30. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Juni 1954 i. S. Wyttenbach gegen Gysin. | |
Regeste | |
Ehescheidung. Entschädigung gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB für verlorenen ehelichen Unterhalt in Form einer Rente.
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Sachverhalt | |
"Diese Rente kann
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a) bei einer wesentlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsmöglichkeit der Beklagten erhöht
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b) bei einer unverschuldeten, wesentlichen Verminderung der Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsmöglichkeit des Klägers herabgesetzt werden."
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Vor Bundesgericht beantragt die Beklagte mit Hauptberufung, dass der Vorbehalt der Herabsetzung, der Kläger mit Anschlussberufung, dass derjenige der Erhöhung gestrichen werde.
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2. a) Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass das Bundesgericht mit dem Entscheid i.S. Kunz (BGE 71 II 9) über das Präjudiz i.S. Lösch (BGE 60 II 395) insofern hinausgegangen ist, als im letztern dem Richter nahegelegt wurde, durch Anbringung einer Berichtigungsklausel im Scheidungsurteil dem Leistungspflichtigen die Möglichkeit vorzubehalten, eine Abänderung des Urteils zu verlangen, wenn ihm die fernere Leistung nicht mehr möglich sein sollte, während i.S. Kunz die Herabsetzbarkeit einer solchen Rente schon von Gesetzes wegen, ohne entsprechenden Vorbehalt im Scheidungsurteil, angenommen wird. Die Vorinstanz geht aber in der Auslegung der Art. 151/153 ZGB einen wesentlichen Schritt über diese Praxis hinaus, indem sie, ohne Begründung, darin auch die Rechtfertigung zu einer nachträglichen Erhöhung einer Rente für verlorenen Unterhalt erblickt. Dieser Sinn kann den Motiven der publizierten Entscheide nicht entnommen werden. Bei allen handelte es sich um eine Herabsetzung der Rente infolge Verminderung der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen. Auch wo im Laufe der Argumentation gelegentlich von einem Berichtigungsvorbehalt (BGE 60 II 395), von einer Revisionsmöglichkeit (BGE 68 II 8) oder einer "possibilité de modifier ultérieurement le jugement" ![]() ![]() | |
Den Ausgangspunkt bildete unverkennbar die Bestimmung in Art. 153 Abs. 2, welche eine Aufhebung oder Herabsetzung der Bedürftigkeitsrente vorsieht. Die allgemeinen Erwägungen, welche dieser Bestimmung zugrunde liegen, wurden als auch auf die Unterhaltsrente nach Art. 151 zutreffend erklärt (BGE 60 II 395). In der Folge wurde die Frage dahin gestellt, "ob und inwieweit die auf Art. 151 gestützten Unterhaltsansprüche ... entsprechend der eigentlichen Bedürftigkeitsrente des Art. 152 zu behandeln seien", und gefolgert: "Es drängt sich auf, solche Unterhaltsansprüche grundsätzlich gleichfalls der gerichtlichen Herabsetzung ... zu unterstellen"; nun sehe aber Art. 153 Abs. 2 keine nachträgliche Erhöhung, sondern nur eine allfällige Aufhebung oder Herabsetzung vor (BGE 71 II 12). Es handelt sich also offensichtlich um eine analoge Anwendung von Art. 153 Abs. 2 auf die Unterhaltsrente nach Art. 151 in Ansehung des Zutreffens der ratio legis der erstern Bestimmung auf letztern Tatbestand. Die Erweiterung der nachträglichen Abänderbarkeit von der Herabsetzung auf die Erhöhung aber hätte mit analoger Anwendung nichts mehr zu tun, sondern liefe auf eine Ergänzung und Abänderung des Gesetzes hinaus. Die Unhaltbarkeit dieser Gesetzesauslegung erhellt ohne weiteres aus folgender Überlegung: Wird, ausgehend von der durch die bisherige Rechtsprechung gebilligten analogen Anwendung von Art. 153 Abs. 2 auf die Unterhaltsrenten nach Art. 151, für letztere gleich auch die Erhöhungsmöglichkeit angenommen, so ist nicht einzusehen, wieso dieses Auslegungsresultat nicht wiederum kraft der gleichen Analogie rückwärts auf die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152/153 Abs. 2 sollte angewendet werden können, auf welche die für die Abänderbarkeit nach oben sprechenden Erwägungen ebensogut zuträfen. Dann aber läge der ![]() ![]() ![]() ![]() | |
b) Diese im Sinne des Gesetzes liegende Ordnung kann nicht durch Anbringung entsprechender Vorbehalte im Scheidungsurteil durchbrochen werden. Führt die Auslegung der Art. 151-153 ZGB, wie dargetan, zu der Schlussfolgerung, dass sowohl die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152 als die Unterhaltsrente nach Art. 151 nur der nachträglichen Herabsetzung und Aufhebung auf Verlangen des Pflichtigen, nicht aber der Erhöhung auf Verlangen des Berechtigten unterliegt, so ist nicht einzusehen, wieso der Scheidungsrichter etwas, was auf Grund des Gesetzes allein nicht zulässig, weil nach dem klaren Wortlaut ausgeschlossen ist, dadurch sollte ins Scheidungsrecht einführen können, dass er im Scheidungsurteil einen entsprechenden Vorbehalt anbringt. Ein allgemeiner Vorbehalt, wonach die rentenberechtigte Frau bei wesentlicher Verschlechterung ihrer Erwerbsfähigkeit Erhöhung der Rente verlangen kann, macht die Regelung im Scheidungsurteil zu einer nur scheinbar definitiven, indem er neuen Prozessen mit neuem Walten des richterlichen Ermessens ruft. Wo das Gesetz die Möglichkeit einer Neubeurteilung des Rechtsverhältnisses bezw. ein Nachklagerecht zulassen will, weil unvermeidlich, hat es dies ausdrücklich vorgesehen (z.B. Art. 157 ZGB, 46 Abs. 2 OR, 10 EHG).
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Mit der Ablehnung des Erhöhungsvorbehalts setzt sich das Bundesgericht mit seiner bisherigen Praxis in dieser Frage keineswegs in Widerspruch. Wenn mit Bezug auf ![]() ![]() | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung der Beklagten wird abgewiesen, die Anschlussberufung des Klägers teilweise gutgeheissen dahin, dass der Vorbehalt der Erhöhung der Rente (Disp. 2 lit. a des angefochtenen Urteils) aufgehoben wird. Im übrigen wird die Anschlussberufung abgewiesen und das Urteil des Obergerichts bestätigt. ![]() |