28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Mai 1999 i.S. Abd-Allah Lucien Meyers gegen Gemeinde Hausen a.A. und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste | |
Art. 53 Abs. 2 BV, Art. 49 BV und Art. 50 BV, Art. 9 EMRK und Art. 14 EMRK, Art. 18 UNO-Pakt II; Anspruch auf «ewige Todesruhe» auf einem öffentlichen Friedhof.
| |
Weder aus dem Anspruch auf ein schickliches Begräbnis (Art. 53 Abs. 2 BV) noch aus der Religions- und Kultusfreiheit (Art. 49 u. 50 BV) ergibt sich ein Recht darauf, in einem öffentlichen Friedhof eine nach den Regeln des Islams ausgestaltete - insbesondere auf unbeschränkte Zeit garantierte - Grabstätte zugesichert zu erhalten (E. 2 u. 3).
| |
Soweit eine Zürcher Gemeinde freiwillig auch auswärts wohnhaften Personen Grabstätten gewährt, kann sie dieses Angebot im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots und des Willkürverbots den ihr angezeigt erscheinenden Einschränkungen unterwerfen (E. 4).
| |
Sachverhalt | |
![]() | |
Abd-Allah Lucien Meyers gelangte hiergegen erfolglos an den Bezirksrat Affoltern. Gegen dessen Entscheid vom 6. Januar 1997 rekurrierte er an den Regierungsrat des Kantons Zürich mit dem Antrag, den Gemeinderat Hausen a.A. anzuweisen, ihm und seiner Familie vier Grabstellen auf dem Gemeindefriedhof zur Verfügung zu stellen, unter Gewährung der räumlichen Gruppierung der islamischen Gräber, der ewigen Todesruhe sowie, soweit möglich, unter Berücksichtigung der übrigen, nicht zwingenden Bedingungen der islamischen Beerdigung. Der Regierungsrat wies den Rekurs am 17. September 1997 ab, soweit er darauf eintrat. Er bezweifelte, ob die von Abd-Allah Lucien Meyers als zwingend bezeichneten ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Abd-Allah Lucien Meyers hat beim Bundesgericht hiergegen staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, den Beschluss des Regierungsrats aufzuheben. Er macht geltend, dieser verletze Art. 4, 49, 50 und 53 Abs. 2 BV sowie Art. 9 in Verbindung mit Art. 14 EMRK und Art. 18 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2).
| |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt,
| |
1. a) Der angefochtene Rekursentscheid ist gemäss Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Mai 1998 kantonal letztinstanzlich (Art. 86 Abs. 1 OG). Ein anderes eidgenössisches Rechtsmittel als die staatsrechtliche Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG) steht nur insoweit offen, als die Verletzung von Art. 53 Abs. 2 BV beim Bundesrat geltend zu machen wäre (Art. 73 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 ![]() ![]() | |
b) Durch die teilweise Ablehnung des Gesuchs um Gewährung einer gemäss den islamischen Regeln ausgestalteten Grabstätte in einem öffentlichen Friedhof ist der Beschwerdeführer (potentiell) in verfassungsrechtlich geschützten Interessen betroffen und deshalb zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG). Auch wenn sich die Verhältnisse bis zu seinem Ableben oder demjenigen seiner Familienmitglieder noch ändern können, verfügt er doch bereits heute über ein aktuelles praktisches Interesse daran, Klarheit hinsichtlich seines Grabanspruchs zu erhalten. Dass er den Anspruch ausschliesslich gegen seine Heimatgemeinde geltend gemacht hat, obwohl ihm ein solcher gegebenenfalls nur gegen seine Wohngemeinde zustünde (vgl. § 79 des Zürcher Gesetzes vom 4. November 1962 über das Gesundheitswesen [Gesundheitsgesetz] bzw. § 19 der kantonalen Verordnung vom 7. März 1963 über die Bestattungen [Bestattungsverordnung]), ändert hieran nichts: Ergäbe sich der von ihm geltend gemachte Anspruch aus Art. 53 Abs. 2 BV (in Verbindung mit Art. 49 und Art. 50 BV), gälte dieser kraft Bundesrechts gegenüber allen möglichen künftigen Wohngemeinden. Der Regierungsrat hat sich in seiner Eventualbegründung als oberste kantonale Behörde im Sinne von Art. 53 Abs. 2 BV zudem eingehend mit der Frage auseinander gesetzt und insofern einen Feststellungsentscheid getroffen; unter diesen Umständen erschiene es überspitzt formalistisch, vom Beschwerdeführer noch zu verlangen, vorerst einen analogen Entscheid bei seiner derzeitigen Wohngemeinde zu erwirken. Die Frage nach der Schicklichkeit des Begräbnisses von Muslimen kann sich jederzeit in gleicher Art wieder stellen, weshalb auch ein öffentliches Interesse an deren Behandlung besteht. Die Beschwerde ist somit grundsätzlich an die Hand zu nehmen.
| |
2. a) Nach Art. 53 Abs. 2 BV steht die Verfügung über die Begräbnisplätze den bürgerlichen Behörden zu, welche dafür zu sorgen haben, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann. Aus dieser Bestimmung ergibt sich ein über den Tod hinaus wirkendes verfassungsmässiges Recht jedes Einzelnen auf ein schickliches ![]() ![]() ![]() ![]() | |
b) Der Beschwerdeführer beruft sich vergeblich auf Art. 53 Abs. 2 BV für sein Anliegen, in einem öffentlichen Friedhof eine nach den Regeln des Islams ausgestaltete, d.h. insbesondere auf unbeschränkte Zeit garantierte Grabstätte zugesichert zu erhalten: Bezüglich der Durchführung des Begräbnisses und der Gestaltung der Grabstätte wird ihm nichts aufgezwungen oder zugemutet, was nach den hiesigen Anschauungen mit dem Gebot der Schicklichkeit oder der Menschenwürde nicht vereinbar wäre. Das gilt namentlich auch, was die Dauer der Aufrechterhaltung der Grabstätte betrifft. Dass das Grab nach Ablauf einer bestimmten Ruhezeit abgeräumt wird bzw. werden kann, hat nichts Entehrendes an sich, sondern entspricht der auf allen öffentlichen Friedhöfen der Schweiz geltenden Grundordnung (vgl. VEB 1930 Nr. 16 S. 30). Der Entscheid des Regierungsrats verletzt Art. 53 Abs. 2 BV deshalb - unabhängig von der Unzuständigkeit der angegangenen Bürgergemeinde (vgl. unten E. 4a) - nicht.
| |
3. a) Die vom Beschwerdeführer ebenfalls angerufenen Grundrechte der Religions- und Kultusfreiheit (Art. 49 und 50 BV, vgl. zu deren Inhalt BGE 123 I 296 E. 2b; BGE 119 Ia 178 E. 4b-c) haben ihrerseits vorab negative Funktion, indem sie die Ausübung des religiösen Glaubens vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen schützen; sie verpflichten den Staat nur beschränkt dazu, dem Einzelnen die Ausübung dieser Freiheiten auch aktiv zu ermöglichen oder zu erleichtern (KARLEN, a.a.O., S. 173 ff.; BGE 97 I 221 E. 4d S. 230). Ein (bedingter) Anspruch auf staatliche Leistungen kann etwa bestehen, soweit eine zulässige Religionsausübung polizeilichen Schutz erfordert (BGE 97 I 221 E. 4d S. 230; KARLEN, a.a.O., S. 176) oder die Durchführung einer Kultushandlung mit einem gesteigerten Gemeingebrauch öffentlichen ![]() ![]() | |
b) aa) Der Betrieb öffentlicher Friedhöfe ist mit derartigen Sonderstatusverhältnissen insofern vergleichbar, als es sich dabei ebenfalls um staatliche Einrichtungen handelt, die als solche grundrechtskonform ausgestaltet sein müssen. Art. 53 Abs. 2 BV schliesst nun aber nicht aus, dass neben den (in der Regel von den Gemeinden getragenen) öffentlichen Friedhöfen konfessionelle Sonderfriedhöfe bestehen, die den Angehörigen der betreffenden Religionsgemeinschaft vorbehalten bleiben (BURCKHARDT, a.a.O., S. 491; DICKE, a.a.O., Art. 53, N. 8; KARLEN, a.a.O., S. 379, 385; MÄCHLER, a.a.O., S. 55; SPÖNDLIN, S. 81 ff.). Diese Möglichkeit ist insbesondere für jene Religionsgemeinschaften von Bedeutung, deren spezifischen religiösen Anliegen in öffentlichen Friedhöfen nicht oder nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann (KARLEN, a.a.O., S. 385). Als Beispiel hiefür können die jüdischen Friedhöfe genannt werden. Nach israelitischer Anschauung dürfen die Gebeine eines Toten nicht ausgegraben oder in ein anderes Grab verbracht werden, was mit dem in öffentlichen Friedhöfen betriebenen Gräberturnus unvereinbar ist und die Anlage eigener Friedhöfe erfordert (FRITZ WYLER, Die staatsrechtliche Stellung der israelitischen Religionsgenossenschaften in der Schweiz, Diss. Zürich 1929, S. 122; PETER REMUND, ![]() ![]() | |
bb) Wieweit der in öffentlichen Friedhöfen vorgesehene Gräberturnus auch mit den religiösen Regeln des Islams in Konflikt geraten kann, wie dies der Beschwerdeführer geltend macht, bedarf vorliegend keiner weiteren Erörterungen (zum Bedürfnis nach islamischen Sonderfriedhöfen: vgl. JEAN- FRANÇOIS MAYER, La liberté religieuse en Suisse, in: Conscience et Liberté, 1998 No 55, S. 21 f.). Der angefochtene Rekursentscheid des zürcherischen Regierungsrats hält nämlich selbst dann vor der Verfassung stand, wenn auf die Ausführungen des Beschwerdeführers abgestellt wird: Die von den Gemeinden betriebenen öffentlichen Friedhöfe beruhen regelmässig auf dem Prinzip des Gräberturnus. Nach Ablauf bestimmter Ruhefristen werden die Gräber abgeräumt und neu belegt. Ohne diese Möglichkeit würden die öffentlichen Friedhöfe im Laufe der Zeit immer grössere Flächen einnehmen, oder aber der ordnungsgemässe Weiterbetrieb der bestehenden Friedhöfe wäre wegen Platzmangels gefährdet. Würden in öffentlichen Friedhöfen Grabstellen auf Wunsch hin bzw. gegen entsprechendes Entgelt auf unbeschränkte Zeit zur Verfügung gestellt, liefe dies auf eine permanente Sondernutzung hinaus, welche das zuständige Gemeinwesen in seinem Verfügungsrecht über die Friedhofanlage übermässig einschränkte. Wohl ist es in der Regel möglich, dass in öffentlichen Friedhöfen die Dauer eines Grabs durch Vertrag oder Konzession mehr oder weniger lang über die ordentliche Ruhefrist hinaus verlängert wird (SPÖNDLIN, a.a.O., S. 54 f.). Eine Verpflichtung des Gemeinwesens, bestimmte Gräber auf «ewige Zeit» zu bewahren, ginge jedoch über die in öffentlichen Friedhöfen bisher üblichen Sonderregelungen weit hinaus, und eine derartige Garantie dürfte vom Gemeinwesen im Hinblick auf nicht voraussehbare mögliche künftige Sachzwänge auch kaum vorbehaltlos abgegeben werden. Jedenfalls würde durch die Bewilligung «ewiger» Grabstätten ein wachsender Teil der Friedhofsfläche der ordentlichen, turnusgemässen Nutzung entzogen, was mit dem Konzept der öffentlichen Friedhöfe nicht vereinbar wäre; dies selbst dann nicht, wenn die auf unbeschränkte Zeit bewilligten Gräber, wie vom Beschwerdeführer angeregt, jeweils für die Belegung in mehreren horizontalen Schichten konzipiert würden.
| |
Die Beschränkung derartiger Ausnahmen auf Angehörige jener Religionsgemeinschaften, deren Regeln die Wiederbelegung von ![]() ![]() | |
Wenn aufgrund des heutigen Zustands Angehörige der islamischen Religion fernab der Schweiz in islamischen Ländern beigesetzt werden, mag dies für die Betroffenen mit hohen persönlichen und finanziellen Opfern verbunden sein, vor allem falls es sich um in der Schweiz niedergelassene Familien handelt. Es obliegt aber vorab der betreffenden Religionsgemeinschaft, sich um die Errichtung eigener (privater) Sonderfriedhöfe zu bemühen. Neben dem Erwerb eines geeigneten Areals dürfte dies auch raumplanerische und baurechtliche Massnahmen nötig machen. Ob und inwieweit bei der Realisierung eines solchen Vorhabens seitens der interessierten Glaubensgemeinschaft allenfalls gestützt auf Art. 49/50 BV eine behördliche Intervention oder Unterstützung im Sinne einer «Pflicht zur Verwirklichungsbeihilfe» (vgl. MARTIN PHILIPP WYSS, Vom Umgang mit dem Transzendenten, in: recht 16/1998 S. 178 ff.) verlangt werden könnte, ist vorliegend nicht näher zu prüfen, da kein derartiges Projekt zur Diskussion steht; im Rahmen der damit verbundenen Interessenabwägungen wäre dem konstitutiven Gehalt der Religionsfreiheit wohl zumindest in dem Sinne Rechnung zu tragen, als der Staat die entsprechende private Initiative nicht ohne triftige Gründe vereiteln dürfte. Der blosse Umstand, dass ein derartiger Sonderfriedhof den Angehörigen der islamischen Religion - jedenfalls im Kanton Zürich - bis anhin nicht zur Verfügung steht, ![]() ![]() | |
c) Nichts anderes ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer mitangerufenen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 9 und 14) sowie des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (Art. 18): Zwar können sich aus diesen ebenfalls gewisse staatliche Leistungspflichten ergeben (vgl. FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/Arlington 1996, Rz. 21 ff. zu Art. 9 EMRK u. Rz. 40 zu Art. 14 EMRK; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1993, Rz. 587; MARTIN PHILIPP WYSS, a.a.O., S. 180, mit weiteren Hinweisen), doch legt der Beschwerdeführer nicht dar (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 113 Ia 225 E. 2 S. 230) und ist auch nicht ersichtlich, inwiefern diese Garantien hier über die vom Bundesgericht aus Art. 49 und 50 BV abgeleiteten hinausgingen (vgl. auch MARK E. VILLIGER, a.a.O., Rz. 579; PETER KARLEN, Umstrittene Religionsfreiheit, in ZSR NF 116/1997 I 199; BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 301; BGE 119 Ia 178 E. 3b S. 182 f.).
| |
4. a) Im vorliegenden Fall konnte der (bezüglich der unbeschränkten Ruhefrist) abschlägige Bescheid der Gemeinde Hausen a.A. die angerufenen Verfassungs- und Konventionsgarantien, wie ![]() ![]() | |
b) Nach dem Gesagten ist aber auch die im Rekursentscheid des Regierungsrats enthaltene Eventualbegründung für den Fall, dass der gleiche Grabanspruch gegenüber der Wohngemeinde geltend gemacht würde, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Da es sich dabei lediglich um Eventualausführungen handelt, die neben der Hauptbegründung (fehlende Zuständigkeit der Bürgergemeinde) keine tragende Bedeutung haben, dringt auch die Rüge, der Regierungsrat habe sich bei diesen Erwägungen, was die Möglichkeit der Wiederbelegung islamischer Gräber betreffe, auf dem Beschwerdeführer unbekannte Dokumente gestützt und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, nicht durch; dasselbe gilt für den Einwand, die Eventualerwägung beruhe auf einer unhaltbaren Beweiswürdigung.
| |
c) Inwiefern darin, dass der Regierungsrat auf lit. c des bei ihm gestellten Rekursbegehrens (Anweisung an die Gemeinde Hausen a.A., die Grabstellen «soweit möglich unter Berücksichtigung der andern, nicht zwingenden Bedingungen der islamischen Beerdigung» zu gewähren) mangels hinreichender Bestimmtheit dieses Antrags nicht eingetreten ist, ein Verstoss gegen Art. 4 BV liegen soll, legt der Beschwerdeführer nicht rechtsgenügend dar (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG), weshalb insofern auf seine Eingabe nicht weiter einzugehen ist. ![]() |