26. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Justiz gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
2C_393/2022 vom 5. Mai 2023 | |
Regeste | |
Art. 2 AFZFG; Begriff der Fremdplatzierung; Auswirkung der Adoption durch die Pflegeeltern, bei denen das Kind ursprünglich fremdplatziert wurde.
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Sachverhalt | |
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B. Mit Gesuch vom 12. Januar 2018 beantragte A. beim Bundesamt für Justiz (nachfolgend auch: Bundesamt) die Ausrichtung eines Solidaritätsbeitrags für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen in der Schweiz vor 1981. Mit Verfügung vom 16. Juli 2019 wies das Bundesamt das Gesuch auf Empfehlung der beratenden Kommission ab.
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B.a Mit Einsprache vom 16. September 2019 ersuchte der nunmehr anwaltlich vertretene A. neben der Aufhebung der Verfügung vom 16. Juli 2019 auch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. (...)
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Das Bundesamt wies die Einsprache und das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung mit Entscheid vom 4. November 2020 ab und wies darauf hin, dass das Einspracheverfahren kostenlos sei. In der Sache erwog es, dass in der Zeit vor der Adoption im Diakoniewerk und bei den Pflegeeltern keine Anhaltspunkte für eine Opfereigenschaft von A. vorliegen würden. Nach der Adoption sei nicht mehr von einer Fremdplatzierung im Sinne des Gesetzes auszugehen, weshalb er die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfülle.
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B.b Gegen den Einspracheentscheid des Bundesamts vom 4. November 2020 erhob A. am 7. Dezember 2020 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Er beantragte die Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids und die Gutheissung seines Gesuchs um Ausrichtung eines Solidaritätsbeitrags. Zudem ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. (...)
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Mit Verfügung vom 28. Januar 2021 gewährte das Bundesverwaltungsgericht A. die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Mit Urteil vom 30. März 2022 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gut. Es hob den Einspracheentscheid vom 4. November 2020 auf und wies die Angelegenheit zur Abklärung der Opfereigenschaft im Sinne der Erwägungen an das Bundesamt zurück. Im Weiteren wies es in Gutheissung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung das Bundesamt an, A. für das Einspracheverfahren eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 2'219.- auszurichten.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. Mai 2022 gelangt das Bundesamt für Justiz an das ![]() ![]() | |
(Auszug)
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Als Opfer gelten gemäss Art. 2 lit. d AFZFG in Verbindung mit Art. 2 lit. c AFZFG die von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen oder Fremdplatzierungen betroffenen Personen, deren körperliche, psychische oder sexuelle Unversehrtheit oder deren geistige Entwicklung unmittelbar und schwer beeinträchtigt worden ist, insbesondere durch körperliche oder psychische Gewalt (Ziff. 1), sexuellen Missbrauch (Ziff. 2), unter Druck erfolgte Kindswegnahme und Freigabe zur Adoption (Ziff. 3), unter Druck oder in Unkenntnis der Betroffenen erfolgte Medikation oder Medikamentenversuche (Ziff. 4), unter Druck oder in Unkenntnis der Betroffenen erfolgte Sterilisierung oder Abtreibung (Ziff. 5), wirtschaftliche Ausbeutung durch übermässige Beanspruchung der Arbeitskraft oder Fehlen einer angemessenen Entlöhnung (Ziff. 6), gezielte Behinderung der persönlichen Entwicklung und Entfaltung (Ziff. 7) oder durch soziale ![]() ![]() | |
4.3 Der Beschwerdegegner bringt vor, er sei unmittelbar betroffen und ersuche um einen Beitrag als Anerkennung und ![]() ![]() | |
Unter den Verfahrensbeteiligten ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner nach seiner Adoption durch seine vormaligen Pflegeeltern im Vorschulalter und im schulpflichtigen Alter Integritätsverletzungen in Form von körperlicher Gewalt durch schwere Schläge und in Form von wirtschaftlicher Ausbeutung durch übermässige Beanspruchung seiner Arbeitskraft in der schulfreien Zeit erlitt. Weiter sind sich die Verfahrensbeteiligten zu Recht einig, dass vor der Adoption des Beschwerdegegners durch die Pflegeeltern eine behördlich angeordnete Fremdplatzierung bei der Pflegefamilie vorlag. Umstritten ist allerdings, ob der Beschwerdegegner nach der Adoption weiterhin als fremdplatziert zu betrachten ist. Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdegegner auch nach der Adoption noch von einer Fremdplatzierung im Sinne von Art. 2 lit. b AFZFG betroffen war, sodass er in Verbindung mit den erstellten Integritätsverletzungen die Opfereigenschaft erfüllen kann.
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4.5 Wie der Beschwerdegegner zutreffend vorbringt, zeichnet sich die vorliegende Angelegenheit durch einen besonderen Umstand aus: Die Pflegefamilie, bei welcher er behördlich fremdplatziert wurde, ist die gleiche Familie, deren Eltern ihn später im Alter von rund ![]() ![]() | |
4.5.3 Das Gesetz bezweckt gemäss Art. 1 Abs. 1 AFZFG die Anerkennung und Wiedergutmachung des Unrechts, das den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen in der Schweiz vor 1981 zugefügt worden ist. "Es ist das Ziel der Vorlage, das den Opfern zugefügte Leid und die damit verbundenen ![]() ![]() | |
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