26. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Oktober 1982 i.S. Hermann Pieren AG in Nachlassliquidation gegen Ersparniskasse Konolfingen(Berufung) | |
Regeste | |
Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung; Art. 806 Abs. 1 ZGB.
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Sachverhalt | |
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Die grundpfandbelasteten Liegenschaften erbrachten während des Liquidationsverfahrens einen Zinsertrag von Fr. 509'448.85. Dieser Ertrag sollte nach dem Kollokationsplan nicht in erster Linie den Grundpfandgläubigern, sondern der allgemeinen Masse zukommen.
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B.- Gegen den Kollokationsplan erhob die Ersparniskasse Konolfingen am 24. Dezember 1980 Kollokationsklage, mit der sie beantragte, der Verwaltungserlös der Liegenschaften der Beklagten während des Nachlassverfahrens sei gemäss Art. 806 ZGB zur Befriedigung ihrer grundpfandgesicherten Forderung zu verwenden. Mit Urteil vom 2. September 1981 hiess der Gerichtspräsident I von Konolfingen die Klage gut. Eine Appellation der ![]() ![]() | |
C.- Gegen das Urteil des Appellationshofes erhob die Beklagte Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Nach Auffassung der Vorinstanz entsteht das in Art. 806 Abs. 1 ZGB vorgesehene Forderungspfandrecht des Grundpfandgläubigers ![]() ![]() | |
3. Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, dass Art. 806 Abs. 1 ZGB die gesetzgeberische Absicht zum Ausdruck bringt, die Grundpfandgläubiger hinsichtlich der Miet- und Pachtzinserträgnisse einer pfandbelasteten Liegenschaft im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern zu bevorzugen. Diese Erträgnisse sollen ihrer wirtschaftlichen Bestimmung erhalten bleiben, die darin besteht, als natürliche Einnahmequelle für die Bezahlung der Hypothekarzinsen zu dienen (LEEMANN, Das Pfandrecht der Grundpfandgläubiger an den Miet- und Pachtzinsforderungen, SJZ 24, 1927/28, S. 77). Ein Bedürfnis für eine Erweiterung der Pfandhaft zugunsten der Grundpfandgläubiger besteht aber erst, wenn die Mietzinserträgnisse ihrer Funktion entfremdet werden und der Schuldner daraus - freiwillig oder unfreiwillig - seine fälligen Grundpfandschulden nicht mehr bezahlt. Der Gesetzgeber hat die Entstehung des Pfandrechtes an den Miet- oder Pachtzinsforderungen deshalb an die Voraussetzung geknüpft, dass die Grundpfandforderung zur Vollstreckung gelangt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so tritt die Erstreckung der Pfandhaft dann aber von Gesetzes wegen ein (LEEMANN, N. 2 zu Art. 806 ZGB). Einer eigenen Anstrengung der Grundpfandgläubiger bedarf es nur, wo es die Umstände erfordern. So verhält es sich bei der Betreibung auf Grundpfandverwertung. Es liegt in der Natur dieses Vollstreckungsverfahrens als einer Spezialexekution, dass sich die Vollstreckung grundsätzlich nur zugunsten des betreibenden Gläubigers auswirkt. Dieser allein bestimmt darüber, ob das Grundstück verwertet werden soll. Die übrigen Gläubiger werden durch die Zwangsvollstreckung nur in beschränktem Masse berührt, da sich ![]() ![]() | |
Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung handelt es sich demgegenüber wie beim Konkurs um eine Generalexekution, die in der Regel das gesamte Vermögen des Schuldners erfasst und in der auch die Grundpfandrechte liquidiert werden. Bei einem solchen Zwangsvollstreckungsverfahren besteht kein Grund, die Erstreckung der Pfandhaft auf die Mietzinserträgnisse von einer Initiative jedes einzelnen Grundpfandgläubigers abhängig zu machen. Die Erstreckung hat vielmehr von Gesetzes wegen, und zwar zugunsten sämtlicher Grundpfandgläubiger, einzutreten.
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a) Der Umstand, dass den Grundpfandgläubigern beim Liquidationsvergleich die Befugnis erhalten bleibt, ausserhalb des Liquidationsverfahrens auf Grundpfandverwertung zu betreiben (BGE 84 III 105 ff.), erlaubt noch keineswegs den Schluss, dass nur eine solche Betreibungshandlung die Pfandhaft gemäss Art. 806 Abs. 1 ZGB erweitere. Die unabhängig vom allgemeinen Liquidationsverfahren zugelassene Betreibung auf Pfandverwertung ermöglicht immerhin einen Zeitgewinn, der für den Grundpfandgläubiger ins Gewicht fallen kann. Auf der andern Seite kann gerade durch die konsequente Durchführung der Grundpfandbetreibung der hervorstechendste Vorteil des Liquidationsvergleichs, ![]() ![]() | |
b) Sodann kann auch nicht gesagt werden, die Stellung der Grundpfandgläubiger im Verfahren des Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung komme einer derartigen Privilegierung gleich, dass gleichsam als Gegenleistung dafür eine Erweiterung der Pfandhaft nur um den Preis der eigenen Betreibungshandlung zugestanden werden dürfe. ob die Stellung der Grundpfandgläubiger beim Liquidationsvergleich überhaupt als besonders bevorzugt gewertet werden kann, hängt von den Umständen ab. Will man von einer bevorzugten Stellung sprechen, so hängt diese mit den verschiedenen Möglichkeiten des Vorgehens zusammen, die das Nachlassvertragsverfahren im Vergleich zum Konkurs anzubieten hat. Die freiere Ausgestaltung des Verfahrens zeichnet aber den Liquidationsvergleich insgesamt aus und betrifft nicht nur die Grundpfandgläubiger. Diese erfahren daher im Vergleich zu den übrigen Gläubigern nicht noch eine zusätzliche Besserstellung. Sie bewahren nur ihre Sonderstellung als Grundpfandgläubiger, die ihnen auch im Konkurs zukommt, in der "freieren" Umgebung des Nachlassvertrags. Umgekehrt kommt die grössere Freiheit bei der Vermögensverwertung nicht nur den Grundpfandgläubigern, sondern auch den übrigen Gläubigern zugute. Wenn aber die Grundpfandgläubiger beim Liquidationsvergleich gemeinsam mit ![]() ![]() | |
c) Dass sich aus dem Nebeneinander von Grundpfandbetreibung und Nachlassliquidation, insbesondere hinsichtlich der Kompetenzen des Betreibungsamtes einerseits und der Liquidatoren anderseits, verfahrensrechtliche Schwierigkeiten ergeben können, ist nicht zu übersehen. Diese Schwierigkeiten haben indessen mit der Frage der Erstreckung der Pfandhaft im Sinne von Art. 806 Abs. 1 ZGB nichts zu tun, sondern ergeben sich ganz allgemein aus der gesetzlichen Regelung des Liquidationsvergleichs, die eben eine Grundpfandverwertung ausserhalb des Liquidationsverfahrens zulässt. Wenn es zu einer konkurrierenden Zuständigkeit von Betreibungsamt und Liquidatoren kommt, dann ist das die Folge der Weiterführung einer einmal eingeleiteten Pfandverwertungsbetreibung, die unabhängig davon eintritt, ob sich die Pfandhaft auch beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung von Gesetzes wegen auf die Miet- und Pachtzinsforderungen erstreckt. Im übrigen lassen sich solche verfahrensmässige Komplikationen gerade dadurch vermeiden, dass die Erstreckung der Pfandhaft beim Liquidationsvergleich nicht von der Einleitung einer Betreibung abhängig gemacht wird. Kämen nämlich die Mietzinserträgnisse beim Liquidationsvergleich nicht von Gesetzes wegen den Grundpfandgläubigern zugute, wären diese zur Wahrung ihrer Rechte stets gezwungen, auf Pfandverwertung zu betreiben und die Grundpfänder spätestens nach Ablauf der Frist von Art. 154 Abs. 1 SchKG ausserhalb des Liquidationsverfahrens verwerten zu lassen, was nur auf dem Weg der öffentlichen Versteigerung geschehen könnte. Dadurch würden die Liquidatoren der Möglichkeit beraubt, den günstigsten Zeitpunkt für eine freihändige Verwertung abzuwarten, und der Verwertungserlös würde aller Wahrscheinlichkeit nach geringer ausfallen. An einem möglichst günstigen Ergebnis bei der Verwertung der Grundpfänder sind aber nicht nur die Grundpfandgläubiger, sondern auch die Kurrentgläubiger interessiert. Durch eine vorzeitige Verwertung der Grundstücke könnte überdies die Weiterführung des schuldnerischen Geschäfts und dessen Verkauf en bloc verunmöglicht werden.
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Die Klage erweist sich somit grundsätzlich als begründet.
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5. Die Vorinstanz hat die Pfandhaft auf diejenigen Mietzinsforderungen ausgedehnt, die seit der öffentlich bekannt gemachten Bestätigung des Nachlassvertrages bis zur Verwertung aufgelaufen sind. Demgegenüber vertritt die Klägerin die Auffassung, massgebender Zeitpunkt für die Erstreckung der Pfandhaft sei die Nachlassstundung. Wie es sich damit verhält, kann an sich dahingestellt bleiben, da die Forderung der Klägerin so oder anders voll gedeckt ist. Die Klägerin hat denn auch das Urteil des Appellationshofes nicht ihrerseits angefochten. Immerhin sei bemerkt, dass die Pfandhaft nicht schon mit der Bewilligung der Nachlassstundung auf die Mietzinsforderungen ausgedehnt werden kann. In diesem Zeitpunkt steht noch keineswegs fest, ob überhaupt ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung zustandekommen wird. Vor allem aber ist der Schuldner während der Nachlassstundung nicht daran gehindert, frei über die eingehenden Mietzinse zu verfügen, da er das Verfügungsrecht über sein Vermögen - von den Sonderfällen des Art. 298 Abs. 1 SchKG abgesehen - erst mit der rechtskräftigen Bestätigung des Nachlassvertrags verliert (Art. 316d Abs. 1 SchKG). Das Pfandrecht an den Mietzinsforderungen könnte daher während dieser Zeit gar nicht durchgesetzt werden. Massgebend kann daher nur der Zeitpunkt der Bestätigung des Nachlassvertrags sein. Auf der andern Seite besteht kein Grund, die Erstreckung der Pfandhaft erst mit der Publikation des ![]() ![]() | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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