28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement gegen A. AG und Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte im Kanton Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
2C_1038/2020 vom 15. März 2022 | |
Regeste | |
Art. 49 und Art. 186 Abs. 4 BV; Art. 66 Abs. 4, Art. 89 Abs. 2 lit. a und Art. 111 Abs. 2 BGG; § 13 und § 65a Abs. 2 VRG/ZH; Sinn und Zweck der Behördenbeschwerde des Bundes und entsprechende Verteilung kantonaler Gerichtskosten.
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Der Aufsichtszweck der Behördenbeschwerde des Bundes wird wesentlich erschwert, wenn kantonales Verfahrensrecht in einer Weise ausgelegt und angewendet wird, dass der Bundesbehörde unter Vorbehalt von Ausnahmen kantonale Gerichtskosten auferlegt werden können. Einer Bundesbehörde, welche im Rahmen einer Behördenbeschwerde ihre spezialgesetzlich vorgesehene Aufsichtsfunktion ohne jegliche Vermögensinteressen im kantonalen Verfahren wahrnimmt, dürfen, unter Vorbehalt einer Ausnahme im Sinne von Art. 66 Abs. 4 BGG, keine kantonalen Gerichtskosten auferlegt werden (E. 3).
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Sachverhalt | |
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Die Aufsichtskommission gab dem Gesuch mit Beschluss vom 14. Mai 2020 statt, wobei sie im Beschlussdispositiv unter anderem feststellte, die Anwaltskörperschaft A. AG erfülle die einschlägigen, aufsichtsrechtlichen Anforderungen.
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B. Mit Beschwerde vom 23. Juni 2020 an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) die Aufhebung des vorgenannten Beschlusses der Aufsichtskommission, da die Organisationsstruktur (insb. Statuten) der A. AG nicht den Vorgaben von BGE 144 II 147 entspreche.
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Mit Beschwerdeantwort vom 14. August 2020 beantragten Rechtsanwalt B. und die A. AG, unter Beilage des Beschlusses vom 11. August 2020 und da die Beschwerdegründe des EJPD damit als gegenstandslos dahingefallen seien, die entsprechende Abschreibung der Beschwerde des EJPD unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
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Mit Verfügung vom 14. Oktober 2020 schrieb das Verwaltungsgericht (Einzelrichterin) das vorgenannte Verfahren als gegenstandslos ab. Die Gerichtskosten von Fr. 1'180.- wurden gemäss Ziff. 3 Dispositiv zu je einem Drittel dem EJPD, der "Beschwerdegegnerschaft 1-2" (bestehend aus der A. AG und Rechtsanwalt B.; unter solidarischer Haftung für diesen Drittel) und der Aufsichtskommission auferlegt.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 14. Dezember 2020 beantragt das EJPD (Beschwerdeführer) die Aufhebung der Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2020 (Antrag 1). Der Beschwerdeführer sei von allen Gerichtskosten zu befreien und letztere seien der A. AG (Beschwerdegegnerin 1) und/oder der Aufsichtskommission (Beschwerdegegnerin 2) aufzuerlegen (Antrag 2).
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Die Vorinstanz beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin 1 beantragt mit Vernehmlassung vom 11. Januar 2021, unter Beilage eines Zahlungsbelegs bezüglich der Überweisung von Fr. 1'180.- an die Vorinstanz, sinngemäss die Abschreibung des bundesgerichtlichen Verfahrens, da sie auch die dem EJPD im vorinstanzlichen Verfahren auferlegten Kosten (vgl. Bst. B) bezahlt habe. Letzteres (Beschwerdeführer) repliziert mit Eingabe vom 9. Februar 2021 und präzisiert seine Anträge dahingehend, dass sich die Beschwerde einzig gegen Ziff. 3 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung (vgl. Bst. B) richte und der zweite Antrag der Beschwerde (vom 14. Dezember 2020) als Präzisierung des ersten Antrags (auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung) zu verstehen sei. Ausserdem führe die Zahlung sämtlicher (vorinstanzlicher) Gerichtskosten durch die Beschwerdegegnerin 1 nicht zur Gegenstandslosigkeit des bundesgerichtlichen ![]() ![]() | |
Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung hat ein Koordinationsverfahren im Sinne von Art. 23 Abs. 2 BGG eingeleitet (vgl. E. 3.3.8 unten).
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Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird vom Bundesgericht gutgeheissen.
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Erwägung 3 | |
3.3.3 Art. 111 Abs. 2 BGG verweist nicht auf Art. 66 Abs. 4 BGG, wonach dem Bund in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden dürfen, wenn er in seinem amtlichen Wirkungskreis betroffen ![]() ![]() | |
3.3.4 § 65a Abs. 2 VRG/ZH verweist bezüglich der Kostenverteilung im (kantonalen) verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf § 13-16 VRG/ZH. Laut § 13 Abs. 2 Satz 1 VRG/ZH sind die Kosten in der Regel nach dem Unterliegerprinzip zu verteilen. Gemäss kantonaler Praxis können auch der Bund, der Kanton oder die Gemeinden kostenpflichtig werden für Amtshandlungen, die auch für Private kostenpflichtig gewesen wären, wobei in der Lehre das Beispiel eines kantonalen Hochbauvorhabens, sprich der Kanton als Bauherr, genannt wird. Zudem sollen erstinstanzlich anordnenden Behörden Verfahrenskosten auferlegt werden können, nicht aber weiteren Vorinstanzen, da letztere ausschliesslich die ihnen anvertrauten öffentlichen Interessen zu wahren haben (KASPAR PLÜSS, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG] [nachfolgend: Kommentar VRG], Alain Griffel [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 46 ff. zu § 13 VRG/ZH). Eine spezifische Regelung, wie die Kosten im Falle einer Behördenbeschwerde des Bundes auf kantonaler Ebene zu verteilen sind, enthält das VRG/ZH nicht. Ebenso ![]() ![]() | |
3.3.6 Nachdem das einschlägige, kantonale Verfahrensrecht gar keine explizite Regelung enthält, wie bei einer Behördenbeschwerde des Bundes die Gerichtskosten zu verteilen sind, und sich bei anderen nicht ausdrücklich geregelten Fragestellungen bezüglich Kosten an den Normen für das bundesgerichtliche Verfahren oder der Praxis des Bundesgerichts orientiert, erscheint es naheliegend, auch bezüglich der Behördenbeschwerde des Bundes auf kantonaler Ebene den Fokus auf den Sinn und Zweck der Behördenbeschwerde zu legen. Dies ist insofern angezeigt, als die Kostenbelastung einer Bundesbehörde, welche mittels Behördenbeschwerde auf kantonaler Ebene ihre Aufsichtsfunktion wahrnimmt, durchaus geeignet ist, die Ergreifung der Behördenbeschwerde auf kantonaler Ebene und damit die ![]() ![]() | |
3.3.7 Sinn und Zweck der Behördenbeschwerde des Bundes im Sinne von Art. 89 Abs. 2 lit. a und Art. 111 Abs. 2 BGG ist die Sicherstellung der einheitlichen und korrekten Anwendung von Bundesrecht. Sie ist ein Mittel der Bundesaufsicht (vgl. nicht publ. E. 1.5 und 3.3.1 oben). Dem ist durch verfassungs- respektive bundesrechtskonforme Auslegung des VRG/ZH Rechnung zu tragen (vgl. zur verfassungskonformen Auslegung BGE 146 I 70 E. 4; BGE 145 I 73 E. 2; BGE 138 I 321 E. 2; Urteile 2C_187/2020 vom 9. Juli 2020 E. 4.1; 1C_262/2007 vom 31. Januar 2008 E. 4.2 ff.). Der Zweck der Behördenbeschwerde des Bundes wird wesentlich erschwert, wenn § 13 VRG/ZH bzw. das VRG/ZH in einer Weise angewendet wird, dass Bundesbehörden bei Einlegung des genannten Rechtsmittels auf kantonaler Stufe die Gerichtskosten auferlegt werden können (unter Vorbehalt der nachfolgenden Ausnahmen). Eine solche Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts verstösst gegen den Sinn und Geist von Art. 49 Abs. 2 BV und Art. 111 Abs. 2 BGG und hat deshalb als bundesrechtswidrig zurückzutreten.
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Davon abzugrenzen sind Konstellationen, bei denen gemäss expliziter bundesrechtlicher Vorschrift im kantonalen Verfahren der unterliegenden Partei die (kantonalen) Gerichtskosten aufzuerlegen sind (vgl. beispielsweise Art. 144 Abs. 1 und Art. 145 Abs. 2 DBG [SR 642.11]) und die Bundesbehörde mit ihrer Behördenbeschwerde nicht nur eine Aufsichtsfunktion wahrnimmt, sondern auch Vermögensinteressen verfolgt (sog. Doppelnatur der Behördenbeschwerde). Wenn somit beispielsweise die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) im kantonalen Verfahren eine Behördenbeschwerde ergreift - mithin als Beschwerdeführerin auftritt und nicht bloss eine ![]() ![]() | |
Ebenso muss die Möglichkeit vorbehalten bleiben, einer Bundesbehörde im Rahmen eines Behördenbeschwerdeverfahrens ausnahmsweise die kantonalen Gerichtskosten aufzuerlegen, wenn sie unnötige Kosten verursacht hat. Art. 66 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG erlaubt in einem solchen Fall, einer Behörde (oder mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisation) ausnahmsweise die Gerichtskosten des bundesgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen (Der Gesetzeswortlaut "in der Regel" von Art. 66 Abs. 4 BGG lässt dafür den nötigen Spielraum. Vgl. dazu beispielsweise BGE 142 V 551 E. 9; Urteil 9C_354/2020 vom 8. September 2020 E. 5). Im vorliegenden Kontext wäre dies etwa denkbar, wenn eine im kantonalen Bewilligungsverfahren begrüsste Bundesbehörde vernehmlassungsweise zunächst keine Bedenken äussert, dann aber die entsprechende Verfügung oder den entsprechenden Entscheid beim kantonalen Verwaltungsgericht anficht.
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3.3.8 Die Vereinigung der betroffenen Abteilungen des Bundesgerichts (I. und II. öffentlich-rechtliche Abteilung, I. und II. sozialversicherungsrechtliche Abteilung) hat an ihrer Sitzung vom 18. Januar 2022 im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 23 Abs. 2 BGG aufgrund des Gesagten verneint, dass einer Bundesbehörde, welche im Rahmen einer Behördenbeschwerde ihre spezialgesetzlich vorgesehene Aufsichtsfunktion (ohne jegliche Vermögensinteressen) im kantonalen Verfahren wahrnimmt, auch dann kantonale Gerichtskosten auferlegt werden können, wenn keine Ausnahme im Sinne von Art. 66 Abs. 4 BGG vorliegt. Dies gilt entsprechend auch für § 13 VRG/ZH bzw. das VRG/ZH generell. Vorliegend verfolgte der Beschwerdeführer mit seiner Behördenbeschwerde im Rahmen des kantonalen Rechtsmittelverfahrens lediglich eine Aufsichtsfunktion und keine Vermögensinteressen, setzte er sich doch dafür ein, dass eine kantonale Aufsichtsbehörde die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichts beachte (Bst. B oben). Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin 1 nach Eingang der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde ihre Statuten rasch angepasst hat (Bst. B oben), bedeutet zudem nicht, dass die Ergreifung dieses Rechtsmittels unnötig war bzw. der Beschwerdeführer unnötige Kosten verursacht hat. ![]() |