4. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. F. gegen A. AG, B. sowie K. AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
2C_399/2021 und andere vom 28. Februar 2022 | |
Regeste | |
Art. 29 Abs. 2 BV; Anfechtung einer Zuschlagsverfügung durch mehrere Anbieterinnen; ungeteilte Wirkung der Entscheide der Beschwerdeinstanz; Gebot materieller Koordination.
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Sachverhalt | |
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B.
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B.a Gegen die Zuschlagsverfügung vom 18. September 2020 gelangte einerseits die B. (Verfahren B-4991/2020; Zweitplatzierte im Vergabeverfahren), andererseits die F. (Verfahren B-5064/2020; Viertplatzierte im Vergabeverfahren) an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Verfügung vom 21. Oktober 2020 zog die Vergabestelle ![]() ![]() | |
B.b Mit Zwischenverfügung vom 4. November 2020 lehnte die Instruktionsrichterin des Bundesverwaltungsgerichts den Antrag der Vergabestelle auf Abschreibung des Verfahrens B-4991/2020 (Beschwerde der B.) ab.
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B.c Mit Verfügung vom 27. November 2020 erteilte die Vergabestelle den Zuschlag erneut der A. AG.
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B.d Mit Urteil B-5064/2020 vom 10. Dezember 2020 schrieb das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der F. gegen die Zuschlagsverfügung vom 18. September 2020 als gegenstandslos geworden ab. Die F. erhob gegen die zweite Zuschlagsverfügung vom 27. November 2020 neuerlich Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (Verfahren B-6366/2020).
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B.e Mit Urteil vom 20. April 2021 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der B. im Verfahren B-4991/2020 gut und erteilte der B. den Zuschlag. Es gelangte zum Schluss, die Offerte der A. AG sei auszuschliessen gewesen; die direkte Zuschlagserteilung begründete es damit, dass weder die A. AG noch die Vergabestelle konkrete Argumente gegen den direkten Zuschlag an die B. vorgebracht hätten und dass die B. in der Evaluation der Vergabestelle zweitrangiert gewesen sei.
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C.
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C.a Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 11. Mai 2021 gelangt die A. AG gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-4991/2020 vom 20. April 2021 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils und die Bestätigung des Zuschlags gemäss Verfügungen vom 18. September 2020 bzw. 27. November 2020 (Verfahren vor Bundesgericht 2C_399/2021).
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C.b Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. Mai 2021 ficht auch die F. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-4991/2020 vom 20. April 2021 beim Bundesgericht an. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils, die Abschreibung des Verfahrens B-4991/2020 zufolge Gegenstandslosigkeit, eventuell die Rückweisung der Angelegenheit zur Neubeurteilung an das ![]() ![]() | |
C.c (...)
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C.d Im Verfahren 2C_399/2021 (Beschwerde der A. AG) beantragt die Vergabestelle die Gutheissung der Beschwerde. Die B. ersucht um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf überhaupt einzutreten sei. (...)
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C.e Im Verfahren 2C_427/2021 (Beschwerde der F.) beantragt die Vergabestelle die Abweisung der Beschwerde. Die B. ersucht ebenfalls um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf überhaupt einzutreten sei. Die A. AG reicht Bemerkungen ein, ohne in der Sache einen Antrag zu stellen. (...)
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D.
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D.a Mit Urteil vom 9. Juni 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der F. im Verfahren B-6366/2020 ab.
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D.b Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 13. Juli 2021 gelangt die F. auch gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-6366/2020 vom 9. Juni 2021 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils und des Zuschlagsentscheids an die A. AG sowie den Abbruch des Vergabeverfahrens, eventualiter die Rückweisung der Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Bundesverwaltungsgericht und subeventualiter die Rückweisung der Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vergabestelle. Subsubeventualiter sei die Rechtswidrigkeit des Zuschlags an die A. AG festzustellen (Verfahren vor Bundesgericht 2C_565/2021).
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D.c (...)
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D.d Die Vergabestelle und die A. AG stellen den Antrag, auf die zweite Beschwerde der F. sei nicht einzutreten, eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. (...)
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Das Bundesgericht vereinigt die Verfahren und heisst die Beschwerden der F. in den Verfahren 2C_427/2021 und 2C_565/2021 im Sinne der Erwägungen gut. Die Beschwerde der A. AG im Verfahren 2C_399/2021 schreibt es als gegenstandslos geworden ab.
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(Auszug)
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Erwägung 1 | |
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(...)
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Erwägung 4 | |
4.1 Gemeinsamer Ausgangspunkt der hier zu beurteilenden Beschwerdeverfahren ist - wie oben bereits ausgeführt (vgl. E. 1.1 hiervor) - die Zuschlagsverfügung der Vergabestelle vom 18. September 2020, die von zwei Anbieterinnen beim Bundesverwaltungsgericht angefochten wurde. Mit der Zuschlagsverfügung wurde entschieden, dass die A. AG den Zuschlag erhält (sog. positive Wirkung der Zuschlagsverfügung). Damit war zugleich gesagt, dass die anderen Anbieterinnen den Zuschlag nicht erhalten konnten (sog. negative Wirkung der Zuschlagsverfügung; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.4; BGE 141 II 14 E. 4.7). Die Lehre qualifiziert die Zuschlagsverfügung in diesem Sinn als "unteilbare, einheitliche Verfügung" (vgl. MARTIN BEYELER, Urteilsbesprechung zu BGer 2C_979/2018 [22.1.2020], BR 2020, S. 196 und 197), was bei Anfechtung einer solchen Verfügung durch mehrere Anbieter (vgl. zum Devolutiveffekt der Beschwerde vor Bundesverwaltungsgericht Art. 54 VwVG ![]() ![]() | |
Die zivilprozessuale Lehre postuliert für solche Fälle, dass die Rechtsmittelinstanz gegenüber allen Beteiligten einheitlich entscheiden müsse und Parallelprozesse ausgeschlossen sein müssten (vgl. DOMEJ, a.a.O., N. 8 und 16 zu Art. 70 ZPO; RUGGLE, a.a.O., N. 12 zu Art. 71 ZPO; JENNY/JENNY, in: ZPO, Kommentar, Gehri/Jent-Sørensen/Sarbach [Hrsg.], 2. Aufl. 2015, N. 9zu Art. 125 ZPO); verlangt wird mithin formelle und materielle Koordination.
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Dies findet in der Literatur zum öffentlichen Prozessrecht nur teilweise Widerhall: Vertreten wird zwar auch hier, dass das Erfordernis des einheitlichen Entscheides gelten müsse, wenn dasselbe Anfechtungsobjekt Gegenstand mehrerer Beschwerden bilde und dessen rechtliche Beurteilung generelle Gültigkeit erheische. Die ![]() ![]() | |
4.3.1 Mit der Vorgabe der zeitlichen Koordination ist gemeint, dass das Bundesverwaltungsgericht als Vorinstanz des Bundesgerichts sämtliche bei ihm anhängigen Beschwerden gegen eine Zuschlagsverfügung parallel instruieren und entscheiden muss; dies gilt zumindest dann, wenn es auf die Beschwerden unterschiedlicher Anbieter eintritt. Nur mit zeitlich koordinierten Beschwerdeentscheiden der bundesgerichtlichen Vorinstanz ist sichergestellt, dass die Angelegenheit auf Grundlage desselben Tatsachenfundaments (vgl. zum Novenrecht auf Bundesebene Art. 32 Abs. 2 VwVG; siehe ferner Art. 99 BGG) und unter einheitlicher Beantwortung aller sich stellenden Rechtsfragen durch den zuständigen Spruchkörper entschieden wird. ![]() ![]() | |
4.3.2 Aus verfahrens(grund)rechtlicher Perspektive ist zu bedenken, dass sich die Submissionsbeschwerde einer Anbieterin an das Bundesverwaltungsgericht in erster Linie gegen die Berücksichtigung der ursprünglichen Zuschlagsempfängerin bzw. gegen die Nichtberücksichtigung des eigenen Angebots durch die Vergabestelle richtet. In ihrer Beschwerde wird sich die nicht berücksichtigte Anbieterin entsprechend in erster Linie entweder auf allgemeine Aspekte der Ausschreibung, auf die Würdigung des eigenen Angebots oder aber auf die Würdigung des Angebots der Zuschlagsempfängerin beziehen. Von ihr kann im Grundsatz nicht erwartet werden, dass sie in ihrer Submissionsbeschwerde (vorsorglich) auch auf Offerten weiterer Konkurrentinnen eingeht, zumal im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung an die Vorinstanz des Bundesgerichts meist nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche Konkurrentinnen die Zuschlagsverfügung ebenfalls angefochten haben bzw. anfechten werden. Wird eine Zuschlagsverfügung von mehreren Anbieterinnen angefochten, gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) deshalb, anderen beschwerdeführenden Anbieterinnen die Möglichkeit zu gewähren, sich zu den Rechtsstandpunkten der betreffenden Konkurrentin zu äussern (ebenso wie im Übrigen nach der Praxis der ursprünglichen Zuschlagsempfängerin in vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren grundsätzlich Parteistellung zukommt; vgl. GALLI/MOSER/LANG/STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Aufl. 2013, Rz. 1321 und 1322); dies gilt in ![]() ![]() | |
4.4.2 Unter verfahrensgrundrechtlichen Aspekten ist zu konstatieren, dass der F. - anders als der A. AG, die im Verfahren B-4991/2020 ![]() ![]() | |
Dies gilt umso mehr, als das Bundesgericht in BGE 146 II 276 entschieden hat, dass bei Aufhebung einer Zuschlagsverfügung durch eine (kantonale) Beschwerdeinstanz und Korrektur einer rechtsfehlerhaften Anwendung der Zuschlagskriterien durch die Vergabebehörde grundsätzlich sämtliche Angebote aller am Vergabeverfahren beteiligten Anbieterinnen wieder zu berücksichtigen seien. Das Bundesgericht hat in dem Entscheid entsprechend ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine (kantonale) Beschwerdeinstanz ihre Kompetenz, ein reformatorisches Urteil zu fällen, nur in Konstellationen anwenden dürfe, die "hinreichend geklärt" seien; davon sei namentlich auszugehen, wenn am Vergabeverfahren lediglich zwei Anbieterinnen teilnehmen würden oder der Zuschlag ohne Weiteres an die nächstbesser platzierte Anbieterin erteilt werden könne, da keine weiteren Anbieterinnen für den Zuschlag in Frage kämen (BGE 146 II 276 insb. E. 6.2.1).
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Es besteht kein Grund, diese Kriterien nicht auch im Anwendungsbereich des öffentlichen Beschaffungswesens auf Bundesebene zum Tragen kommen zu lassen. Ob sie im vorliegenden Fall erfüllt sind, ![]() ![]() ![]() |