzern hält im angefochtenen Entscheid dafür, dass - im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 60 III 226, BGE 62 III 17, BGE 63 III 77) - Kapitalabfindungen seit Inkrafttreten des BVG am 1. Januar 1985 vollumfänglich der beschränkten Pfändbarkeit zu unterstellen seien. Insbesondere soll auch der Arbeitgeberanteil des Vorsorgevermögens neu der Schranke von Art. 93 SchKG unterliegen.
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Gegen diese Auffassung wendet sich die Rekurrentin, indem sie der Vorinstanz insbesondere vorwirft, sie habe zu Unrecht eine unechte Gesetzeslücke angenommen, um zum Ergebnis zu gelangen, dass sämtliche aus dem BVG abgeleiteten Ansprüche nur beschränkt pfändbar im Sinne von Art. 93 SchKG seien.
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Der Gesetzestext ist insofern nicht klar und demnach auslegungsbedürftig, als er nicht angibt, welche der Altersvorsorgen dienenden Leistungen nur beschränkt pfändbar sind. Jedenfalls lassen sich keine Schlüsse daraus ziehen, dass der Gesetzgeber auf der einen Seite von Alterspensionen und auf der anderen Seite von ![]() ![]() | |
Das Bundesgericht hat auf Kapitalzahlungen von Vorsorgeeinrichtungen auch Art. 92 Ziff. 5 SchKG analog angewandt und daraus abgeleitet, dass dem Schuldner die Abfindungssumme bis zu dem Betrag freizugeben sei, den er für seinen Lebensunterhalt während der Dauer von zwei Monaten nötig habe (BGE 53 III 76 f. E. 3). Es hat indessen mit Rücksicht auf die Arbeitsunfähigkeit eines Schuldners diesem auch einen darüber hinausgehenden ![]() ![]() | |
Auf BGE 109 III 80 demgegenüber, wo entschieden wurde, dass es sich bei der von einer Pensionskasse dem Schuldner zugesprochenen Abgangsentschädigung nicht um Erwerbseinkommen handle, das dem Konkursbeschlag entzogen wäre, kann bei der Beurteilung der vorliegenden Streitsache nicht zurückgegriffen werden.
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Im Lichte des am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen BVG lässt es sich - wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat - nicht rechtfertigen, dass die Pfändbarkeit unterschiedlich beurteilt wird je nachdem, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer das Vorsorgekapital geäufnet hat; und es lässt sich auch keine Unterscheidung zwischen obligatorischen und freiwilligen Beiträgen begründen. Der Arbeitgeber trägt mindestens die Hälfte der Beiträge an die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Art. 34quater Abs. 2 lit. a BV, Art. 66 Abs. 1 BVG); seine Beiträge bilden Bestandteile des Lohnes, der nur in den Schranken von Art. 93 SchKG pfändbar ist. Der Arbeitgeber ist auch, wenngleich ![]() ![]() | |
Unter eng umschriebenen Voraussetzungen kann der Versicherte, selbst ohne dass es die reglementarischen Bestimmungen vorsehen, einen Teil der Altersleistungen in Form einer Kapitalabfindung verlangen (Art. 37 Abs. 4 BVG). Das lässt erkennen, dass die Leistungen der beruflichen Vorsorge sowohl in der Form von periodischen Renten als auch in der Form einer Kapitalabfindung erbracht werden können, ohne dass sich indessen der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck ändern würde. Es zeigt - gleich wie die Art. 92 Ziff. 13 SchKG und die Art. 39 f. BVG - aber auch an, dass die Frage der Pfändbarkeit sich nicht unterschiedlich beantwortet je nachdem, ob in regelmässigen zeitlichen Abständen Renten oder (in einer oder ganz wenigen Raten) Kapitalabfindungen ausgerichtet werden. Auf diese Gleichheit des Zweckes hat schon SIEGRIST (Die Vermögensrechte der Destinatäre von betrieblichen Personalvorsorgeeinrichtungen im Lichte des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, Zürcher Diss. 1967, S. 58 ff.) hingewiesen und daraus das Postulat auf unterschiedslose betreibungsrechtliche Behandlung der beiden Leistungsformen abgeleitet.
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Zu Recht hat deshalb das Obergericht des Kantons Zürich auf den Anspruch, der J. S. gegenüber der Fürsorgekasse der A. AG zusteht, Art. 93 SchKG anwendbar erklärt. Für dieses Ergebnis bedarf es keiner Lückenfüllung.
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5. Im Gegensatz zur Auffassung, die offenbar bei der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde bestanden hat, kann der Schuldner nicht gezwungen werden, mit der ihm von der Fürsorgekasse auszuzahlenden Abfindungssumme eine Rente zu kaufen. Nichtsdestoweniger muss das Betreibungsamt ermitteln, welche jährliche Rente sich im Zeitpunkt des Arrestvollzugs für das Kapital von Fr. 90'028.80 bei einem Lebensversicherer kaufen lässt. Dabei ist von einer Dauer der Rentenberechtigung auszugehen, die der durchschnittlichen Lebenserwartung des im Zeitpunkt des ![]() ![]() | |
Hernach kann so vorgegangen werden, wie es bereits die untere kantonale Aufsichtsbehörde, deren Entscheid durch das Obergericht des Kantons Luzern bestätigt worden ist, ins Auge gefasst hat: Sollte es sich herausstellen, dass das gesamte Einkommen des Schuldners - die aus dem Abfindungskapital zu erkaufende Rente inbegriffen - seinen Notbedarf nicht deckt, so kann die Rente nicht mit Arrest belegt werden. Reicht umgekehrt das übrige Einkommen des Schuldners bereits aus, um sein Existenzminimum zu sichern, so ist die Jahresrente im vollen Betrag arrestierbar. Lässt sich der Notbedarf des Schuldners durch sein übriges Einkommen und einen Teil der errechneten Rente decken, so darf das übrige Einkommen und dieser Teil der Rente nicht arrestiert werden; der das Existenzminimum übersteigende Teil der Rente jedoch unterliegt zum Schätzungswert eines Jahresbetreffnisses dem Arrest.
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