2. Auszug aus dem Entscheid vom 26. März 1974 i.S. ILB. | |
Regeste | |
Zustellung von eingeschriebenen Sendungen an Postfachinhaber.
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Sachverhalt | |
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Gegen den obergerichtlichen Entscheid erhob die ILB Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des ![]() ![]() | |
Das Bundesgericht betrachtete bisher eine eingeschriebene Sendung, die sich an den Inhaber eines Postfaches richtet, als zugestellt, sobald die Abholungseinladung in das Postfach gelegt wird, sofern dies vor Schalterschluss geschieht und der Postfachmhaber damit die Möglichkeit erhält, die Sendung noch am gleichen Tag am Postschalter in Empfang zu nehmen. Diese Rechtsprechung reicht zeitlich weit zurück und wurde anfänglich nicht näher begründet (BGE 46 I 63; BGE 55 III 170; BGE 61 II 134; BGE 74 I 15 /16). Eine Begründung findet sich erstmals im Entscheid BGE 74 I 89, wo folgendes ausgeführt wird: "Mais, en prenant une case postale, le destinataire indique luimême l'endroit où toutes les communications postales peuvent lui être valablement remises; le dépôt peut dès lors être assimilé à la notification ou remise au destinataire lui-même." An dieser Rechtsprechung ist in der Folge bis in die jüngste Zeit festgehalten worden (BGE 78 I 325 Erw. 2; BGE 83 III 96 /97, 92 I ![]() ![]() | |
Die angeführte Rechtsprechung steht im Gegensatz zu jener, die in bezug auf die Zustellung eingeschriebener Sendungen an Briefkasteninhaber entwickelt worden ist. Eine solche Sendung gilt, falls der Adressat nicht angetroffen und daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten gelegt worden ist, in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Post abgeholt wird; geschieht dies nicht innert der Abholungsfrist, so gilt die Sendung als am letzten Tag dieser heute sieben Tage betragenden Frist zugestellt (BGE 74 I 88; BGE 80 IV 204; BGE 83 III 95 /96; BGE 85 IV 116; BGE 91 II 151 /152; BGE 97 III 10; 98 Ia 136 Erw. 1 und 138/139 Erw. 4).
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3. Es fragt sich, ob die unterschiedliche Behandlung des Postfachinhabers und des Inhabers eines Briefkastens sachlich wirklich gerechtfertigt sei. Das Bundesgericht hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung vom Gedanken leiten lassen, dass mit der Miete eines Postfaches eine Art Spezialzustelldomizil bei der Post begründet werde. Diese Auffassung erscheint als zutreffend, was Institutionen oder Geschäftsfirmen anbetrifft, die ihr Postfach täglich mindestens einmal oder mehrmals leeren lassen. Bei Privaten hingegen, die unter Umständen nur deshalb ein Postfach gemietet haben, weil sie über keinen eigenen Briefkasten verfügen, verliert die unterschiedliche Behandlung ihre innere Rechtfertigung; für diese Kategorie von Postfachinhabern stellt das Postfach nichts anderes dar als "une boîte aux lettres (privée) accrochée à un bureau ![]() ![]() | |
Nach dem Bericht der Generaldirektion der PTT ist unter den Postfachinhabern die Zahl der Behörden, Institutionen, Firmen, Vereine, etc. zur Zeit noch bedeutend grösser als jene der Privaten; zudem werden die Postfächer mit ganz wenigen, nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen täglich mindestens einmal geleert. Diese Angaben sprechen eher für die Beibehaltung der bisherigen Praxis. Andrerseits ist nach dem gleichen Bericht damit zu rechnen, dass die Postzustellung mittels Postfach in den nächsten Jahren vielerorts und in grossem Stil jene der herkömmlichen Art durch Briefträger ersetzen wird. Dementsprechend hat der Bundesrat am 4. März 1974 die V I zum PVG abgeändert (AS 1974 S. 578 ff.). Der revidierte Art. 156 Abs. 6 der Verordnung sieht vor, dass in Zukunft ganze Quartiere durch zentrale Postfachanlagen bedient werden können:
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"In neuen, ausnahmsweise auch in bestehenden Grossüberbauungen (Hochhäuserquartieren, geschlossen überbauten Wohn- oder Geschäftsquartieren, Zentrumsüberbauungen u. dgl.) können die PTT-Betriebe die Zustellung der uneingeschriebenen Brief- und Paketsendungen durch auf Kosten der Hauseigentümer zu erstellende zentrale Brief- und Ablagekastenanlagen oder durch Postfachanlagen anordnen. Bei dieser Zustellart können eingeschriebene Brief-und Paketpostsendungen, Wertsendungen, Anweisungsbeträge und Betreibungsurkunden, ferner uneingeschriebene Brief- und Paketpostsendungen, die mit Nachnahme oder Taxen belastet sind oder ihres Umfanges wegen nicht in die Ablagekästen oder Postfächer gelegt werden können, dem Empfänger zur Abholung bei der nächstgelegenen Post- oder Ausgabestelle gemeldet werden, sofern sich diese innerhalb der Grossüberbauung befindet."
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Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Postzustellung durch Postfächer gegenüber jener durch Briefboten in Zukunft eine immer grössere Bedeutung erlangen wird. Immer mehr Leute werden somit gezwungen sein, ein Postfach zu benützen, obwohl sie es vielleicht vorziehen würden, sich die Postsendungen weiterhin an ihr Domizil zustellen zu lassen. Die der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegende Annahme, dass der Postfachinhaber diese Art der Zustellung um bestimmter Vorteile willen selber gewählt habe, lässt sich daher in Kürze nicht mehr aufrechterhalten. Es werden sich zufolge dieser Entwicklung zwangsläufig auch die Fälle häufen, ![]() ![]() | |
Gegen diese Lösung kann nicht eingewendet werden, sie führe zu Missbräuchen, weil der Postfachinhaber es auf diese Weise in der Hand habe, den Fristbeginn bis zu sieben Tagen hinauszuzögern. Aus dem Bericht der Generaldirektion der PTT geht hervor, dass der Postfachinhaber der Abholungseinladung nicht entnehmen kann, wer die eingeschriebene Sendung aufgegeben hat. Insbesondere aber besteht die gleiche Möglichkeit auch für den Empfänger eingeschriebener Sendungen, der sich die Abholungseinladung in den Briefkasten legen lässt. Hat die Gerichtspraxis dort die Möglichkeit missbräuchlichen Verhaltens in Kauf genommen, so ist nicht einzusehen, weshalb für den Postfachinhaber, der der PTT die Arbeit der Hauszustellung abnimmt, eine strengere Regelung gelten soll.
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Schliesslich kann es auch nicht in Frage kommen, die bisherige Rechtsprechung für jene Postfachinhaber beizubehalten, die wie Unternehmungen über die personellen Möglichkeiten verfügen, ihr Postfach regelmässig einmal täglich leeren zu lassen, und nur die übrigen den Briefkasteninhabern gleichzustellen. Abgesehen davon, dass das zu kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führen müsste, verlangen die Rechtssicherheit und der Grundsatz rechtsgleicher Behandlung, dass die Regeln über die Zustellung gerichtlicher Sendungen durch die Post möglichst klar, einfach und vor allem einheitlich gehandhabt werden.
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Aus diesen Gründen ist in Abweichung von der bisherigen Praxis davon auszugehen, auch eine an einen Postfachinhaber adressierte eingeschriebene Sendung sei erst in jenem Zeitpunkt als zugestellt zu betrachten, in welchem sie am Postschalter abgeholt wird; geschieht dies nicht innert der Abholungsfrist, ![]() ![]() | |