20. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Juni 1978 i.S. Rankl und Mitbeteiligte gegen Leder-Locher AG und Mitbeteiligte | |
Regeste | |
Vorsorgliche Massnahmen in Streitigkeiten über Marken; kantonales Verfahren.
| |
2. Art. 68 Abs. 1 lit. a OG. Machen die Kantone von dieser Möglichkeit Gebrauch, so lässt sich nicht sagen, dass ihre Behörden kantonales Recht anstelle des massgebenden eidgenössischen anwenden (E. 3).
| |
Sachverhalt | |
![]() ![]() ![]() | |
Am 9. Januar 1978 ersuchten sie den Einzelrichter im summarischen Verfahren am Handelsgericht des Kantons Zürich, der Leder-Locher AG sowie Hans und Mathilde Locher vorsorglich zu verbieten, Waren mit diesem Zeichen herzustellen oder herstellen zu lassen, zu vertreiben oder vertreiben zu lassen oder dafür zu werben. Der Einzelrichter hiess das Gesuch am 3. Februar 1978 gut und setzte den Klägern zwanzig Tage Frist, um die ordentliche Klage anhängig zu machen.
| |
B.- Auf Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten hin hob das Kassationsgericht des Kantons Zürich diesen Entscheid am 14. April 1978 auf und wies das Begehren der Kläger um Anordnung vorsorglicher Massnahmen ab.
| |
Das Kassationsgericht führte insbesondere aus, nach Art. 31 MSchG und § 222 Ziff. 3 ZPO setze die Anordnung vorsorglicher Massnahmen die Glaubhaftmachung des geltend gemachten Anspruchs voraus. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Kläger mit ihrem Gesuch die vorzeitige Vollstreckung ihres angeblichen Unterlassungsanspruches erstrebten. Die begehrte Massnahme stelle also einen schweren Eingriff dar. Daher müssten an die Glaubhaftmachung des Anspruches strenge Anforderungen gestellt werden. Der Einzelrichter dürfe diesfalls nicht dem ordentlichen Verfahren vorgreifen. Ein vorläufiges Verbot der Verwendung der Marke der Beklagten wäre daher nur zulässig, wenn genügend glaubhaft gemacht wäre, dass dieses Zeichen die Marke der Kläger verletze. Das sei nach dem Gesagten nicht der Fall. Das vorsorgliche Verbot des Einzelrichters verletze unter den gegebenen Umständen einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz.
| |
2. Es ist den Kantonen nicht verwehrt, in Streitigkeiten betreffend das geistige Eigentum, die sie auf Grund der einschlägigen Bundesgesetze von einer einzigen kantonalen Instanz beurteilen lassen müssen, die Zuständigkeit, vor der Einleitung des Hauptprozesses vorsorgliche Massnahmen zu treffen, besonders zu regeln. So wurde entschieden, dass Art. 49 des Bundesgesetzes von 1907 betreffend die Erfindungspatente dem Kanton Zürich nicht verbiete, vor der Anhängigmachung der Zivilklage gestellte Begehren um Erlass vorsorglicher Verfügungen statt durch das im Hauptprozess zuständige Handelsgericht durch den für das summarische Befehlsverfahren vorgesehenen Richter beurteilen zu lassen (BGE 56 II 327). Gleiches gilt unter der Herrschaft des Art. 78 Abs. 2 PatG, wonach die Kantone die zum Erlass vorsorglicher Verfügungen zuständigen Behörden bezeichnen. Auf demselben Boden steht ausdrücklich auch Art. 53 URG. Für das Markenschutzgesetz, das über die Zuständigkeit zum Erlass vorsorglicher Verfügungen ![]() ![]() | |
Das Recht der Kantone, den zuständigen Richter zu bestimmen, schliesst die Befugnis in sich, die von ihm getroffenen Massnahmen durch eine Obere Instanz überprüfen zu lassen. Art. 29 Abs. 1 MSchG steht dem nicht im Wege. Diese Bestimmung regelt den Instanzenzug nur für "zivilrechtliche Streitigkeiten", d.h. für den auf endgültige Beurteilung abzielenden Prozess, nicht auch für das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen (DAVID, Kommentar zum MSchG, 2. Auflage, N. 2 und 3 zu Art. 29). Sie ist das Gegenstück zu Art. 29 Abs. 2 MSchG und Art. 45 lit. a OG (früher Art. 62 a OG), welche die Berufung in Streitigkeiten über den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken ohne Rücksicht auf den Streitwert zulassen. Das Gesetz will verhindern, dass in diesen Fällen, weil sie stets an das Bundesgericht weitergezogen werden können, mehr als eine kantonale Instanz materiell urteile. Entscheide über vorsorgliche Massnahmen können nicht mit der Berufung an das Bundesgericht angefochten werden; sie gelten nicht als in "Zivilstreitigkeiten" ergangen, da sie das Rechtsverhältnis der Parteien nicht endgültig regeln (BGE 69 II 125). Der Grundgedanke des Art. 29 Abs. 1 MSchG trifft daher auf solche Entscheide nicht zu. Der Bundesgesetzgeber hat keinen Anlass, eine obere kantonale Instanz zur Überprüfung von Entscheiden, die nicht mit der Berufung an das Bundesgericht angefochten werden können, zu untersagen.
| |
3. Der angefochtene Beschluss des Kassationsgerichtes ist daher nicht in Missachtung "massgebenden eidgenössischen Rechts" im Sinne von Art. 68 Abs. 1 lit. a OG ergangen. Ob das Kassationsgericht zu Recht annimmt, der Einzelrichter des Handelsgerichts habe durch Bejahung der Glaubhaftmachung der Markenrechtsverletzung einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz verletzt (§ 281 Ziff. 1 ZPO), oder ob es den einzelrichterlichen Entscheid nur auf "Verletzung klaren materiellen Rechts" (§ 281 Ziff. 3 ZPO) hin überprüfen durfte, ist ausschliesslich eine Frage des kantonalen Rechts und daher im ![]() ![]() | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| |