75. Urteil vom 4. Dezember 1963 i.S. Binz gegen Gerichtspräsident IX von Bern. | |
Regeste | |
Strassenfreiheit. Parkingmetergebühren.
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Sachverhalt | |
"Parkbeschränkungen. Wo die Nachfrage nach Parkplätzen die verfügbare Anzahl übersteigt, kann die zulässige Parkierungsdauer zu bestimmten Zeiten oder nötigenfalls durchgehend eingeschränkt werden. Die Einschränkungen werden an Ort und Stelle signalisiert.
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Für die Kontrolle über die Einhaltung der zulässigen Parkdauer kann von den Benützern der Parkplätze eine Gebühr erhoben werden. Werden für die Kontrolle Parkingmeter oder ähnliche Automaten verwendet, so ist die Gebühr unmittelbar nach der Einfahrt in den Parkplatz durch Einwurf in den Automaten zu entrichten. Das Parkieren auf einem Parkplatz ohne Bezahlung der Gebühr gilt als Widerhandlung, die gemäss § 33 dieser Verordnung geahndet wird, ebenso die Überschreitung der höchstzulässigen Parkdauer; in beiden Fällen ist zudem § 5 Abs. 2 anwendbar.
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Der Warenumschlag unterliegt den Einschränkungen der Parkierungszeit nicht; als Warenumschlag gilt jedoch nur das eigentliche Auf- und Abladen von Gegenständen, die infolge ihres Gewichtes oder Umfangs nicht von Hand über grössere Strecken transportiert werden können."
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Widerhandlungen gegen die Vorschriften der Verordnung werden nach § 33 mit einer Busse bis zu Fr. 50. - bestraft; in leichten Fällen kann die Polizei, statt Strafanzeige zu erstatten, mündliche oder schriftliche Verwarnungen erteilen.
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B.- Am 10. April 1962 liess der in Münsingen (Kt. Bern) wohnhafte Hans Binz sein Personenautomobil etwas länger als eine Stunde auf einem mit Parkingmeter versehenen Parkplatz an der Schwanengasse in Bern stehen, ohne die Gebühr durch Einwurf einer Münze in den Automaten zu entrichten. Er wurde deshalb verzeigt und vom Polizei-Inspektor der Stadt Bern mit Fr. 10. - gebüsst. Hiegegen erhob er Einsprache mit der Begründung, die Erhebung von Parkingmetergebühren verstosse gegen Art. 37 Abs. 2 BV und Art. 3 SVG.
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Der Gerichtspräsident IX von Bern bestätigte die Busse mit Urteil vom 7. Februar 1963. Er nahm an, aus der Entstehungsgeschichte von Art. 37 Abs. 2 BV ergebe sich, dass der Verfassungsgesetzgeber nicht schlechthin jede Gebührenerhebung auf öffentlicher Strasse habe ausschliessen ![]() ![]() | |
C.- Gegen dieses Urteil des Gerichtspräsidenten hat Hans Binz staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, es aufzuheben. Zur Begründung wird geltend gemacht: § 7 der städtischen Verordnung über die Strassenpolizei widerspreche ganz eindeutig Art. 37 Abs. 2 BV, da unter "Verkehr" im Sinne dieser Bestimmung (wie auch von Art. 3 Abs. 2 SVG) sowohl der rollende wie auch der ruhende Verkehr zu verstehen sei. Wenn man nur die Gebührenerhebung auf dem Durchgangsverkehr hätte verbieten wollen, so hätte man dies durch Ausdrücke wie "rollender Verkehr" oder "Befahren der öffentlichen Strasse" oder "Durchgangsverkehr" sagen müssen.
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D.- Der Gerichtspräsident IX von Bern hat unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Urteils auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet.
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1./2. - (Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges; Zulässigkeit der Rüge, dass schon § 7 der Verordnung verfassungswidrig sei.)
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3. Die steigende Zunahme der Zahl der Motorfahrzeuge führt namentlich im Innern der grösseren Städte zu immer schwereren Verkehrsstörungen und andern Unzukömmlichkeiten, denen die zuständigen Behörden ![]() ![]() | |
"Für den Verkehr auf Strassen, die im Rahmen ihrer Zweckbestimmung der Öffentlichkeit zugänglich sind, dürfen keine Gebühren erhoben werden. Die Bundesversammlung kann in besonderen Fällen Ausnahmen bewilligen."
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a) Diese Bestimmung wurde im Jahre 1958 bei der durch eine Initiative veranlassten Revision der Strassenartikel in die BV aufgenommen, und zwar, wie in der ![]() ![]() | |
b) Der im Vorentwurf des Departements des Innern vorgeschlagene Art. 36 quater BV (dem Abs. 2 des heutigen Art. 37 entspricht) verbot die Erhebung von Gebühren "für die Ausübung des Gemeingebrauchs an öffentlichen Strassen im Rahmen ihrer Zweckbestimmung" (BBl 1957 II S. 844). Gegen diese Fassung wurden im Vernehmlassungsverfahren von verschiedener Seite Bedenken erhoben, und es wurde eine elastischere Formulierung vorgeschlagen, um "einerseits nicht in die bestehenden kantonalen Rechte betreffend den Gemeingebrauch an öffentlichen Strassen einzugreifen und anderseits die Erhebung von Parkplatzgebühren nicht zu verunmöglichen" (a.a.O. S. 845). Auf diese Bedenken und Anregungen ist es offenbar zurückzuführen, dass im Entwurf des Bundesrates der Ausdruck ![]() ![]() | |
c) Die in Art. 37 Abs. 2 BV gewährleistete Gebührenfreiheit hat, wie das bisherige Verbot der "Weggelder" und "Durchgangsgebühren", den Zweck, jede fiskalische Behinderung des freien Verkehrs zu Fuss und mit Fahrzeugen auf den im Gemeingebrauch stehenden öffentlichen Strassen auszuschliessen. Diese Gebührenfreiheit muss aber, wie bereits in BGE 81 I 190 b ausgeführt worden ist, nicht nur für den rollenden Verkehr mit Fahrzeugen gelten, ![]() ![]() | |
d) Diese Frage ist zu verneinen. Wenn Art. 37 Abs. 2 BV die Gebührenfreiheit für den Verkehr auf der Strasse im Rahmen ihrer Zweckbestimmung gewährleistet, so verpflichtet er damit die Gemeinwesen nicht, die bestehenden Strassenflächen im bisherigen Umfange dem Fahrverkehr zu erhalten. Insbesondere hindert er sie nicht, Teile der Strassenfläche, die bisher dem rollenden Verkehr sowie zeitlich unbeschränktem Parkieren offen standen, durch Bodenmarkierung und Signale als Parkfelder zu bezeichnen und darauf das Parkieren nur für eine bestimmte Zeit zu gestatten, um damit den Automobilisten vermehrte Gelegenheit zu kurzfristigem Parkieren zu verschaffen. Der Beschwerdeführer spricht denn auch den Behörden das Recht, das Parkieren in bestimmten Gebieten zeitlich zu beschränken, nicht ab. Dagegen beanstandet er als Verletzung von Art. 37 Abs. 2 BV, dass für solch zeitlich beschränktes Parkieren eine Gebühr erhoben werde. Wenn indes auf gewissen, bisher allen Formen des Fahrverkehrs geöffneten Teilen des Strassengebietes inskünftig ständig oder während gewisser Tageszeiten nur noch kurzfristiges Parkieren zugelassen wird, so werden diese Parkflächen dem "Verkehr" im Sinne des allgemeinen Gemeingebrauchs entzogen und für eine besondere Art der Benutzung bestimmt. Diese Änderung der Zweckbestimmung hat zur Folge, dass Art. 37 Abs. 2 BV, der die Erhebung von Parkplatzgebühren nicht schlechthin ausschliesst (lit. b hievor), auf diese Strassenflächen nicht mehr anwendbar ist. Wenn der Begriff des "Verkehrs" in Art. 37 Abs. 2 BV nicht nur den rollenden, sondern - innerhalb gewisser Grenzen - auch den ruhenden Verkehr umfasst, so kann das Verbot der Gebührenerhebung seinem Sinne nach doch nur gelten für Strassenflächen, die auch oder gar ausschliesslich dem ![]() ![]() | |
Ein Vorbehalt ist lediglich insofern zu machen, als es nicht angeht, in einer ganzen Ortschaft oder einem grösseren Teil einer solchen sämtliche nicht dem rollenden Verkehr vorbehaltenen Strassenflächen in gebührenpflichtige Parkplätze umzuwandeln. Dass hierin eine mit dem Verbot von Weggeldern und Durchgangsgebühren (Art. 30 Abs. 2 BV und 71 Abs. 1 MFG) unvereinbare Behinderung des freien Verkehrs läge, wurde bereits in BGE 81 I 190 /91 ausgeführt. Aus den gleichen Gründen wäre der die Befreiung des Strassenverkehrs von jeglicher Gebühr gewährleistende Art. 37 Abs. 2 BV verletzt. Die Umwandlung von Strassengebiet in gebührenpflichtige Parkflächen ist daher vor dieser Bestimmung nur haltbar, wenn in angemessenem Abstand von ihnen genügend Parkplätze vorhanden sind, auf denen die Fahrzeuge unentgeltlich abgestellt werden können. Diese Voraussetzung ist hier, wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt und in der Beschwerde nicht bestritten wird, erfüllt, da sich in nächster Nähe der Stelle an der Schwanengasse, wo der Beschwerdeführer parkierte, unentgeltliche Parkplätze befinden, nämlich auf einem Teilstück dieser Strasse selber sowie an der angrenzenden Rainmattstrasse.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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