30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Politische Gemeinde St. Gallen und Regierung des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten) | |
1C_177/2021 vom 10. März 2022 | |
Regeste | |
Art. 30e, 58 USG; Art. 26, 27 BV; Enteignung für eine Deponie.
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Sachverhalt | |
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B. Gegen den Entscheid der Regierung erhob A. Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Dieses wies die Beschwerde mit Entscheid vom 25. Februar 2021 ab, soweit es darauf eintrat.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 12. April 2021 beantragt A. die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Feststellung, dass der Stadt St. Gallen das Enteignungsrecht nicht zustehe. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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(Auszug)
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Erwägung 3 | |
3.1 Der angefochtene Entscheid erging in einem nach kantonalem Recht durchgeführten Enteignungsverfahren. Die eigentliche materiellrechtliche Grundlage hat die Enteignung für eine Deponie aber in Art. 58 USG (SR 814.01). Nach Abs. 1 dieser Bestimmung können der Bund und die Kantone, soweit der Vollzug des USG es erfordert, die notwendigen Rechte selbst enteignen oder dieses Recht Dritten ![]() ![]() | |
Erwägung 3.2 | |
3.2.3 Weiter unterliegen Deponien insbesondere der Bewilligungspflicht gemäss Art. 30e Abs. 2 USG. Dabei macht diese Bestimmung die Errichtungs- bzw. Bau- wie auch die Betriebsbewilligung für eine Deponie von einem Bedarfsnachweis abhängig. Da jede Deponie Umweltrisiken birgt, besteht ein öffentliches Interesse daran, die Anzahl solcher Anlagen möglichst tief zu halten und für eine möglichst gute Auslastung der bestehenden Deponien zu sorgen. Die in Art. 30e USG verankerte Bedürfnisklausel ist somit ![]() ![]() | |
3.2.4 Die Entsorgung der Siedlungsabfälle ist Sache der Kantone, wobei diese über ein Entsorgungsmonopol verfügen (vgl. dazu Art. 31b USG; BGE 137 I 257 E. 3.2; BGE 125 II 508 E. 5b); demgegenüber besteht grundsätzlich ein Freiraum privatwirtschaftlicher Tätigkeit bei der Entsorgung der übrigen Abfälle (vgl. dazu Art. 31c USG; BGE 131 II 271 E. 9.2.1; BGE 126 II 26 E. 3b). Diese Unterscheidung spielt aber angesichts der soeben dargelegten Bedürfnisklausel bei der Bewilligung von Deponien gemäss Art. 30e Abs. 2 USG im vorliegenden Zusammenhang keine wesentliche Rolle. Vielmehr erfordert es der Vollzug des USG, dass alle Deponien mit ausgewiesenem Bedarf an den dafür vorgesehenen Standorten unabhängig von den dort gegebenen Grundeigentumsverhältnissen realisiert werden können (vgl. LORETAN, USG-Kommentar, a.a.O., N. 16 zu Art. 58 USG; GRODECKI, Commentaire LPE, a.a.O., N. 33 zu Art. 58 USG). Die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe liegt beispielsweise auch dann vor, wenn ein Privatunternehmen - ohne über einen Vollzugsauftrag zu verfügen - im Rahmen der kantonalen Abfall- und Raumplanung eine VVEA-konforme Deponie betreiben möchte (vgl. LORETAN, USG-Kommentar, a.a.O., N. 22 zu Art. 58 USG). Unter diesen Voraussetzungen bietet Art. 58 Abs. 1 USG eine gesetzliche Grundlage für die Zulässigkeit einer Enteignung nicht nur für Deponien zur Ablagerung von Abfällen im Anwendungsbereich von Art. 31b USG, sondern - entgegen dem Beschwerdeführer - auch von übrigen Abfällen im Sinne von Art. 31c USG.
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3.2.5 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass eine Enteignung gestützt auf Art. 58 Abs. 1 USG für alle VVEA-konformen Deponien bei ausgewiesenem Bedarf in Betracht kommt. Dieses Auslegungsergebnis ist mit den vom Beschwerdeführer angerufenen verfassungsmässigen Rechten der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) vereinbar. Der ![]() ![]() | |
3.4 Die Vorinstanz hat hauptsächlich Art. 5 lit. a des Enteignungsgesetzes des Kantons St. Gallen vom 31. Mai 1984 (EntG/SG; sGS 735.1) als gesetzliche Grundlage für die Zulässigkeit der umstrittenen Enteignung betrachtet. Diese kantonale Bestimmung lässt eine Enteignung für Bau, Betrieb und Unterhalt sowie künftige Erweiterung öffentlicher oder überwiegend im öffentlichen Interesse liegender Werke zu. Art. 5 lit. a EntG/SG kommt jedoch im vorliegenden Zusammenhang keine über Art. 58 Abs. 1 USG hinausgehende Bedeutung zu. Es kommt somit nicht darauf an, inwiefern die Deponie Tüfentobel die kantonalrechtliche Anforderung erfüllt, überwiegend im öffentlichen Interesse zu liegen. Soweit der Beschwerdeführer eine bundesrechtswidrige Anwendung von Art. 5 EntG/SG rügt, stossen seine Vorwürfe ins Leere. ![]() |