39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. November 1974 i.S. Roduner und Mitbeteiligte gegen Klaeger und Mitbeteiligte. | |
Regeste | |
Internationales Ehegüterrecht: Art. 31 Abs. 3 NAG.
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Ehevertragliche Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten (Art. 214 Abs. 3 ZGB)
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Rückwirkung auf die gesamte Dauer der Ehe? (Erw. 4).
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Sachverhalt | |
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Am 10. Februar 1954 errichtete Walter Schoch ein eigenhändiges Testament, worin er seine Gattin zur Alleinerbin als Vorerbin einsetzte. Als Nacherben für den Überrest bestimmte er zu gleichen Teilen Maja Roduner-Krauss, Silvia Hiltbold-Krauss, Richard Krauss und Asta Lindholm-Seege. Am 12. September 1957 schlossen die Eheleute Schoch-Künzli beim Bezirksamt See/SG einen Ehevertrag mit folgendem Wortlaut:
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"I.
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Die Vertragsparteien vereinbaren im Sinne von Art. 214 Abs. 3 ZGB, dass der eheliche Vorschlag in Abweichung von der gesetzlichen Regelung des Art. 214 Abs. 1 ZGB ganz und ungeteilt dem überlebenden Ehegatten zu Eigentum zufallen soll.
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II.
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Dieser Vertrag bedarf der Genehmigung der Vormundschaftsbehörde Eschenbach."
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Der Vertrag wurde am gleichen Tag öffentlich beurkundet und am 17. September 1957 vom Waisenamt Eschenbach im Sinne von Art. 421 Ziff. 9 ZGB genehmigt.
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Am 18. Juni 1959 verstarb Walter Schoch. Seine Ehefrau übernahm das gesamte vorhandene Vermögen. Die Abrechnung über die Erbschaftssteuer basierte auf der Zuwendung von 2/3 des Vorschlags (gleich Nachlass) gemäss Ehevertrag. Das Testament blieb unerwähnt und wurde nicht eröffnet.
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Olga Schoch starb ihrerseits am 7. Februar 1971. Als gesetzliche Erben hinterliess sie drei Schwestern bzw. Halbschwestern, nämlich Margarethe Klaeger-Künzli, Anita Bachmann-Künzli und Ellinor Pellaton-Künzli, sowie den Sohn einer vorverstorbenen Schwester, Cyrill N. Waldmann. Dieser gab eine Verzichterklärung zugunsten seiner Miterben ab, die daraufhin eine Erbbescheinigung erhielten und sich in den Besitz des Nachlasses setzen konnten.
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B.- Mit gerichtlicher Klage gegen die gesetzlichen Erben der Olga Schoch verlangten die im Testament des Walter Schoch aufgeführten Nacherben die Aufteilung der vorhandenen Werte in einen Nachlass Walter Schoch und in einen Nachlass Olga Schoch und die anschliessende Zuweisung der ![]() ![]() | |
C.- Gegen das Urteil des Kantonsgerichts führten die Kläger Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen sowie Berufung ans Bundesgericht. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde am 18. April 1974 abgewiesen, worauf die Kläger staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Diese wurde mit Urteil vom heutigen Tag ebenfalls abgewiesen.
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Mit der Berufung beantragen die Kläger, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen sei aufzuheben, der Nachlass des Walter Schoch sei nach dessen Testament ihnen zuzusprechen und der Streitfall sei an das Kantonsgericht zurückzuweisen zur Aufteilung des vorhandenen Vermögens in die beiden Nachlässe. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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2. - a) Nach Art. 31 Abs. 1 NAG bestimmen sich die güterrechtlichen Verhältnisse schweizerischer Ehegatten, die ihren ersten ehelichen Wohnsitz im Ausland haben, nach dem Recht des Heimatkantons, soweit nicht das ausländische Recht für sie massgebend ist. Das Heimatrecht hat somit immer dann zurückzutreten, wenn das Recht des ersten ausländischen Domizils die fraglichen Rechtsverhältnisse für sich beansprucht. Die Eheleute Schoch hatten ihren ersten ehelichen Wohnsitz im zaristischen Russland. Die Vorinstanz stellt unter Hinweis auf ein von den Beklagten eingereichtes Gutachten von Prof. Schnitzer fest, dass das zaristische Recht ![]() ![]() | |
b) Kehren schweizerische Ehegatten, die ihren ersten ehelichen Wohnsitz im Ausland hatten, in die Schweiz zurück, so setzen sie untereinander das Güterrechtsverhältnis fort, das im Ausland für sie Geltung hatte (Art. 31 Abs. 3 NAG). Im Verhältnis zu Dritten (externer Güterstand) ist indessen schweizerisches Recht massgebend (Art. 31 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 NAG).
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Unter den Parteien ist die Tragweite der in Art. 31 Abs. 3 NSG enthaltenen Verweisung auf das Recht des ersten ehelichen Wohnsitzes streitig. Die Kläger machen gestützt auf den Wortlaut dieser Bestimmung geltend, das Güterrechtsverhältnis werde durch das beim Wegzug der Ehegatten geltende materielle Auslandsrecht endgültig geregelt und spätere Änderungen dieses Rechts seien unbeachtlich. Mit der Rückkehr in die Schweiz sei der frühere Anknüpfungspunkt an das ausländische Recht hinfällig geworden, so dass dessen Änderungen keinen Einfluss mehr ausüben könnten auf die güterrechtlichen Verhältnisse der zurückgewanderten Ehegatten.
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Demgegenüber steht die Vorinstanz mit den Beklagten auf dem Standpunkt, das dem Recht des ersten ehelichen Wohnsitzes unterstellte Ehegüterrechtsverhältnis folge auch nach der Rückkehr der Eheleute in die Schweiz den Änderungen der es beherrschenden ausländischen Rechtsordnung. Die güterrechtlichen Verhältnisse der Eheleute Schoch hätten sich daher nach der russischen Revolution nicht mehr nach altem zaristischem Recht bestimmt, sondern nach dem jeweils geltenden Recht der Sowjetunion. Dieses habe als ordentlichen ![]() ![]() | |
Die Frage, ob auf die güterrechtlichen Verhältnisse von in die Schweiz zurückgekehrten Auslandschweizern, für die nach Art. 31 Abs. 3 NAG ausländisches Recht massgeblich ist, das im Zeitpunkt des Wegzuges geltende Recht anzuwenden sei oder ob auch die seitherigen Änderungen des Auslandrechts zu berücksichtigen seien, musste das Bundesgericht bis jetzt noch nie entscheiden. Sie kann auch heute offen bleiben, da es für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht darauf ankommt, ob die Eheleute Schoch nach ihrer Abreise aus Russland unter dem Güterstand der Gütertrennung oder demjenigen der Errungenschaftsgemeinschaft lebten.
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Nach herrschender Lehre können sich jedoch die aus dem Ausland zurückgekehrten Auslandschweizer nicht nur durch eine eigentliche Unterstellungserklärung im Sinne von Art. 20 NAG, sondern auch durch den Abschluss eines Ehevertrages, in dem ein schweizerischer Güterstand gewählt wird, dem schweizerischen Recht unterstellen (LEMP, N. 67 der Vorbemerkungen zum sechsten Titel des ZGB; STAUFFER, Kommentar zum NAG, N. 49 zu Art. 19/20; LALIVE, Le régime matrimonial des étrangers en Suisse, in Mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève, Nr. 16, 1963, S. 104; R. SCHMID, Das eheliche Güterrecht der Ausländer in der Schweiz, Diss. ![]() ![]() | |
Im vorliegenden Fall haben die Eheleute Schoch im Sinne von Art. 214 Abs. 3 ZGB vereinbart, dass der Vorschlag dem überlebenden Ehegatten zufallen soll. Sie haben damit eine Modifikation des ordentlichen schweizerischen Güterstandes der Güterverbindung gewählt. Diese Vereinbarung ist nach dem Gesagten zulässig, ohne dass geprüft werden müsste, ob sie auch nach zaristischem bzw. sowjetischem Ehegüterrecht, dem die Ehegatten damals unterstanden, hätte abgeschlossen werden können.
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4. Die Kläger machen geltend, die im Ehevertrag vorgenommene ![]() ![]() | |
Wechseln Eheleute im Verlauf ihrer Ehe vertraglich ihren Güterstand, so steht es ihnen frei, diesen Wechsel im internen Verhältnis auf den Beginn der Ehe zurückwirken zu lassen (VEB 1932 Nr. 56; LEMP, N. 33 zu Art. 179 und N. 70 zu Art. 189 ZGB; KAPPELER, Die güterrechtliche Auseinandersetzung bei Wechsel des Güterstandes während der Ehe, Diss. Bern 1939, S. 10). Die Eheleute Schoch waren sich indessen offensichtlich nicht bewusst, dass sie einem ausländischen Ehegüterrecht unterstanden und dass sie demzufolge mit dem Abschluss des Ehevertrages einen Güterstandswechsel vornahmen, sondern sie glaubten vielmehr, sie lebten bereits unter dem ordentlichen schweizerischen Güterstand der Güterverbindung, den sie lediglich modifizieren wollten. Demgemäss vereinbarten sie ausdrücklich, dass der Vorschlag "in Abweichung von der gesetzlichen Regelung des Art. 214 Abs. 1 ZGB" dem überlebenden Ehegatten zufallen solle. Wären sie der Ansicht gewesen, sie unterstünden zaristischem bzw. sowjetischem Güterrecht, so hätten sie den Vertrag zweifellos anders formuliert. Gingen sie aber davon aus, sie lebten unter dem Güterstand der Güterverbindung, so muss angenommen werden, sie hätten sich nicht bloss den zukünftigen Vorschlag zuweisen wollen, denn eine Vereinbarung über die Vorschlagsbeteiligung gilt, auch wenn der Ehevertrag erst im Laufe der Ehe geschlossen wird, in aller Regel für den gesamten, vom Beginn bis zur Auflösung der Ehe entstehenden Vorschlag (LEMP, N. 84 zu Art. 214 ZGB). Wieso es sich hier anders verhalten sollte, ist nicht ersichtlich. Bei der Ermittlung des Vorschlags ist daher davon auszugehen, der Ehevertrag wirke auf den Beginn der Ehe zurück.
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Was die Kläger hiegegen vorbringen, dringt nicht durch. Sie machen geltend, die Eheleute Schoch seien mit den Beklagten verfeindet gewesen und hätten ihnen daher nichts zukommen lassen wollen, was gegen eine Rückwirkung spreche. Die Vorinstanz hat diese Behauptungen zu Recht als unwesentlich nicht näher untersucht. Der Abschluss des Ehevertrages beweist an sich schon, dass allfällige Spannungen zu Verwandten für die Dispositionen der Eheleute Schoch nicht massgebend ![]() ![]() | |
Weiter wird im angefochtenen Urteil mit Recht hervorgehoben, dass eine Vorschlagszuweisung mit Wirkung ex nunc praktisch sinnlos gewesen wäre. Die Vorinstanz stellt für das Bundesgericht verbindlich fest, dass der Gesundheitszustand der Eheleute Schoch im Herbst 1957 so schlecht war, dass für die Folgezeit überhaupt keine Vermehrung des ehelichen Vermögens mehr erwartet werden konnte. Der Ehevertrag, der nach Darstellung der Kläger einen zusätzlichen Schutz für Olga Schoch hätte bringen sollen, hätte somit bei Wirkung ex nunc deren Stellung nicht verbessert. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, aus welchen Gründen sich die Eheleute Schoch die Umtriebe und Kosten der Vertragsschliessung, Verurkundung und waisenamtlichen Genehmigung gemacht hätten, wenn sie nicht mehr hätten erreichen wollen. Entgegen der Ansicht der Kläger besteht deshalb kein Grund zur Annahme, dass die Ehegatten mit dem Ehevertrag vom 12. September 1957 nicht eine Regelung mit Rückwirkung auf die gesamte Ehedauer haben treffen wollen.
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5. Die ehevertragliche Zuweisung des gesamten Vorschlags an den überlebenden Ehegatten ist - unter Vorbehalt von Art. 2 Abs. 2 ZGB - als zulässig zu betrachten (BGE 82 II 477 ff., BGE 58 II 1 ff.; vgl. auch BGE 99 II 9 ff.). Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch liegen nicht vor. Da kein ![]() ![]() ![]() |