82. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. September 1983 i.S. M. gegen F. (Berufung) | |
Regeste | |
Lidlohn (Art. 334 ZGB).
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2. Lidlohnforderungen sind nach neuem Recht nicht mehr erbrechtlicher Natur. Sie können daher durch letztwillige Verfügung nicht wegbedungen werden (E. 4-6).
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Sachverhalt | |
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Nach dem Verkauf seines Hofes an den Sohn bezahlte der Erblasser seiner Tochter einen Lidlohn von Fr. 17'800.--. Er anerkannte diesen Betrag auch noch in dem von Margrit F. gegen ihn persönlich eingeleiteten Sühneverfahren. In seiner letztwilligen Verfügung vom 18. April 1980 setzte M. die Tochter auf den Pflichtteil, sprach die verfügbare Quote dem Sohn zu ![]() ![]() | |
B.- Am 2. März 1981 reichte Margrit F. Klage beim Bezirksgericht ein. Sie verlangte die Bezahlung von Fr. 27'300.-- als Lidlohn nebst Zins zu 5% seit Klageeinreichung.
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Das Bezirksgericht hiess die Klage am 25. November 1981 im Umfange von Fr. 13'500.-- nebst Zins zu 5% ab 3. März 1981 teilweise gut. Das Obergericht wies am 11. März 1983 eine dagegen gerichtete Appellation des Beklagten ab.
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C.- Der Beklagte erhebt beim Bundesgericht Berufung, mit der er die Aufhebung des Urteils des Obergerichts und die Abweisung der Klage verlangt.
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Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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In BGE 100 II 437 f. hat das Bundesgericht festgestellt, dass die vom Schweizerischen Bauernsekretariat in Brugg ermittelten Lidlohnansätze grundsätzlich als angemessen zu betrachten seien. Diese Ansätze dürften wohl je nach den Umständen des Einzelfalles ![]() ![]() | |
4. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin für die 18 Jahre ihrer Mitarbeit auf dem Bauernhof ihres Vaters Fr. 17'800.-- von diesem selbst erhalten hat. Der Erblasser hat in seinem Testament sodann festgehalten, dass der Lidlohnanspruch seiner Tochter abgegolten sei. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass dieser über den zu jener Zeit ausbezahlten Betrag hinaus keine weitere Forderung mehr zustehe. Die Vorinstanz hat jedoch zu Recht auf diese testamentarische Willensäusserung des Erblassers nicht abgestellt. Sie hat vielmehr erklärt, dass der Lidlohn als Erbschaftsschuld im Sinne des Art. 603 Abs. 2 ZGB weder ganz noch teilweise vom Erblasser durch letztwillige Verfügung unterdrückt werden könne. Es handle sich dabei um einen obligatorischen Anspruch, der dem Berechtigten von Gesetzes wegen zustehe, der somit unabhängig vom erblasserischen Willen nach dessen Tod wie irgend eine Drittforderung den Erben gegenüber geltend gemacht werden könne, und zwar gegebenenfalls bis zum Betrage des Nettonachlasses (Art. 603 Abs. 2 ZGB). Dem Lidlohnberechtigten müsse deshalb auch das Recht zustehen, entgegen einer ausdrücklichen letztwilligen Verfügung des Erblassers einen höheren Anspruch geltend zu machen, als ihm der Erblasser testamentarisch zugestehen wollte. Die Höhe der Entschädigung richte sich ausschliesslich nach den im Rahmen des richterlichen Ermessens im Einzelfall wesentlichen Bemessungsfaktoren und nicht nach dem Willen des Erblassers. Der Lidlohnanspruch könne deshalb entgegen dem Willen des Erblassers auch über die auf ![]() ![]() | |
5. Der Beklagte bestreitet die von der Vorinstanz aufgestellten Grundsätze an sich nicht. Insbesondere schliesst er sich der Auffassung an, dass der Erblasser den Lidlohnanspruch nicht gänzlich wegbedingen könne. Indessen ist er der Ansicht, dass diese Einschränkung der Verfügungsfreiheit des Erblassers durch Art. 334 und 603 Abs. 2 ZGB nur soweit reichen könne, als der Zweck von Art. 334 ZGB nicht gefährdet werde. Zweck dieser Bestimmung sei es, mündigen Kindern, die ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt ihre Arbeit zugewendet hätten, gleichsam als Vorausgleichung, eine angemessene Entschädigung zu verschaffen. Das Obergericht verleihe nun aber den Lidlohnbestimmungen des ZGB eine viel weitreichendere Bedeutung als die soeben genannte. Es betrachte nicht nur diejenige Lidlohnentschädigung in jedem Fall als angemessen, welche (proportional) den anderen Kindern in irgend einer Form als Arbeitsentschädigung zugekommen sei, es wolle den so bemessenen Anspruch zudem auch dann gewähren, wenn der Erblasser ausdrücklich anders verfügt habe. Dies habe erstens nichts mehr mit der angemessenen "Vorausgleichung" für "hypothetische Ersparnis" gemäss Lidlohnrecht zu tun und könne zweitens ad absurdum führen, nämlich dann, wenn ein Vater seinem Kind für geleistete Arbeit einen beträchtlichen Vermögensteil schenke. Dann hätten, nach der Auslegung der Vorinstanz, alle übrigen Kinder, welche die sonstigen Voraussetzungen von Art. 334 ZGB erfüllen, den (proportional) gleichen Lidlohnanspruch. Die Auffassung des Obergerichts könne so dazu führen, ![]() ![]() | |
6. Diese Einwände des Beklagten vermögen nichts daran zu ändern, dass zumindest im Ergebnis der Vorinstanz darin zu folgen ist, dass der Klägerin noch ein zusätzlicher Anspruch auf Lidlohn im Betrage von Fr. 13'500.-- zusteht. Diese Lösung drängt sich im vorliegenden Fall angesichts der konkreten Umstände geradezu auf. Ein anderer Entscheid würde ganz offensichtlich den Grundsätzen von Recht und Billigkeit und der Gerechtigkeit in stossender Weise widersprechen. Es steht fest, dass die Klägerin für ihre 18jährige Mitarbeit und dafür, dass sie zudem während Jahren ihren Fabriklohn dem Vater abgegeben hat, von diesem nur gerade mit Fr. 3800.-- hätte abgefunden werden sollen. Erst die Berechnungen des Schweizerischen Bauernsekretariates und die Einleitung des Sühneverfahrens veranlassten den Erblasser, seiner Tochter dazu noch Fr. 14'000.-- auszuzahlen. Wie die Vorinstanz selbst ausgeführt hat, wäre damit grundsätzlich der Lidlohnanspruch abgegolten worden, wenn auf die Zahlen des Bauernsekretariates abgestellt würde. Indessen hat das Obergericht noch berücksichtigt, dass dem Sohn zwar beim Abschluss des Kaufvertrages nur Fr. 78'000.-- als Lidlohn angerechnet wurden, womit die Ansätze des Bauernsekretariates ebenfalls unterschritten wurden. Doch erhielt der Beklagte zu Lebzeiten des Erblassers von diesem als Entschädigung für seine Arbeitsleistungen weitere Zuwendungen, die sich nach den Berechnungen der Vorinstanz auf Fr. 124'300.-- beliefen (Barlohn Fr. 103'700.--, Zuwendungen für Kauf von Grundstücken Fr. 20'600.--). Wie in BGE 71 II 79 vom Bundesgericht festgehalten wurde, darf zwar ein Hausvater mit einer Lohnentschädigung inter vivos über das hinausgehen, worauf aArt. 633 ZGB Anspruch gab. Gleiches gilt wohl auch unter neuem Recht. Eine solche "unangemessene", übersetzte Entschädigung für einzelne Hauskinder kann aus Billigkeitsgründen dem mit dem Streit befassten Richter daher auch nach heutigem Recht Anlass geben, die "angemessene Entschädigung", die nach Art. 334 Abs. 2 und 603 Abs. 2 ZGB allen lidlohnberechtigten Kindern zusteht, entsprechend zu erhöhen. Es geht dabei um einen familienrechtlichen Lohnanspruch analog zu Art. 320 OR und nicht um eine Art "Vorausgleichung", somit nicht um einen Erbanspruch, wie das der Beklagte unter Berufung auf aArt. 633 ZGB darzulegen versucht. Wenn die Vorinstanz diesen Lohnanspruch im Rahmen dessen, was der Erblasser seinem Sohn als Arbeitsentschädigung ![]() ![]() | |
Ob die Berechnungsweise der Vorinstanz theoretisch dazu führen könnte, das Ausgleichungsrecht der Art. 626 ff. ZGB zu verdrängen, kann offen bleiben. Lidlohnforderungen sind nach neuem Recht nicht mehr erbrechtlicher Natur (vgl. NEUKOMM/CZETTLER, Das bäuerliche Erbrecht, 5. Aufl., S. 177/78). Sie berühren als obligatorische Forderungen das Erbrecht nur insofern, als der Umfang der Zahlungspflicht gemildert und die Haftung der Erben im Maximum auf den Nettonachlass begrenzt ist (Art. 603 Abs. 2 ZGB) und als der Zeitpunkt der Fälligkeit hinausgeschoben werden kann (BGE 100 II 438, Art. 334bis ZGB). Die Ausgleichungspflicht im Sinne der Art. 626 ff. ZGB für Lidlohnentschädigungen, die den Rahmen der Angemessenheit zum Vorteil des Begünstigten und zum Nachteil anderer Erben sprengen, wird dadurch nicht berührt. ![]() |