6. Urteil vom 20. Januar 1965 i.S. Zimmermann gegen Zimmermann und Regierungsrat des Kantons Aargau. | |
Regeste | |
Bäuerliches Vorkaufsrecht.
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Die Kantone sind nicht befugt, den Entscheid darüber, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EGG und damit Gegenstand des Vorkaufsrechts sei, einer Verwaltungsbehörde zuzuweisen; hierüber hat im Streitfall der ordentliche Richter vorfrageweise zu entscheiden.
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Sachverhalt | |
a) durch Verträge vom 6. und 8. Februar 1961 drei zusammen 239,39 a haltende Parzellen für Fr. 88 000.-- an den in Baden wohnhaften Otto Jehle, und
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b) durch Vertrag vom 17. Februar 1961 zwei zusammen 104,08 a haltende Parzellen für 20'000.-- an den Landwirt Josef Benz in Würenlos.
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Am 26. Februar 1961 ersuchte er die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Aargau unter Hinweis auf seine Absicht, Teile seines Heimwesens zu verkaufen, um Auskunft darüber, ob seinem Sohn Willy Zimmermann ein Vorkaufsrecht zustehe. Die Landwirtschaftsdirektion liess das Heimwesen durch einen Sachverständigen besichtigen und stellte hierauf durch Verfügung vom 24. Mai 1961 fest, dass die 11 Parzellen im Halte von 488,50 a "ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 6 EGG bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht Anwendung finden".
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Inzwischen waren die beiden Kaufverträge mit Jehle Ende Februar 1961 beim Grundbuchamt angemeldet worden. Darauf machte Willy Zimmermann ein gesetzliches Vorkaufsrecht gemäss Art. 6 EGG geltend. Nachdem die Landwirtschaftsdirektion den Schätzungswert (im Sinne des LEG) der verkauften Grundstücke rechtskräftig auf Fr. 6880.-- festgesetzt, Emil Zimmermann sich aber geweigert hatte, die Grundstücke zu diesem Preise dem Sohne zu überlassen, machte dieser sein Vorkaufsrecht durch Klage geltend. Das Bezirksgericht Baden hiess diese Klage durch Urteil vom 10. Juli 1963 gut und sprach die drei streitigen Grundstücke dem Kläger zum Schätzungswert von Fr. 6880.-- zu Eigentum zu. Dieser Teil des Dispositivs wurde von keiner Partei angefochten und ist in Rechtskraft erwachsen. (Ein weiterer Prozess, der das Vorkaufsrecht des Sohnes an den beiden an Benz verkauften Parzellen betrifft und im Herbst 1962, vor Anmeldung des Kaufvertrags beim Grundbuch, eingeleitet worden war, ist noch hängig.) ![]() ![]() | |
Die Landwirtschaftsdirektion stellte durch Verfügung vom 13. Dezember 1963 fest, dass die Emil Zimmermann verbleibenden Liegenschaften "kein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des EGG bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht keine Anwendung finden". Zur Begründung führte sie aus, dass vom Kulturland ein erheblicher Teil so weit ab und von den Gebäulichkeiten entfernt liege, dass eine Bewirtschaftung für einen derart kleinen Betrieb nicht mehr rationell möglich sei und daher die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne von Art. 6 ff. EGG nicht mehr erfüllt seien.
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Gegen diese Verfügung reichte der Sohn Willy Zimmermann beim Regierungsrat eine Beschwerde ein mit dem Antrag, sie aufzuheben und festzustellen, dass die seinem Vater verbleibenden Grundstücke ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 6 EGG bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht Anwendung finden.
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Der Regierungsrat wies die Beschwerde mit Entscheid vom 20. August 1964 ab. In den Erwägungen wird dargelegt, weshalb der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion zutreffend und das in Frage stehende Heimwesen nicht mehr schützenswert sei. Zum Einwand des Beschwerdeführers, der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion ermangle insoweit, als er die an Benz verkauften, bereits Gegenstand eines Zivilprozesses bildenden Grundstücke betreffe, jeglicher Verbindlichkeit, bemerkt der Regierungsrat: "Die Landwirtschaftsdirektion ist immer zuständig, einen Entscheid im Sinne von Art. 6 EGG und § 1 (der aarg.) VVO zu treffen. Emil Zimmermann ist noch Eigentümer von 5 Parzellen im Halte von total 242,62 a. Dazu gehören auch GB Würenlos Nr. 2548 und 2549. Der Entscheid bezieht sich daher auch auf diese beiden Grundstücke."
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B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Willy Zimmermann folgende Anträge:
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1. Der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion vom 13. Dezember 1963 bzw. der Beschluss des Regierungsrates vom 20. August 1964 seien im vollen Umfang aufzuheben.
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Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 4 BV und erhebt im wesentlichen folgende Rügen:
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a) Die Annahme, dass das fragliche Heimwesen kein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 EGG darstelle, verstosse gegen den klaren Wortlaut und Sinn des EGG, sei willkürlich und bedeute eine rechtsungleiche Behandlung.
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b) Diese Annahme sei auch deshalb willkürlich, weil damit der rechtskräftige Entscheid der Landwirtschaftsdirektion vom 24. Mai 1961 widerrufen worden sei.
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c) Nach der Auffassung der Landwirtschaftsdirektion und des Regierungsrates sei der Entscheid der Administrativbehörden über die Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Vorkaufsrecht auch für den Zivilrichter verbindlich. Diese Auffassung entbehre jeglicher Rechtsgrundlage und verstosse sowohl gegen klares Recht des Bundes als auch gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung.
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Die Begründung dieser Rügen ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau und der Beschwerdegegner Emil Zimmermann beantragen Abweisung der Beschwerde. Zur Frage, ob der Entscheid der Administrativbehörden über die Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Vorkaufsrecht für den Zivilrichter verbindlich sei, führt der Regierungsrat aus: Dass das bäuerliche Vorkaufsrecht gemäss Art. 6 EGG ein privatrechtlicher Anspruch sei und im Streitfall der Zivilrichter darüber zu urteilen habe, sei richtig. Nach § 1 der gestützt auf Art. 46 Abs. 2 EGG erlassenen und vom Bundesrat genehmigten aarg. Vollziehungsverordnung vom 6. Dezember 1952 habe indes die Landwirtschaftsdirektion im Zweifelsfalle über die Anwendbarkeit des EGG auf ein Gewerbe oder eine Liegenschaft zu entscheiden. Damit sei "die Zuständigkeitsfrage bezüglich eines Aspekts des Vorkaufsrechts ausdrücklich zugunsten der Verwaltungsbehörde entschieden worden". Auf Grund dieser Bestimmung entscheide die Landwirtschaftsdirektion (und im Beschwerdefall der Regierungsrat) nach konstanter Praxis darüber, ob ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 EGG vorliege oder nicht. Dass diese Auslegung ![]() ![]() | |
2. Die Beschwerde ist als solche wegen Verletzung des Art. 4 BV bezeichnet und wirft dem Regierungsrat in mehrfacher Beziehung Willkür vor. Zur Begründung dieser Rüge wird unter anderm geltend gemacht, der angefochtene Entscheid sei deshalb bundesrechtswidrig, weil das EGG nicht vorsehe, dass eine kantonale Verwaltungsbehörde ein bestimmtes landwirtschaftliches Heimwesen mit verbindlicher Wirkung den im EGG enthaltenen Bestimmungen über das Vorkaufsrecht unterstelle, sondern den Entscheid hierüber dem Richter überlasse, der ![]() ![]() | |
3. Nach § 1 der aarg. VV zum EGG entscheidet die Landwirtschaftsdirektion im Zweifelsfall über die Anwendbarkeit des EGG auf ein Gewerbe oder eine Liegenschaft. Der Regierungsrat leitet hieraus die Befugnis der Landwirtschaftsdirektion zum Entscheid darüber ab, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 6 EGG und damit Gegenstand des Vorkaufsrechtes bilde. Hiefür ist aber im EGG keine Grundlage zu finden. Das bäuerliche Vorkaufsrecht nach Art. 6 ff. EGG ist, wie der Regierungsrat mit Recht anerkennt, ein zivilrechtlicher Anspruch. Über dessen Bestand hat von Bundesrechts wegen der ordentliche Richter zu entscheiden (vgl. BGE 79 I 269 und 275). Dass eine Verwaltungsbehörde über das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Gewerbes als eine der Voraussetzungen des Vorkaufsrechts zu entscheiden hätte oder die Kantone diesen Entscheid einer Verwaltungsbehörde übertragen dürften, lässt sich dem EGG nicht entnehmen. Das EGG enthält, im Gegensatz zum LEG (Art. 2 und 3), keine Bestimmung, wonach die ![]() ![]() | |
Dass das EGG kein besonderes Unterstellungsverfahren vorsieht, beruht nicht etwa auf einem Versehen des Gesetzgebers. Das geht aus der Entstehungsgeschichte klar hervor. Die Vorentwürfe zum EGG sahen nach dem Vorbild des LEG einen rechtskräftigen Unterstellungsentscheid als Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes vor. Der Entwurf des Bundesrates (BBl 1948 I 72 ff.) verzichtete auf ein obligatorisches Unterstellungsverfahren und bestimmte in Art. 3 Abs. 3 lediglich, dass jedermann, der ein Interesse glaubhaft mache, befugt sei, die Anwendbarkeit des Gesetzes im Einzelfall durch die zuständige Behörde feststellen zu lassen; ferner sah der Entwurf in den Art. 41 und 42 vor, dass dieser Entscheid an eine kantonale Beschwerdeinstanz weiterziehbar und gegen deren Entscheid die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig sei (vgl. dazu die Ausführungen in der Botschaft S. 49 und 66/67). Art. 3 Abs. 3 wurde zunächst von beiden Räten ohne Diskussion angenommen (StenBull NatR 1948 S. 376, StR 1949 S. 329). Als die Kommission des Ständerates dann die von diesem zurückgewiesenen Artikel behandelte, beantragte der Vorsteher des eidg. Justiz- und Polizeidepartements, auf Abs. 3 von Art. 3 zurückzukommen und ihn als überflüssig zu streichen, denn bei Geltendmachung des Vorkaufsrechts habe der Richter ohnehin die Voraussetzungen ![]() ![]() | |
Nach dem EGG ist daher kein Raum für den Entscheid einer kantonalen Verwaltungsbehörde über die Frage, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 6 EGG und damit Gegenstand des Vorkaufsrechtes sei. Hierüber ist im Streitfall vom Richter vorfrageweise zu entscheiden (wie es z.B. in BGE 86 II 430 Erw. 1 geschah; vgl. auch BGE 87 I 478 Erw. 4). Die Annahme des Regierungsrates, dass § 1 VV die Zuständigkeit bezüglich dieses "Aspektes des Vorkaufsrechts" zugunsten der Verwaltungsbehörden entschieden habe, beruht auf einer mit dem Bundesrecht unvereinbaren Auslegung dieser kantonalen Ausführungsbestimmung. § 1 VV kann nur Platz greifen, soweit der Kanton nach dem EGG befugt ist, die zuständige Behörde zu bezeichnen, d.h. im Rahmen des Art. 4 EGG.
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Ist der angefochtene Entscheid somit wegen Verletzung des Art. 2 Üb.-Best. der BV aufzuheben, so braucht nicht geprüft zu werden, ob er, wie die Beschwerde weiter geltend macht, auch gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung und gegen Art. 4 BV verstosse.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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