23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Mai 2000 i.S. B. gegen III. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste | |
Lohngleichheitsgebot (Art. 4 Abs. 2 Satz 3 aBV bzw. Art. 8 Abs. 3 BV sowie Art. 3 Abs. 1 GlG): Frage der Gleichstellung von Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege mit Berufsschullehrern mit Meisterausbildung.
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- Bedeutung des fehlenden Erfordernisses einer der Meisterprüfung entsprechenden Prüfung bei den Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege; Bewertung des theoretischen Unterrichts im Vergleich zum klinischen Unterricht (E. 6).
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- Einbezug der vom Kanton getragenen Ausbildungskosten bei den Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege (E. 8).
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- Ausrichtung von Gehältern an Berufsschullehrer, welche diese in der Privatwirtschaft erzielen können (E. 9).
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Sachverhalt | |
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B.- Am 16. November 1989 stellte sie erfolglos beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen Antrag auf besoldungsmässige Gleichstellung mit den in der Lohnklasse 24 eingestuften Berufsschullehrern. In der Folge, nach Einholung eines Gutachtens bei Prof. Baitsch (nachfolgend: Gutachten I), hiess das Bezirksgericht St. Gallen ihre Klage auf lohnmässige Gleichstellung gut. Der Kanton St. Gallen erhob dagegen Berufung beim Kantonsgericht (III. Zivilkammer), das sich auf ein Gutachten von Dr. Schaeren (nachfolgend: Gutachten II) stützte und das Rechtsmittel am 27. September 1999 guthiess. Dagegen führt B. mit Bezug auf die Verfahrensfragen Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht wegen Verletzung des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz [GlG]; SR 151) und mit Bezug auf den Lohnanspruch für den Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis zum 30. Juni 1992 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV) und des rechtlichen Gehörs sowie wegen willkürlicher Feststellung des Sachverhalts. ![]() | |
b) Art. 4 Abs. 2 Satz 3 aBV und Art. 3 Abs. 1 GlG verbieten jede direkte und indirekte Benachteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgrund ihres Geschlechts. Die Beschwerdeführerin macht eine indirekte Diskriminierung geltend. Sie behauptet nicht etwa, die Besoldungsordnung knüpfe zu Unrecht an das Geschlecht an; vielmehr beanstandet sie, dass das Lehrpersonal im Gesundheitswesen als frauenspezifische Berufsgruppe gegenüber den Berufsschullehrern im gewerblich-industriellen Bereich benachteiligt werde. Der im vorliegenden Verfahren unumstrittenen Annahme des Kantonsgerichts, wonach es sich bei den Lehrkräften für Krankenpflege um eine weiblich identifizierte Berufsgruppe handle, ist nichts entgegenzusetzen.
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b) Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hat das Kantonsgericht den Umstand, dass Krankenschwestern ihre Ausbildung erst ab dem 18. Lebensjahr beginnen können, nicht unberücksichtigt gelassen. Vielmehr übernahm es die dafür im Gutachten II vorgesehene Viertelsstufe. Im Rahmen der Frage, inwiefern die Ausbildung der Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege derjenigen der Lehrmeister entspreche, durfte sich das Kantonsgericht ferner auf die für die Zulassung zur Meisterprüfung erforderliche Ausbildungsdauer und Ausbildungsart stützen, zumal die Breite der Ausbildung im Rahmen des Kriteriums "geistige Anforderungen" mittelbar einbezogen wird. Es kann dabei nicht gesagt werden, das Kantonsgericht habe lediglich die Dauer der Ausbildung in Betracht gezogen. Vielmehr hat es auch deren Art berücksichtigt: So führt das Kantonsgericht z.B. aus, die Ausbildung von Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege umfasse eine zweisemestrige theoretische ![]() ![]() | |
c) Beim Kriterium "geistige Anforderungen" übernahm das Kantonsgericht die Bewertung des Gutachtens II, wonach die Funktionen Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege und Berufsschullehrer mit Meisterausbildung gleichwertig seien (Stufe 3,0). Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgericht dabei eine unzulässige allgemeine Rückstufung des klinischen Unterrichts gegenüber dem theoretischen Unterricht vor. Diese Rüge ist unbegründet. Das Bundesgericht verlangt als Rechtfertigung für Lohnunterschiede keinen wissenschaftlichen Nachweis, sondern nur sachlich haltbare Motive (eingehend zum Ermessensspielraum der kantonalen Behörden und zur entsprechenden Zurückhaltung des Bundesgerichts: BGE 125 II 530 E. 5b S. 537; BGE 125 I 71 E. 2c/aa S. 79, mit Hinweisen). Hier liegen solche Motive vor: Der klinische Unterricht erfordert zwar eine grosse Flexibilität und ein besonderes Feingefühl bei der Vermittlung der Pflege psychisch kranker Menschen, da diese regelmässig mit weitgehenden Eingriffen in die psychische Integrität der Patienten verbunden ist. Die Vermittlung dieses Wissens findet jedoch im Einzelunterricht statt, währenddem der theoretische Unterricht vor ganzen Klassenverbänden durchgeführt wird. Der theoretische Unterricht erfordert wesensgemäss einen höheren Abstraktionsgrad. Dieser Umstand wird durch das unterschiedliche Vorbildungs- und Verständnisniveau der Lehrlinge ![]() ![]() | |
Unbeachtlich ist schliesslich in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Aussage einer der befragten Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege, wonach der klinische Unterricht schwieriger sei als der theoretische: Das Kantonsgericht hat anhand der Befragungen der betroffenen Personen festgestellt, dass subjektiv grundsätzlich beide Ansichten vertreten würden. Die Meinung einer einzelnen befragten Person kann somit nicht ausschlaggebend sein.
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7. Die Funktionen Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege und Berufsschullehrer mit Meisterausbildung sind somit bereits nach Massgabe der im wissenschaftlichen Bewertungsverfahren herangezogenen Kriterien nicht gleichwertig. Bei den Kriterien "geistige Anforderungen", "physische Anforderungen und Belastungen", "Beanspruchung Sinnesorgane und spezielle Arbeitsbedingungen" erzielen beide Funktionen die gleiche Stufe. Ausserdem nimmt das Kantonsgericht entgegen dem Gutachten II zu Recht Gleichwertigkeit beim Kriterium "Verantwortung" an. Beide Funktionen unterscheiden sich somit wie gesehen beim Kriterium "Ausbildung" relativ deutlich (3,0 für die Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege gegen 3,5 für Berufsschullehrer). Ein weiterer Unterschied liegt beim Kriterium "psychische Beanspruchung" (3,0 gegen 2,5) vor. Das lässt sich durch die Konfrontation der Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege mit Leid, Krankheit, Tod erklären. Beide Funktionen sind dennoch nicht gleichwertig, weil die Kriterien ![]() ![]() | |
Diese Einwände sind unbegründet. Das Kantonsgericht durfte ohne Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot die Kosten einbeziehen, welche die Ausbildung der Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege dem Kanton verursachen, und gestützt darauf eine höhere Einstufung der Berufsschullehrer schützen. Dies aus folgenden Gründen:
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a) Unter Lohn im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 aBV bzw. Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV ist nach der Rechtsprechung nicht nur der Geldlohn im engeren Sinne zu verstehen, sondern jedes Entgelt, das für geleistete Arbeit entrichtet wird (BGE 109 Ib 81 E. 4c S. 87). Dazu gehören nach der Lehre auch soziale Lohnkomponenten wie ein ![]() ![]() | |
b) Der erforderliche Zusammenhang zwischen der Ausbildung und der Entlöhnung der Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege ist hier zu bejahen, obwohl die Ausbildung im Gegensatz zu den sonstigen aufgeführten Beispielen vor der Entlöhnung geleistet und nicht bar ausbezahlt wird. Die genügend enge Verbindung zur Arbeit kommt durch die mit der Ausbildung gekoppelten Pflichtzeitvereinbarungen der vom Kanton ausgebildeten Lehrerinnen klar zum Ausdruck: Der Kanton gewährt den zukünftigen Lehrerinnen einen Urlaub, bietet die Ausbildung an und richtet ihnen während dieser Zeit - insgesamt 59 Wochen - einen Lohn aus. In der Folge sind die ausgebildeten Lehrerinnen verpflichtet, während einer gewissen Zeit für den Kanton tätig zu sein. Die Pflichtzeitvereinbarungen sind also entgegen der Meinung des Kantonsgerichts nicht unbeachtlich. Anders als die Beschwerdeführerin meint, kann jedoch nicht gesagt werden, dass die Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege nur schon durch die Einhaltung der Pflichtzeitvereinbarungen die Kosten ihrer Ausbildung wieder ausgleichen würden. Die Beteiligung des Kantons an der Ausbildung der Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege rechtfertigt eine gewisse Lohneinbusse für sie im Vergleich zu den Berufsschullehrern, deren Ausbildung höchst beschränkt, in Form von Stipendien, d.h. ohne direkten Zusammenhang zwischen der Leistung des Gemeinwesens und der Berufsausübung, vom Kanton getragen wird.
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c) Dass nicht alle Lehrerinnen für psychiatrische Krankenpflege vom Kanton St. Gallen ausgebildet werden, steht einer Berücksichtigung der Ausbildungskosten nicht entgegen, da gemäss der unumstrittenen Feststellung der Vorinstanz die interkantonale Fluktuation wenig bedeutend ist. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin selber vom Kanton St. Gallen ausgebildet wurde. Im Übrigen durfte das Kantonsgericht ohne Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot auf eine genaue Abrechnung des sich aus der kantonalen Finanzierung der Ausbildungskosten ergebenden geldwerten Vorteils für die Lehrerinnen für psychiatrische ![]() ![]() | |
d) Die Tatsache, dass die Ausbildungskosten für BIGA-Berufe nicht vom Kanton, sondern vom Bund getragen werden, schliesst nicht aus, dass man sie berücksichtigt. Denn es kann keineswegs gesagt werden, dass die verfassungsmässige Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kanton im Bereich der Krankenpflege-Berufe auf einer unzulässigen diskriminierenden Weltanschauung beruhe. Auch im von der Beschwerdeführerin angerufenen Gutachten wird das nicht behauptet: In diesem Gutachten (Ziff. 15) wird die im Parlament im Jahre 1946 erfolgte Ablehnung einer Übertragung der kantonalen Kompetenz im Bereich des Pflegepersonals auf den Bund zwar auf das katholisch-konservative Bild der Ordensschwestern zurückgeführt. Zum einen ist damit jedoch nicht gesagt, dass es um eine (verpönte) diskriminierende Kompetenzzuteilung geht. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kanton kann ohnehin wesensgemäss nicht als diskriminierende Tatsache betrachtet werden, sondern liegt in der unbeschränkten Autonomie des Verfassungsgebers. Zum anderen wird im Gutachten noch ausgeführt, dass die geltende Zuständigkeitsregelung auch darauf beruht, dass man im Jahre 1946 bestimmte Berufsgruppen, insbesondere die "sozialen" Berufe, unabhängig davon, ob sie unentgeltlich oder zu Erwerbszwecken ausgeübt würden, nicht der Kompetenz des Bundes unterstellen wollte. In diesem Beweggrund ist kein diskriminierendes Element ersichtlich.
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9. a) Mit Bezug auf das vom Kantonsgericht angeführte Argument der Marktsituation macht die Beschwerdeführerin geltend, es herrsche bei den Pflegeberufen ein weitgehendes Staatsmonopol, weshalb der Markt kaum einen Einfluss habe. Auf diese ![]() ![]() | |
b) Diese Kritik ist unbegründet. Die Berücksichtigung von Marktmechanismen bei der Ausgestaltung eines Entlöhnungssystems ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen (BGE 125 I 71 E. 3d/aa S. 85). Es besteht kein Anlass, im Sinne eines Teils der Lehre von diesem Grundsatz abzuweichen, zumal hier nicht ersichtlich ist, dass dadurch diskriminierende Umstände aus der Privatwirtschaft in das öffentlichrechtliche Arbeitsverhältnis eingeführt würden. Insoweit durfte das Kantonsgericht gestützt auf das Gutachten II sowie auf zwei Kurzgutachten den Umstand in Betracht ziehen, dass der Kanton den Berufsschullehrern Bedingungen anbieten muss, die attraktiv genug sind, damit diese auf Karrierechancen mit der entsprechenden Entlöhnung in der Privatwirtschaft verzichten. Diese teilweise Ausrichtung auf den Markt ist jedoch als (notwendige) Ausnahme im Entlöhnungsraster zu betrachten und begründet grundsätzlich keine Pflicht für den Kanton, mit der Entlöhnung von Berufsgruppen, die nicht in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft stehen, nachzuziehen. Wie oben dargelegt, bestehen für die unterschiedliche lohnmässige Einreihung objektive und sachliche Gründe. Es kann somit nicht gesagt werden, monopolähnliche Zustände im staatlichen Gesundheitswesen ermöglichten die Aufrechterhaltung eines diskriminierenden Entlöhnungssystems. Nicht ersichtlich ist schliesslich, inwieweit hier der Markt als solcher diskriminierend sein sollte. Das Kantonsgericht hat an der von ![]() ![]() ![]() |