Regeste Sachverhalt Aus den Erwägungen: 3. Der Streit dreht sich um die Erhebung der Kapitalsteuer bei de ... Erwägung 3.3 Erwägung 3.4 Erwägung 4 Erwägung 4.1 Erwägung 4.2 Erwägung 4.4 Erwägung 4.5
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5. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kantonales Steueramt St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_401/2020 vom 28. Juli 2021
Regeste
Art. 127 Abs. 3 BV; Art. 14 und 29 Abs. 2 lit. c StHG; Kapitalsteuer bei Vereinen; Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung; Ausscheidung von Betriebs- und Kapitalanlageliegenschaften bei der Kapital- und der Vermögenssteuer.
Sachverhalt
A. Die A. mit Sitz in U. ist seit (...) als Verein im Handelsregister des Kantons Bern eingetragen. Sie verfügt über einen grösseren Immobilienbestand in insgesamt 19 Kantonen. Diese Immobilien werden grossmehrheitlich als Betriebsliegenschaften genutzt, teilweise aber auch vermietet. Für die Steuerperiode 2015 wurde dieA. im Sitzkanton sowie in den übrigen Kantonen für das steuerbare Kapital wie folgt veranlagt (in zeitlicher Reihenfolge):
B. Während die Veranlagungen der ersten 18 Kantone unangefochten blieben, erhob die A. gegen die als letzte ergangene Veranlagung des Kantons St. Gallen Einsprache, welche das Kantonale Steueramt St. Gallen am 9. Januar 2019 abwies, wobei es eine reformatio in peius vornahm und das steuerbare Kapital auf Fr. 11'906'000.- erhöhte. Einen dagegen gerichteten Rekurs der A. hiess die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen am 29. August 2019 teilweise gut und setzte das steuerbare Kapital wiederum auf Fr. 11'723'000.- fest. Eine von der A. gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, am 7. April 2020 ab, soweit es darauf eintrat.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 18. Mai 2020 beantragt die A., der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Angelegenheit an die Vorinstanz, eventualiter an die Verwaltungsrekurskommission zur Vornahme der Veranlagung gemäss der vom Kantonalen Steueramt St. Gallen im Einspracheentscheid zur Anwendung gebrachten Ausscheidungsmethode (Methode "SG II") zurückzuweisen. Ausserdem beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung der rechtskräftigen Veranlagungen der übrigen Kantone; die Sache sei an die jeweiligen kantonalen Instanzen zwecks Neuveranlagung gemäss der Methode "SG II" zurückzuweisen und die übrigen Kantone seien anzuweisen, die zuviel bezogenen Steuern zurückzuerstatten. Eventualiter beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Entscheid sowie die rechtskräftigen Veranlagungen der übrigen Kantone aufzuheben und die Sache zur Vornahme neuer Veranlagungen gemäss der vom Kantonalen Steueramt St. Gallen bei Vornahme der (ursprünglichen) Veranlagung zur Anwendung gebrachten Ausscheidungsmethode (Methode "SG I") zurückzuweisen; für diesen Fall sei der KantonSt. Gallen anzuweisen, die zuviel bezogenen Steuern zurückzuerstatten.
Die Vorinstanz und das Kantonale Steueramt St. Gallen schliessen auf Abweisung der Beschwerde, letzteres soweit darauf überhaupt eingetreten werden könne. Die Steuerverwaltungen der Kantone Basel-Landschaft, Luzern, Neuenburg, Thurgau und Uri haben sich nicht vernehmen lassen; die Steuerverwaltungen der Kantone Aargau, Basel-Stadt, Freiburg, Jura, Nidwalden, Solothurn, Tessin, Wallis und Zug haben darauf verzichtet, einen Antrag zur Sache zu stellen. Die Steuerverwaltungen der Kantone Waadt und Genf schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Kantonale Steueramt Zürich schliesst auf Gutheissung der Beschwerde (und gleichzeitige Erhöhung des im Kanton Zürich steuerbaren Kapitals). Die Steuerverwaltung des Kantons Bern beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Die Eidgenössische Steuerverwaltung verzichtet auf das Stellen eines Antrags.
Die Multiplikation des Eigenkapitals mit einer Quote kann rein methodisch betrachtet der objektmässigen Zuweisung der Kapitalanlageliegenschaften nicht gleichgesetzt werden, da dieKapitalanlageliegenschaften so - zusammen mit allen anderen Vermögensobjekten und den Schulden - quotenmässig verlegt werden. Sie führt aber solange zum richtigen Resultat, als sich die kantonale Quote nach den Gewinnsteuerwerten der Aktiven richtet, da so jedem Liegenschaftskanton ein Anteil am Bruttovermögen entsprechend den Gewinnsteuerwerten der auf seinem Gebiet befindlichen Liegenschaften zugewiesen wird.
4.2.2 Da das Eigenkapital von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften also nach Massgabe der Buchwerte bzw. derGewinnsteuerwerte der Aktiven quotal auf den Sitzkanton und die Betriebsstättekantone verteilt wird, sind die Verkehrswerte und die Repartitionswerte der Liegenschaften insoweit ohne Bedeutung. Demgegenüber wird bei natürlichen Personen, die im Rahmen eines Einzelunternehmens mit Betriebsstätten in mehreren Kantonen selbständig erwerbstätig sind, die Quote der Betriebsstättekantone an den Aktiven des Unternehmens anhand der (amtlichen) Verkehrswerte der Liegenschaften in den einzelnen Kantonen ermittelt. Die Quote der durch die einzelnen Kantone anzurechnenden Schulden wird derweil anhand der Repartitionswerte der Liegenschaften bestimmt (vgl. OERTLI, a.a.O., § 33 Rz. 13). Letzteres ist nur schon deshalb geboten, weil für die Verlegung der Schulden von natürlichen Personen, die ein Einzelunternehmen betreiben, nicht zwischen Geschäfts- und Privatschulden unterschieden wird (vgl. PHILIPP BETSCHART, in: Interkantonales Steuerrecht, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2. Aufl. 2021, § 24 Rz. 18 f. und 21 f.; LOCHER, a.a.O., S. 78; DANIEL DE VRIES REILINGH, in: Interkantonales Steuerrecht, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2. Aufl. 2021, § 26 Rz. 6) und folglich für alle Schulden dieselbe Quote zur Anwendung kommen muss.
Während der Sitzkanton Bern und die ihm folgenden Kantone das "Eigenkapital" der Beschwerdeführerin anhand der steuerlichen Verkehrswerte der Liegenschaften bestimmten, stellte die Vorinstanz auf die Repartitionswerte ab.
Da die Vorinstanz und der Sitzkanton Bern in Bezug auf das "Eigenkapital" von unterschiedlichen Werten ausgingen, gelangte dieVorinstanz in der Folge zu einem anderen Anteil am Reinvermögen (vor Korrektur), der dem Kanton St. Gallen zuzuweisen war.
Anders als der Sitzkanton und die ihm folgenden Kantone unterzog die Vorinstanz die resultierenden Anteile jedoch einer zusätzlichen Korrektur, indem sie die Repartitionswerte der Betriebs- und Kapitalanlageliegenschaften abzog und stattdessen die amtlichen Verkehrswerte hinzurechnete. Infolge dieser Korrektur gelangte sie zwar wegen des tiefen Repartitionsfaktors zu einem grösseren Anteil am steuerbaren Reinvermögen für den Kanton St. Gallen, aber zum selben steuerbaren Gesamtreinvermögen wie der Sitzkanton Bern und die ihm folgenden Kantone.
Doppelbesteuerungsrechtlich gilt zwar der Grundsatz, dass der Steuerpflichtige sämtliche Schulden zum Abzug bringen können muss (vgl. oben E. 4.1.2). Vorliegend ist allerdings nicht zu übersehen, dass der Schuldenabzug im Kanton Basel-Landschaft einzig und allein deshalb nicht voll zur Geltung kommt, weil der Kanton Basel-Landschaft äusserst tiefe amtliche Verkehrswerte kennt: Er setzt die amtlichen Verkehrswerte der nichtlandwirtschaftlichen Liegenschaften im landesweiten Vergleich mit einigem Abstand am tiefsten an, weswegen ihm die Schweizerische Steuerkonferenz SSK im hier relevanten Zeitraum den landesweit höchsten Repartitionsfaktor von 260 % zugewiesen hat (vgl. Schweizerische Steuerkonferenz SSK, Regeln für die Bewertung der Grundstücke bei interkantonalen Steuerausscheidungen, Kreisschreiben Nr. 22 vom 22. August 2018, geändert am 26. August 2020). Ein Repartitionsfaktor von 260 % legt nahe, dass die im Kanton Basel-Landschaft geltenden amtlichen Verkehrswerte regelmässig weit unter der Hälfte des schweizerischen Mittels für vergleichbare Objekte bleiben. Es ist ausgesprochen zweifelhaft, ob sich solche Werte noch in guten Treuen als Verkehrswerte bezeichnen lassen und sich der Kanton Basel-Landschaft damit noch im Rahmen des Gestaltungsspielraums bewegt, den Art. 14 Abs. 1 StHG den Kantonen eröffnet (vgl. BGE 131 I 291 E. 2.5.1; BGE 128 I 240 E. 3.2.3; BGE 124 I 159 E. 2h; BGE 124 I 145 E. 6b). Jedenfalls kann von den übrigen Kantonen unter dem Titel von Art. 127 Abs. 3 BV aber nicht verlangt werden, dass sie zugunsten eines Grundeigentümers einen Schuldenüberschuss aus demKanton Basel-Landschaft übernehmen, wenn dieser ausschliesslich auf eine harmonisierungsrechtlich fragwürdige Vorzugsbehandlung der Grundeigentümer in diesem Kanton zurückgeht. Auch eine Schlechterstellung der Beschwerdeführerin im Vergleich zu Steuerpflichtigen, deren Immobilienportfolio sich auf einen Kanton beschränkt, ist insoweit nicht zu erkennen. Auch ein solcher Steuerpflichtiger hätte im Kanton Basel-Landschaft nicht weniger als Null zu versteuern und könnte dort folglich nicht alle Schulden abziehen. In den übrigen Kantonen könnte er zwar womöglich alle Schulden zum Abzug bringen, doch fiele aufgrund der höheren amtlichen kantonalen Verkehrswerte auch das Bruttovermögen entsprechend höher aus.
Aufzuheben sind ferner aber auch die Veranlagungen der Kantone, die zu tief ausgefallen sind, einschliesslich jener des Kantons St. Gallen, wie sie im angefochtenen Urteil zum Ausdruck kommt.