36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. April 1955 i.S. Ryser gegen Bollinger. | |
Regeste | |
Liegenschaftskauf, Gewährleistung für zugesicherte Eigenschaften, OR Art. 197, 205 Abs. 1.
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Preisminderung, Berechnung des Minderwertes bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft (Erw. 3, 4).
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Sachverhalt | |
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unter Ziff. 3a: "Für die Kaufsache wird keine Nachwährschaft geleistet."
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unter Ziff. 5: "Der Käufer hat von den bestehenden Mietverträgen Einsicht genommen, dieselben werden dem Käufer überbunden."
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Als dann der Erwerber gestützt auf die Verfügung der Eidg. Preiskontrollstelle über Mietzinse für Immobilien vom 30. August 1950 eine Mietzinserhöhung vornehmen wollte, zeigte es sich, dass der frühere Hauseigentümer ![]() ![]() | |
B.- Im August 1953 klagte Bollinger gegen Ryser auf Bezahlung von Fr. 27'400.-- für Minderwert der Liegenschaft und Fr. 162.20 als Schadenersatz. Die Gerichte des Kantons Luzern schützten beide Forderungen, das Amtsgericht Luzern-Land nebst Zins ab 23. Juli 1953, das Obergericht durch Urteil vom 9. Juni 1954 mit Zins seit 1. Oktober 1952.
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C.- Der Beklagte legte Berufung an das Bundesgericht ein. Er beantragt gänzliche Abweisung der Klage, eventuell ihre Gutheissung nur im Umfange von Fr. 19'591.--. Der Kläger schliesst auf Bestätigung des kantonalen Entscheides.
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1. Nach den tatbeständlichen Angaben im Urteil des Obergerichtes hat der Beklagte gegenüber dem Kläger sowohl durch Verheimlichung des Fehlens als auch durch Vorspiegelung des Vorhandenseins behördlicher Bewilligung der in den überbundenen Verträgen angeführten Mietzinsen und ferner durch den Hinweis auf deren mögliche Erhöhung bewusst unwahre Auskünfte über den Ertrag der Liegenschaft ![]() ![]() | |
a) Darüber, wie der Minderwert zu bestimmen sei, schreibt das OR nichts vor. Nach alter schweizerischer Rechtsprechung und Lehre, welche auf das gemeine Recht ![]() ![]() | |
b) Darum ist, zumindest als allgemeine Regel, jene Berechnungsart abzulehnen, die nach dem Unterschied im Werte der als mängelfrei gedachten und der mit Mängeln behafteten Sache, also nach der absoluten Wertdifferenz forscht. Sie ist freilich beim Viehkauf in Art. 11 Abs. 3 der VO betreffend die Gewährleistung im Viehhandel vorgeschrieben und führt dort oft zu richtigen, mitunter aber auch zu stossenden Ergebnissen (vgl. LIVER, Besonderheiten des Viehkaufes, in Festschrift für Guhl S. 138/40). Auf alle Kaufverträge lässt sich das Verfahren aus dem genannten Grunde nicht übertragen. Ebensowenig ist eine dritte (von ROSSEL, Manuel S. 280, vertretene) Methode zu billigen, die den zu erstattenden Minderwert in der Differenz zwischen dem Kaufpreise und dem Werte der mangelhaften Sache sieht. Sie hat zur Folge, dass eine Minderung nie Platz greifen kann, wo trotz Mangelhaftigkeit oder Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft der objektive Wert der Sache den Kaufpreis erreicht. Das verträgt sich nicht mit dem Wortlaute und dem Sinne des Gesetzes, welches dem Käufer wegen jeden Mangels, der den Wert oder die Brauchbarkeit der Sache beeinträchtigt, und wegen jeden Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft den Gewährleistungsanspruch gibt.
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c) Bei einem dem vorliegenden analogen Tatbestande ![]() ![]() | |
"Allein auch diese verhältnismässige Herabsetzung, die bei der gewöhnlichen Mängelhaftung ihre Berechtigung hat und dem Umstand gerecht wird, dass die fehlende Preiswürdigkeit keinen Mangel im Sinne des Gesetzes darstellt, vermag nicht zu befriedigen in Fällen, wo die Haftung für zugesicherte Eigenschaften in Frage steht. Denn auch wenn eine solche Zusicherung nicht einer Garantieübernahme gleichgesetzt werden darf, so muss sie doch eine qualifizierte Haftung des Verkäufers begründen, die weiter reicht als die blosse Mängelhaftung im allgemeinen... Dies ist deshalb geboten, weil der Verkäufer durch seine Zusicherung das Vertrauen des Käufers geweckt und durch die Bekräftigung, dass die Kaufsache bestimmte Eigenschaften aufweise, auf den Entschluss des Käufers bestimmend eingewirkt hat. Es rechtfertigt sich daher, in Abweichung von der relativen Berechnungsmethode als Minderwert die Differenz zwischen dem Vertragspreis und demjenigen Betrag, den der Käufer in Kenntnis des wahren Sachverhaltes ausgelegt hätte, zuzusprechen."
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An dieser Auffassung kann nicht festgehalten werden. Sie befürwortet, genau besehen, nur eine Abart der als untauglich verworfenen absoluten Berechnungsmethoden. Zudem läuft sie auf eine verschiedene Ordnung der Gewährspflicht für Wert- oder Gebrauchsmängel und für das Fehlen zugesicherter Eigenschaften des Kaufsgegenstandes hinaus. Hiefür ist weder ein Rückhalt im Gesetze noch ein sachliches Bedürfnis zu finden.
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4. Das Vorgehen der kantonalen Gerichte, die einfach den vom Kläger für die Liegenschaft erlegten Kaufpreis um die Differenz von rund 20% zwischen dem zugesicherten ![]() ![]() | |
Entgegen der Berufungsrüge brauchte zwar die Möglichkeit einer Steigerung des Ertrages nach Lockerung der Mietzinsbeschränkungen nicht berücksichtigt zu werden. Denn der Zeitpunkt, in dem eine zugesicherte Eigenschaft der Kaufsache vorhanden sein muss, ist der des Überganges von Nutzen und Gefahr (vgl. den erwähnten BGE vom 18. Dezember 1945).
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Aber weder im erst- noch im zweitinstanzlichen Urteil ist die Rede vom objektiven Wert der Liegenschaft mit dem zugesicherten Ertrag einerseits und dem tatsächlichen Ertrag anderseits. Das Obergericht übernimmt die "zutreffende Berechnung" der Mietzinsdifferenzen durch das Amtsgericht und erklärt dann: "Der Minderwert der Liegenschaft ist somit nach der Praxis auf 20% des Kaufpreises von Fr. 137 000.-- = Fr. 27 400.-- anzuschlagen". Eine nähere Begründung ist auch im genannten, vom Instruktionsrichter beigezogenen kantonalen Präjudiz nicht gegeben. Denkbar ist, dass sich die vorinstanzliche Berechnung an gewisse Erläuterungen zum deutschen Recht anlehnt (vgl. etwa STAUDINGER 9. Aufl., zu § 472 BGB Anm. 2 lit. b; STAUB, HBG § 377 Anm. 80; RGE vom 22. Oktober 1904, teilweise veröffentlicht in der Zeitschrift "Das Recht" 1904 S. 602 unter Nr. 2598 und die vom Herausgeber verfassten Leitsätze). Aber wie dem auch sei, jedenfalls würde die Richtigkeit der Entscheidung voraussetzen, dass der objektive Wert der Liegenschaft mit dem zugesicherten Ertrage gleich dem Kaufpreise und mit dem wirklichen Ertrage gerade um 20% geringer ist. Dahingehende Feststellungen sind nicht getroffen worden. Auch das Amtsgericht hat jene objektiven Werte nicht beachtet. Nach Angabe der Ertragsunterschiede bemerkte es lediglich: "Der Kaufpreis von Fr. 137 000.-- ist daher um 20% herabzusetzen, weil die Rendite des Objektes für dessen Wert massgebend ist". Indessen bemisst sich der objektive Wert einer Liegenschaft wohl überwiegend, ![]() ![]() | |
Da die verfügbaren Aktenunterlagen in wesentlichen Belangen unvollständig sind, muss die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden, damit sie die erforderlichen objektiven Liegenschaftswerte erhebe und nach der relativen Methode den Minderungsanspruch des Klägers errechne.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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