8. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Sicherheitsdirektion und Migrationsamt des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
2C_528/2021 vom 23. Juni 2022 | |
Regeste | |
Art. 8 EMRK; Art. 30 Abs. 1 lit. k und Art. 61 Abs. 2 AIG; Umfang des Aufenthaltsrechts gestützt auf das Privatleben nach Erlöschen der Aufenthaltsbewilligung.
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Die in BGE 144 I 266 festgelegten Grundsätze sind nicht anwendbar, wenn der Ausländer um eine neue Aufenthaltsbewilligung ersucht, nachdem er die Schweiz verlassen hat und seine ursprüngliche Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 61 Abs. 2 AIG erloschen ist (E. 4.5-4.9).
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Sachverhalt | |
A.a A. (geb. 1988), Staatsangehöriger Somalias, reiste im Jahr 2007 in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Mit Verfügung des Bundesamts für Migration (heute: Staatssekretariat für Migration) vom 16. März 2010 wurde das Asylgesuch ab- und A. aus der Schweiz weggewiesen; jedoch wurde er aufgrund der Unzumutbarkeit der Wegweisung vorläufig aufgenommen. Am 3. Mai 2016 erhielt er gestützt auf ein Härtefallgesuch eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Aargau. Am 4. Oktober 2017 ersuchte A. das Migrationsamt des Kantons Zürich (nachfolgend: Migrationsamt) um Bewilligung des Kantonswechsels, worauf ihm am 27. Oktober 2017 eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich erteilt wurde. Letztere wurde regelmässig - zuletzt bis zum 30. April 2020 - verlängert.
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A.b Ende 2019 erfuhr das Migrationsamt, dass A. im September 2017 in Frankreich erfolglos einen Asylantrag gestellt und vom 1. September 2018 bis am 29. April 2019 sowie in den Jahren 2016 und 2017 jeweils einen Monat in Somalia geweilt hatte, um seine Ehefrau und seine Familie zu besuchen.
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B. Mit Verfügung vom 26. Mai 2020 stellte das Migrationsamt fest, dass die Aufenthaltsbewilligung von A. gestützt auf Art. 61 Abs. 2 AIG erloschen sei. Zudem verfügte es, dass dessen Aufenthaltsbewilligung "nicht wiedererteilt bzw. nicht verlängert" werde und wies ihn an, die Schweiz bis zum 27. August 2020 zu verlassen. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (...).
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C. Mit Eingabe vom 30. Juni 2021 an das Bundesgericht erhebt A. (Beschwerdeführer) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und - sofern Letztere nicht zulässig sei - subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Er beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils; dem Beschwerdeführer sei weiterhin die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Eventualiter sei in Bezug auf den Beschwerdeführer die vorläufige Aufnahme anzuordnen. Subeventualiter sei die Sache zur ergänzenden Begründung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...) ![]() | |
(Auszug)
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Erwägung 4 | |
4.4 Unbestritten ist, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers ab dem Datum der vorläufigen Aufnahme (16. März 2010) als ![]() ![]() | |
Nicht als rechtmässiger Aufenthalt zu qualifizieren und deshalb bezüglich des Schutzes des Privatlebens nicht anzurechnen ist dagegen - soweit sich die rechtmässige Anwesenheitsdauer überhaupt als entscheiderheblich erweist (vgl. E. 4.6 ff. unten) - der Aufenthalt während des Asylverfahrens des Beschwerdeführers (vgl. Bst. A.a oben; vgl. BGE 137 II 10 E. 4.6 f.). Ausserdem kann seinem prozeduralen Aufenthalt ab dem 26. Mai 2020 (vgl. Bst. B oben) im Rahmen des Schutzes des Privatlebens - wenngleich nicht bedeutungslos - rechtsprechungsgemäss nicht derselbe Stellenwert beigemessen werden wie einem bewilligten Aufenthalt (Urteile 2C_638/2018 vom 15. Juli 2019 E. 3.3 mit Hinweisen; 2C_403/2018 vom 19. Februar 2019 E. 5.3).
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Erwägung 4.5 | |
4.6 Der Schutz des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK wie vom Bundesgericht in seinem Leitentscheid BGE 144 I 266 anerkannt soll einer ausländischen Person ermöglichen, in der Schweiz zu verbleiben, um die entstandenen sozialen Beziehungen weiter zu pflegen. Der entsprechende Aufenthaltsanspruch betrifft deshalb die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, nicht aber deren ![]() ![]() | |
4.8 Der Beschwerdeführer hat vorliegend die Schweiz (vom September 2018 bis April 2019; vgl. Bst. A.b oben) für acht Monate verlassen, um seine Familie in Somalia zu besuchen. Damit ist seine Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 61 Abs. 2 AIG am 28. Februar 2019 von Gesetzes wegen erloschen. In einer solchen Konstellation den Schutz des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK weitergelten zu lassen, hätte zur Folge, dass eine ausländische Person, welche sich einmal längere Zeit rechtmässig in der Schweiz aufgehalten hat, dann aber für sechs Monate oder mehr ins Ausland gezogen ist, zumindest während eines gewissen Zeitraums wiederum gestützt auf den Schutz des Privatlebens (in die Schweiz) einreisen und einen Aufenthaltsanspruch geltend machen könnte. Damit würde Art. 61 Abs. 2 AIG ausgehöhlt, was nicht mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar ist. Ist der Schutzbereich von Art. 8 EMRK nicht eröffnet, hat konsequenterweise auch keine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK stattzufinden (vgl. auch Urteil 2C_691/2017 vom 18. Januar 2018 ![]() ![]() | |
4.9 Der speziellen Situation des Beschwerdeführers könnte eventuell im Rahmen von Art. 30 Abs. 1 lit. k AIG Rechnung getragen werden. Demgemäss kann von den Zulassungsvoraussetzungen abgewichen werden, um die Wiederzulassung von Ausländerinnen und Ausländern, die im Besitz einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung waren, zu erleichtern. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es unter anderem, Personen, die aufgrund eines langjährigen Voraufenthalts enge Beziehungen zur Schweiz geknüpft haben, deren Bewilligung jedoch aufgrund Art. 61 Abs. 2 AIG erloschen ist, die Wiederzulassung zu ermöglichen (vgl. Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 3808, 3858, 3868; SPESCHA, a.a.O., N. 6 in fine zu Art. 61 AIG; MINH SON NGUYEN, Code annoté LEtr, a.a.O., N. 150 zu Art. 30 AIG; JEANNERAT/MAHON, Code annoté LEtr, a.a.O., Ziff. 3 zu Art. 61 AIG). Bei einer in diesem Rahmen erteilten Bewilligung handelt es sich allerdings um eine Ermessensbewilligung, weshalb der Rechtsweg an das Bundesgericht (unter Vorbehalt der "Star-Praxis" im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde; vgl. Urteile 2C_866/2017 vom 7. März 2018 E. 1.1; 2C_691/2017 vom 18. Januar 2018 E. 1.1) verschlossen ist (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 5 BGG). Auf daraufhin abzielende Ausführungen in der Beschwerde kann deshalb nicht eingegangen werden. ![]() |