6. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 31. Januar 2000 i.S. Baugenossenschaft I. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung und Eidgenössische Steuerrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste | |
Art. 17 VStG (Verjährung).
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Sachverhalt | |
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Die Baugenossenschaft I. schrieb R.S. am 31. Dezember 1981 einen Betrag von Fr. 4'000'000.- gut. Die Eidgenössische Steuerverwaltung verlangte daraufhin von der Baugenossenschaft I., diese Gutschrift zu begründen und zu belegen. Nach diversen Stellungnahmen der Baugenossenschaft I. erachtete die Eidgenössische ![]() ![]() | |
Das Bundesgericht hiess mit Urteil vom 14. Dezember 1992 eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Baugenossenschaft I. gegen den Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 13. Dezember 1989 im Sinne der Erwägungen gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück (Verfahren 2A.115/1990). Am 10. März 1993 wies das Bundesgericht ein gegen dieses Urteil gerichtetes Revisionsgesuch der Baugenossenschaft I. ab (Verfahren 2A.46/1993). Die Eidgenössische Steuerverwaltung verlangte in der Folge von der Baugenossenschaft I. zusätzliche Auskünfte und Unterlagen. Mit Entscheid vom 6. März 1998 hiess sie die Einsprache der Baugenossenschaft I. teilweise gut und verpflichtete sie, der Eidgenössischen Steuerverwaltung den Betrag von Fr. 1'345'400.- nebst Verzugszinsen zu zahlen.
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Dagegen gelangte die Baugenossenschaft I. mit Beschwerde an die Eidgenössische Steuerrekurskommission. Diese wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 21. Mai 1999 (eröffnet am 25. Mai 1999) ab und bestätigte den Einspracheentscheid vom 6. März 1998. Sie wies dabei die Verjährungseinrede der Baugenossenschaft I. ab und erachtete es nicht als erwiesen, dass die fragliche Gutschrift in weiterem Umfang als bisher angenommen der Abgeltung für von R.S. erbrachte Mehrleistungen gedient habe.
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Gegen diesen Entscheid hat die Baugenossenschaft I. mit Eingabe vom 24. Juni 1999 erneut Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, den Entscheid der Steuerrekurskommission vom 21. Mai 1999 aufzuheben und festzustellen, dass keine Verrechnungssteuer geschuldet sei. Sie beruft sich auf die Verjährung des Steueranspruchs.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
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2. Zu prüfen ist einzig die von der Beschwerdeführerin erhobene Einrede der Verjährung. Sie macht geltend, dass für die Verrechnungssteuer ![]() ![]() | |
a) Nach einem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz unterliegen öffentlichrechtliche Ansprüche des Staates gegenüber dem Bürger auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung einer Verjährung. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit und des staatlichen Verhaltens nach Treu und Glauben (vgl. statt vieler BGE 119 Ib 311 E. 4a S. 321; BGE 101 Ia 19 E. 4a S. 21 f.; BGE 112 Ia 260 E. 5 S. 262 ff.). Sofern der massgebliche Erlass keine Vorschriften enthält, die Beginn und Dauer der Verjährungsfrist regeln, sind die gesetzlichen Fristenregelungen anderer Erlasse für verwandte Ansprüche heranzuziehen (BGE 112 Ia 260 E. 5 S. 263; BGE 119 Ib 311 E. 4b S. 322). Kennt das fragliche Gesetz eine Verjährungsordnung, ist zu prüfen, ob diese allenfalls lückenhaft und durch eine richterliche Verjährungsfrist zu ergänzen ist (vgl. BGE 119 Ib 311 E. 4b S. 322).
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b) Die Frage, ob durch Lückenfüllung eine absolute Verjährungsfrist für die Veranlagung anzunehmen ist, stellte sich bisher vorab für die direkte Bundessteuer. Der Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer vom 9. Dezember 1940 (BdBSt) begrenzt das Recht, die Veranlagung einzuleiten, auf drei Jahre nach Ablauf der Veranlagungsperiode (Art. 98 BdBSt; Veranlagungsverwirkung) und stellt eine Verjährungsfrist für den Bezug der Steuer von fünf Jahren ab der Fälligkeit der Forderung auf (Art. 128 BdBSt; Bezugsverjährung). Eine (absolute) Frist, innert der die Veranlagung abzuschliessen ist (Veranlagungsverjährung), ist nicht vorgesehen. Die Verjährungsfrist von Art. 128 BdBSt gilt nach der Praxis sowohl für den Bezug als auch für die Veranlagung der Steuer (nicht veröffentlichtes Urteil vom 24. November 1998, Verfahren 2A.442/1997, E. 5). Das Bundesgericht hat die Frage, ob die Veranlagung innert einer absoluten Frist abzuschliessen ist, früher in Bezug auf die Nachsteuer verneint (vgl. ASA 59 S. 256), jedoch in der späteren Praxis offen gelassen (vgl. BGE 119 Ib 311 E. 4a S. 321 f.). In dem (bereits erwähnten) Entscheid vom 24. November 1998 hat das Bundesgericht in E. 5 wiederum erkannt, dass eine Frist, innert der die rechtzeitig eingeleitete Veranlagung abzuschliessen ist, nicht unerlässlich sei. Der Fristenlauf von Art. 128 BdBSt, der an die Fälligkeit der Steuerforderung anknüpft, sei unabhängig vom Abschluss des Veranlagungsverfahrens. Das biete dem Steuerpflichtigen ausreichenden Schutz gegen eine unzumutbare Verzögerung der ![]() ![]() | |
c) Die Verjährung der Verrechnungssteuer ist in Art. 17 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechungssteuer (VStG; SR 642.21) geregelt. Nach Art. 17 Abs. 1 VStG verjährt die Verrechnungssteuer fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist. Bei Kapitalerträgen, zu denen auch Erträge aus Genossenschaftsanteilen (Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG) sowie geldwerte Leistungen an nahe stehende Personen gehören (Art. 20 der Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1966 zum VStG [VStV; SR 642.211]), entsteht die Steuerforderung nach Art. 12 Abs. 1 VStG im Zeitpunkt, in dem die steuerbare Leistung fällig wird. Die Steuer auf Erträgen von Genossenschaftsanteilen ist gemäss Art. 16 Abs. 1 lit. b VStG in Verbindung mit Art. 23 Abs. 4 VStV innert 30 Tagen nach Eröffnung der Veranlagungsverfügung zu entrichten. Nach Art. 17 Abs. 3 VStG wird die Verjährung durch jede auf Geltendmachung des Steueranspruchs gerichtete Amtshandlung, die einem Zahlungspflichtigen zur Kenntnis gebracht wird, unterbrochen, wobei die Frist mit der Unterbrechung von neuem beginnt.
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d) Das Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer kennt nach Wortlaut und Gesetzessystematik keine absolute Verjährungsfrist, innert der die Steuer rechtskräftig festzusetzen ist, wie sie neuerdings in Art. 120 Abs. 4 DBG und in Art. 47 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14) vorgesehen ist. Somit muss auch in Bezug auf die Verrechnungssteuer angenommen werden, dass der Gesetzgeber - durch ein qualifiziertes Schweigen - bewusst keine absolute Verjährungsfrist einführen wollte. Es kann nicht gesagt werden, dass er durch den Verzicht auf die Statuierung einer absoluten Frist in Art. 17 VStG eine lückenhafte Verjährungsordnung erlassen oder gegen übergeordnete Grundsätze verstossen hat. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen genügt, dass eine Verjährung vorgesehen wird. Dies ist für die hier strittige Verrechnungssteuer geschehen. Wie die Verjährungsordnung im Einzelnen ausgestaltet wird, obliegt der weitgehend freien Entscheidung des Gesetzgebers; insbesondere steht es diesem - wie das Bundesgericht soeben erneut für die direkte Bundessteuer bestätigt hat (oben lit. b) - frei, von einer absoluten Verjährung der Steuerforderung oder der Steuerveranlagung abzusehen. Die Verjährung der Steuerforderung nach Art. 17 Abs. 1 VStG bietet dem Steuerpflichtigen in der Regel - etwa abgesehen von einem treuwidrigen Verzögern nötiger Amtshandlungen - genügend Schutz gegen ein unerträglich langes Verfahren (vgl. ASA 59 S. 256). ![]() |