9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden und Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde) | |
2C_821/2021 vom 1. November 2022 | |
Regeste | |
Art. 8 und 13 EMRK; Art. 13 und 29a BV; Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 AsylG; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Anspruch auf eine asylrechtliche Härtefallbewilligung; Vorrang des Asylverfahrens; Rechtsweggarantie.
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Verhältnis zwischen Art. 14 AsylG und Art. 8 EMRK. Im vorliegenden Fall kann sich der Beschwerdeführer, ein abgewiesener Asylsuchender, der sich jahrelang ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufhielt, weder in Anwendung von Art. 14 Abs. 4 AsylG noch in Anwendung von Art. 8 EMRK unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Privatlebens auf ein solches Recht berufen (E. 2).
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Prüfung der subsidiären Verfassungsbeschwerde und der Beschwerdelegitimation nach Art. 115 BGG (E. 3).
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Sachverhalt | |
A.a A. (geb. 1995) stammt aus Äthiopien. Er ersuchte am 26. März 2012 in der Schweiz um Asyl und wurde am 3. April 2012 dem Kanton Graubünden zugewiesen. Das Bundesamt für Migration (heute: Staatssekretariat für Migration [SEM]) wies sein Asylgesuch am 23. Oktober 2014 ab und hielt ihn an, das Land zu verlassen. Das Bundesverwaltungsgericht trat auf eine hiergegen gerichtete Beschwerde am 7. Januar 2015 nicht ein.
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A.b A. reiste in der Folge nicht aus, sondern hielt sich ab März 2015 bei Angehörigen im Kanton Thurgau auf. Er absolvierte die Matur und schloss an der ETH das Bachelorstudium in Informatik ab. Er bemühte sich danach um einen Masterabschluss. Am 18. Oktober 2019 ersuchte A. das Amt für Migration und Zivilrecht Graubünden darum, ihm eine asylrechtliche Härtefallbewilligung zu erteilen (Art. 14 Abs. 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142. 31]), was dieses am 30. Dezember 2019 mangels örtlicher Zuständigkeit ablehnte.
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B. Das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden trat am 3. Dezember 2020 auf die gegen das Schreiben des Amts für Migration und Zivilrecht vom 30. Dezember 2019 erhobene Beschwerde im Sinne der Erwägungen nicht ein. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden am 7. September 2021 ab, soweit es darauf eintrat. A. komme - so die Begründung - im kantonalen asylrechtlichen Härtefallverfahren keine Parteistellung zu (Art. 14 Abs. 4 AsylG); das Amt für Migration und Zivilrecht habe mangels einer Prozessvoraussetzung das Härtefallgesuch nicht an die Hand genommen, wogegen A. nicht Beschwerde führen könne, da ihm - wie bei einem allfälligen negativen materiellen Entscheid - im kantonalen Verfahren von Bundesrechts wegen keine Parteirechte zustünden.
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C. A. beantragt vor Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das angefochtene Urteil aufzuheben; es sei festzustellen, dass die ![]() ![]() | |
Das Bundesgericht tritt weder auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten noch auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ein.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen:
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1.2 Der Beschwerdeführer beruft sich für seine Bewilligung zudem auf Art. 14 AsylG. Nach dessen Absatz 1 kann eine asylsuchende Person ab Einreichung des Asylgesuches bis zur Ausreise nach einer rechtskräftig angeordneten Wegweisung kein Verfahren um Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung einleiten, ausser es bestehe ein Anspruch auf deren Erteilung ("Ausschliesslichkeit des Asylverfahrens"). Der Kanton kann mit Zustimmung des Staatssekretariats für Migration (SEM) einer ihm nach dem ![]() ![]() | |
Erwägung 2.1 | |
2.1.2 Unter Berufung auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK (Achtung des Privatlebens) kann gemäss der jüngeren bundesgerichtlichen Rechtsprechung allerdings nach einer rechtmässigen Aufenthaltsdauer von rund zehn Jahren regelmässig davon ausgegangen werden, dass die sozialen Beziehungen hier so eng geworden sind, dass es für die Aufenthaltsbeendigung besonderer Gründe bedarf; im Einzelfall kann es sich freilich auch anders verhalten und die Integration zu wünschen übrig lassen. Es kann aber auch sein, dass schon zu einem früheren Zeitpunkt der Anspruch auf Achtung des Privatlebens ![]() ![]() | |
2.1.5 Der Beschwerdeführer hätte das Land seit Januar 2015 verlassen müssen. Er weigerte sich, dies zu tun und sich die hierfür nötigen Papiere zu beschaffen. Er wurde in diesem Zusammenhang ![]() ![]() | |
Erwägung 2.2 | |
2.2.2 Die vorliegende Situation kann nicht mit den vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angerufenen Entscheiden verglichen werden: Der Beschwerdeführer wurde im Gegensatz zur Ausgangslage in BGE 147 I 268 hier gerade nicht vorläufig aufgenommen; er hätte das Land vielmehr verlassen müssen. Im EGMR-Urteil Abuhmaid ging es um einen Betroffenen, der während 17 ![]() ![]() | |
Erwägung 2.3 | |
2.3.2 Art. 14 Abs. 4 AsylG gilt deshalb grundsätzlich in der bisherigen Form und Auslegung weiter, was indessen, worin dem ![]() ![]() | |
Erwägung 3 | |
3.1 Dasselbe gilt für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde: Wegen Fehlens eines Bewilligungsanspruchs ist der Beschwerdeführer nicht legitimiert, den Entscheid hinsichtlich der Bewilligungsfrage als solcher mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde anzufechten; insbesondere sind in dieser Situation praxisgemäss die Rügen unzulässig, der angefochtene Entscheid verletze das Willkürverbot, das Rechtsgleichheitsgebot oder den Verhältnismässigkeitsgrundsatz (Art. 115 lit. b BGG; dazu das Urteil 2D_90/2008 vom 9. September 2008 E. 2.2; BGE 137 II 305 E. 2; BGE 134 I 153 E. 4; BGE 133 I 185 E. 6.2; UEBERSAX, a.a.O., N. 18 zu Art. 14 AsylG). Der Beschwerdeführer kann ausschliesslich rügen, der angefochtene Entscheid missachte verfahrensrechtliche Ansprüche, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen kann (sog. "Star"-Praxis; BGE 137 II 305 E. 2; Urteil 2D_6/2022 vom 15. Februar 2022 E. 2; HUGI YAR, a.a.O., S. 100).
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Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Kanton Graubünden sei - entgegen der Ansicht von dessen Behörden - zur ![]() ![]() | |
3.2.2 Vorliegend besteht gestützt auf Art. 14 Abs. 4 AsylG von Bundesrechts wegen indessen gerade kein solcher Anspruch, weshalb irrelevant ist, ob die Bündner Behörden für die Beurteilung des Gesuchs zuständig wären oder nicht. Der Beschwerdeführer hat kein Recht darauf, dass überhaupt ein entsprechendes kantonales Verfahren durchgeführt wird - ob im Kanton Thurgau oder im Kanton Graubünden. Er ist diesbezüglich nicht zur Rechtsverweigerungsrüge legitimiert (so das Urteil 2D_90/2008 vom 9. September 2008 E. 2.2.2). ![]() |