23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
2C_203/2008 vom 29. April 2008 | |
Regeste | |
Art. 83 lit. f Ziff. 2 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 28 BoeB; öffentliches Beschaffungswesen des Bundes; Widerruf des Zuschlags und Abbruch des Vergabeverfahrens; aufschiebende Wirkung.
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Die Vergabestelle kann ein bundesrechtliches Vergabeverfahren definitiv oder zwecks Neuauflage eines geänderten Projektes abbrechen und einen allfällig bereits erfolgten Zuschlag widerrufen, wenn sachliche Gründe dieses Vorgehen rechtfertigen und damit nicht die gezielte Diskriminierung von Bewerbern beabsichtigt ist (E. 2.3). Zulässige Verweigerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestützt auf eine bundesrechtskonforme prima-facie-Prüfung ihrer Begründetheit (E. 2.4).
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Sachverhalt | |
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Gegen beide Anordnungen erhob die X. AG am 14. September 2007 beim Bundesverwaltungsgericht je Beschwerde. Im Verfahren betreffend den Widerruf des Zuschlages stellte sie das Begehren, die Verfügung vom 28. August 2007 aufzuheben und die Rechtswidrigkeit dieser Verfügung, eventuell der Handlungen der Vergabestelle, festzustellen; zudem sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Vergabestelle anzuweisen, alle Vollzugsvorkehrungen mit einem Dritten, namentlich den Vertragsschluss mit einem Dritten sowie die Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens und/oder die Zuschlagserteilung an einen Dritten, bezüglich des streitigen Beschaffungsgegenstandes zu unterlassen. Analoge Begehren stellte die Beschwerdeführerin auch in Bezug auf den Abbruchentscheid.
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Mit Zwischenverfügung vom 30. Januar 2008 vereinigte das Bundesverwaltungsgericht (Abteilung II in 3er-Besetzung) die beiden Verfahren (Ziff. 1) und wies die (superprovisorisch zunächst bewilligten) Gesuche der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab (Ziff. 2).
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Die X. AG führt hiegegen mit Eingabe vom 3. März 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Begehren, Ziff. 2 der Zwischenverfügung vom 30. Januar 2008 aufzuheben und den vor dem Bundesverwaltungsgericht hängigen Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu erteilen, eventuell die Sache mit einer dahingehenden Anweisung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägung 1 | |
1.2 Die zu beurteilende Streitigkeit betrifft das Gebiet der öffentlichen Beschaffungen. Das Rechtsmittel der Beschwerde in ![]() ![]() | |
Die Zulassungsvoraussetzung gemäss Art. 83 lit. f Ziff. 1 BGG ist vorliegend offensichtlich erfüllt. Gemäss Feststellung in der angefochtenen Verfügung liegt der zu schätzende Auftragswert zwischen 25,8 und 99,4 Mio. Franken und damit klarerweise über dem ![]() ![]() | |
Der zugunsten der Beschwerdeführerin ergangene Zuschlag begründet zwar für die Vergabestelle keine Kontrahierungspflicht; diese wird dadurch lediglich zum Abschluss eines Vertrages mit dem betreffenden Bewerber ermächtigt (vgl. mit Bezug auf kantonales Vergaberecht: BGE 129 I 410 E. 3.4 S. 416 f.). Solange der Zuschlag besteht, darf die Vergabestelle aber mit keinem andern Partner für das gleiche Vorhaben einen Vertrag abschliessen oder für das gleiche Vorhaben ein neues Vergebungsverfahren einleiten. Durch die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gegen den Widerruf des Zuschlages und den Abbruch des Vergabeverfahrens wird die Vergabestelle schon vor einem entsprechenden rechtskräftigen Endentscheid in die Lage versetzt, eine Neuausschreibung des Vorhabens einzuleiten und gegebenenfalls den Auftrag einem Dritten zu erteilen. Auch wenn die Aussichten der Beschwerdeführerin auf Abschluss eines Vertrages mit der Vergabestelle wegen der fehlenden Kontrahierungspflicht heute gering sein mögen, droht ihr doch insoweit ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil, als durch den angefochtenen Zwischenentscheid der Weg zu einer anderweitigen Durchführung des Beschaffungsvorhabens geöffnet wird und ihr, anstelle einer realen Auftragserfüllung, voraussichtlich nur noch die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen offensteht. Die Voraussetzung gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG für die gesonderte Anfechtbarkeit des Zwischenentscheides ist damit erfüllt.
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1.5 Gemäss Art. 98 BGG kann mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Zwischenentscheide über ![]() ![]() | |
Erwägung 2 | |
Das Bundesverwaltungsgericht verweigerte den Beschwerden die aufschiebende Wirkung gestützt auf eine (einlässliche) prima-facie-Prüfung ihrer Begründetheit. Es bejahte, unter Hinweis auf die Doktrin, die Befugnis der Vergabestelle, aus sachlichen Gründen, so etwa wegen einer wesentlichen Projektänderung, ein Vergabeverfahren abzubrechen und gegebenenfalls auch einen bereits erteilten Zuschlag zu widerrufen; aus dem Zuschlag ergebe sich keine Kontrahierungspflicht. Ob seitens der Vergabestelle ein Verschulden vorliege, könne für die Schadenersatzfrage von Bedeutung sein, nicht aber für die Zulässigkeit von Widerruf und Abbruch. Vorliegend hätten die nach dem Zuschlag während längerer Zeit geführten Vertragsverhandlungen zu keinem positiven Ergebnis geführt, u.a. offenbar auch deshalb, weil gewisse Punkte in der Ausschreibung nicht oder ungenügend gewürdigt worden seien. Ein fehlender Wille der Vergabestelle zu seriösen Vertragsverhandlungen sei nicht nachgewiesen. Allfällige Ansprüche aus culpa in contrahendo bildeten nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Ein weiterer zulässiger Grund für den Widerruf des Zuschlages und den Abbruch des Verfahrens könne, wenn nicht in der behaupteten (bestrittenen) Weigerung der Beschwerdeführerin, die Gültigkeit ihrer Offerte zu verlängern, so jedenfalls im Rückzug einer für das Angebot der Beschwerdeführerin zentralen Subunternehmerin erblickt werden. Sodann erscheine nach den Vorbringen der Vergabestelle glaubhaft, dass das ursprünglich ausgeschriebene Projekt überholt sei und aufgrund der raschen Änderungen der technischen und betrieblichen Anforderungen im Informatikbereich sowie infolge der diesbezüglichen organisatorischen Neuausrichtung des Bundes wesentliche Anpassungen des Leistungsgegenstandes sich aufdrängten. Anhaltspunkte für ein ![]() ![]() | |
2.3 Ob und wieweit die Vorinstanz bei ihrer vorläufigen materiellrechtlichen Prüfung des Streitfalles von der Rechtsprechung der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen bewusst abweichen wollte, ist unklar. Auch in drei Entscheiden der Rekurskommission, welche jeweils den Abbruch von Vergabeverfahren vor erfolgtem Zuschlag betrafen, wurde ein solches Vorgehen, sofern es nicht "grundlos" erfolgt und im öffentlichen Interesse liegt, als zulässig erachtet; weitergehende "wichtige Gründe" wurden nicht gefordert (VPB 67/2003 Nr. 67; 66/2002 Nr. 39; 65/2001 Nr. 77). Gewisse Schranken leitete die Rekurskommission allerdings aus dem Gebot von Treu und Glauben ab, indem es ein hinreichendes, den Interessen der Submittenten vorangehendes öffentliches Interesse verlangte und in einem Fall, wo das den Abbruch des Vergabeverfahrens rechtfertigende öffentliche Interesse bereits bei Einleitung des Vergabeverfahrens voraussehbar war, im Hinblick auf Schadenersatzforderungen nach Art. 34 BoeB die Rechtswidrigkeit des Verfahrensabbruches feststellte (VPB 66/2002 Nr. 39). Auf die ![]() ![]() ![]() ![]() | |
2.4 Die Vorinstanz hat sich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Beschwerde an bundesrechtskonforme Kriterien gehalten. Sie durfte zulässigerweise davon ausgehen, dass sich die Vergabestelle für den Widerruf des Zuschlages und den Abbruch des Vergabeverfahrens auf hinreichende sachliche Gründe stützen konnte und mit einem diese Anordnungen aufhebenden Endentscheid (klarerweise) nicht zu rechnen war. Sowohl diese Rechtslage wie auch eine Abwägung der Interessen rechtfertigten es alsdann, die Erteilung der aufschiebenden Wirkung zu verweigern. Von einer Verletzung des Willkürverbotes kann nicht die Rede sein; die diesbezüglichen Vorbringen sind weitgehend appellatorisch, weshalb auf sie nicht weiter einzugehen ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Vorinstanz beging entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), wenn sie die Parteien zu den aufgeworfenen, voraussehbaren Rechtsfragen nicht nochmals speziell anhörte. ![]() |