66. Auszug aus dem Urteil vom 17. September 1969 i.S. Genossenschaft Zentralschweizer Metzgermeister gegen Einwohnergemeinde Köniz und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste | |
Volle Entschädigung bei Enteignung nach bernischem Recht; Methoden der Ermittlung (Erw. 2);
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Kontrolle der Berechnung nach der statistischen und Ertragswertmethode (Erw. 5 und 6);
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Wann wirkt sich eine Baulinie als materielle Enteignung aus? (Erw. 7).
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Sachverhalt | |
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Die Beschwerdeführerin hat gegen den Bebauungsplan keine Einsprache erhoben. Dagegen verlangte sie eine Entschädigung für das abzutretende Land von ca. 700 m2 zum Ausbau des Kohlenweges sowie eine solche wegen Wertverminderung ihrer Parzelle infolge der Baulinien.
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Die erstinstanzliche Enteignungs-Schätzungskommission sprach ihr folgende Entschädigungen zu: für das Terrain des Kohlenweges Fr. 180.--/m2, für den Zustandswert des Strassenkoffers und des Oberbaues des Kohlenweges Fr. 13 000.--, für Inkonvenienzen infolge des Ausbaues des Kohlenweges Fr. 10 000.--, für die Verminderung der Überbaubarkeit, bedingt durch die Baulinie am Kohlenweg Fr. 125.--/m oder Fr. 37 000.--, schliesslich für das entlang der Schwarzenburgstrasse abzutretende Land Fr. 150.--/m2 oder Fr. 20 250.--.
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B.- Beide Parteien zogen den Entscheid an das kantonale Verwaltungsgericht weiter. Mit Urteil vom 27. Januar 1969 erhöhte dieses die für die Abtretung entlang der Schwarzenburgstrasse zu entrichtende Entschädigung auf Fr. 350.--/m2 ![]() ![]() | |
C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt die Genossenschaft Zentralschweizer Metzgermeister, der Entscheid des Verwaltungsgerichtes sei aufzuheben, soweit er die Entschädigung für das Terrain des Kohlenweges im Ausmass von 525 m2, das durch die Baulinie längs des Kohlenweges geschaffene Bauverbot und die Inkonvenienzen betreffe. Es sei festzustellen, dass die Ziehung der Baulinie längs des Kohlenweges eine materielle Enteignung darstelle. Die Sache sei deshalb zu neuer Entscheidung und Zusprechung einer angemessenen Entschädigung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
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Es wird eine Verletzung von Art. 4 BV sowie der Eigentumsgarantie gerügt.
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Zu entschädigen ist also bei der Abtretung der Verkehrswert ![]() ![]() | |
Der Wert des enteigneten Grundstückes vermindert sich durch die Abtretung von privatem Strassenland dann, wenn der Weg infolge der Öffentlicherklärung eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit einbüsst. Das Verwaltungsgericht nimmt an, das Strassengrundstück habe dem industriellen Betrieb der Beschwerdeführerin als Abstell-, Park- und Manövrierplatz gedient, sodass sie durch den Entzug des Privatweges eine zu entschädigende Einbusse erleide.
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Ob diese Annahme den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, ist durchaus zweifelhaft. Die freie Nutzung des Kohlenweges durch die Beschwerdeführerin war schon bisher beeinträchtigt durch die Befugnisse der beiden dienstbarkeitsberechtigten ![]() ![]() | |
Die Rechte der Beschwerdeführerin am Weg als Park- und Wendeplatz waren also schon zivilrechtlich prekär, weil sie vor den Befugnissen der Dienstbarkeitsberechtigten zurückzutreten hatten. Es ist nicht dargetan, dass sich hieran - abgesehen von der Überführung des Weges in das öffentliche Eigentum - etwas Wesentliches ändern werde. Die Gemeinde hat den Gemeingebrauch nicht eingeschränkt und auch für die Zukunft ist eine derartige Einschränkung nicht wahrscheinlich. Durch die Verbreiterung des Weges um einen Gehweg und einen Parkstreifen von je 2 m werden inskünftig die Verhältnisse noch verbessert und die Beschwerdeführerin wird inskünftig den Weg solange und in dem Umfang unter dem Titel des Gemeingebrauches in Anspruch nehmen können, als dies den übrigen Verkehr nicht stört. Nur die juristische Bezeichnung hat also geändert; die tatsächlichen Verhältnisse, unter denen die Beschwerdeführerin den Kohlenweg als Park- und Wendeplatz verwenden konnte, sind die gleichen geblieben.
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Unter diesen Umständen hält es schwer, mit dem Verwaltungsgericht anzunehmen, das Vermögen der Beschwerdeführerin erleide durch die Enteignung eine Einbusse; noch weniger überzeugend aber wäre die Annahme, der Wert dieser Einbusse übersteige den Wert der Entlastung, der nach dem Zugeständnis der Beschwerdeführerin sich aufjährlich Fr. 500.-- belief.
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Aus diesen Gründen ist die Feststellung des Verwaltungsgerichtes, das Vermögen der Beschwerdeführerin werde durch die Enteignung des Kohlenweges und dessen Überführung in das Eigentum der Gemeinde nicht vermindert, offenbar nicht willkürlich.
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5. Auch vom Standpunkt der Bestimmung der Entschädigung ![]() ![]() | |
Voraussetzung für diese Berechnung wäre das Vorhandensein von Vergleichsmaterial, also die Feststellung, wie viel für gleichartiges, mit Wegdienstbarkeiten belastetes und für die eigenen Bedürfnisse benötigtes Land unter gleichen oder änhlichen Umständen bezahlt wurde. Weder die Beschwerdeführerin noch das Verwaltungsgericht sind in der Lage, derartige Vergleichsgrundstücke zu nennen. Das bestätigt die Richtigkeit der Schlussfolgerung, welche das Verwaltungsgericht bei Anwendung der Differenzmethode gezogen hat, dass nämlich derartiges Strassenland keinen Verkehrswert besitzt und dessen Abtretung daher auch keine Vermögenseinbusse zur Folge hat. Eine Privatstrasse hätte nur dann einen Verkehrswert, wenn sie anderweitig nutzbar wäre, ein Käufer damit rechnen dürfte, dass er aus dem Grundstück einen über den verbleibenden Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzen ziehen oder das Strassengebiet sonst anderweitig verwenden könnte. So kann es sich bei Flurwegen verhalten, die ihre bisherige Funktion verloren haben, wenn die sie umgebenden Bauten bereits durch Strassen erschlossen sind.
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Die Beschwerdeführerin glaubt freilich, der Kohlenweg hätte verlegt und überbaut oder er hätte als Abstellplatz benützt werden können.
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Es kann auf sich beruhen, ob eine anderweitige Verwendung dem Strassenareal einen selbständigen Verkehrswert verliehen hätte. Denn es ist durchaus fraglich, ob die Strasse von einem Dritten solchen Zwecken hätte dienstbar gemacht werden können. Die Beschwerdeführerin vermag jedenfalls nicht darzutun, wie der Weg ohne Wertverminderung für die Berechtigten hätte verlegt werden können. Das Verwaltungsgericht stellt fest, der Kohlenweg hätte ohne Zustimmung der Dienstbarkeitsberechtigten weder überbaut noch verlegt werden können. Diese Annahme ist, weit entfernt willkürlich zu sein, offenbar zutreffend. Denn die Berechtigten sind auf die Erschliessung ihrer Grundstücke durch den Kohlenweg angewiesen.
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Die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Strassenareal ![]() ![]() | |
Der gegenwärtige oder bei besserer Verwendung eines Grundstückes erzielbare Ertrag bestimmt dessen objektiven Wert. Der Kohlenweg, der durch seine Existenz den anstossenden Grundstücken diente, warf bisher keinen Ertrag ab; er erforderte im Gegenteil jährliche Aufwendungen von etwa Fr. 500.--, hatte also von der Ertragsrechnung her gesehen einen negativen Wert. Dass seine Aufhebung sich in einer Entwertung der Grundstücke auswirken würde, denen er diente, ändert nichts. Dieser mittelbare Nutzwert lässt sich nicht verselbständigen und er wird auch durch die Überführung des Eigentums am Strassenareal in die öffentliche Hand nicht beeinträchtigt.
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Indem das Verwaltungsgericht der Beschwerdeführerin eine Entschädigung von Fr. 10 000.--dafür zuspricht, dass sie nicht mehr Eigentümerin und in der weitern Verfügung über den Weg beschränkt ist, nimmt es als erwiesen an, dass der Kohlenweg für die Beschwerdeführerin einen subjektiven Wert besitze. Die Beschränkung, für welche es die Vergütung zuspricht, erblickt es in der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin inskünftig vermehrt auf andere Benützer des Weges Rücksicht nehmen muss. Das erscheint, wie bereits ausgeführt wurde, durchaus fragwürdig, ginge jedoch nicht zulasten der Beschwerdeführerin. Entscheidend ist jedoch, dass der subjektive Wert dem Verkehrswert gegenüberzustellen wäre, sodass nicht zu prüfen ist, ob er allenfalls den Betrag von ![]() ![]() | |
Der Widerspruch in den Berechnungen des objektiven Wertes des Enteignungsobjektes entfällt dann, wenn von den richtigen Voraussetzungen ausgegangen wird. Wenn die Anwendung der Differenzmethode zeigt, dass der Wert der Parzelle der Beschwerdeführerin durch die Abtretung des Areals des Kohlenweges nicht beeinflusst wird, so ergibt die statistische Methode, dass für das Strassenareal keine Nachfrage besteht und es daher keinen selbständigen Wert aufweist. Auch bei Zuhilfenahme der Ertragsberechnung wird offenbar, dass ein objektiver Ertragswert fehlt, dass der Kohlenweg für die Beschwerdeführerin auch keinen subjektiven Ertragswert besitzt, jedenfalls aber Anhaltspunkte dafür fehlen, dass dieser höher sein könnte als die vom Verwaltungsgericht der Beschwerdeführerin zugesprochene Vergütung.
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Die Beschwerdeführerin hat somit für den Kohlenweg offensichtlich eine volle Entschädigung erhalten.
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Eine materielle Enteignung ist anzunehmen, wenn dem Eigentümer entweder ein bisher ausgeübter oder wirtschaftlich verwerteter Gebrauch des Bodens untersagt wird; ferner, sofern das Verbot die Benützung der Sache in ausserordentlich hohem und empfindlichen Masse einschränkt, und nur ein einziger oder einzelne wenige Eigentümer so betroffen werden, dass sie ein allzu grosses Opfer zu Gunsten des Gemeinwesens bringen müssten, wenn sie keine Entschädigung erhielten (BGE 89 I 385 mit Verweisungen). Dem Fall, wo in das Eigentum in ausserordentlich schwerer Weise eingegriffen wird, sodass dem Eigentümer eine wesentliche aus dem Eigentum ![]() ![]() | |
Die Belastung des Grundeigentums mit Baulinien führt als baupolizeiliche Massnahme in der Regel nicht zu einer Ersatzpflicht. Sie erfüllt den Tatbestand der materiellen Enteignung nur, wenn sie für den Eigentümer im Sinne der Rechtsprechung eine besondere Belastung darstellt, wie etwa dann, wenn sie zur Schaffung besonderer Parkierungsflächen, Haltestellen für öffentliche Verkehrsmittel, Traminseln usw. dienen soll, oder wenn das Grundstück durch zwei oder mehrere Baulinien so zerschnitten wird, dass darauf nicht mehr oder nicht mehr wirtschaftlich gebaut werden kann (BGE 93 I 343; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung Bd. 1 Note 357 III. d; WIEDERKEHR a.a.O. S. 83; SAUTTER, Expropriationsentschädigung und Baulinie in: Rechtsprobleme von Stadtgemeinden, 1961, S. 137; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 5. Mai 1967, abgedruckt in Blätter für zürcherische Rechtsprechung Bd. 66, 1967, No. 172). An derartige Eigentumsbeschränkungen hat sich der Eigentütümer regelmässig auch dann zu halten, wenn keine Baulinien gezogen werden. Denn die zweckmässige Überbauung einer an einen Weg stossenden Liegenschaft ist regelmässig nur möglich, wenn die Baute vom Strassenrand zurückgenommen wird. Das gilt im besondern, wenn der Bauherr Abstellplätze zu schaffen hat.
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Die von der Beschwerdeführerin zu beachtende Baulinie erfüllt keine der beiden Voraussetzungen für eine materielle Enteignung. Sie liegt 6 m von der Grenze zum Kohlenweg zurück und hat zur Folge, dass rund 500 m2 der 10 038 m2 haltenden Parzelle oder ungefähr der 20. Teil derselben nicht überbaut werden kann. Sie ist zwar neu. Doch hätte die Beschwerdeführerinauch ohneBaulinie die normalen Grenzabstände von 7 m auf der Längsseite und 5 m seitlich beachten müssen (Art. 31 der Bauordnung). Der Behauptung der Beschwerdeführerin, dass unter Umständen auf die Grenze hätte gebaut ![]() ![]() | |
Die Beschränkung der Baufreiheit durch die auf das Grundstück der Beschwerdeführerin gelegte Baulinie stellt danach keine in Betracht fallende, zu Entschädigung berechtigende Einschränkung dar, sodass dafür eine Entschädigung nicht geschuldet ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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