6. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Steuerverwaltung des Kantons Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
2C_1218/2013 / 2C_1219/2013 vom 19. Dezember 2014 | |
Regeste | |
Art. 58 Abs. 1 lit. a-c DBG; Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz; Bilanzberichtigung und Bilanzänderung; Zeitpunkt; Rückstellung für Steuern.
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Im System der Gegenwartsbemessung ist grundsätzlich bei jeder Aufrechnung gestützt auf Art. 58 Abs. 1 lit. b oder c DBG die Rückstellung für die darauf zu entrichtenden Steuern entsprechend zu erhöhen (E. 5).
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Sachverhalt | |
Mit definitiven Veranlagungsverfügungen 2009 und 2010 nahm die Steuerverwaltung des Kantons Zug verschiedene Aufrechnungen vor. Im Einschätzungsvorschlag, den sie der Steuerpflichtigen vorgängig unterbreitet hatte, begründete die Steuerverwaltung diese Aufrechnung näher.
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Mit Einsprache vom 21. Juni 2012 reichte die Steuerpflichtige "neue (definitive) Jahresrechnungen" zusammen mit "überarbeiteten" Steuererklärungen 2009 und 2010 ein und beantragte, entsprechend diesen veranlagt zu werden. Zur Begründung führte sie aus: Nachdem die Steuerverwaltung nach Prüfung der "provisorischen ![]() ![]() | |
Mit Entscheid vom 14. März 2013 wies die Rechtsmittelkommission der Steuerverwaltung des Kantons Zug die Einsprache ab. Das Zuger Verwaltungsgericht wies mit Urteil vom 5. November 2013 Rekurs und Beschwerde ab.
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Gegen dieses Urteil führt die Steuerpflichtige Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit welcher sie die gleichen zahlenmässigen Anträge stellt wie in Einsprache, Rekurs und Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Erwägung 3 | |
3.2 Der Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz wirkt sich auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus: ![]() ![]() | |
Bilanzberichtigungen können - solange keine rechtskräftigen Veranlagungen vorliegen - immer vorgenommen werden und sind von Amtes wegen durchzuführen, weil damit die Richtigstellung einer Bilanzposition erreicht wird, welche gegen zwingende handelsrechtliche Vorschriften verstösst (Urteil 2C_787/2012 / 2C_788/2012 vom 15. Januar 2013 E. 2.2, in: StE 2013 B 72.11 Nr. 23, RDAF 2013 II S. 380 mit weiteren Hinweisen; ferner Urteil 2A.275/1998 vom 6. März 2000 E. 3 a/bb; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, 2. Teil, 2004, N. 15, 21 zu Art. 58 DBG). Sie werden von den Steuerbehörden in der Steuerbilanz von Amtes wegen berücksichtigt (LOCHER, a.a.O., N. 18 ff. zu Art. 58 DBG, mit Hinweis auf das Urteil 2A.275/1998 vom 6. März 2000 E. 3a/bb, in: NStP 54/2000 S. 46, 49). Bilanzberichtigungen können sich zu Gunsten oder zu Ungunsten steuerpflichtiger juristischer Person auswirken (LOCHER, a.a.O. N. 15 zu Art. 58 DBG; Urteil 2C_911/2013 / 2C_912/2013 vom 26. August 2014 E. 6.1.2). Ist indessen die Veranlagung in Rechtskraft erwachsen, ist eine Bilanzberichtigung nur bei einem Revisionsgrund zulässig (zu Gunsten des Steuerpflichtigen) oder im Falle eines Nachsteuerverfahrens (zu Ungunsten des Steuerpflichtigen; zit. Urteil 2C_911/2013 / 2C_912/2013 ebenda; LOCHER, a.a.O., N. 21 zu Art. 58 DBG). ![]() | |
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(...)
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5.1 Mit der Rückstellung wird dem laufenden Geschäftsjahr ein tatsächlich oder zumindest wahrscheinlich verursachter, in seiner Höhe aber noch nicht genau bekannter Aufwand oder Verlust, der sich erst in einer späteren Periode geldmässig verwirklicht, gewinnmindernd angerechnet (Kommission Steuerharmonisierung, Harmonisierung des Unternehmenssteuerrechts, 1995, S. 35; REICH, a.a.O., § 15 Rz. 91 S. 394). Betriebswirtschaftlich und handelsrechtlich ist allgemein anerkannt, dass für geschuldete Steuern schon vor der Veranlagung Rückstellungen oder passive Rechnungsabgrenzungsposten gebildet ![]() ![]() | |
Allerdings setzt die Passivierung voraus, dass eine Nachbelastung voraussehbar ist. Der steuerpflichtigen Person kann keine willkürliche Unterlassung einer Rückstellung vorgeworfen werden, wenn die Abweichung von der Deklaration nicht voraussehbar war, z.B. bei unterschiedlichen Auffassungen über die Bewertung (RICHNER UND ANDERE, a.a.O., N. 8 zu Art. 59 DBG). Fraglich ist daher, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Rückstellung für Steuernachforderungen auch noch nachträglich zugelassen werden kann.
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Nach Ansicht der Autoren des Handkommentars zum DBG (RICHNER UND ANDERE, a.a.O., N. 6-8 zu Art. 59 DBG) verlangt das Imparitätsprinzip, dass für die im Zeitpunkt der Bilanzerstellung noch nicht bilanzierten Steuern Rückstellungen gebildet werden; andernfalls bestehe die Gefahr eines doppelten Abzugs, da bezahlte Steuern in jedem Fall geschäftsmässig begründeten Aufwand bilden würden. Unterbleibe eine Rückstellung, könne dies nicht nachgeholt werden, auch wenn sich nachträglich aufgrund einer Aufrechnung durch die Veranlagungsbehörde der steuerbare Gewinn erhöhe. ![]() | |
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Diese Ansicht wird nun auch von BRÜLISAUER/HELBING (in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, 2. Aufl. 2008, N. 9 zu Art. 59 DBG) und ROBERT DANON (in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2008, N. 7 zu Art. 59 DBG) geteilt.
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5.5 Die hauptsächlich von LOCHER und von weiteren Autoren vertretene neuere Auffassung verdient Zustimmung. Im System der Gegenwartsbemessung ist grundsätzlich bei jeder Aufrechnung gestützt auf Art. 58 Abs. 1 lit. b oder c DBG die Rückstellung für die darauf zu entrichtenden Steuern entsprechend zu erhöhen. Zum ![]() ![]() | |
Das Problem, dass Bemessungsperiode und Steuerperiode auseinanderfallen, und die damit zusammenhängende zeitversetzte Berücksichtigung der Steuerrückstellung, stellt sich bei der Gegenwartsbemessung nicht mehr. Auf diesen Aspekt weisen bereits AGNER/JUNG/ STEINMANN (a.a.O, N. 6 zu Art. 59 DBG) hin, wenn sie ausführen, dass das geltende Postnumerando-System mit Gegenwartsbemessung "einen triftigen Grund" darstelle, um die mit dem steuerbaren Gewinn korrelierende Rückstellung für Steuern "gegebenenfalls in mässiger Abweichung vom Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz von Amtes wegen auch zugunsten der Steuerpflichtigen anzuwenden". Eine Bilanzberichtigung für die Steuerrückstellung ist somit auch im vorliegenden Fall von Bundesrechts wegen zu gewähren. ![]() |