79. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1955 i. S. Blaser gegen Aekermann. | |
Regeste | |
1. Art. 42 Abs. 2, 46 Abs. 1 OR. Bestandteile des Schadens, den ein von einem Hund ins Gesicht gebissenes Mädchen erleidet: Kosten einer kosmetischen Operation, Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens durch Beeinträchtigung der Berufswahl und der Heiratsmöglichkeit (Erw. 2).
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3. Art. 47 OR. Voraussetzungen und Höhe der Genugtuung für Körperverletzung (Erw. 5). Verzinsung (Erw. 6).
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Sachverhalt | |
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B.- Isabelle Ackermann klagte am 12. Januar 1954 gegen Hans Blaser auf Fr. 20'000.-- Schadenersatz und Genugtuung nebst 5% Zins seit 14. Februar 1953.
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Hiegegen appellierte der Beklagte mit dem Antrag, die Klage sei insoweit abzuweisen, als sie auf Zahlung von mehr als Fr. 3000.-- gehe.
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Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Appellation am 17. Juni 1955 ab. Es ging davon aus, die Klägerin habe für Schmerzen und psychische Belastung Anspruch auf eine Genugtuung von wenigstens Fr. 2000.--, und der Rest von Fr. 7000.-- des erstinstanzlich zugesprochenen Gesamtbetrages rechtfertige sich als Ersatz für den Schaden, den die Klägerin namentlich in der Form der Beeinträchtigung ihres wirtschaftlichen Fortkommens erleiden werde. Dass dieser Schaden sich erst nach etwa 15 Jahren auswirken und die zuerkannte Summe inzwischen bei einem Zinssatz von 2 1/2% mit Zinseszinsen auf rund Fr. 10'100.-- ansteigen werde, gebe nicht Anlass zu einer Herabsetzung.
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C.- Der Beklagte führt Berufung mit den Anträgen: 1. Das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit an Genugtuung und Schadenersatz mehr als Fr. 3000.-- verlangt würden; 2. Eventuell sei die Klage höchstens im Betrage von Fr. 5000.-- zu schützen; 3. Der Verzugszins sei erst ab 12. Januar 1954 zuzusprechen.
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D.- Die Klägerin beantragt, die Berufung sei abzuweisen.
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a) Als Kosten fallen die Auslagen für ärztliche Behandlung in Betracht. Die Klägerin hat sie nicht belegt, doch gibt der Beklagte zu, dass sie sich auf etwa Fr. 100.-- belaufen. Sie werden sich noch um Fr. 300.-- bis 500.-- vermehren, wenn die Klägerin, wie der Beklagte ihr zumutet, sich zur Verbesserung des Aussehens der Narbe einer Operation unterziehen wird, die der Spezialarzt Dr. Buff frühestens nach Ablauf von drei Jahren für angezeigt hält. Diese Operation wird nicht schmerzhaft sein, nach Erklärung des Facharztes den Zustand nicht verschlimmern, wahrscheinlich aber das Aussehen der Narbe verbessern. Es darf daher von der Klägerin erwartet werden, dass sie sich dieser Massnahme, die den Schaden voraussichtlich verringern kann, unterziehe. Unter diesen Umständen sind die Kosten der Operation in die Schadensrechnung einzubeziehen, während anderseits der übrige Schaden nach dem Aussehen zu bestimmen ist, das die Narbe voraussichtlich nach der Operation haben wird.
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b) Wie der Beklagte zutreffend geltend macht, wird die Arbeitsfähigkeit der Klägerin, sei es mit, sei es ohne Nachoperation, durch die ausgeheilte Wunde nicht beeinträchtigt werden. Das Obergericht stellt aber fest, auch nach der Operation werde eine Narbe verbleiben, wenn auch wahrscheinlich abgeblasster, weniger auffällig und weniger verunstaltend, als sie jetzt ist. Das ist auch die Auffassung des Arztes. Obschon er die schliesslich zurückbleibende kosmetische Einbusse als gering bezeichnet, ist daher an einer gewissen bleibenden Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens der Klägerin nicht zu zweifeln. Wie sich das in ihrem Einkommen auswirken wird, braucht nicht zahlenmässig dargetan zu werden. Wer Schadenersatz beansprucht, hat zwar den Schaden zu ![]() ![]() | |
Auf das Verschulden kommt für die Bestimmung der Grösse des Ersatzes aber nur etwas an, wenn es Voraussetzung der Ersatzpflicht ist. Im vorliegenden Falle ist es das nicht, da der Beklagte den ihm nach Art. 56 Abs. 1 OR obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht hat. Der Einwand des Beklagten, er habe den Schaden nicht verschuldet, hilft daher nicht. Der Beklagte legt BGE 33 II 132 falsch aus, wenn er daraus ableitet, für die ![]() ![]() | |
Ebensowenig setzt der Umstand, dass die Mutter der Klägerin eine Schäferhündin mitführte, die Ersatzpflicht des Beklagten herab. Das Obergericht verneint verbindlich, dass die Anwesenheit dieser an der Leine geführten Hündin den Schaden mitverursacht oder ihn vergrössert habe. Zudem hatte die Klägerin weder für die Anwesenheit der Schäferhündin, noch dafür einzustehen, dass sie selbst, wie der Beklagte vermutet, vom Geruch dieses Tieres behaftet gewesen sei und damit die Erregung des Chow-Chow gesteigert habe. Die Klägerin war nicht Tierhalterin, und sie hätte die vom Beklagten behaupteten Tatsachen auch nicht verschuldet.
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Es besteht daher kein Anlass, den Beklagten nicht zum Ersatz des vollen Schadens zu verpflichten.
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4. Der volle Ersatz aber ist vom Obergericht mit Fr. 7000.-- nicht unrichtig bestimmt worden, selbst wenn berücksichtigt wird, dass das wirtschaftliche Fortkommen der Klägerin erst in der Zukunft erschwert werden wird und der Betrag bis dahin an Zins gelegt werden kann. Es trifft nicht zu, dass die Klägerin erst im Alter von 22 1/2 Jahren voll geschädigt sein wird, wie der Beklagte behauptet. Das Obergericht nimmt mit Recht an, das werde schon in etwa 15 Jahre zutreffen. Gewiss liegt auch so im sofortigen Zuspruch des Ersatzes ein nicht ![]() ![]() | |
Ein Verschulden des Haftbaren setzt diese Bestimmung nicht voraus (BGE 74 II 210 ff.). Schon deshalb versagt der Einwand des Beklagten, es treffe ihn kein Verschulden. Wie bereits erwähnt, kann ein solches übrigens nicht verneint werden, wenn es auch nicht besonders schwer war.
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Auch die Höhe der zugesprochenen Genugtuungssumme von Fr. 2000.-- verletzt das Gesetz nicht. Sie bleibt im Rahmen des Ermessens. Dieses wäre selbst dann nicht überschritten, wenn ein Betrag von Fr. 3000.-- bis 4000.-- zuerkannt worden wäre.
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Er verkennt, dass die Schadenersatz- und Genugtuungsforderung mit Eintritt des den Anspruch begründenden Ereignisses fällig wird und dass der gemäss ständiger Rechtsprechung ab diesem Tage zuzusprechende Zins (vgl. z.B. BGE 33 II 133 Erw. 7) nicht Verzugszins, sondern Bestandteil des Schadenersatzes bezw. der Genugtuung ist. Er bezweckt, den Anspruchsberechtigten so zu stellen, wie wenn er für seine Forderung am Tage der unerlaubten Handlung befriedigt worden wäre. Dass im vorliegenden Falle ein Teil des Schadens erst später eintreten wird, rechtfertigt keine Abweichung, da dem Umstande, dass der Ersatz schon heute zugesprochen wird, in dessen Bemessung Rechnung getragen wird.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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