11. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1961 i.S. Hagen gegen Gritschneder und Obergericht des Kantons Tlmrgau. | |
Regeste | |
Schweiz./deutsches Vollstreckungsabkommen vom 2. November 1929.
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Art. 2 Ziff. 2: Wirkungsdauer der in einem zivilrechtlichen Vertrag enthaltenen Gerichtsstandsklausel (Erw. 5).
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Art. 4 Abs. 1: Der für das Verfahren vor Landgerichten und höheren deutschen Gerichten geltende Anwaltszwang verstösst nicht gegen den schweizerischen ordre public (Erw. 6 b).
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Art. 7 Ziff. 1: Die Ausfertigung eines deutschen Versäumnisurteils gilt auch dann, wenn sie keine Entscheidungsgründe enthält, als "vollständig" (Erw. 6 c).
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Sachverhalt | |
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Gestützt auf dieses Urteil betrieb Dr. Gritschneder Hagen für Fr. ...... und ersuchte, als Hagen Recht vorschlug, den Präsidenten des Bezirksgerichts Kreuzlingen, das Urteil vollstreckbar zu erklären und Rechtsöffnung zu bewilligen. Der Gerichtspräsident stellte die Akten dem thurgauischen Obergericht zu, damit es gemäss § 320 thurg. ZPO über die Bewilligung der Vollstreckbarkeit entscheide. Mit Beschluss vom 22. Dezember 1960 erteilte das Obergericht diese Bewilligung.
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B.- Gegen diesen Entscheid führt Albert Hagen staatsrechtliche Beschwerde. Er beruft sich auf Art. 4 und 59 BV sowie Art. 2 des schweiz./deutschen Vollstreckungsabkommens.
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C.- Das Obergericht des Kantons Thurgau und der Beschwerdegegner Dr. Otto Gritschneder beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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1. Nach Art. 6 des schweiz./deutschen Vollstreckungsabkommens vom 2. November 1929 (nachfolgend kurz "Abkommen" genannt) werden die Entscheidungen der Gerichte des einen Staates, die nach dem Abkommen im Gebiete des andern anzuerkennen sind, auf Antrag einer Partei von der zuständigen Behörde dieses Staates in einem möglichst einfachen und schleunigen Verfahren ![]() ![]() | |
Das Urteil, dessen Vollstreckung der Beschwerdegegner begehrt, hat die Verpflichtung zu einer Geldzahlung zum Gegenstand und ist daher nach schweizerischem Recht auf dem Wege der Schuldbetreibung zu vollziehen (Art. 38 Abs. 1 SchKG). Über seine Vollstreckbarkeit ist gemäss Art. 81 Abs. 3 SchKG von Bundesrechts wegen im Rechtsöffnungsverfahren zu entscheiden, in welchem der Betriebene die im Abkommen vorgesehenen Einreden erheben kann (BGE 86 I 35 /36 mit Verweisungen sowie Botschaft des Bundesrates zum Abkommen, BBl 1929 III 538, wo auch ausgeführt ist, dass im gemeinsamen Sitzungsprotokoll der Delegationen der beiden Länder festgestellt wurde, der im schweizerischen Rechtsöffnungsverfahren ergehende Entscheid über die Vollstreckbarkeit falle unter den Ausdruck "Vollstreckbarerklärung" im Sinne von Art. 6 des Abkommens).
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Im Kanton Thurgau ist die Erteilung der Rechtsöffnung Sache des Bezirksgerichtspräsidenten (§ 204 Ziff. 2 ZPO). Diesem steht daher im Rahmen des Rechtsöffnungsverfahrens auch die Vollstreckbarerklärung im Sinne von Art. 6 des Abkommens zu. § 320 ZPO bestimmt zwar, dass die Vollstreckungsbewilligung für Urteile ausländischer Gerichte beim Obergericht nachzusuchen ist. Soweit es sich aber um ein auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtetes Urteil handelt, über dessen Vollstreckbarkeit von Bundesrechts wegen im Rechtsöffnungsverfahren zu entscheiden ist, hat diese kantonalrechtliche Bestimmung vor dem Bundesrecht keinen Bestand (JAEGER Nr. 24 zu Art. 81 SchKG; FRITZSCHE, Schuldbetreibung I S. 126). Das hat übrigens das Obergericht im Jahre 1934 selber festgestellt (Rechenschaftsbericht 1934 S. 51 Nr. 9). Vorliegend wäre somit der Bezirksgerichtspräsident von Kreuzlingen, bei dem der Beschwerdegegner um ![]() ![]() | |
2.- 4.- (Ausführungen darüber, dass für die Vollstreckbarkeit eines deutschen Urteils in der Schweiz ausschliesslich das Abkommen massgebend ist und dass der Beschwerdeführer, indem er die Vollmacht mit der Gerichtsstandsklausel unterzeichnete, sich durch eine ausdrückliche Vereinbarung im Sinne von Art. 2 Ziff. 2 des Abkommens der Zuständigkeit der Münchner Gerichte unterworfen hat.)
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5. Für den Fall der Verbindlichkeit der Gerichtsstandsklausel macht der Beschwerdeführer geltend, dass die Vollmacht von ihm am 28. April 1958 widerrufen worden und damit die darin enthaltene Gerichtsstandsklausel dahingefallen sei. Auch diese Rüge ist unbegründet. Die Gerichtsstandsklausel ist nach schweizerischem wie nach deutschem Recht auch dort, wo sie äusserlich als Teil eines zivilen Rechtsgeschäftes erscheint, eine selbständige prozessrechtliche Abrede (BGE 62 I 234 und BGE 64 I 44 mit Zitaten, BGE 76 II 249, BGE 85 I 31). Sodann gilt eine Gerichtsstandsvereinbarung, die sich wie die vorliegende auf ein materielles Rechtsverhältnis bezieht, solange, als dieses Wirrkungen zeitigt, und sie kann daher angerufen ![]() ![]() | |
a) Der Beschwerdeführer begründet sie lediglich damit, dass der Anwaltszwang und das Fehlen einer Urteilsbegründung in der Schweiz unbekannt seien. Das genügt indes nicht, um eine Verletzung der schweizerischen öffentlichen Ordnung darzutun. Der Vorbehalt des ordre public greift dann Platz, wenn das einheimische Rechtsgefühl ![]() ![]() | |
b) Der Grundsatz des deutschen Rechts, dass die Parteien vor dem Landgericht und vor allen Gerichten des höheren Rechtszuges durch einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten sein müssen (§ 78 DZPO), bestand schon lange vor dem Abschluss des Abkommens und war als ein wesentlicher Unterschied des deutschen gegenüber dem schweizerischen Prozess bekannt. Wenn daher das Abkommen die an das Verfahren im Urteilsstaate zu stellenden Anforderungen aufzählt (Art. 4 Abs. 3), ohne das Recht zu persönlicher Prozessführung zu nennen, so kann das, wie bereits in Erw. 3 des nicht veröffentlichten Urteils vom 6. März 1936 i.S. André Dewald & Sohn ausgeführt worden ist, nur dahin verstanden werden, dass der genannte Anwaltszwang nicht als eine unzulässige Beeinträchtigung der Verteidigung im Prozess betrachtet werden soll. Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Prozess gilt in der Schweiz freilich als wichtiges Recht und folgt, soweit ihn nicht schon das kantonale Recht gewährleistet, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unmittelbar aus dem in Art. 4 BV aufgestellten allgemeinen Grundsatz der Rechtsgleichheit (statt vieler BGE 85 I 202 und 207). Im Zivilprozess muss die Partei indes nur die Möglichkeit haben, ihre Sache ![]() ![]() | |
c) Nach Art. 7 Ziff. 1 des Abkommens hat die Partei, welche die Vollstreckbarerklärung nachsucht, eine "vollständige" Ausfertigung der Entscheidung beizubringen. Nach der deutschen ZPO brauchen Versäumnisurteile, die dem Klagebegehren entsprechen, weder eine Tatbestandsdarstellung noch Entscheidungsgründe zu enthalten (§ 313 Abs. 3) und erfolgt, wenn das Urteil in dieser abgekürzten Form hergestellt wird, auch die Ausfertigung in gleicher Weise (§ 317 Abs. 4). Das Bundesgericht hat schon in Erw. 1 des eben erwähnten und in BGE 68 I 164 Erw. 3 zitierten Urteils i.S. André Dewald & Sohn entschieden, dass eine solche Ausfertigung eines deutschen Versäumnisurteils als "vollständig" anerkannt werden müsse, denn es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass das Abkommen einen selbständigen Begriff der "vollständigen" Ausfertigung hätte schaffen wollen, dessen Erfordernisse durch die nach § 317 Abs. 4 DZPO ergangenen deutschen Versäumnisurteile nicht erfüllt würden. Entspricht demnach die vom Beschwerdegegner vorgelegte Urteilsausfertigung dem Art. 7 des Abkommens, so kann der Beschwerdeführer das Fehlen der Urteilsbegründung nicht aus dem Gesichtspunkt des schweizerischen ordre public beanstanden, denn die Bestimmungen der von der Schweiz abgeschlossenen Staatsverträge gelten als Landesrecht mit Gesetzeskraft und können daher nicht gegen die schweizerische öffentliche Ordnung verstossen (BGE 72 I 275b mit Zitaten). Das Bundesgericht hat übrigens wiederholt entschieden, dass in der fehlenden oder mangelhaften ![]() ![]() ![]() |