10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Gemeinde Samedan und Kanton Graubünden, vertreten durch die Regierung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
1C_398/2021 vom 8. November 2022 | |
Regeste | |
Art. 2 Abs. 1 RPG; Abweichung eines Sondernutzungsplans (Arealplans) von der Grundordnung.
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Sachverhalt | |
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B. Am 19. November 2018 beschloss der Gemeindevorstand den Arealplan "Bahnhof" umfassend die Arealplanvorschriften, den Bestandesplan 1:500 und den Arealplan 1:500. Dieser legt die Rahmenbedingungen in den Bereichen Nutzung, Gestaltung und Erschliessung fest und bildet das Nutzungs- und Gestaltungskonzept im Sinne von Art. 58 Abs. 2 des Baugesetzes der Gemeinde Samedan vom 15. Dezember 2005 (BG) für die Bahnhofzone.
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Gegen den Arealplan "Bahnhof" gelangten Nachbarn mit Beschwerde an die Regierung des Kantons Graubünden, die das Rechtsmittel am 26. November 2020 abwies und gleichzeitig den Arealplan genehmigte. Die anschliessende Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wurde mit Urteil vom 15. Dezember 2020 abgewiesen.
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C. Am 24. Juni 2021 erheben sie Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2020 aufzuheben und die Genehmigung für den Arealplan Bahnhof Samedan zu verweigern. ![]() | |
(Zusammenfassung)
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Die Kantone sind indes - wie einleitend bemerkt - nicht frei, beliebig grosse Abweichungen von der Grundordnung zuzulassen. Diesbezüglich hat das Bundesgericht verschiedentlich festgehalten, dass die Nutzungsplanung grundsätzlich aus einer Gesamtsicht der raumbedeutsamen Belange heraus erfolgen muss. Insbesondere ist zur Planung der Entwicklung der Bautätigkeit ein planerisches Gesamtkonzept erforderlich. Der unkoordinierte Erlass von Sondernutzungsordnungen für Teile des Gemeindegebiets widerspricht der Planungspflicht von Art. 2 Abs. 1 RPG (Urteile 1C_108/2018 vom 26. Oktober 2018 E. 4.4; 1C_573/2015 vom 5. Juli 2016 E. 2.2; 1P.670/1991 vom 4. Juni 1993 E. 7b, in: ZBl 95/1994 S. 140; JEANNERAT/MOOR, a.a.O., N. 30 zu Art. 14 RPG; WALDMANN/HÄNNI, Raumplanungsgesetz, 2006, N. 25 zu Art. 2 und N. 22 zu Art. 14 RPG). Sondernutzungspläne, welche die Grundordnung in wesentlichen Teilen ausser Kraft setzen, sind grundsätzlich unzulässig (Urteil 1C_222/ 2019 vom 4. September 2020 E. 5.1; vgl. BGE 135 II 209 E. 5.2; Urteile 1C_800/2013 vom 29. April 2014 E. 2; 1P.270/2005 vom 26. September 2005 E. 3.3.2; AEMISEGGER/KISSLING, in: Praxiskommentar RPG: Nutzungsplanung, Aemisegger und andere [Hrsg.], 2016, N. 78 zu Vorbemerkungen zur Nutzungsplanung; JEANNERAT/MOOR, a.a.O., N. 30 zu Art. 14 RPG; PLETSCHER, a.a.O., Rz. 469 ff.). Die in Art. 2 Abs. 1 RPG statuierte Planungspflicht verlangt, dass die Grundordnung überprüft wird, wenn sich für Teilgebiete erhebliche Abweichungen von der bisherigen Grundordnung aufdrängen. Weiter verlangt diese Bestimmung, dass der planerische Stufenbau eingehalten wird (siehe dazu BGE 137 II 254 E. 3.1), was bei wesentlichen Abweichungen nicht mehr der Fall ist, da sich der Sondernutzungsplan nicht mehr im Rechtsrahmen bewegt, den ihm die hierarchisch übergeordnete Grundordnung vorgibt. Gleichzeitig sind die Grundnutzungsplanung und die Sondernutzungsplanung im Falle ![]() ![]() | |
Die Planungspflicht und der planerische Stufenbau (Art. 2 Abs. 1 RPG) stehen in direktem Zusammenhang mit der für die Grundordnung und die Sondernutzungsplanung vorgesehenen behördlichen Zuständigkeit und dem jeweils verlangten Rechtsetzungsverfahren. Bei der Prüfung der Zulässigkeit von Abweichungen eines Sondernutzungsplans von der Grundordnung ist daher von Bedeutung, ob die Abweichung gleichzeitig eine geringere demokratische Abstützung bedeutet oder nicht. Allerdings darf ein Sondernutzungsplan die Grundordnung auch nicht ihres Sinngehalts entleeren, wenn er von den gleichen Organen und im gleichen Verfahren festgesetzt und genehmigt wurde wie die Grundordnung (Urteil 1C_800/2013 vom 29. April 2014 E. 2.2.2; GRIFFEL, a.a.O., S. 75). Ein strengerer Massstab an die Zulässigkeit solcher Abweichungen ist anzulegen, wenn der Erlass eines Sondernutzungsplans von einer weniger stark demokratisch legitimierten Behörde bzw. in einem weniger stark demokratisch abgestützten Verfahren ergangen ist als der Erlass der Grundordnung (in diesem Sinn auch GROSSENBACHER/JÄGER, a.a.O., S. 185).
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4.1 Der Arealplan ist, wie die Vorinstanz ausführt, ein Plan der Grundordnung; dies, obwohl es sich bei ihm wie beim Quartierplan nach Art. 51 ff. KRG/GR um ein (fakultatives) Planungsmittel der Folgeplanung handle. Er bedarf der Genehmigung durch die Regierung (siehe Art. 49 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 2, Art. 19a Abs. 2 ![]() ![]() | |
4.2 Der strittige Arealplan wurde somit vom Gemeindevorstand erlassen und unterstand nicht wie der Rahmennutzungsplan der ![]() ![]() | |
Der Arealplan lässt demgegenüber im Sockel bis 1706 m.ü.M. eine unbegrenzte Gebäudelänge zu; die Gebäudelänge im EG und 1. OG bis 1713 m.ü.M. dürfen maximal 90 m betragen, jene im 2. OG bis 1716 m.ü.M. maximal 60 m, jene ab 1716 m.ü.M. maximal 35 m.
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4.5 Die vorgesehenen Abweichungen können mit den Beschwerdeführenden als massiv bezeichnet werden (für eine Übersicht zur Rechtsprechung über die Zulässigkeit von Abweichungen bez. Gebäudelängen im Rahmen der Sondernutzungsplanung PLETSCHER, a.a.O., Rz. 491 ff.). Beim gemäss der Vorinstanz im Wesentlichen unter dem bestehenden Terrain gelegenen Geschoss im Sockel bis 1706 m.ü.M., das bloss gegen die Via Promulins hin das vorbestehende Terrain minimal überrage, werden die in der Grundordnung vorgesehenen maximalen Gebäudelängen vollständig übergangen. Auch im EG und im 1. OG sind sie neu dreimal, im 2. OG doppelt so lang zugelassen und in den Geschossen darüber immer noch um 5 m länger, als von der Grundordnung vorgesehen. Insgesamt ist eine solche Abweichung geeignet, den Charakter der geplanten Fläche augenfällig und grundlegend zu verändern. Die im EG und im 1. OG nach Arealplan zugelassene Gebäudelänge von 90 m übertrifft alle übrigen im BG ausdrücklich genannten maximal zulässigen Gebäudelängen, insbesondere die 40 m, die in der am ehesten mit der vorgesehenen Nutzungsart vergleichbaren Mischzone "Gewerbe- und Wohnzone" erlaubt sind. Es ist nicht ersichtlich, wie sich eine solche Abweichung noch derart in die Grundordnung einfügen könnte, dass diese nicht als ihres Gehalts entleert erscheinen würde. Daran vermag letztlich auch nichts zu ändern, dass die Ausnützung nach Arealplan ![]() ![]() ![]() |