64. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Dezember 1956 i.S. Leuenberger gegen Würsch. | |
Regeste | |
Abänderung eines Scheidungsurteils (Kindeszuteilung); Art. 157 Z GB.
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Sachverhalt | |
Bei der Scheidung der Parteien wurde der im Jahre 1942 geborene Knabe der Mutter zugewiesen. Diese liess ihn in dem Kinderheim, in dem er während des Prozesses untergebracht worden war. Der wieder verheiratete Vater verlangte mit einer im Sinne von Art. 157 ZGB erhobenen Klage die Zuweisung des Knaben an ihn. Das Obergericht entzog zwar der Mutter die elterliche Gewalt, wies aber das Begehren des Vaters ab. Dieser hält mit seiner Berufung an das Bundesgericht an der Klage fest.
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3. Bei dieser Sachlage hat der Kläger Anspruch auf Zuweisung des Knaben an ihn selbst, sofern keine schwerwiegenden Gründe - im Sinne von Art. 285 und 286 ZGB - vorliegen, ihm die elterliche Gewalt vorzuenthalten. Die Vorinstanz scheint dies zu verkennen, da sie, ohne auf die erwähnten Vorschriften Bezug zu nehmen, sich mit einer Abwägung von Zweckmässigkeitsgründen begnügt. Während der Ehe waren beide Parteien im gemeinsamen Besitz der elterlichen Gewalt (Art. 274 Abs. 1 ZGB), und es hatte zu einem Entzug nach Art. 285 ZGB keine Veranlassung bestanden. Bei der Scheidung musste der heutige Kläger diese Gewalt notwendig verlieren, da das Kind der Beklagten zugewiesen wurde und eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Gewalt hinfort nicht mehr möglich war (Art. 274 Abs. 3 und Art. 156 ZGB). Das bedeutete keine Disqualifikation des Klägers; es blieb offen, ob man das Kind nicht ihm hätte zuweisen können und müssen, wenn die von beiden Parteien dem Scheidungsgerichte beantragte Zuweisung an die Beklagte als untunlich erschienen wäre. In der Tat hätte das Kind in einem solchen Falle dem Vater nicht vorenthalten werden dürfen, sofern gegen die Belassung seiner elterlichen Gewalt keine Gründe gemäss Art. 285 ZGB vorlagen. Somit ist nun auch heute, nach Wegfall der elterlichen Gewalt der Mutter, der Vater unter derselben Voraussetzung wieder in seine elterlichen Rechte einzusetzen, es wäre denn, der besondere Umstand seiner bereits im Herbst 1952 erfolgten Wiederverheiratung "erfordere" die Verweigerung der elterlichen Gewalt (Art. 286 ZGB, worüber ![]() ![]() | |
Keineswegs geht es an, ihm die Zuweisung des Knaben aus der Überlegung zu verweigern, damit würde sich seine finanzielle Lage wieder verschärfen, da er dann entweder jemand zur Betreuung des Knaben zu sich nehmen oder anstellen oder aber seiner Ehefrau die auswärtige Erwerbsbetätigung untersagen müsste. Denn der Vater hat, wenn der Mutter die elterliche Gewalt entzogen wird, grundsätzlich ein Recht darauf, dass sie nunmehr ihm übertragen werde, und unverschuldete Armut kann hieran nichts ändern.
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Auch die weitern von der Vorinstanz berücksichtigten Momente sind nicht entscheidend. Dass die beiden geschiedenen ![]() ![]() | |
"Die Tatsache, dass sie während der Ehe gelegentlich ihre kleinen Kinder sich selbst überliess, ferner dass sie einmal unerwartet in den Tessin in die Ferien fuhr und ihre Familie allein liess, endlich, dass sie überhaupt über die Massen oft ausging, lassen sie in Bezug auf ihre Eigenschaften als Erzieherin in einem schlechten Licht erscheinen. Da es überdies im Interesse der Kinder liegt, dass sie alle drei gemeinsam, in geschwisterlichem Einvernehmen erzogen werden, sind sie alle dem gleichen Elternteil zuzuweisen." ![]() | |
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