8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Kühni und Müller gegen Suter und Berner (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
1C_661/2021 vom 14. Juli 2022 | |
Regeste | |
Art. 89 Abs. 1 lit. a, Art. 89 Abs. 3, Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Beschwerde in Stimmrechtssachen; Anfechtung eines Urteils, welches das kommunale Parlament verpflichtet, eine neue Umsetzungsvorlage zu einer allgemeinen Anregung auszuarbeiten.
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Sachverhalt | |
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"E. Nachhaltiger Finanzhaushalt
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1 Die Stadt führt den Finanzhaushalt so, dass bei einer massvollen Steuerbelastung langfristig das Eigenkapital nicht sinkt und die Schuldenquote nicht ansteigt.
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2 Der Einwohnerrat konkretisiert in einem Reglement die Vorgaben und deren Umsetzung und regelt darin die Folgen bei einer Verletzung der Vorgaben."
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"1. Dem obligatorischen Referendum unterstehender Beschluss (Referendumsabstimmung am 19. Mai 2019):
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Folgende Ergänzung der Gemeindeordnung (§ 10f [neu]) wird gutgeheis
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sen:
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E. Nachhaltiger Finanzhaushalt
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1 Die Stadt führt den Finanzhaushalt so, dass mittelfristig die Erfolgsrechnung ausgeglichen ist und die Nettoinvestitionen langfristig selber finanziert werden.
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2 Der Einwohnerrat konkretisiert in einem Reglement die Vorgaben."
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B.
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B.a Die in Aarau stimmberechtigte Martina Suter und das Einwohnerratsmitglied Yannick Berner erhoben am 3. April 2019 Beschwerde beim Regierungsrat, welcher die Beschwerde zuständigkeitshalber an das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) überwies. Sie beantragten die Aufhebung des Einwohnerratsbeschlusses und verlangten, der Einwohnerrat sei anzuweisen, eine Vorlage auszuarbeiten, welche den Vorgaben der eingereichten Volksinitiative entspreche. Ausserdem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und somit keine Volksabstimmung zum Einwohnerratsentscheid anzusetzen.
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Am 9. April 2019 wies das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Gemeindeabteilung, das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab.
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Die Stimmberechtigten der Stadt Aarau nahmen die vorgeschlagene Ergänzung der Gemeindeordnung um einen § 10f betreffend einem nachhaltigen Finanzhaushalt in der Referendumsabstimmung vom 19. Mai 2019 unter dem Titel "Initiative 'Schuldenbremse zur Sicherung eines ausgeglichenen Finanzhaushalts der Stadt Aarau'" mit 3'177 Ja-Stimmen zu 2'903 Nein-Stimmen an.
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Das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Gemeindeabteilung, trat auf die Beschwerde von Martina Suter und Yannick Berner nicht ein, da diese verspätet sei. Dagegen reichten Martina Suter und Yannick Berner am 28. Mai 2019 verwaltungsgerichtliche Beschwerde ein. Mit Urteil vom 12. September 2019 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, diese ab.
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B.b Gegen dieses Urteil erhoben Martina Suter und Yannick Berner Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim ![]() ![]() | |
B.c In Umsetzung des Bundesgerichtsurteils vom 9. September 2020 trat das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Gemeindeabteilung, auf die Beschwerde vom 3. April 2019 ein und entschied am 17. Juni 2021, die Stimmrechtsbeschwerde vom 3. April 2019 abzuweisen.
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Mit Beschwerde vom 23. Juni 2021 gelangten Martina Suter und Yannick Berner an das Verwaltungsgericht und beantragten, den Entscheid aufzuheben und die Sache an den Einwohnerrat zurückzuweisen zum Erlass eines rechtmässigen Beschlusses zur Umsetzung der Volksinitiative, eingereicht am 25. April 2015, der vorsieht, dass die Grundzüge der Ausgaben- und Schuldenbremse in der Gemeindeordnung geregelt werden.
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B.d Mit Urteil vom 28. September 2021 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut, hob den angefochtenen Entscheid auf und wies den Einwohnerrat der Stadt Aarau an, im Sinne der Erwägungen eine Vorlage auszuarbeiten, welche die Anliegen der Initiative "Schuldenbremse zur Sicherung eines ausgeglichenen Finanzhaushalts der Stadt Aarau" umsetzt und diese in der GO Aarau verankert.
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C. Dagegen erheben mit Eingabe vom 1. November 2021 Philippe Kühni und Stephan Müller Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. September 2021 aufzuheben und den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres vom 17. Juni 2021 zu bestätigen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Erwägung 1 | |
1.1 Angefochten ist das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau WBE.2021.229 vom 28. September 2021. Dieses hebt den Beschluss des Einwohnerrats der Stadt Aarau vom 25. März 2019 auf und weist die Sache zurück an den Einwohnerrat der Stadt ![]() ![]() | |
1.4 Die Beschwerdegegner stellen das Beschwerderecht der Beschwerdeführer dagegen infrage, weil diese an den bisherigen Verfahren ![]() ![]() | |
Vorliegend hat die Vorinstanz die Beschwerde gutgeheissen. Damit hat sie für die übrigen, an den vorinstanzlichen Verfahren noch nicht beteiligten Stimmberechtigten - unter ihnen die Beschwerdeführer - erst Anlass gegeben, selbst Beschwerde zu erheben. Die Beschwerdeführer sind daher gestützt auf Art. 89 Abs. 1 lit. a zweiter Halbsatz BGG zur Beschwerde zuzulassen (Urteile des Bundesgerichts 1C_302/2012 / 1C_303/2012 vom 27. Februar 2013 E. 2.1; 1C_578/ 2010 und andere vom 20. Dezember 2011 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 138 I 131). Sie sind somit nach Art. 89 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 BGG zur Beschwerde berechtigt.
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1.5 Für die Berechnung der Beschwerdefrist ist grundsätzlich das Datum der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des angefochtenen Entscheids ausschlaggebend (Art. 100 Abs. 1 BGG). Im Lichte der geschilderten bundesgerichtlichen Rechtsprechung wäre ein solcher kantonaler Entscheid in Gutheissung einer Beschwerde in Stimmrechtsangelegenheiten allen Stimmberechtigten zu eröffnen bzw. stattdessen amtlich zu veröffentlichen. Ob die Eröffnung den Anforderungen entsprach und wann sie allenfalls für die übrigen Stimmberechtigten erfolgt ist, muss nicht weiter vertieft werden. ![]() ![]() | |